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Wirtschaftspolitik zur Verbesserung der Standortbedingungen in den neuen Bundesländern | APuZ 17/1994 | bpb.de

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APuZ 17/1994 Aufbau und Erneuerung Über die institutioneilen Bedingungen der Standortentwicklung in Deutschland Produktionsstandort Ostdeutschland Zum Stand der Modernisierung und Erneuerung der Wirtschaft in den neuen Bundesländern Wirtschaftspolitik zur Verbesserung der Standortbedingungen in den neuen Bundesländern Industriepolitik in Ostdeutschland am Beispiel des Bundeslandes Sachsen

Wirtschaftspolitik zur Verbesserung der Standortbedingungen in den neuen Bundesländern

Michael Heise

/ 18 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die ostdeutsche Wirtschaft konnte in den letzten beiden Jahren deutliche Fortschritte im Strukturwandel erzielen. Auch wenn es noch einige Zeit dauern dürfte, bis sich die Lebensverhältnisse in Ost-und Westdeutschland annähernd angeglichen haben werden, ist nicht zu übersehen, daß der Aufbau eines neuen Kapitalstocks weit vorangeschritten ist und die Produktion seit längerem mit hohen Zuwachsraten ansteigt. Die Wirtschaftspolitik war hieran maßgeblich beteiligt, indem sie von Anfang an eine wachstumsorientierte Strategie verfolgt hat: durch Förderung privater Investitionen, Aus-und Aufbau einer unternehmensnahen Infrastruktur sowie einer leistungsfähigen Verwaltung und durch rasche Privatisierung der früheren Staatsuntemehmen. Zu dieser Politik gab und gibt es keine emstzunehmende Alternative, wenn auch gewisse Anpassungen (stärkere regionale Differenzierung der Investitionsförderung, in Einzelfällen auch der Erhalt von Unternehmen von überragender regionaler Bedeutung) notwendig sein mögen. Lediglich das Urteil über die Lohnpolitik fällt nicht so uneingeschränkt positiv aus, denn die auf eine rasche und undifferenzierte Angleichung der Löhne an das Westniveau gerichtete Tarifpolitik hat nicht allein den anfänglichen Einbruch bei Produktion und Beschäftigung verschärft, sondern auch den Wachstumsprozeß verzögert. Für die Zukunft kommt es daher entscheidend darauf an, Löhne und Leistungsfähigkeit der Betriebe stärker in Übereinstimmung miteinander zu bringen, um auf diese Weise zu einer Verbesserung der Beschäftigungssituation beizutragen. Wenn dies gelingt, sind die langfristigen Perspektiven für die ostdeutsche Wirtschaft durchaus positiv einzuschätzen.

I. Problembefund

Obwohl bald vier Jahre vergangen sein werden, seitdem die D-Mark als gesetzliches Zahlungsmittel in der DDR eingeführt und die ehemals volkseigenen Betriebe und Kombinate dem Schock weltweiter Konkurrenz ausgesetzt wurden, haben die neuen Bundesländer erst einen verhältnismäßig kleinen Teil des Weges bei der Realisierung einer wettbewerbsfähigen und modernen Wirtschaftsstruktur zurückgelegt. Die dramatische Entwicklung der vergangenen Jahre hat klar gezeigt, welche Anstrengungen erforderlich sind und wieviel Zeit und Geld es kostet, eine sozialistische Planwirtschaft unter den Bedingungen intensiver internationaler Konkurrenz, ohne Abschirmungsmechanismus über den Wechselkurs und bei hoher Mobilität der Arbeitskräfte in eine leistungsfähige Marktwirtschaft zu überführen. Während diese Einsicht weithin unbestritten ist, gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Wirtschaftspolitik den richtigen Kurs gesteuert und bestmöglich zur Strukturerneuerung der ostdeutschen Wirtschaft beigetragen hat. Ein Urteil hierüber ist deshalb so schwer, weil es keine Referenzfälle für den Transformationsprozeß der ostdeutschen Wirtschaft gibt und man nicht weiß, wie die Entwicklung unter idealen wirtschaftspolitischen Bedingungen verlaufen wäre. Trotzdem muß die Wirtschaftspolitik zu klaren Vorstellungen darüber kommen, ob die Wirtschaftsentwicklung hinter einem möglichen günstigeren Verlauf zurückbleibt: Nur wenn sie Fehlentwicklungen verläßlich erkennt, kann sich die Politik vor kurzatmigem Aktionismus schützen.

Zum Problembefund ist zunächst festzustellen, daß das in Ostdeutschland produzierte Güter-volumen nach dem tiefen Absturz bis Mitte 1991 wieder angestiegen ist, 1992 um 9, 7 Prozent und 1993 um 7, 1 Prozent. Für 1994 erwartet der Sachverständigenrat eine weitere Zunahme von 7, 5 Prozent. Dieses Wachstumstempo ist erfreulich; es bedeutet aber nicht, daß die gravierenden Probleme der ostdeutschen Wirtschaft bald gelöst sein werden.

Zum einen würde es bei einem wirtschaftlichen Wachstum von real sieben bis acht Prozent pro anno noch sehr viele Jahre dauern, bis das Einkommensniveau je Einwohner in Ostdeutschland das westdeutsche Niveau in etwa erreicht hätte. Sogar bei einem Wachstumsdifferential gegenüber Westdeutschland von anhaltend sieben Prozentpunkten wäre das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner erst nach rund zehn Jahren von derzeit etwa 40 auf 80 Prozent des westdeutschen Niveaus angestiegen Da das Niveau des Verbrauchs je Einwohner schon heute rund 62 Prozent des westdeutschen beträgt, werden die neuen Bundesländer noch für etliche Jahre von Transferzahlungen abhängig sein und wird noch über etliche Jahre ein hohes Defizit im Handel mit anderen Regionen bestehen bleiben.

Ernüchternd ist auch ein Blick auf die Perspektiven des Arbeitsmarktes. Selbst durch ein kräftiges Wachstum wie das der vergangenen beiden Jahre werden nicht in genügendem Umfang Arbeitsplätze geschaffen, um die offene und verdeckte Arbeitslosigkeit von derzeit schätzungsweise 2, 5 Millionen Personen in den nächsten Jahren deutlich reduzieren zu können Der wesentliche Grund hierfür ist, daß die frühere arbeitsintensive Wirtschaftsstruktur durch eine wesentlich kapitalintensivere ersetzt wurde und weiter ersetzt werden muß, damit die Wertschöpfung der Arbeitskräfte so weit ansteigt, daß die Wirtschaft westdeutsches Lohnniveau verkraften kann.

Eine Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Lage in den neuen Bundesländern kommt also zu dem Ergebnis, daß die Wirtschaftspolitik noch über Jahre hinaus mit den Folgen der Transformation der ostdeutschen Wirtschaft befaßt sein wird. Bedeutet das aber, daß die Wirtschaftspolitik grundsätzlich den falschen Kurs eingeschlagen hat und ihn korrigieren sollte? Wohl kaum -denn unbeschadet der Irrtümer und Fehleinschätzungen, die es in Einzelbereichen gegeben hat, gibt es doch Anhaltspunkte dafür, daß die Grundrichtung der Wirtschaftspolitik in den neuen Bundesländern richtig war:

Erstens: Das wichtigste Indiz für einen voranschreitenden Prozeß der wirtschaftlichen Erneuerung -und damit gleichsam Erfolgsindikator für die Wirtschaftspolitik -sind die Investitionen. Anders als es in der öffentlichen Diskussion häufig angenommen wird, sind diese in Ostdeutschland in den vergangenen Jahren nicht nur kräftig angestiegen, sie haben inzwischen auch ein beträchtliches Niveau erreicht. Je Einwohner und vor allem je Erwerbstätigen gerechnet, hegen die Anlageinvestitionen in Ostdeutschland inzwischen höher als in Westdeutschland (Relationen in 1993: 103 resp. 115) Einen deutlichen Vorsprung zeigen diese Verhältniszahlen bei den öffentlichen Investitionen (Relation je Einwohner 1993: 136) und bei den gewerblichen Investitionen ohne Wohnungsbau (Relation 1993: 111). Unter den westdeutschen Vergleichswerten liegen nach wie vor die Wohnbauten (Relation 1993: 76).

Auch im Verarbeitenden Gewerbe wird in beträchtlichem Umfang investiert. Darauf deuten nicht allein die Investitionszusagen hin, die der Treuhandanstalt beim Verkauf ihrer Unternehmen gemacht worden sind (insgesamt 186, 6 Milliarden DM -Stand Dezember 1993) und die einen weiteren Investitionsanstieg in den kommenden Jahren erwarten lassen. Auch nach Schätzungen des ifoInstituts, die unter anderem auf Befragungen von westdeutschen Unternehmen beruhen, werden die Investitionen im Produzierenden Gewerbe im Jahre 1993 bei immerhin 43, 5 Milliarden D-Mark liegen Alles in allem gibt es also keinen Anlaß, über die Investitionsentwicklung der vergangenen Jahre enttäuscht zu sein.

Gewiß wären noch höhere Investitionen von Vorteil gewesen und mittelfristig werden die Investitionen auch noch steigen müssen, damit die Kapitalausstattung Ostdeutschlands der westdeutschen angeglichen werden kann. Aber unter den obwaltenden Bedingungen, die nicht allein durch die politische Entscheidung zugunsten der Restitution von Alteigentum mit entsprechenden Verzögerungen bei der Privatisierung von Unternehmen und der Freigabe von Gewerbegrundstücken, sondern darüber hinaus auch durch Anlaufschwierigkeiten in der öffentlichen Verwaltung, durch beträchtliche Lohnsteigerungen und nicht zuletzt durch den Zusammenbruch der Ostmärkte gekennzeichnet waren, ist der Investitionsanstieg alles in allem beträchtlich gewesen. Die Grundsatzentscheidung .der Wirtschaftspolitik, nicht massiv in die Erhaltung alter Wirtschaftsstrukturen zu investieren, sondern mit beträchtlichen Subventionen und forciertem Infrastrukturaufbau die Investitionen privater Unternehmen anzustoßen, erweist sich schon heute als richtig.

Zweitens: In der wirtschaftspolitischen Diskussion der letzten Jahre war viel von der Deindustrialisierung Ostdeutschlands die Rede In der Tat ist die Industrieproduktion nach einem atemberaubenden Rückgang von Mitte 1990 bis Mitte 1991 auf ein sehr geringes Niveau gesunken. Das Verarbeitende Gewerbe hat im Vergleich zu früher in extremer Weise an Bedeutung verloren, und es wird vom Beschäftigungsvolumen her wohl nie wieder damalige Ausmaße annehmen können. In Anbetracht des scharfen Wettbewerbs und der bereits erreichten und weiter ansteigenden Belastung der Unternehmen mit Lohn-und Lohnnebenkosten wird es in Deutschland -West wie Ost -mittelfristig nur eine „schlanke“ Industrie mit hohem Innovationspotential, hoher Arbeitsproduktivität und hoher Kapitalintensität geben können. Der Weg dorthin ist in den neuen Bundesländern eingeschlagen worden, und die Investitionstätigkeit in der Industrie -die freilich noch an Breite gewinnen muß -deutet auf das allmähliche Entstehen einer solchen Wirtschaftsstruktur hin.

Die allgemeine Enttäuschung über die industrielle Entwicklung hängt wohl auch damit zusammen, daß es so lange gedauert hat, bis die Investitionen in wieder zunehmender Produktion und mehr neuen Arbeitsmöglichkeiten fühlbar wurden. So begann die reale Wertschöpfung der Industrieunternehmen erst 1992 merklich zu steigen, und der Nettoproduktionsindex, der stärker die Produktionsentwicklung der Großunternehmen erfaßt, ist erst seit Anfang 1993 deutlich aufwärtsgerichtet. Anfänglich waren für die Belebung vor allem jene Branchen verantwortlich, die von der regen Baukonjunktur profitierten. Inzwischen hat die Aufwärtsentwicklung an Breite gewonnen. Auch Branchen des Investitions-und Verbrauchsgüter produzierenden Gewerbes, die im internationalen Wettbewerb stehen, können steigende Produktionszahlen vermelden. Die Industriebeschäftigung hat sich trotz weiterer Freisetzungen in ehemaligen Treuhandunternehmen stabilisiert. Eine Momentaufnahme der ostdeutschen Wirtschaft zeigt also, daß es neben dem gravierenden Mangel an rentablen Arbeitsplätzen, dem Un-gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage und dem daraus folgenden gewaltigen Importüberschuß auch deutliche positive Veränderungen gibt. Die Grundrichtung der staatlichen Wirtschaftspolitik findet alles in allem Bestätigung. Das heißt allerdings nicht, daß die Wirtschaftspolitik schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft hätte, um das Wachstumspotential der neuen Bundesländer voll zur Geltung kommen zu lassen

II. Aufgaben der Wirtschaftspolitik zur Verbesserung der Standortbedingungen in den neuen Bundesländern

Die Anziehungskraft der neuen Bundesländer auf nationale wie internationale Investoren hängt immer stärker davon ab, wie die Bundesrepublik insgesamt als Standort eingeschätzt und bewertet wird. Wirtschaftspolitik zur Verbesserung der Standortbedingungen in den neuen Bundesländern kann sich also nicht darauf beschränken, die spezifischen Probleme in Ostdeutschland zu lösen und den dortigen Standortvorteilen volle Geltung zu verschaffen; sie muß auch die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen -vor allem mit Hinblick auf die Wachstums-und Beschäftigungsdynamik, die Preisniveaustabilität, die Staatsverschuldung und die Steuerbelastung -wieder verbessern.

Diese Aufgabe ist sehr umfassend und kann hier nur in allgemeinen Gründzügen angesprochen werden. Ziel der staatlichen Wirtschaftspolitik muß es sein, Märkte funktionsfähig und offen zu halten und einen intensiven Wettbewerb zu sichern. Die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen sind ständig fortzuentwickeln und Regulierungen auf ihre Zweckbestimmung sowie mögliche Wachstums-und investitionshemmende Wirkungen zu überprüfen. Die Wirtschaftspolitik hat darüber hinaus darauf zu achten, daß Risiko und Ertrag von Investitionen nicht in ein gravierendes Mißverhältnis zueinander geraten und die Anreize für wirtschaftliche Initiativen nicht durch zu hohe Steuer-und Abgabenlasten verschüttet werden. Es muß glaubwürdig darauf hingearbeitet werden, daß der Anstieg der Steuer-und Abgabenlast, der in den letzten Jahren zu verzeichnen war, auf mittlere bis längere Sicht wieder zurückgeführt wird. Angesichts der gewaltigen staatlichen Finanzierungsdefizite heißt das, daß die Ausgabensteigerungen im öffentlichen Bereich wirksam begrenzt werden müssen Eine solche Begrenzung hat die mittelfristige Finanzplanung immer wieder in Aussicht gestellt. Eingehalten werden konnten die ehrgeizigen Pläne in den'letzten Jahren indessen nicht.

Der stabilisierungspolitische Erfolg ist von entscheidender Bedeutung für die Attraktivität des Standorts Deutschland. Er prägt das „Standortimage“ und beeinflußt das Niveau der Kapitalmarktzinsen sowie die unternehmerischen Wachstumserwartungen ganz entscheidend. Staat, Tarifparteien und die Notenbank müssen ihren Part übernehmen, damit der Wachstumsspielraum der Wirtschaft unter Wahrung von Preisniveaustabilität ausgenutzt werden kann. Wichtig ist vor allem, daß die Tarifpolitik einen moderaten Kurs steuert (was ja nach Jahren hoher Lohnsteigerungen für 1994 auch festzustellen ist), daß die Geldpolitik die Zinssenkungsspielräume nutzt, dabei aber behutsam vorgeht und nicht die Stabilität der D-Mark im inneren wie nach außen gefährdet, und daß die Finanzpolitik ihr mittelfristiges Konsolidierungskonzept durch Ausgabenzurückhaltung konsequenter als bisher umsetzt.

Ergänzt werden müssen die allgemeinen Anstrengungen zur Verbesserung der Standortbedingungen durch wirtschaftspolitische Maßnahmen zum Abbau der regionenspezifischen Probleme in den neuen Bundesländern. Es ist zu fragen, ob der bisherige Kurs der Wirtschaftspolitik in den wichtigsten Einzelbereichen beibehalten oder korrigiert werden sollte und ob neue Schwerpunktsetzungen erforderlich sind. 1. Privatisierung -Sanierung Nachdem die Treuhandanstalt bei der Privatisierung ein beträchtliches Tempo vorgelegt hat und ihre Tätigkeit im operativen Bereich im vierten Jahr nach der Vereinigung zum Abschluß bringen will, rückt zunehmend die Frage in den Vordergrund, was mit denjenigen Unternehmen geschehen soll, die von der Treuhandanstalt nicht mehr privatisiert werden können, aber grundsätzlich als sanierungsfähig gelten. Aller Voraussicht nach wird es sich um nur wenige Unternehmen handeln, mit einer Beschäftigtenzahl, die insgesamt bei rund 50000 liegen dürfte. Die Bundesregierung hat die Absicht bekundet, Unternehmen, die sanierungsfähig sind, aber zur Zeit nicht privatisiert werden können, weiter zu erhalten und zu unterstützen. Dabei kann es nur darum gehen, Sanierungsanstrengungen noch für eine Weile fortzusetzen oder aus regionalpolitischen Erwägungen unvermeidliche Anpassungsprozesse zu verzögern und dadurch soziale Härten abzumildern. Es muß vermieden werden, daß Dauersubventionstatbestände geschaffen werden, letztlich also die kostspielige Erhaltung nichtrentabler Unternehmen stattfindet.

Wie groß das Risiko von Dauersubventionen sein wird, hängt auch davon ab, in welcher Trägerschaft diese Unternehmen saniert werden sollen. Eine vom Sachverständigenrat befürwortete Lösung ist es, diese Unternehmen den Ländern zu übereignen, denn die Entscheidung, ob Unternehmen weiter unterstützt werden, ist in erster Linie unter regionalpolitischen Gesichtspunkten zu treffen Sie gehört damit in die Kompetenz der Länder, die darüber befinden müssen, wofür sie ihre knappen Mittel einsetzen wollen: für die Erhaltung von Unternehmen oder für andere Formen der Regionalförderung wie Infrastrukturinvestitionen oder Investitionszuschüsse an private Unternehmen. Dabei kommt es allerdings entscheidend darauf an, daß Entscheidungskompetenzen und finanzielle Verantwortlichkeiten nicht voneinander getrennt werden. Offenkundige Fehlanreize entstehen, wenn die Länder über den Erhalt von Unternehmen entscheiden, die erforderlichen Mittel aber von der Treuhandanstalt oder dem Bund aufgebracht werden müssen. Bei der vorgesehenen Übertragung von Unternehmen an den Bund sind Konflikte angelegt zwischen dem Bund, der die Erhaltung durch Subventionen zu finanzieren hat, und den betroffenen Ländern, die keine Kosten tragen, deswegen aber um so nachdrücklicher ihr regionalpolitisches Interesse an einer Erhaltung geltend machen werden

2. Lohnpolitik

Im Mittelpunkt der Kritik stand in den letzten Jahren die Entscheidung der Lohnpolitik, die Tariflöhne in Ostdeutschland in einem relativ kurzen Zeitraum schrittweise an das westdeutsche Niveau heranzuführen. Hingewiesen wird darauf, daß die Lohnkosten je Produkteinheit in den neuen Bundesländern derzeit um ca. 80 Prozent höher liegen als in Westdeutschland. Auch wenn diese Statistik vorsichtig interpretiert werden muß, gibt sie doch einen Eindruck davon, wie weit die Löhne der Lei­ stungfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft vorausgeeilt sind

Die Lage ist allerdings außerordentlich differenziert. Die noch zu sanierenden und zu privatisierenden Treuhandunternehmen sowie viele in der Startphase stehende Neugründungen, darunter auch Unternehmen, die von Teilen der Belegschaft erworben wurden (MBOs), sind noch nicht imstande, die in Relation zu ihrer Leistung hohen Löhne zu verkraften. In diesen Unternehmen wird entweder die Beschäftigung niedriger oder die Subventionierung tendenziell höher sein als bei niedrigerem Lohnnivau. Die Argumentation, daß die Subventionierung der Lohnsumme in Treuhandunternehmen Pflicht und Schuldigkeit des Eigentümers „Staat“ sei und keinen volkswirtschaftlichen Schaden verursache, ist ökonomisch nicht haltbar, denn diese Mittel fehlen an anderer Stelle: etwa bei Infrastrukturinvestitionen, bei der Beseitigung von Personalengpässen in wichtigen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, bei der Absatz-und Investitionsförderung.

Die These, daß die Lohnanpassung keine negativen Folgen für die Beschäftigung hat, kann -wenn überhaupt -nur in Teilbereichen der Wirtschaft Gültigkeit beanspruchen. Sicherlich ist es richtig, daß es in der BauWirtschaft oder in expandierenden Dienstleistungsbereichen prosperierende Unternehmen gibt. Auch kapitalintensive Zweig-werke westdeutscher oder internationaler Unternehmen erzielen hohe Produktivitäten und sind durchaus in der Lage, westdeutsches Lohnniveau zu verkraften. Man mag mit einigem Recht weiter argumentieren, daß die Beschäftigung in diesen Unternehmen nicht wesentlich höher läge, wenn der Lohnanpassungspfad nicht so steil verlaufen wäre. Nach wie vor hat dann aber der Einwand Bestand, daß die Lohnpolitik dem Problem der Lohndifferenzierung nicht hinreichend Rechnung getragen hat. Viel zu restriktiv sind die Öffnungsklauseln, die in der Metallindustrie vereinbart wurden. Keine Entlastung haben die Tarifpartner den Treuhandunternehmen gewährt. Es wurde die gleiche tarifpolitische Meßlatte wie bei kapitalkräftigen Westunternehmen angelegt.

Die notwendige stärkere Differenzierung der Löhne könnte dadurch erreicht werden, daß die allgemeinen Lohnsteigerungen zunächst einmal für ein Jahr ausgesetzt oder geringer angesetzt werden und die Spreizung der Löhne der Lohndrift, also übertariflichen Lohnzahlungen in bereits prosperierenden Wirtschaftsbereichen und Unternehmen, überlassen bliebe. Auf diesem Wege würde der Tariflohn stärker den erwünschten Charakter eines Minimumlohnes haben, den auch die schwächeren Unternehmen, und eben nicht nur die schon wettbewerbsfähigen und nach westlichen Standard arbeitenden Produktionsstätten verkraften können. Ein anderer Weg zu mehr Differenzierung bestünde darin, wirksamere Öffnungsklauseln zu vereinbaren, die, wenigstens für eine Übergangszeit, einzelnen Betrieben die Möglichkeit eröffnen, Leistungskraft und Lohnkostenbelastung besser in Einklang zu bringen. Daß die Arbeitnehmer zur Sicherung ihrer Arbeitsplätze bereit sind, Zugeständnisse beim Lohn zu machen, zeigt die jüngste tarifpolitische Erfahrung in Westdeutschland.

Eine weitere Differenzierungschance liegt in Produktivkapitalbeteiligungen und ertragsabhängigen Lohnkomponenten. Denkbar ist durchaus, daß die Tarifverträge bestimmte Optionen für die Unternehmensführung und die Belegschaften eröffnen, Tariflohnkomponenten und ertragsabhängige Lohnkomponenten zu kombinieren. Wer argumentiert, daß ertragsabhängige Lohnkomponenten lediglich das Einkommensrisiko für die Arbeitnehmer erhöhen, aber wenig Positives bewirken können, verkennt, daß dem Verzicht auf Teile des Barlohns in schlechten Zeiten verbesserte mittelfristige Einkommensaussichten und eine größere Sicherheit der Arbeitsplätze gegenüberstehen

3. Investitionsförderung

Große Unsicherheit besteht in der Öffentlichkeit, aber auch in Politik und Wissenschaft darüber, ob mit der massiven Förderung von Investitionen der richtige Weg eingeschlagen wurde oder ob dadurch dem Entstehen einer allzu kapitalintensiven Wirt-Schaftsstruktur mit einem chronischen Mangel an Arbeitsplätzen Vorschub geleistet wurde. Neben dieser grundsätzlichen Kritik an der Investitionsförderung wird auf die hohen Mitnahmeeffekte und die mangelnde Differenzierung nach Regionen oder Branchen hingewiesen.

Eine Bewertung der praktizierten Investitionsförderung muß vor dem Hintergrund der möglichen Alternativen erfolgen. Hierbei zeigt sich, daß jede Art der Subventionierung für Mitnahmeeffekte empfänglich ist und Verzerrungen in der Produktions-und Wirtschaftsstruktur nach sich ziehen kann. Als Beispiel sei die in letzter Zeit besonders intensiv diskutierte Wertschöpfungspräferenz herangezogen. Bei dieser Subvention, die ähnliche Wirkungen hat wie die noch vor einem Jahr in der Debatte stehende Mehrwertsteuerpräferenz, bildet die Wertschöpfung die Bemessungsgrundlage für die Subventionshöhe. Die Präferenz soll ausschließlich Industrieunternehmen gewährt werden. Ihr Vorteil gegenüber Investitionszulagen u. ä. ist ihre Neutralität im Hinblick auf den Einsatz der Primarfaktoren Arbeit und Kapital.

Aber auch gegen eine Wertschöpfungspräferenz kann der Einwand der Mitnahmeeffekte geltend gemacht werden. Darüber hinaus kann eine auf die Industrie beschränkte Wertschöpfungspräferenz die vertikale Integration (also die Konzentration von Betrieben unterschiedlicher Fertigungsstufen in einem Unternehmen) begünstigen, da die Vor-leistungen nichtindustrieller Lieferanten unberücksichtigt bleiben. Die Gefahr von Mißbräuchen dürfte teher höher sein als bei der praktizierten Investitionsförderung, denn zwischen verbundenen Unternehmen in Ost-und Westdeutschland besteht die Möglichkeit, durch die Preisgestaltung Wertschöpfung in das Fördergebiet zu verlagern. Bringt man schließlich noch mit ins Bild, daß die bestehende Investitionsförderung aufgrund der notwendigen Konstanz in der Wirtschaftspolitik nicht plötzlich durch eine Wertschöpfungspräferenz ersetzt, sondern allenfalls durch eine solche ergänzt werden könnte, so daß eine undurchschaubare Gesamtwirkung der Subventionen entstünde, spricht einiges dafür, bei der Investitionsförderung zu bleiben und dieses Instrumentarium zu verbessern.

Die Problematik der Mitnahmeeffekte ist bereits etwas gemildert worden, nachdem einige Wirtschaftsbereiche -Handel, Banken und Versicherungen -von der Regelung ausgeschlossen worden sind. Nunmehr stellt sich vor allem die Frage, ob die Förderung nicht regional differenziert werden sollte. In der Tat spricht einiges dafür, wie im folgenden Abschnitt zur Regionalpolitik dargelegt wird. Kritisiert wird auch, daß die Investitionsför-derung den Unternehmen nicht zu höherem Absatz verhilft und sie von daher in die Lage versetzt, aus eigener Kraft mehr zu investieren. Wenn man dieses Argument akzeptiert -es ist nur bedingt richtig, weil auch eine Investitionszulage für die Empfänger einen Kosten-und Preisvorteil bedeutet -, stellt sich die Frage, wie eine Absatzförderung aussehen sollte. Die Problematik einer Wertschöpfungspräferenz ist oben bereits dargestellt worden.

Unter den anderen Instrumenten der Absatzförderung, die bereits praktiziert werden -Exportversicherung mit dem Instrument der Hermes-Dekkung, Präferenzen der neuen Bundesländer bei der öffentlichen Auftragsvergabe, Initiativen der Wirtschaft wie die „Einkaufsoffensive Ost“, verschiedene Förderprogramme für absatzpolitische Maßnahmen, etwa Beteiligung an Messen und Ausstellungen, Lohnkostenzuschüsse für Personal, das mit Produktentwicklung befaßt ist -, sind keine zu erkennen, deren Einsatz, wo dies die Wirtschaftspolitik überhaupt in der Hand hat, sinnvollerweise stark ausgedehnt werden sollte. Teilweise wären strukturkonservierende Effekte zu befürchten (Hermes), teilweise unvertretbar hohe Kosten (weitere Präferenzen bei öffentlichen Aufträgen, Mitnahmeeffekte bei Lohnkostenzuschüssen), teilweise haben die Instrumente nur sehr indirekte Wirkung (z. B. Messeförderung). Die beste Absatzförderung wird deswegen wohl darin bestehen, die Kombination dieser Instrumente zunächst weiterzuführen, wobei die Empfänger von Fördermitteln immer wieder auf deren zeitliche Befristung hingewiesen werden sollten, um möglichst intensive Eigenanstrengungen zu motivieren.

4. Regionalpolitik in den neuen Bundesländern

Inwieweit sich die Standorte in den neuen Bundesländern gegenüber konkurrierenden in den alten Bundesländern und in zunehmendem Maße auch gegenüber den osteuropäischen Standorten mit beträchtlichen Lohnkostenvorteilen durchsetzen können, hängt ganz entscheidend auch von der Politik der Länder und Kommunen in Ostdeutschland selbst ab.

Die Entwicklungsperspektiven der einzelnen Regionen Ostdeutschlands sind sehr unterschiedlich. Große wirtschaftliche Schwierigkeiten bestehen vor allem in ländlichen Regionen mit peripherer Lage; hier sind angesichts fehlender Erwerbsperspektiven für die Bevölkerung weitere Abwanderungs-und Aussiedlungstendenzen zu konstatieren. Auch monostrukturierte Industrieregionen, wie die Stahlregion Eisenhüttenstadt, die Chemie-region Halle, Bitterfeld, Merseburg oder die Kohleregion um Cottbus, werden Schwierigkeiten haben, ihre frühere Bedeutung zurückzugewinnen. Dagegen gibt es andere Regionen, die durch die deutsche Vereinigung an Bedeutung gewonnen haben (Berlin, Magdeburg) und/oder als Landeshauptstädte positive Entwicklungsimpulse bekommen (Dresden, Schwerin, Erfurt). Die Regionalpolitik kann sich bei dieser differenzierten Lage nicht auf die Denkkategorien von „Wachstumsziel versus Ausgleichsziel“ versteifen. Dort, wo positive Entwicklungen angestoßen sind und sich zunehmend Eigendynamik entfaltet, kann die finanzielle Förderung zurückgefahren werden -auch wenn sie hohe zusätzliche Wachstumseffekte hätte. Dagegen wird man in anderen Regionen zu fördern haben, auch wenn nicht klar absehbar ist, ob diese Regionen wirklich große Wachstumschancen haben, und somit die Gefahr besteht, daß Mittel nicht mit höchstmöglichem Effekt verausgabt werden. Die Schwierigkeit, nicht die tatsächlichen, sondern die potentiellen Wachstumsregionen zu erkennen, wird auch in Ostdeutschland die Regionalpolitik beschäftigen. Wichtige Merkmale solcher Regionen können sein: das Vorhandensein gut ausgebildeter Arbeitskräfte, günstig gelegene und leicht zu erschließende Gewerbeflächen, eine ausbaufähige Infrastruktur -etwa im Hinblick auf die Verkehrsanbindung, aber auch hinsichtlich Versorgungs-und Entsorgungseinrichtungen -, ausreichend viele Schulen und soziale Einrichtungen sowie eine große Akzeptanz für Industrieansiedlungen und die Fähigkeit, administrative Probleme zu meistern. Die Erfahrung der alten Bundesländer, daß wirksame Regionalpolitik nicht auf die Verausgabung öffentlicher Mittel beschränkt ist, gilt auch für die neuen Bundesländer. Neben einer Konzentration der Fördermittel muß die regionale Wirtschaftspolitik gerade in den neuen Bundesländern folgendes beachten: Erstens: In strukturschwachen Regionen muß mit besonderem Nachdruck darauf hingearbeitet werden, Investitionshemmnisse aus dem Weg zu räumen. Das heißt, daß gerade in solchen Regionen Engpässe im Angebot an Gewerbeflächen -gefordert sind Entscheidungen der Kommunen und der Vermögensämter -vermieden werden müssen und daß die Erschließung und Planung rasch vonstatten gehen muß, wobei private Entwicklungs-und Erschließungsgesellschaften hilfreich sein können. Zweitens: Wo Treuhandunternehmen aus regional-politischen Erwägungen vorübergehend erhalten werden, sollten die Länder einen finanziellen Beitrag leisten (s. o.). Eine vorübergehende Erhaltung von Arbeitsplätzen kann sinnvoll sein, wenn Neugründungen in einer Region absehbar oder wahrscheinlich sind, die alsbald Arbeitskräftenachfrage mit sich bringen. Bei einer solchen Sachlage ist die Arbeitsmarktpolitik gefordert, ihre „Brückenfunktion“ auszuüben. Offenbar müssen arbeitsmarkt-und unternehmenspolitische Entscheidungen eng miteinander verzahnt werden. Die Arbeitsmarkt-politik sollte regionale Schwerpunkte in struktur-schwachen Gebieten setzen. Dabei ist zu beachten, daß die Qualifizierungsfunktion der Arbeitsmarkt-politik solchen Gebieten möglicherweise zu einem Standortvorteil gegenüber anderen Regionen verhelfen kann Eine sinnvolle Koordinierung regionalpolitischer Maßnahmen sollte, wo dies noch nicht geschehen ist, durch die Gründung von kommunalen Zweckverbänden vorangetrieben werden.

Bei funktionierender Koordination, differenzierter Investitionsförderung und hoher Initiative auf kommunaler Ebene besteht durchaus die Chance, daß strukturschwache Gebiete gegenüber anderen aufholen. Allerdings ist nicht der Illusion Vorschub zu leisten, daß die Regionalpolitik die derzeitige Siedlungsstruktur konservieren kann. Es wird auch zu „passiver Sanierung“ durch Arbeitskräftewanderungen kommen müssen.

III. Schlußbemerkung

Alles in allem bieten sich für die neuen Bundesländer in den nächsten Jahren gute Perspektiven. Wie stark das Wachstum letztlich sein wird, hängt nicht nur von der Fähigkeit der Politik ab, gute Standort-und Wachstumsbedingungen zu schaffen, sondern ganz entscheidend auch von der Bereitschaft und den Wünschen der Menschen, die eigene Einkommenssituation durch Arbeitsleistung und durch die Übernahme von unternehmerischen Risiken zu verbessern. Nüchtern zu konstatieren ist allerdings, daß selbst bei kräftigem Anstieg der Produktion ein anhaltender Mangel an Arbeitsplätzen absehbar ist. Man wird diesen Mangel auch nicht in zufrieden-stellend kurzer Zeit mit Mitteln der Beschäftigungs-und Arbeitsmarktpolitik beheben können. Zu fordern wären eine beschäftigungsfördernde Tarifpolitik und eine auf Qualifizierung und Förderung des „ersten Arbeitsmarktes“ abzielende Arbeitsmarktpolitik. Ergänzend wird man wohl auch auf andere, häufig als defensiv kategorisierte Maßnahmen der Beschäftigungspolitik zurückgreifen müssen, etwa auf die Förderung von Teilzeitarbeit im privaten wie im öffentlichen Bereich.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Horst Sichert, Integrating the Eastem Länder. How long a Transition?, erscheint demnächst als Kieler Arbeitspapier.

  2. Vgl. hierzu: Michael Heise, Mittelfristige Perspektiven der ostdeutschen Wirtschaft und wirtschaftspolitische Schlußfolgerungen, in: Heinz König/Viktor Steiner (Hrsg.), Arbeitsmarktdynamik und Untemehmensentwicklung, Mannheim 1994.

  3. Vgl. Statistisches Bundesamt, Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, in: Fachserie, 4 (1993) 18, S. 54.

  4. Vgl. Monatsinformationen der Treuhandanstalt, Dezember 1993, S. 2.

  5. Vgl. Hierzu auch den Beitrag von Manfred Wegner in diesem Heft.

  6. Vgl. ebd., außerdem den Beitrag von Dirk Nolte in die'sem Heft, hier Kapitel II, S. 32 f.

  7. Vgl. hierzu auch den Beitrag von Fred Klinger in diesem Heft.

  8. Vgl. ebd., insbesondere Kapitel IV, S. 10 ff.

  9. Vgl. Sachverständigengutachten zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1993/94, Stuttgart 1993, Ziffern 277ff.

  10. Vgl. hierzu auch den Beitrag von Dirk Nolte in diesem Heft, insbesondere Kapitel III, S. 34 ff.

  11. Zu berücksichtigen ist vor allem, daß die Lohnstückkosten in der noch arbeitsintensiven ostdeutschen Wirtschaft notgedrungen höher sein müssen, als in der kapitalintensiven westdeutschen. Überdies werden bewußt weniger produktive Arbeitsplätze durch Subventionen erhalten, und schließlich bringen die Lohnstückkosten nicht die gewaltigen Unterschiede zwischen den Unternehmen zum Ausdruck. Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung; Jahresgutachten 1992/93, Stuttgart 1992, Ziffern 127 und 397.

  12. Der Gedanke einer Produktivkapitalbeteiligung, der seit jeher viele Befürworter hat, ist auch ein Kemelement einer von Gerlinde Sinn und Hans Werner Sinn (Kaltstart -Volkswirtschaftliche Aspekte der deutschen Vereinigung, München 1991) entwickelten wirtschaftspolitischen Konzeption für die neuen Bundesländer. Sie haben vorgeschlagen, die Arbeitnehmer am Produktivkapital der Treuhandunternehmen zu beteiligen, eine andere, weniger auf schnellen Verkauf zielende Privatisierungsstrategie zu wählen und diese Elemente in ein lohnpolitisches „Stillhalteabkommen“ der Tarifparteien einzubringen. Ob es selbst bei einer gänzlich anderen Privatisierungsstrategie der Treuhandanstalt realistisch gewesen wäre, von der Produktivkapitalbeteiligung tatsächlich ein lohnpolitisches „Stillhalten“ zu erwarten, mag hier dahingestellt bleiben. Der Grundgedanke der Produktivkapitalbeteiligung -auch im Hinblick auf die Verhältnisse in Westdeutschland -steht damit nicht in Frage.

  13. Vgl. Friedrich Buttler/Manfred Tessaring, Humankapital als Standortfaktor, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt-und Berufsforschung, (1993) 23, S. 467ff.

Weitere Inhalte

Michael Heise, Dr. rer. pol., geb. 1956; Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität zu Köln; derzeit Generalsekretär des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Zahlreiche Veröffentlichungen zu konzeptionellen und aktuellen Fragen der Wirtschaftspolitik.