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Parlamentsverfassungsrecht -Anstöße für eine Reform | APuZ 52-53/1993 | bpb.de

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Parlamentsverfassungsrecht -Anstöße für eine Reform

Andreas Meyer

/ 10 Minuten zu lesen

Punkte diskutiert, für die sich jedoch nicht die notwendige Mehrheit fand. Zu nennen ist hier insbesondere der Vorschlag, auch bei Initiativgesetzentwürfen aus der Mitte des Bundestages einen ersten Durchgang im Bundesrat einzuführen. Dem wurde als Haupteinwand entgegengehalten, daß das Par-

I. Überblick über den Beratungsverlauf und dessen Ergebnis

Die Mitglieder der Gemeinsamen Verfassungskommission kamen bereits auf der konstituierenden Sitzung am 16. Januar 1992 überein, Probleme des Parlamentsrechts und etlicher damit in Zusammenhang stehender Fragenkreise im Rahmen der Kommissionsberatungen zu behandeln. Inhaltlich gewann die Diskussion durch die öffentliche Sachverständigenanhörung vom 10. September 1992 an Konturen. Während zu Beginn die Beratungen einen eher allgemeinen Charakter hatten und eine Vielzahl von parlamentsrechtsbezogenen Themen angesprochen wurden, beschränkten sie sich nach nur kurzer Diskussion auch unter dem Eindruck der von den Sachverständigen vorgebrachten Argumente auf inhaltlich voneinander abgegrenzte Beratungsgegenstände, die -begrifflich ungenau -unter dem Stichwort „Parlamentsrecht“ zusammengefaßt wurden.

Letztlich wurde über folgende Themenkomplexe beraten und teilweise, soweit ein Antrag gestellt wurde, auch abgestimmt:

-Selbstauflösungsrecht des Bundestages -Recht der Abgeordnetenentschädigung lament als Repräsentationsorgan des Volkes in der Legitimationskette jedem anderen Organ vorgeschaltet und ihm in der Legitimationsdichte überlegen sei. Der Bundestag müsse daher auch Herr über die Behandlung von Anträgen aus seiner Mitte bleiben. -Oppositions-und Fraktionsrecht -Stärkung der Rechte einzelner Abgeordneter -

Parlamentarische Anfragen -Enquete-Kommission -Eckwerte für ein Untersuchungsausschußgesetz -Erweiterung des Petitionsrechts (Massenpetitionen)

-Ostdeutsche Kammer -Verlängerung der Wahlperiode -Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen und Einführung von erweiterten Ausschußberatungen (Hauptausschuß)

-Einrichtung eines ökologischen Rates -Einrichtung eines Parlamentsfernsehkanals (Elektronisches Protokoll).

Darüber hinaus wurden noch einige weitere, im Zusammenhang mit dem Parlamentsrecht stehende Themen behandelt:

-Zusammenlegung von Landtagswahlterminen -Verringerung der Zahl der Bundestagsabgeordneten

-Stärkung der Rechte der Wähler und der Parteimitglieder

-Wahl und Amtszeit des Bundespräsidenten. Die Beratungen über diese Themenkomplexe waren Gegenstand der 9. Sitzung am 9. Juli 1992, der 13. Sitzung am 26. November 1992 und der 24. Sitzung am 17. Juni 1993, auf der über die gestellten Anträge abgestimmt wurde, sowie zahlreicher Berichterstattergespräche. Im Ergebnis fand kein Antrag die für eine Beschlußfassung der Kommission notwendige Zweidrittelmehrheit. Die Kommission gab zum Beratungsgegenstand Parlamentsrecht daher folgende Erklärung ab: „Die Gemeinsame Verfassungskommission spricht weder eine Empfehlung zur Änderung des Parlamentsverfassungsrechts noch zur Ergänzung des Parlaments-rechts durch den einfachen Gesetzgeber aus. “

II. Anmerkungen zur Auswahl der Beratungsgegenstände

Ein erster Überblick über die unter dem Stichwort „Parlamentsrecht“ beratenen Themenkomplexe läßt vermuten, daß sich viele nur in einem sehr weiten Sinne diesem Rechtsgebiet zuordnen lassen. Legt man jedoch die von Hatschek eingeführte Definition zugrunde, nach der das Parlamentsrecht aus den das Parlament, seine Organisation und Tätigkeit betreffenden Rechts-sätzen besteht, wird deutlich, daß sich die Kommission -mit nur geringfügigen Ausnahmen aus Gründen des Sachzusammenhangs -tatsächlich mit verschiedenen, inhaltlich allerdings nur locker verbundenen Fragekreisen des Parlaments-rechts beschäftigt hat. Der Eindruck eines sachlich nicht zwingenden Zusammenhangs ergibt sich im wesentlichen aus der herkömmlichen Zuordnung der einzelnen Beratungsgegenstände zu verschiedenen Ebenen der rechtlichen Rangordnung. Während einige Themen im Grundgesetz und hier insbesondere im III. Abschnitt geregelt sind, also dem Parlamentsverfassungsrecht zuzuordnen sind, unterliegen andere einfachgesetzlichen Rechtsvorschriften bzw.dem Geschäftsordnungsrecht des Parlaments.

Diese von Erwägungen der Praktikabilität getragene Zusammenfassung von Beratungsgegenständen, die traditionell unterschiedlichen Normebenen zugerechnet werden, führte im Laufe der Beratungen zu erheblichen Problemen, die nach Ansicht des Verfassers die Argumentation und das Beratungsergebnis entscheidend mitbestimmten.

Ein Überblick über die Diskussion zu den Schwerpunkten der Beratungen soll diese These im folgenden belegen.

III. Schwerpunkte der Beratungen

Angesichts der Vielzahl der erörterten Themen-komplexe wird im Rahmen dieses Beitrages nur die Diskussion zu fünf ausgewählten und auf Anträgen basierenden Beratungsgegenständen dargestellt, die zum Schwerpunkt der Kommissionsarbeit im Bereich des Parlamentsrechts gehörten. 1. Recht der Abgeordnetenentschädigung Das geltende Recht der Abgeordnetenentschädigung zieht seit langem den Vorwurf einer Entscheidung der Abgeordneten des Bundestages in eigener Sache („Selbstbedienung“) auf sich. Unter dem Eindruck der öffentlichen Diskussion stellte sich die Gemeinsame Verfassungskommission der Frage, ob nicht die Zuständigkeit und Verantwortung für die jeweilige Anpassung der Entschädigung aus dem parlamentarischen Raum hinaus verlagert werden sollte.

Kern der Überlegungen war, ob die Entscheidung über die Höhe der Abgeordnetenentschädigung durch eine Neufassung von Art. 48 Abs. GG einer vom Bundespräsidenten eingesetzten unabhängigen Kommission übertragen werden sollte (vgl. Kommissionsdrucksache Nr. 54). Mit dieser Grundgesetzänderung sollte der Konflikt, der zwischen Demokratie-und Rechtsstaatsprinzip in dieser Frage bestehe, angemessen gelöst werden, weil die Abgeordneten gegenwärtig über ausschließlich sie selbst begünstigende Regelungen entscheiden müßten.

Im Ergebnis teilten viele Mitglieder der Kommission die Ansicht des zwischenzeitlich vorgelegten Gutachtens der vom Bundespräsidenten berufenen „Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Finanzierung der Parteien“ 2 und des Berichts der Vom Ältestenrat des Bundestages eingesetzten „Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Abgeordnetenrechts“ 3, daß die Übertragung des letzten Entscheidungsrechts in der Frage der Abgeordnetenentschädigung auf ein parlamentsexternes Gremium gegen die durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsprinzipien verstoßen würde. Der Gesetzesvorbehalt für die Abgeordnetenentschädigung sei eine Essentialie des demokratischen Prinzips so daß fraglich sei, ob sich bei diesem Beratungsgegenstand die gegenwärtige Rechtslage unter Geltung des Grundgesetzes überhaupt verändern ließe. 2. Oppositions-und Fraktionsrechte Die Regelungen zu den Fraktionen und zur Opposition, insbesondere in den Verfassungen der neuen Länder, sowie die Empfehlungen der „Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Finanzierung der Parteien“ waren im wesentlichen der Anlaß für entsprechende Überlegungen der Gemeinsamen Verfassungskommission. Ein Antrag (Kommissionsdrucksache Nr. 55) sah die verfassungsrechtliche Normierung von Fraktionen und der Opposition im Grundgesetz durch einen neu einzufügenden Art. 49 vor. Begründet wurde er damit, daß die Fraktionen für ihre Arbeit einer angemessenen Rechtssicherheit bedürften. Die Einzelheiten sollten jedoch nicht im Grundgesetz, sondern im Rahmen eines einfachen Gesetzes geregelt werden.

Der Antrag zur verfassungsrechtlichen Normierung der Opposition wurde mit der durch die Weiterentwicklung des parlamentarischen Systems veränderten Rolle der Opposition gerechtfertigt. Die Parlamentsmehrheit sei aufgrund ihrer auch personellen Verbundenheit mit der Regierung so eng mit dieser verwoben, daß deren Kontrolle vor allem der parlamentarischen Opposition zufalle.

Die Gegner der vorgeschlagenen Fraktionsregelung brachten vor, daß es ausreiche, eine einfach-gesetzliche Normierung im Rahmen der Fraktionsoder Abgeordnetengesetzgebung zu schaffen, um die bestehenden Probleme bereits unter der Geltung des bestehenden Verfassungsrechts zu lösen. Die Oppositionsregelung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil die Staatspraxis die Opposition ausreichend berücksichtige. 3. Stärkung der Rechte einzelner Abgeordneter -

Parlamentarische Anfragen Im Anschluß an die Empfehlung der Enquete-Kommission Verfassungsreform zur Aufnahme von besonderen Rechten einzelner Abgeordneter in das Grundgesetz sowie entsprechender Forderungen der Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten wandte sich auch die Gemeinsame Verfassungskommission dieser Problematik zu.

Die Befürworter der Schaffung einer Grundgesetz-norm über Parlamentarische Anfragen belegten die Notwendigkeit einer ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der Informationspflichten der Bundesregierung mit dem Hinweis auf ein bestehendes Defizit. Infolge der Machtverteilung zwischen der Regierung und den sie tragenden Fraktionen einerseits sowie der Opposition andererseits sei es zum Schutz des freien Mandats notwendig, die Auskunftsrechte der einzelnen Abgeordneten zu stärken, damit die Bundesregierung ihr amtliches Wissen nicht ausschließlich unter parteipolitischen Gesichtspunkten verwerten könne. Eine Regelung dieser Problematik im Wege der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages sei keinesfalls ausreichend, weil nur die verfassungsrechtliche Absicherung des Rechts der Anfragen alle Beteiligten genügend in die Pflicht nehmen könne. Allerdings sei die Geschäftsordnung der richtige Ort für eine nähere Ausgestaltung des Fragerechts.

Von vielen Kommissionsmitgliedern wurde die vorgeschlagene Grundgesetzänderung abgelehnt, weil sich die Trennung, die die Verfassung grundsätzlich zwischen Parlament und Regierung gezogen habe, in der Staatspraxis bewährt habe und daher die Gefahr bestünde, daß ein verfassungsrechtlich garantiertes Auskunftsrecht diese Grenze überschreite und in unverhältnismäßiger Weise in den unantastbaren exekutiven Kernbereich eingreife. Ein solches Recht sollte nur Untersuchungsausschüssen eingeräumt werden. 4. Enquete-Kommissionen Das Recht der Enquete-Kommissionen ist bisher nur in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages geregelt (§§ 56, 74 GOBT). Im Anschluß an den Bericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform 7 und einen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion in der 6. Periode war sich die Gemeinsame Verfassungskommission darin einig, die Frage der Aufnahme einer Regelung für Enquete-Kommissionen durch Einfügung eines Art. 44a GG in das Grundgesetz zu beraten (Kommissionsdrucksache Nr. 58).

Die Befürworter einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Rechts der Enquete-Kommissionen brachten im wesentlichen drei Argumente vor. Einmal sei nur durch eine ausdrückliche Verfassungsnorm sicherzustellen, daß die Erörterung von Sachproblemen nahe am Parlament angesiedelt werde und nicht außerhalb der parlamentarischen Verantwortung stattfinde. Zweitens bestünden gerade in letzter Zeit bei einer Reihe von Themen erhebliche Probleme bei der Einrichtung solcher Kommissionen. Drittens müsse grundsätzlich geklärt werden, wie die Stellung der hinzugezogenen Sachverständigen auszugestalten sei. Weitere Fragen des Rechts der Enquete-Kommissionen seien typische Regelungsgegenstände der Geschäftsordnung.

Die Gegner einer solchen Grundgesetzänderung wiesen darauf hin, daß nach bestehender Rechtslage das Recht der Enquete-Kommissionen in der Geschäftsordnung des Bundestages ausreichend geregelt sei. 5. Eckwerte für ein Untersuchungsausschußgesetz Art. 44 GG bildet die verfassungsrechtliche Grundlage für das Recht der Untersuchungsausschüsse Mit Ausnahme des § 55 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GOBT) gibt es keine weitere Bestimmung, die unmittelbar die Einsetzung und das Verfahren der Untersuchungsausschüsse regelt. Der Kritik ist die gegenwärtige Rechtslage besonders aufgrund der konfliktträchtigen Verweisung des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG auf das Strafprozeßrecht und aufgrund der verfahrensrechtlichen Stellung der parlamentarischen Minderheit im Untersuchungsverfahren ausgesetzt. Bereits 1969 wurde von der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft für das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse ein Ausführungsgesetz vorgeschlagen Diese Vorschläge finden als sogenannte IPA-Regeln noch heute Berücksichtigung bei dem Verfahren der Untersuchungsausschüsse. Auch die Enquete-Kommission Verfassungsreform empfahl eine umfangreiche Änderung des Art. 44 GG und darüber hinaus ein Ausführungsgesetz zur Normierung des Untersuchungsausschußrechts. Diese Empfehlungen fanden ihren Niederschlag in zahlreichen Gesetzesinitiativen

Die Gemeinsame Verfassungskommission beriet einen Antrag, der Eckwerte für ein Untersuchungsausschußgesetz (Kommissionsdrucksache Nr. 57) aufstellte und die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts bei Streitigkeiten über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Untersuchungsauftrags im Rahmen eines noch zu verabschiedenden Untersuchungsausschußgesetzes forderte. Zur Begründung wurde angeführt, daß es unangemessen sei, wenn derzeit ein Amtsgericht die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages anläßlich eines Beweiserhebungsverfahrens im Rahmen der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses vornehme. Es bestand Einigkeit darüber, daß diese Zuständigkeit zugunsten des Bundesverfassungsgerichts inhaltlich modifiziert werden müsse. Es waren jedoch unterschiedliche Auffassungen in der Frage vorhanden, ob darüber hinaus weiterer Änderungsbedarf für Art. 44 GG bestehe oder ob im übrigen ein Ausführungsgesetz ausreiche.

IV. Die mit der Auswahl der Beratungsgegenstände verbundene besondere Problematik

Diese Darstellung des Beratungsganges an Hand ausgewählter Beispiele -und hierbei insbesondere der Beratungen zum Recht der Enquete-Kommissionen und Untersuchungsausschüsse -verdeutlicht, daß, neben vielen anderen Gründen bei der Ablehnung von Änderungen des Parlaments-rechts, durch einen beachtlichen Teil der Kommissionsmitglieder immer wieder das Argument der unrichtigen Zuordnung der Änderungsvorschläge zu den unterschiedlichen Regelungsebenen des Verfassungs-, Gesetzes-oder Geschäftsordnungsrechts vorgebracht wurde. Auch die Antragsteller selbst waren sich bei der Abgrenzung des originären Regelungsgehalts der verschiedenen Norm-ebenen oftmals nicht sicher. Insbesondere kam es vor allem dann zu unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten über die systematisch richtige Einordnung eines Antrages, wenn das betreffende Rechtsproblem traditionell nicht auf verfassungsrechtlicher Stufe geregelt ist, die Antragsteller aber eine Absicherung des Rechts auf Verfassungsebene erreichen wollten.

Die sich durch die Diskussionen ziehenden Differenzen über die richtige Zuordnung der zu beratenden Vorschläge zu den verschiedenen normativen Rangstufen des Parlamentsrechts können mit einem roten Faden verglichen werden, der auf die rechtstheoretische Problematik des Parlaments-rechts schlaglichtartig hinweist. Im Ergebnis waren diese Probleme neben weiteren rechtlichen und politischen Bedenken wesentliche Gründe für die vollständige Ablehnung aller Anträge, obwohl bei vielen Beratungsgegenständen ein größerer Konsens in der Sache bestand, als es die Abstimmungsergebnisse wiedergeben.

V. Grundlage einer Parlamentsrechtsreform

Die fortwährende Überarbeitung des Parlaments-rechts und hierbei insbesondere die Anpassung des Parlamentsverfassungsrechts an neuere Entwicklungen ist aufgrund des ständigen gesellschaftlichen und politischen Wandels eine nie endende Aufgabe des Parlaments und des Verfassungsgesetzgebers. Das Bemühen um eine das Recht fort-entwickelnde Tätigkeit auf diesem Gebiet bildet die Grundlage für einen den Herausforderungen der Zeit gerecht werdenden Parlamentarismus, der sich den in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Ansprüchen gerade auch an die Formulierung von rechtsstaatlichen Grundsätzen im parlamentarischen Bereich auf Dauer nicht verschließen können wird. Nur eine unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und -klarheit vollzogene Überarbeitung des Parlamentsverfassungsrechts kann eine solide Basis für in Zukunft notwendig werdende Reformen des Parlamentsrechts sein.

Die Gemeinsame Verfassungskommission hatte sich selbst dazu verpflichtet, einige von vielen für notwendig gehaltene Änderungen des Parlaments-rechts zu beraten und gegebenenfalls zu beschließen, auch wenn es ihr aufgrund ihrer auf das Verfassungsrecht beschränkten Aufgabenstellung bei vielen Einzelpunkten nur möglich gewesen wäre, Eckwerte für den Gesetz-bzw.den Geschäftsordnungsgeber zu formulieren. Dieser selbst gestellten Aufgabe wurde sie aus vielerlei Gründen nicht gerecht.

Ungeachtet der vielfältigen rechtlichen und politischen Probleme, die einem erfolgreichen Abschluß der Beratungen zum Parlamentsrecht letztlich entgegenstanden, ist festzustellen, daß die Kommission nicht das geeignete Forum für eine Reform des Parlamentsrechts war. Die sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen ziehende Problematik der Zuordnung der beratenen Vorschläge zu den verschiedenen Ebenen des Parlamentsrechts zeigt deutlich, daß eine -offensichtlich von allen im Bundestag vertretenen Parteien im Grundsatz für notwendig gehaltene -Überarbeitung des Parlamentsrechts erneut die Aufgabe einer Enquete-Kommission sein muß, die in den von der Kommission vorgezeichneten Problemschwerpunkten ein umfassendes Tätigkeitsgebiet für die weiterführende Erarbeitung der aufgezeigten Rechtsprobleme auf wissenschaftlicher Grundlage finden wird.

Dies kann jedoch nichts daran ändern, daß es richtig und notwendig war, zu versuchen, durch die Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission die Reform des Parlamentsrechts voranzutreiben. Zwar wurde die Möglichkeit für eine Reform des Parlamentsrechts nicht wahrgenommen, die Arbeit der Gemeinsamen Verfassungskommission hat jedoch wichtige Anstöße gegeben. Erst wenn diese im parlamentarischen Bereich nicht aufgenommen werden würden, müßte man rückblickend die Arbeit der Kommission als eine vergebene Chance für die Reform dieses für eine repräsentative Demokratie so wichtigen Rechts-gebiets werten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches,'BandI, Berlin 1915, S. 1.

  2. Bundestagsdrucksache 12/5020.

  3. Vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 1975, BVerfGE 40, 296, 319.

  4. Vgl. Bundestagsdrucksache 7/5924, S. 23ff.

  5. Vgl. Protokoll vom 11. Mai 1992, S. 56.

  6. Bundestagsdrucksache VI/546.

  7. Art. 45 a GG enthält nur eine Sonderregelung über das Untersuchungsrecht des Verteidigungsausschusses, nicht über das Verfahren.

  8. Vgl. Bundestagsdrucksache V/4209.

  9. Vgl. Bundestagsdrucksachen 8/1180; 8/1181; 10/6587; 11/1896; 11/2025.

Weitere Inhalte

Andreas Meyer, geb. 1959; Regierungsrat z. A.; Referent im Sekretariat der Gemeinsamen Verfassungskommission.