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Trümmergesellschaft im Wiederaufbau | APuZ 18-19/1995 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 18-19/1995 Die Relativität historischer Epochen: Das Jahr 1945 in der Perspektive des Jahres 1989 Das Ende des Bombenkriegs Ein militärgeschichtlicher Rückblick Trümmergesellschaft im Wiederaufbau Die Wiederentstehung politischer Parteien in Deutschland nach 1945

Trümmergesellschaft im Wiederaufbau

Karl Teppe

/ 32 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Bei der Eroberung und Besetzung Deutschlands stießen die alliierten Kampfverbände auf eine Bevölkerung, die sich in einem Prozeß innerer und äußerer Auflösung befand und als Gesellschaft faktisch nicht mehr existierte. Die Problemgruppen der Trümmergesellschaft, wie Evakuierte, Flüchtlinge und Vertriebene, heimkehrende Soldaten und Displaced Persons, bildeten ein soziales und politisches Konfliktpotential ohnegleichen. Alltägliche Daseinsfürsorge, sozial-kulturelle Integration und politischer Wiederaufbau waren zentrale Elemente des beginnenden gesellschaftlichen Formierungsprozesses. Dieser Gestaltungsprozeß mit seiner eigentümlichen Gemengelage aus besatzungspolitischen Direktiven, behördlichen Regulierungsbemühungen und Selbsthilfeinitiativen schien auf den ersten Blick wenig zielgerichtet zu sein, wie überhaupt die Trümmergesellschaft in hohem Maße zunächst als eine Gesellschaft mit Fassadencharakter erscheint, da die wirklichen -zum Teil tiefgreifenden -Veränderungen damals noch nicht sichtbar waren. Ihre vielfache und dauerhafte Prägekraft sowie ihr epochaler Rang im Kontext der (west-) deutschen Nachkriegsgeschichte erschließen sich deshalb auch nur im Zusammenhang von Analysen langfristig wirksamer Strukturen und nicht anhand von einzelnen Daten.

Trümmerwände waren und sind Symbole von Zerstörung und Verlust; sie gehören nach Kriegen gleichsam zum Alltagsbild ihrer Zeit. Als Zeugen von Gewalt und Untergang dienten sie in den ersten Nachkriegsjahren nicht nur Besatzungsmächten und deutschen Behörden als profanes Medium für Proklamationen, Befehle und Verordnungen; sie wurden von Menschen auch benutzt, um beispielsweise Suchmeldungen zu hinterlassen oder um ihre Empfindungen auszudrücken. Eine dieser Trümmerinschriften -sie wurden nicht selten neben nationalsozialistischen Durchhalteparolen plaziert -lautete: „Dafür brauchte Hitler 12 Jahre!“ Natürlich bezog sich dieser lapidare Satz nicht nur auf die Zerstörungen des Krieges in Gestalt von Trümmer-fassaden, sondern auf die mörderische, destruktive Bilanz des NS-Regimes schlechthin. Es waren dies jene „deutschen Trümmer“, vor denen sich Thomas Mann fürchtete, wie er in seinem Briefwechsel mit Walter von Molo schrieb In diese Trümmer-wüsten gehörten auch der millionenfache Tod und Mord, die inneren, geistigen Verwüstungen sowie der Verlust menschlicher Würde.

Eine Statistik von Tod, Not und Elend gibt wenig preis von dem, wie der Zusammenbruch des Regimes, das Kriegsende und der Neubeginn individuell erlebt wurden: Was es beispielsweise bedeutete, von der Front in Ostpreußen, in einer Stadt in Thüringen oder in einer ländlichen Region am Niederrhein überrollt zu werden, ob als Soldat oder Zivilist, als Mann oder Frau, ob als Häftling eines Konzentrationslagers oder als Zwangsarbeiter. Wie immer man deshalb die Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde am 8. Mai 1945 aus heutiger Sicht beurteilen mag -in der Situation der Zeitgenossen konnte es von vielen Faktoren abhängen, ob an diesem Tag „die Sieger wie Befreier gefeiert“ wurden, „bloß weil endlich alles zu Ende war“ oder ob er mehr als Niederlage denn als Befreiung empfunden wurde oder aber als der Beginn von neuem Unrecht und Leid.

Angesichts der Tatsache, daß dieser Tag die Zerschlagung einer Dikatur und vor allem das Ende eines ungeheuerlichen Völkermords besiegelte und den Weg zu einer freiheitlichen Demokratie eröffnete, ist die Antwort eindeutig. Angesichts der menschlichen Tragödien, des Verlustes der Heimat und erneuter Unfreiheit, die Millionen Menschen in Ost-und Mitteldeutschland auch noch nach diesem Tag erlitten -sei es in Form von Flucht und Vertreibung von über zwölf Millionen Menschen, von denen mehr als zwei Millionen dabei umkamen, von Internierung, Verschleppung, Gefangenschaft und Arbeitslagern oder durch die Errichtung einer vierzigjährigen „roten“ Diktatur in der SBZ/DDR -angesichts dieser Tragödien nach dem „Tag der Befreiung“ verbieten sich bündige Erklärungsmuster.

L

Als die alliierten Kampfverbände in das deutsche Reichsgebiet eindrangen, stießen sie auf eine Bevölkerung, die sich in einem Prozeß innerer und äußerer Auflösung befand. Nach „Stalingrad“, das zum Menetekel des Zusammenbruchs wurde, waren die Menschen im Reich mehr und mehr dazu übergegangen, Gesetze zu mißachten, um das eigene Überleben zu sichern. Insofern hatte bereits die „Gesellschaft in der Katastrophe“ (B. Rusinek) wesentliche Merkmale der Trümmergesellschaft angenommen, die man zugleich als eine Distanzierung vom NS-Regime deuten kann

Schon Aktionen wie die Evakuierung, Kinderlandverschickung und Verlegung von rüstungsrelevanten Betrieben mit ihren Belegschaften, die zunächst unter dem Vorzeichen gelenkter Mobilisierung standen, erwiesen sich tatsächlich als Vorstufen einer beispiellosen Durchmischung der deutschen Gesellschaft mit erheblichen mittel-und langfristigen Folgen für ihre sozialen, kulturellen und konfessionellen Milieus

Aus den bombardierungsbedrohten bzw. -beschädigten Städten waren ab dem Jahre 1943 annähernd zehn Millionen Personen, überwiegend Frauen und Kinder, evakuiert worden. Später bewirkten das Näherrücken der Front im Osten sowie alliierte Absprachen etwa im Rahmen des Potsdamer Abkommens vom 2. August 1945 neue erzwungene Wanderungsbewegungen. Im Jahre 1946 betrug die Zahl der Vertriebenen allein im Gebiet der späteren Bundesrepublik (ohne Berlin) rd. 7 Millionen Menschen, was einem Anteil von 13, 1 Prozent an der Gesamtbevölkerung entsprach. Ende 1950 war die Zahl auf etwa acht Millionen (16, 4 Prozent der westdeutschen Gesamtbevölkerung) angestiegen, wobei die aus der damaligen SBZ und Berlin zugewanderten rd. 1, 5 Millionen Personen darin nicht enthalten sind 5.

Angesichts des Zerstörungsgrades der Städte war es zwingend, daß die Masse der Flüchtlinge und Vertriebenen zunächst in die ländlichen Regionen der Besatzungszonen bzw.der späteren Bundesländer gelenkt wurde, was zwangsläufig zu regionalen Konzentrationen führte. So erreichte beispielsweise Bayern im Jahre 1950 mit 1, 9 Millione Millionen Menschen, was einem Anteil von 13, 1 Prozent an der Gesamtbevölkerung entsprach. Ende 1950 war die Zahl auf etwa acht Millionen (16, 4 Prozent der westdeutschen Gesamtbevölkerung) angestiegen, wobei die aus der damaligen SBZ und Berlin zugewanderten rd. 1, 5 Millionen Personen darin nicht enthalten sind 5.

Angesichts des Zerstörungsgrades der Städte war es zwingend, daß die Masse der Flüchtlinge und Vertriebenen zunächst in die ländlichen Regionen der Besatzungszonen bzw.der späteren Bundesländer gelenkt wurde, was zwangsläufig zu regionalen Konzentrationen führte. So erreichte beispielsweise Bayern im Jahre 1950 mit 1, 9 Millionen die Höchstmarke von Vertriebenen. In Relation zur Gesamtbevölkerung jedoch lag Schleswig-Holstein an der Spitze, wo de Millionen die Höchstmarke von Vertriebenen. In Relation zur Gesamtbevölkerung jedoch lag Schleswig-Holstein an der Spitze, wo der Vertriebenenanteil rd. ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachte. In Nordrhein-Westfalen gab es Ende 1948 rd. 1, 1 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene, was -bei höchst unterschiedlicher regionaler Verteilung -einem Anteil von etwa zehn Prozent an der Gesamtbevölkerung entsprach. In einzelnen ländlichen Regionen Westfalens betrug der Flüchtlingsanteil bis zu 65 Prozent der Bevölkerung 6.

Die Flüchtlinge und Vertriebenen waren jedoch nur eine, wenngleich die zahlenmäßig größte und, worüber noch zu sprechen ist, eine mit besonderen Problemen verbundene Bevölkerungsgruppe innerhalb der Trümmergesellschaft. Zu ihr gehörte auch das „Heer“ der heimkehrenden Soldaten. Ihre Zahl hatte kurz vor Kriegsende annähernd elf Millionen betragen; 3, 7 Millionen waren gefallen oder blieben vermißt. Etwa sechs bis sieben Millionen gerieten in Kriegsgefangenschaft. Die Mehrzahl von ihnen erlebte die Rückkehr zwischen 1946 und 1949, mehrere zehntausend aber erst zehn Jahre nach Kriegsende. Doch nicht nur das Datum der Entlassung konnte signifikant für die Art und Weise der Rückkehr sein, sondern auch die Tatsache, wie man heimkehrte, d. h. in welcher physischen und psychischen Verfassung, ob als Kriegsversehrter oder körperlich wohlbehalten -was immer dies damals heißen konnte 7.

Bei der Nennung ehemaliger Wehrmachtsangehöriger können diejenigen nicht unerwähnt bleiben, die den Ehegatten, Vater oder Sohn verloren hatten und sich nunmehr als Witwen und Waisen in der Trümmergesellschaft behaupten mußten. Folgt man den bisher vorliegenden Zahlen, so kann man von 1, 5 bis 2 Millionen Kriegswitwen ausgehen, etwa „ein Viertel aller Kinder wuchs nach dem Zweiten Weltkrieg ohne Vater auf“ 8. Verwiesen werden muß auch auf die am Existenzminimum lebenden Sozialrentner, deren Zahl 1950 vier Millionen Personen umfaßte, sowie auf die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung 9. Und schließlich bildeten die sogenannten Displaced Persons eine spezifische Gruppe innerhalb der Trümmer-gesellschaft: eine zwischen acht und zehn Millionen umfassende Personengruppe mit unterschiedlichen Nationalitäten, die als Zwangsarbeiter oder aus anderen Gründen ihre Heimat hatten verlassen müssen und nunmehr ihrer Repatriierung entgegensahen. Obwohl ihre Rückführung in den ersten Nachkriegsmonaten energisch vorangetrieben wurde, lebten von ihnen im Frühjahr 1947 immer noch knapp eine Million im Dreizonengebiet Alles in allem also ein soziales und politisches Konfliktpotential ohnegleichen!

Was bedeutete das Aufeinandertreffen dieser „typischen Nachkriegsschicksale“ für den Prozeß der gesellschaftlichen Restituierung, der nur bedingt „von oben“ her gestiftet werden konnte, vielmehr eigenen Gesetzmäßigkeiten unterlag und sein eigenes Tempo entwickelte? Auch differierte er zwischen Stadt und Land, zwischen Regionen mit verschiedenen Konfessionen, und er war nicht zuletzt beeinflußt von politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Besatzungsmächte.

Im Kern war dieser gesellschaftliche Formierungsprozeß mit drei Herausforderungen konfrontiert, und zwar: 1. mit dem Problem der alltäglichen Daseinsfürsorge, 2. mit dem Problem der sozial-kulturellen Integration sowie 3. mit dem Problem des politischen Wiederaufbaus im Sinne der Herausbildung einer demokratischen politischen Kultur. Darüber hinaus war die Gewinnung ökonomischer Leistungsfähigkeit eine Grundvoraussetzung jedweder Konsolidierung von Staat und Gesellschaft.

II.

1. Probleme der Daseinsfürsorge Der englische „Economist“ veröffentlichte am 23. Juni 1945 eine der „Reportagen aus Deutschland“ von Isaac Deutscher, in der es hieß: „Einer der auffallendsten Eindrücke des Reisenden in Süddeutschland ist der schroffe Gegensatz zwischen Stadt und flachem Land. Die Stadt scheint auf einen deutschen Jeremias zu warten, der ihre Trümmer beweint. Die liebliche Landschaft zeigt kaum eine Spur von Zerstörung. Die soliden, geräumig gebauten, sonnenbeschienenen Häuser der Bauern verraten einen Wohlstand und (ein) Gedeihen, denen weder Krieg noch Niederlage etwas anhaben können. Die Felder sehen sehr gepflegt aus, das Vieh auf der Weide ist wohlgenährt. Im Korn-gürtel des Donaubeckens ist das Getreide für die Jahreszeit gut gediehen. Es ist ein Anblick, der Auge und Herz eines Virgil erfreuen könnte, obwohl auch er sich wundern würde, daß so viele Frauen und Kinder so fieberhaft auf den Feldern arbeiten, daß so viele Frauen schwarz gekleidet sind und man so wenig Männer sieht. Anders geht es auf den bayerischen Landstraßen zu. Dort spürt man stärker noch als in den zerstörten Städten die Folgen einer Sintflut. Jede große Landstraße hier bietet einen Querschnitt der großen Probleme Deutschlands und Europas. Es ist ein chaotisches und zugleich ein einmaliges Bild, denn die Geschichte wird sich so gewiß nicht wiederholen .. ." Ähnliche Schilderungen dieser außergewöhnlichen Situation finden sich in den zahlreichen Augenzeugenberichten jener Zeit

Begrifflich lassen sich die Merkmale der objektiven Lebenslagen der frühen Nachkriegsjahre unschwer benennen. Es waren dies -wie es eine Bielefelder Zeitung kurz und bündig formulierte -: „Arbeit, Brot und Obdach“ Will man diesen Faktoren jedoch konkret auf die Spur kommen, ist ein individualisierender, lebensgeschichtlicher Zugriff unverzichtbar. Hier tritt zutage, was es bedeuten konnte, wenn eine Familie, d. h. in der Regel die Mutter und/oder ihre Kinder, etwa 50 Prozent ihres Existenzminimums über den Schwarzmarkt oder auf anderen Wegen organisieren mußte, wenn ein Familienmitglied als Hamsterer oft tagelang unterwegs war, wenn die Hungererfahrung die familiären Sozialbeziehungen aufs äußerste beanspruchte.

So erinnerte sich eine bei Kriegsende 28jährige Frau, deren Mann noch nicht heimgekehrt war und die deshalb bei ihren Eltern lebte, später wie folgt: „Als wir gar nichts mehr hatten, hat mein Vater dann unsere Ziege geschlachtet und im Schornstein geräuchert. Davon hat er meiner Mutter nie etwas abgeben wollen. Also, das kann man sich gar nicht vorstellen, wie sich die Menschen verändern, wenn sie Angst haben zu verhungern.“ Und eine andere Frau, alleinstehend und Mutter von vier Kindern im Alter zwischen ein und sieben Jahren, erinnerte sich so: „Hamstern konnte ich nicht, da hab ich denn angefangen zu klauen. Wenn mir das vorher jemand prophezeit hätte, hätte ich gelacht. Früher hatte man ja ganz andere Werte und Vorstellungen. Selbstverständlich kämpfte man für das Vaterland bis zum Tod, und selbstverständlich klaute man nicht. Na ja, aber sollte ich denn die Kinder erfrieren oder verhungern lassen? Also hab ich angefangen zu klauen: Holz, Kartoffeln und Äpfel.“ Für die gesellschaftlichen Formierungsprozesse waren zunächst die Besatzungsmächte der entscheidende Gestaltungsfaktor. Sie diktierten Tempo und Richtung des Neuanfangs. Sie bestimmten die Rahmenbedingungen, unter denen die Menschen leben mußten, indem sie beispielsweise Kalorienzahlen pro Kopf festlegten, die „Lebensmittelkartenwirtschaft“ fortführten, den zusammengebrochenen Wohnungsmarkt regulierten. Sie entschieden, wann und wie sich gesellschaftliche, kulturelle und politische Organisationen wieder konstituieren durften, sie erteilten die Lizenzen für Presse, Rundfunk, setzten Wahltermine fest und anderes mehr. Aber es war gleichzeitig erklärtes Prinzip dieser Besatzungspolitik, die Administration all dieser Dinge nicht an sich zu ziehen, sondern sie deutschen Dienststellen zu übertragen. Insofern wird man sagen können, daß am Beginn der Trümmergesellschaft die Verwaltung und nicht die Politik stand

In einer Situation, in der die öffentlichen Strukturen ramponiert oder funktionsuntüchtig waren und die Normen der Sozialmoral vom Gesetz des Über-lebens gleichsam außer Kraft gesetzt wurden, hing die Bewältigung der Not elementar auch vom Vorhandensein und Funktionieren nichtöffentlicher, informeller Verbindungen und Netzwerke ab. Dazu gehörten in erster Linie gewachsene Solidargemeinschaften wie die Familie und Nachbarschaften, kirchliche Gemeinden und Vereine oder auch ad hoc zustandegekommene Notgemeinschaften, die allerdings unter den existentiellen Versorgungsproblemen auch rasch wieder brüchig werden konnten Insofern konnte es eine begünstigte Situation sein, wenn man das Kriegsende in vertrauter Umgebung erlebte oder in ländlichen Regionen, wo sich das Nahrungsproblem nicht in der Schärfe stellte wie in den Städten.

In jedem Fall aber waren diejenigen besonders benachteiligt, die in fremder Umgebung Zuflucht gefunden hatten und zunächst einmal ganz auf sich allein gestellt waren: die Evakuierten, Flüchtlinge und Vertriebenen. Demgegenüber bildeten Konstellationen die Ausnahme, in denen evakuierte Familien aus Städten bei ihren Verwandten auf dem Lande unterkommen konnten. Dies traf etwa auf Familien zu, die beispielsweise um die Jahrhundertwende aus agrarischen Notgebieten wie Nordhessen und dem Sauerland in die Industriezentren an Rhein und Ruhr gewandert waren und füt die sich nun ihre Ursprungsfamilie als Halt und Auffangstation bewährte.

Angesichts der eigentümlichen Gemengelage von besatzungspolitischen Direktiven, behördlichen Regulierungsbemühungen und Selbsthilfeinitiativen erscheint die gesellschaftliche Formierung als alles andere als ein zielgerichteter Prozeß. Die Zukunft bestand in der Bewältigung des Hier und Heute -und das hieß vor allem Improvisation. Um so wichtiger war es, daß zentrale Ordnungs-und Sozialisationsinstanzen wieder funktionstüchtig wurden, daß beispielsweise Kindergärten, Schulen und Hochschulen so schnell wie möglich wieder öffneten; daß gesellschaftliche und kirchliche Vereine wieder tätig waren und insbesondere für Kinder und Jugendliche Angebote machten, was damals gleichbedeutend war mit materieller und sozialer Hilfestellung; daß kulturelle Institute wie Theater und Orchester wieder spielten.

Es ist vielfach belegt, wie stark in der Trümmer-gesellschaft gerade die kulturellen Bedürfnisse der Menschen waren Natürlich hatte auch Kultur viel mit dem Alltag und seiner Not zu tun. Theateraufführungen waren nur möglich, wenn die Zuschauer -wie etwa in Münster und in vielen anderen Städten -Briketts als Eintrittsgeld mitbrachten. Bekanntlich verdanken die Ruhrfestspiele Recklinghausen dem Kohlemangel -vereinfacht gesagt -ihre Entstehung Von der Filmregisseu-rin Helma Sanders-Brahms ist der Satz überliefert: „Alle hatten Hungeraugen, und wo es nach Essen roch, war die Mitte der Welt.“ Zahlreiche kommunale Bühnen öffneten noch im Sommer 1945 ihre Tore und begannen den kulturellen Neuanfang durchweg mit den Klassikern. Auch dies ein zwar ungeplanter, aber gleichwohl bemerkenswerter Ausdruck dafür, wie gleichartig der Hunger nach Kultur empfunden wurde

Die Trümmergesellschaft ist zu Recht als eine „mobilisierte Gesellschaft“ charakterisiert worden, bei der nicht abzusehen war, wie und in welchem Tempo sie sich gleichsam wiederfinden würde. Dies soll an zwei Beispielen -an einer gesellschaftlichen Großgruppe, nämlich den Flüchtlingen, und an einer Kleingruppe, den Familien -exemplarisch verdeutlicht werden. . 2. Probleme der sozial-kulturellen Integration Das Beispiel Flüchtlinge und Vertriebene Die militärische Niederlage und Kapitulation hatten harte politische Fakten und auch neues Unrecht geschaffen. Zu diesen Fakten gehörten die etwa zwölf Millionen Menschen, die nach Kriegsende aus Ostdeutschland und den deutschen Siedlungsgebieten Osteuropas fliehen mußten, vertrieben oder ausgesiedelt worden waren.

Es liegt auf der Hand, daß die Notgesellschaft der Nachkriegszeit auf die Flut der Flüchtlinge durchweg mit Abwehr reagierte. Nach oft traumatisierenden Erfahrungen von Flucht und Vertreibung -über zwei Millionen Menschen sind dabei umgekommen -bedeutete die Ankunft in Lagern, Baracken und Notunterkünften zwar zunächst die physische Rettung, aber es war eine Ankunft in fremder und nicht selten feindlich gesonnener Umgebung. Man kam als Habenichts und wurde als solcher behandelt. Bei einigen stellte sich das Gefühl ein, die „neuen Ostarbeiter“ zu sein. Die Behörden taten in der Regel nur das Nötigste und übergingen selbst eklatante Mißstände nicht selten mit Stillschweigen. In der westfälischen Gemeinde Westbevern beispielsweise, „wo Flüchtlinge menschenunwürdig in Verschlagen untergebracht worden waren“, mußte sogar die Militärregierung aktiv werden, während der Regierungspräsident die Ablösung des Bürgermeisters forderte. Dieser hatte für seine Flüchtlinge ebenfalls nur die Tenne erübrigt

Aufgrund der Lebensumstände, Unterbringung und beruflichen Aussichten waren die Integrationschancen für Flüchtlinge denkbar schlecht. Diese Probleme verschärften sich insbesondere dann, wenn Flüchtlingsgruppen auf festgefügte, konfessionell dominierte Sozialmilieus trafen. Die Folge war nicht selten, wie es plastisch formuliert worden ist, „ein gesellschaftliches Erdbeben“ An zahlreichen Beispielen -etwa aus den katholischen Regionen in Bayern, des Münsterlandes oder aus den evangelischen Regionen in Lippe und Hessen -ist belegt, wie die abweichende Konfessionszugehörigkeit gleichsam als Katalysator für tiefsitzende Vorurteile und Abwehrreaktionen mobilisiert werden konnte

Ursprünglich ging keine der beiden Seiten von einer dauerhaften Niederlassung in der Fremde aus, was die Zurückhaltung hier und die Zurückweisung dort in den ersten Monaten miterklären dürfte. In jedem Fall stellte die Anwesenheit der „Zugereisten“, wie man beispielsweise die Flüchtlinge im nordhessischen Jargon bezeichnete, nach den Gruppen der Evakuierten und Ausgebombten eine neue, ungleich größere Herausforderung gerade für kleinstädtische und dörfliche Gesellschaften dar. Man lebte zwar zunächst neben-und gegeneinander, aber mit diesen Problemgruppen der Trümmergesellschaft war ein soziales und kulturelles Ferment in das ländliche Milieu implantiert worden, aus dem sich eigene Triebkräfte der Veränderung entwickelten und mit denen man sich auseinandersetzen mußte.

Wechselseitige Unkenntnis etwa im Bereich des kirchlich-religiösen Brauchtums konnte so weit führen, daß man die Beerdigungen von Flüchtlingen auf dörflichen Friedhöfen verweigerte, undin den Pfarrgemeinden Bayerns mußte es Anstoß erregen, wenn Flüchtlinge bei ihren Gottesdienst-besuchen die traditionelle Sitzordnung nach sozialer Stellung und Geschlecht nicht respektierten. Hatte es in Bayern beispielsweise 1939 noch 1424 konfessionell homogene Gemeinden gegeben, so traf dies 1950 in keinem Fall mehr zu Insofern nimmt es nicht wunder, daß selbst einzelne Pfarrer die rückläufigen Zahlen beim Gottesdienstbesuch auf den „verderblichen Einfluß“ der „Fremden“ zurückführten

Kleinstädtisch-dörfliche Beispiele aus dem Westmünsterland jedenfalls zeigen an, daß der sozial-moralische Umbruch in der Phase der Trümmer-gesellschaft kein gleichförmiger Prozeß war. Wenn sich etwa im Heiratsverhalten die Tabuverletzungen häuften, d. h. verstärkt Mischehen eingegangen werden mußten, weil ein Kind unterwegs war, oder wenn Ehen zwischen vermögenden Einheimischen und besitzlosen Flüchtlingen geschlossen wurden, so gefährdete dies die Wirkungsmächtigkeit traditioneller Deutungs-und Integrationsmuster noch nicht, im Gegenteil. Der familiär-gesellschaftliche Druck beispielsweise auf evangelische Schwiegersöhne oder -töchter zur Konversion war gewaltig und in der Regel erfolgreich

Diese Bemerkungen über das oft schwierige Zusammenleben von ländlicher Gesellschaft und Flüchtlingen sollte indes nicht den Blick dafür verstellen, daß gerade sie es waren, die dem eingangs zitierten Topos von der „mobilisierten Gesellschaft“ in hohem Maße gerecht wurden -freilich zumeist unter dem Zwang, sich in den Nischen der Trümmergesellschaft einzurichten und jede sich bietende Chance des Weiterkommens zu nutzen. Solange Flüchtlinge in ländlichen Regionen lebten, war das Einbringen der Arbeitskraft nicht nur ein Weg, um die materielle Situation zu verbessern, sie war auch das Mittel zum Einstieg in die kleinstädtisch-dörfliche Lebens-und Arbeitswelt und damit zur sozialen Akzeptanz und Integration. Überhaupt legten gerade Flüchtlinge eine ausgesprochene Anpassungs-und Lernbereitschaft sowie Aufstiegsmentalität an den Tag. Dies traf auch auf Kinder von sogenannten Teilfamilien zu, die zeitweise oder ganz ohne Vater bzw. Mutter aufwachsen mußten Festzustellen ist jedoch, daß Flüchtlinge deutlich häufiger das Schicksal des sozialen Abstiegs erleiden mußten als die ja auch von Verlusten betroffene einheimische Bevölkerung

Als der Deutsche Bundestag im Jahre 1952 das Lastenausgleichsgesetz verabschiedete, dem eine Reihe von Sofort-und Spezialprogrammen auf Bundes-wie Länderebene vorausgegangen war, befand sich die Masse der Flüchtlinge und Vertriebenen nach wie vor in einer ökonomisch trostlosen Lage. Das Problem tickte, wie es Hans-Peter Schwarz plastisch formuliert hat, „als Zeitbombe im Gebälk des jungen Staates“ Gleichzeitig gab es 1950 bereits 5000 -zumeist kleinere -industrielle Betriebe von Vertriebenen und Zugewanderten mit insgesamt 200000 Beschäftigten Diese Realitäten als auch vielfach angebahnte familiäre Verwurzelungen erwiesen sich als tragund ausbaufähige Fundamente eines ohne Zweifel entbehrungsreichen und konflikthaften, aber aufs Ganze gesehen erfolgreichen Gewöhnungs-und Integrationsprozesses: das eigentliche „Wunder“ der Nachkriegszeit.

Problemefamiliärer Restabilisierimg Zeitgenössische Erhebungen belegen -und die Forschung ist ihnen darin zum Teil gefolgt -, daß der Anteil der Familienverbände an der Bewältigung der Nachkriegsprobleme nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Zugleich gilt für diese Kleingruppe, was schon für die Gesamtgesellschaft festgestellt wurde: Krieg und Nachkriegszeit hatten sie aufs stärkste in Mitleidenschaft gezogen und die Lebenssituation all ihrer Mitglieder grundlegend verändert

Die Normalität des Familienalltags war schlagartig zu Ende, wenn Väter und Söhne den Stellungsbefehl erhalten hatten. Die verschiedenartigen Kon-frontationen mit dem Krieg in Gestalt von Fronteinsatz und Gefangenschaft für die einen, in Form des Bomben-und des chaotischen Nachkriegs-alltags für die anderen waren einschneidende, lebensprägende Erfahrungen, die auch das innere Gefüge von Familien, das Verhältnis der Geschlechter und Generationen, der Geschwister und Ehepartner beeinflußten.

Die Geschichte der Familie in der Trümmergesellschäft kann mit vielen guten Gründen als eine Erfolgsgeschichte gesehen werden. Sie ließe sich auf die kurze Formel reduzieren: Die Stunde der Not war die Stunde der Familie und insonderheit der Frauen und Mütter. Insofern ging die „Institution Familie“ aus den Krisen der Trümmerzeit gestärkt und aufs neue bestätigt hervor. Aber ebenso sind ambivalente Begleiterscheinungen auszumachen, denn dieser Phase familiärer Restabilisierung war eine Reihe von Faktoren immanent, die sich als Faktoren der Instabilität und der Veränderung erweisen sollten.

Das allgemeine äußere Erscheinungsbild von Familien war in hohem Maße desolat. Es spiegelte sich in den gravierenden Verschiebungen innerhalb der Generationenfolge, zwischen Männern und Frauen, in den Scheidungsraten, in der Zunahme unehelicher Geburten, der hohen Witwen-und Waisenquote, der Jugendkriminalität und der Sexualmoral. Der Krieg hatte insbesondere die Geburtsjahrgänge 1910 bis 1925 derart dezimiert, daß etwa in Bayern 1946 in der Altersgruppe zwischen 20 und 35 Jahren auf 100 Männer 162 Frauen kamen Zwischen 1946 und 1948 erhöhte sich die Scheidungsziffer um das Doppelte. So wurden beispielsweise die sogenannten Kriegstrauungen aus den Jahren zwischen 1939 und 1945 überproportional häufig wieder aufgelöst, wobei die Hälfte der Anträge auf Scheidung von Männern eingereicht wurde, von denen aber nur einem Drittel die Alleinschuld zugewiesen wurde. Demgegenüber waren in der Vorkriegszeit wie auch nach 1955 zwei Drittel der Scheidungsanträge von Frauen initiiert worden, wobei die Alleinschuld zur Hälfte den Männern auferlegt wurde

Krieg und Nachkriegszeit hatten die Eingezogenen ebenso wie die Daheimgebliebenen geprägt, verändert und häufig einander entfremdet. Die jahrelange Trennung durch Krieg und Gefangenschaft schlug sich nieder in neuen, oft konflikthaften Gewöhnungs-oder auch Entfremdungsprozessen zwischen den Ehepartnern, den heimkehrenden Vätern und ihren Kindern, die gleichsam vor ihrer Zeit alt geworden waren. Insonderheit Frauen, Mütter und Kinder hatten Verantwortungen und Aufgaben übernommen, die ihnen in Zeiten der Normalität nicht zugemutet bzw. zugestanden worden wären

Zu diesem Problemkontext gehört ferner die Tatsache, daß die Zahl der unehelichen Kinder rapide anstieg. Dazu zählten weiterhin die rd. 93000 Besatzungskinder und etwa 3 200 Kinder aufgrund von Vergewaltigungen. Ihre familien-und versorgungsrechtliche Situation war extrem schwierig, von den sozialen Problemen dieser Kinder und ihrer Mütter ganz zu schweigen.

Inmitten solcher Symptome der Krise und Deformation erwies sich die Familie als Fluchtpunkt und Rettungsanker, und sie übernahm damit für die gesellschaftliche Reorganisation und Stabilisierung insgesamt Scharnierfunktionen. Es ist offenkundig, daß in diesem familialen Formierungsprozeß überkommene, d. h. bürgerlich-paternalistische, christlich orientierte Leitbilder dominierten, was entscheidend dazu beitrug, daß sich die Familien zunächst wieder in traditionellen Strukturen und Hierarchien konstituierten, daß jeder Teil seine Aufgaben kannte und wußte, wer draußen und drinnen die Daseinsvorsorge für die Familie zu übernehmen hatte 3. Aspekte des politischen Wiederaufbaus Die öffentlichen Inszenierungen der Macht im „Dritten Reich“ waren immer darauf angelegt, „Führer“ und „Volk“ als eine Symbiose erscheinen zu lassen. Diese Strategie war nicht nur herrschaftspolitisch erfolgreich, der „schöne Schein“ (P. Reichel) solcher Bilder verfehlte auch im Ausland seine Wirkung nicht. Alliierte Nachkriegs-planungen und Besatzungspolitik, konstruktive wie destruktive, zogen aus der suggestiven Formel „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ Legitimation und Argumente. Sie stützte die Kollektivschuld-these ebenso wie die davon beeinflußten besatzungspolitischen Maximen.

Zugegeben: Die Diskrepanz zwischen der propagierten Volksgemeinschaft und den sozialen Reali-täten war erheblich, und ebensowenig wird man das Gerede von der Einheit zwischen Partei, Volk und Staat für bare Münze nehmen dürfen. Aber der Grad an gesellschaftlicher Zustimmung, auf den sich das Regime stützen konnte, war hoch und erschöpfte sich keineswegs in Mitgliedschaften in der NSDAP, ihren Gliederungen und Verbänden. Wie immer auch das Mischungsverhältnis von wahrgenommener und tatsächlicher Durchdringung von NS-Ideologie und deutscher Gesellschaft war, die bedingungslose Kapitulation bedeutete zunächst nur die Zerschlagung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems. Und erst die Zukunft mußte zeigen, inwieweit mit einer Gesellschaft, die eine Mesalliance eingegangen war mit „Verführung und Gewalt“ ein demokratischer Staat zu machen war. Der demokratische Vertrauensvorschuß jedenfalls, den Deutschland bei den Westalliierten besaß, -diese bittere Erfahrung hatten selbst Angehörige des „Kreisauer Kreises“ und anderer Widerstandsgruppen machen müssen -war minimal und überdies von Skepsis und Mißtrauen durchzogen

Auf dem Hintergrund dieser Wahrnehmungen und Überzeugungen -das Scheitern der Weimarer Republik noch im Gedächtnis und die Hinterlassenschaften des NS-Regimes vor Augen -wurde der politische Wiederaufbau von den Alliierten ins Werk gesetzt: am kurzen Zügel und mit Prämissen, die von einem eminenten Sicherheitsbedürfnis diktiert waren. Andererseits sollte sich gerade an diesem Punkt zeigen, wie brüchig die alliierten Gemeinsamkeiten waren.

Der Erfolg eines demokratischen Neubeginns hing entscheidend davon ab, ob und inwieweit es gelingen würde, 1. einen klaren Trennungsstrich zum NS-Regime zu ziehen, 2. politisch unbelastete, glaubwürdige und qualifizierte Kräfte zu gewinnen, 3. die lokalen Demokratiegründungen zu stabilisieren, um auf ihnen aufbauen zu können, 4. Parteien und andere Organisationen in die politische Verantwortung zu nehmen, die nicht, wie es Hans Mommsen formuliert hat, im „langen Schatten der untergehenden Republik“ standen, also nicht in den Niedergang der Weimarer Republik verstrickt gewesen waren

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die sogenannte Entnazifizierung zunächst energisch angepackt wurde: von den Alliierten ebenso wie von deutscher Seite. Ehemalige politische Funktionsträger wurden nahezu ausnahmslos aus ihren Ämtern entlassen, zum Teil verhaftet und strafrechtlich verfolgt. So wurden Bürgermeister und Landräte mit einer Konsequenz entfernt und darüber hinaus im öffentlichen Dienst Massenentlassungen vorgenommen, die einen „beispiellosen Bruch mit den Traditionen des deutschen Berufsbeamtentums“ bedeuteten.

Aber dies war nur der eiserne Besen der ersten Stunde. Denn bereits ab Ende 1946 setzte in den Westzonen ein gegenläufiger Prozeß ein, auf den damals der Satz gemünzt wurde: „Seitdem uns die demokratische Sonne bescheint, werden wir immer brauner.“ Diese Entlastungsvorstöße beschäftigten die gemeindlichen Gremien, ihre staatlichen Aufsichtsorgane und die Stäbe der Militärregierungen in immer wiederkehrender Form. Sie endeten damit, daß ab dem Frühjahr 1948 in einzelnen Regionen wie im bayerischen Ansbach/Fürth „die alte Garde“ wieder in den öffentlichen Dienst zurückgekehrt war Rückkehr bedeutete hier nicht unbedingt Rückkehr in alte Positionen, sondern zunächst Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis. Eine solche Rehabilitierung von Nationalsozialisten im Wege beruflicher Integration kann nicht verallgemeinert werden und hatte mehrere Gründe. Sicherlich hatte sie etwas mit den personellen Engpässen in den Verwaltungen und mit den öffentlichen wie privaten Versorgungsproblemen zu tun wie auch damit, daß die Zuverlässigkeit der formalisierten Verfahren in Gestalt von Fragebögen und Spruchkammern fragwürdig war und Ungerechtigkeiten zugelassen hatte. Möglich aber war solch ein personalpolitisches „roll back“ vor allem deshalb,weil der gesellschaftliche Rückenwind dafür immer stärker und die Gegenwehr von Seiten der westalliierten Militärregierungen in dem Maße schwächer wurde, wie sich die politische Großwetterlage zwischen Ost und West veränderte.

Hinzu kamen die tagtägliche existentielle Inanspruchnahme durch den Alltag und die Tatsache, daß so gut wie jede Familie Tote zu beklagen hatte. Man half, weil man Menschen in Not sah und reflektierte dabei nicht über politisches Fehlverhalten, über Schuld und Sühne. Und zweifellos waren hierbei auch Verdrängungsgefühle wirksam. Dies alles trug mit dazu bei, daß sich die gesellschaftliche Ächtung von politisch Beschuldigten und Belasteten -vom Mitläufertyp über den Karrieristen bis zum Überzeugungstäter -in Grenzen hielt. Vor allem aber, daß die parallel zu den politischen Säuberungsmaßnahmen und NS-Prozessen geführten historisch-moralischen Diskurse über die nationalsozialistische Vergangenheit -und dies meint insbesondere die politisch-gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Massenverbrechen, ihren ideologischen Wegbereitern, Handlangern und Vollstreckern sowie die daraus zu ziehenden Konsequenzen für die Neuordnung -, daß also diese Diskurse mehr und mehr den Charakter einer freischwebenden Schulddiskussion annahmen. Insofern standen Politik und Gesellschaft schon früh in der Gefahr, den in einem breiten Konsens gezogenen Trennungsstrich gegenüber dem NS-Regime im Sinne eines Schlußstrichs auszulegen

Die hier angedeuteten Bindungen an die Vergangenheit einschließlich der Kontinuitäten im Bereich der Wirtschaftsverfassung können indes nicht darüber hinwegtäuschen, wie gewichtig die sozialen und politischen Brüche und Neuansätze waren, die in der Phase der Trümmergesellschaft teils angebahnt wurden, teils schon als Faktum wirksam waren. Dazu gehörten: 1.der Wegfall der Großgrundbesitzerschicht Osteibiens, die als politische Klasse nicht mehr existent war, sowie das Verschwinden von Militär und Militarismus als „Verfassungsproblem“

und als gesellschaftliche Leitbilder 2. die Durchmischung sozialer und konfessioneller Milieus; 3. eine Neustrukturierung des Parteienwesens, in der insbesondere CDU/CSU als „primär bürgerliche Sammelparteien“ ein Novum darstellten und deren Integrationskraft für die Stabilität des politischen Systems zentrale Bedeutung gewann; 4. eine neue Organisationsform der Gewerkschaftsbewegung;

5. die grundsätzlichen Weichenstellungen für ein parlamentarisch-demokratisches Gemeinwesen und die damit einhergehende Anbindung an die westliche Verfassungsentwicklung.

Ohne Zweifel muß der angloamerikanische Anteil an diesem Umbau politischer Strukturen und an der Herausbildung einer an westlichen Vorbildern orientierten politischen Kultur hoch veranschlagt werden Um so wichtiger war es, daß dieser Transformationsprozeß von einer demokratisch gesinnten politischen Funktionselite mitgetragen und durch eindeutige Wahlentscheidungen legitimiert wurde.

Vergegenwärtigt man sich das Profil der politischen Gründergeneration, das Parteienspektrum und das Wahlverhalten der Trümmergesellschaft, so zeigt sich, wie nah und fern zugleich damals „Weimar“ war. Pauschal ließe sich formulieren, daß die neue politische Funktionselite die alte war, und zwar sowohl im Sinne von Lebensalter als auch von politischer Erfahrung. Nimmt man beispielsweise die Mandatsträger des Parlamentarischen Rates, des Bundestages und des Landtags von Nordrhein-Westfalen, so dominierte eindeutig die Vorkriegsgeneration mit den Geburtsjahrgängen 1875 bis 1906, also die Generation, die bei Kriegsende zwischen 39 und 70 Jahre alt war und aus der sich schon das demokratische Führungspersonal der Weimarer Republik rekrutiert hatte Aus diesen und anderen Gründen hat manmit einer gewissen Plausibilität die erste Bundestagswahl „eher als letzte Weimarer denn als erste Bonner Wahl“ charakterisiert

Die Dominanz der Vorkriegsgeneration in der politischen Formierungsphase der Bundesrepublik ging allerdings zu Lasten der sogenannten Zwischenkriegsgeneration, also, der Jahrgänge von 1917 bis 1930, die in der Zeit der Weimarer Republik, vor allem aber des Nationalsozialismus politisch entscheidend geprägt worden waren. Dadurch war diese politisch zunächst mehr in nachgeordneten Positionen und auf mittleren Ebenen tätig -in der politischen und gewerkschaftlichen Bildungsarbeit oder in den Jugendorganisationen der Parteien und Verbände. Insoweit leistete diese Zwischenkriegsgeneration (für sie können Personen wie Klaus von Bismarck, Heinz Westphal, Josef Rommerskirchen stellvertretend genannt werden) durchaus einen frühzeitigen Beitrag zur langfristigen demokratischen Stabilisierung der Bundesrepublik.

Es handelte sich um eine Generation, für die nicht das Alter das wichtigste Definitionsmerkmal bildete, sondern die Erfahrungen von Krieg, Niederlage, Zusammenbruch. Die Formen und Wirkungen ihrer Verarbeitung lassen sich nicht verallgemeinern, aber sie durchziehen leitmotivisch zahlreiche literarische Zeugnisse der Trümmerzeit, wie etwa Hans Werner Richters Artikel „Warum schweigt die junge Generation“ oder Heinrich Bölls „Bekenntnis zur Trümmerliteratur" aus dem Jahr 1952 Diese Schlüsselerfahrungen waren gleichsam das unsichtbare Gepäck dieser Generation, das sie fortan mit sich trug, das eine damals wie später registrierte skeptisch-ablehnende Grundhaltung gegenüber allem Politischen prägte und mit dafür verantwortlich war, daß große Teile von ihr der Privatsphäre oftmals den Vorzug gab

Das Bild vom „Ritt über den Bodensee“, mit dem der rheinische CDU-Politiker Leo Schwering das ungewisse Wagnis der Gründung der CDU als interkonfessionelle Partei in der Rückschau beschrieben hat, läßt sich auf die Trümmergesellschaft insgesamt anwenden: Das ihr gründlich abhanden gekommene politische „Urvertrauen“ stellte sich erst mit der Erfahrung stetigen Wachstums, wirtschaftlicher Prosperität und politischer Stabilität ein. Hier spielte die Währungsreform eine eminent wichtige Rolle. Obwohl sie für Millionen Menschen zunächst ein Absinken in neue Armut bedeutete -denn dieser „drastische Währungsschnitt hatte sämtliche Geldvermögen zu 95 % entschädigungslos enteignet“ markierte sie gleichzeitig den faktischen und mentalen Wendepunkt in der scheinbaren Perspektivlosigkeit der Trümmergesellschaft.

Die soziale Not war gleichwohl nach wie vor groß und konfliktträchtig, und ebenso war die Trümmergesellschaft mehr von Labilität denn von Stabilität gekennzeichnet. Ein erfolgreicher Abbau dieses Konfliktpotentials erfolgte erst mit dem in den fünfziger Jahren realisierten System der sozialen Sicherung. Die große sozialpolitische Leistung war mit eine wesentliche Bedingung dafür, daß sich die Trümmergesellschaft zur Nachkriegsgesellschaft entwickeln konnte.

III.

Die westdeutsche Gesellschaft der Nachkriegszeit ist in der Forschung in unterschiedlicher Weise typisiert worden. So hat Theodor Geiger von der „Klassengesellschaft im Schmelztiegel“ gesprochen und Helmut Schelsky die vielfach rezipierte These von der „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ formuliert -beides Charakterisierungen, die sich an den Merkmalen Umbruch, Wandel und Transformation orientieren. Diese Beobachtungen treffen ohne Zweifel Wesentliches, sie lassen aber nicht die sozialen Ambivalenzen der Trümmergesellschaft erkennen, die sich nicht auf den ersten Blick erschließen. Insofern erscheint die Trümmergesellschaft in hohem Maße als eine Gesellschaft mit Fassadencharakter.

So wie die Bombenangriffe und Feuerstürme alliierter Luftstaffeln viele deutsche Städte ihrer Individualität beraubt hatten, so schienen Krieg und Zusammenbruch auch die deutsche Gesellschaft in einen Zustand von Egalität und Gleichförmigkeit hineingestürzt zu haben. Not und Mangel, Verlust und Tod waren so allgegenwärtig, daß alle Merkmale von Klassenstrukturen, von sozialer Polarisierung und Ungleichheit eingeebnet schienen. Doch dieser Eindruck täuscht. Die Trümmer-gesellschaft spülte Konjunkturritter der Not nach oben -wie etwa die Schwarzmarkthändler -und verschaffte einzelnen Gruppen -z. B.den Bauern -die Position von Nutznießern; doch solche Zeit-erscheinungen sagen nichts aus über tatsächliche soziale Positionsgewinne, über Auf-und Abstiege, über Umschichtungen oder Entschichtungsvorgänge.

Dieses Fazit soll in fünf abschließenden Bemerkungen erläutert und gebündelt werden. Sie zeigen, daß die Trümmergesellschaft nicht mit pauschalisierenden, antithetischen Zuordnungen wie Restauration oder Neubeginn erfaßt werden kann, sondern daß vielmehr auf allen sozialen und politischen Ebenen Merkmale der Restitution und des Neuanfangs auszumachen sind: 1. Die Trümmergesellschaft war eine „zutiefst aufgewühlte Gesellschaft“ Betroffen waren alle Schichten. Jedoch bedarf es noch eingehender sozialhistorischer Untersuchungen, um präzise bestimmen zu können, wie stark das Faktum massenhafter Entwurzelung und Deklassierung bis hin zum sozialen Absturz gewichtet werden muß -etwa innerhalb der langfristigen sozialen Auf-und Abstiegsprozesse auf Seiten der Industriearbeiterschaft einerseits, des alten und neuen Mittelstandes andererseits -und ob sich die Beziehungen zwischen den Schichten und Klassen ad hoc veränderten. Für das Ruhrgebiet ist beispielsweise Klaus Tenfelde zu dem Ergebnis gekommen, daß die „Struktur der sozialen Schichtung ... bis 1950 bemerkenswert stabil geblieben“ sei 2. Die katastrophale Ernährungslage in den ersten Nachkriegsjahren hatte speziell die Bauern in eine privilegierte Stellung gebracht, aus der sie aber nur bedingt gesellschaftliches Kapital zu schlagen vermochten. Alte Konfliktlinien zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung brachen auf. Das Gefühl, am längeren Hebel zu sitzen, war nur vorübergehend und erwies sich alles in allem als trügerisch und kontraproduktiv. Welche Bedeutung den Jahren der Trümmergesellschaft tatsächlich im Kontext des soziokulturellen und ökonomischen Wandels auf dem Lande zugemessen werden muß -ob sie bestehende Modernisierungstrends beschleunigte, verzögerte oder etwa zu neuartigen Konstellationen zwischen« Stadt und Land führte diese Fragen lassen sich nur im Kontext des „nach Kriegsende umfassend einsetzenden Modernisierungsprozesses in Deutschland“ beantworten. Gleichwohl war die Konfrontation zwischen Altem und Neuem auf dem Lande umwälzend genug, um auch hier Modernisierungsprozesse unumkehrbar zu machen. 3. Auf den ersten Blick eindeutiger war die Situation der christlichen Kirchen. Sie hatten den Nationalsozialismus -wie es schien -ungebrochen und unbeschädigt überstanden. Insofern war klar, daß die „christlich-naturrechtlich begründeten Prinzipien“ des christlichen Glaubens zugleich die Fundamente einer politisch-gesellschaftlichen Neuordnung sein müßten

Dementsprechend offensiv wurde der kirchliche Gestaltungsanspruch etwa in den Verfassungsberatungen vertreten. Gegenüber dem Kirchenvolk wiederum wurde die Losung ausgegeben, noch treuer, noch fester im Glauben zu sein. Die Voraussetzungen dazu waren auch deshalb günstig, weil die Zumutungen des NS-Regimes den Zusammenhalt kirchlich geprägter Milieus und Lebensformen gestärkt hatten.

So wiesen etwa im Bereich des Katholizismus alle Indikatoren auf eine kraftvolle Renaissance hin -in den Städten wie auf dem Lande.

Aber auch hier zeigt sich in einer Langzeitperspektive, daß die Anzeichen „eines neu anbrechenden religiösen Frühlings“ gegenläufige Entwicklungen nur überdeckten, die sich dann in den sechziger Jahren dramatisch beschleunigten. 4. Die Trümmergesellschaft markiert politik-, sozial-und erfahrungsgeschichtliche Zäsuren, die freilich nicht synchron verliefen. Es wurden politische und ökonomische Entscheidungen getroffen, die das westdeutsche Verfassungsund Sozialsystem maßgeblich bestimmten.

Diese Entscheidungen und Weichenstellungenlassen sich jedoch -und damit ist die Frage von Kontinuität und Diskontinuität aufgeworfen -im Bereich der Politik-und Erfahrungsgeschichte (Beispiel: Kapitulation, Währungsreform, Gründung der Bundesrepublik) präziser bestimmen als etwa im Bereich der Sozialgeschichte (Beispiel: Veränderungen von Sozialstrukturen, Mentalitäten etc.).

Nach diesen Bemerkungen stellt sich 5. das Problem der Periodisierung, d. h. die Frage nach dem Stellenwert der Trümmergesellschaft im Kontext der westdeutschen Nachkriegs-geschichte, in besonderer Weise. Die Antwort soll in zwei sprachliche Bilder gekleidet werden, um so auch die Begrenztheit definitiver Aussagen beim gegenwärtigen Forschungsstand zu unterstreichen: Die vielfache und dauerhafte Prägekraft der Trümmergesellschaft verleiht ihr einerseits einen Schwellencharakter; andererseits war sie eine Inkubationsphase für soziale und kulturelle Prozesse (Wohn-und Verkehrswesen, Konsum-und Freizeitverhalten sowie Lebensstile sollen hier als Stichworte genügen), die erst in den späten fünfziger wie in den sechziger Jahren offenkundig wurden Beides -Schwellencharakter und Inkubationsphase -macht den epochalen Rang der Trümmergesellschaft in der deutschen Nachkriegsgeschichte aus.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Überarbeitete und um Anmerkungen ergänzte Fassung eines Vortrags, der im Rahmen einer Vortragsreihe „Als der Krieg zu Ende war. 1945 und die Folgen“ des „Historischen Vereins zu Münster“ gehalten wurde. Thomas Mann und die Deutschen, Briefwechsel, in: Deutsche Literatur nach 1945. Texte und Bilder, hrsg. von Volker Bohn, Frankfurt a. M. 1993, S. 83ff.

  2. Sybille Meyer/Eva Schulze, Von Liebe sprach damals keiner. Familienalltag in der Nachkriegszeit, München 1985, S. 81.

  3. Vgl. Peter Hüttenberger, Demokratisierung Westdeutschlands nach dem 2. Weltkrieg, in: Horst Lademacher/Jac Bosmans (Hrsg.), Tradition und Neugestaltung. Zu Fragen des Wiederaufbaus in Deutschland und den Niederlanden in der frühen Nachkriegszeit, Münster 1991, S. 39f.

  4. Vgl. Paul Erker, Revolution des Dorfes? Ländliche Bevölkerung zwischen Flüchtlingszustrom und landwirtschaftlichem Strukturwandel, in: Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland, hrsg. von Martin Broszat/Klaus-Dietmar Henke/Hans Woller, München 19903, S. 367-425.

  5. Vgl. Peter Waldmann, Die Eingliederung der ostdeutschen Vertriebenen in die westdeutsche Gesellschaft, in: Josef Becker/Theo Stammen/Peter Waldmann (Hrsg.), Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen Kapitulation und Grundgesetz, München 1979, S. 166ff.; Alfred Theisen, Die Vertreibung der Deutschen. Ein unbewältigtes Kapitel europäischer Zeitgeschichte, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 7-8/95, S. 26ff.

  6. Vgl. Albrecht Lehmann, Gefangenschaft und Heimkehr. Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion, München 1986; ders., Die Kriegsgefangenen, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, B 7-8/95, S. 13ff.

  7. Vgl. Hans Günter Hockerts, Integration der Gesellschaft: Gründungskrise und Sozialpolitik in der frühen Bundesrepublik, in: Zeitschrift für Sozialreform, 32 (1986), S. 26.

  8. Vgl. C. Kleßmann (Anm. 6), S. 43; Wolfgang Jacob-meyer, Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer. ’ Die Displaced Persons in Westdeutschland 1945-1951, Göttingen 1985; Juliane Wetzel, „Displaced Persons“. Ein vergessenes Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 7-8/95, S. 34ff.

  9. Vgl. Helmut Schelsky, Wandlungen der deutschen Familie in der Gegenwart. Darstellung und Deutung einer empirisch-soziologischen Tatbestandsaufnahme, Dortmund 19532, S. 48.

  10. Zit. nach Ilse Brusis (Hrsg.), Die Niederlage, die eine Befreiung war. Das Lesebuch zum 8. Mai 1945, Köln 1985, S. 68.

  11. Vgl. beispielsweise Stephen Spender, European Witness, New York 1946; Elisabeth Hoemberg, Thy people, my people, London 1950.

  12. Zit. nach Lothar Albertin, Jugendarbeit 1945. Neuanfänge der Kommunen, Kirchen und politischen Parteien in Ostwestfalen-Lippe, Weinheim-München 1992, S. 14.

  13. Zit. nach S. Meyer/E. Schulze (Anm. 2), S. 96.

  14. Ebd., S. 199f.

  15. Aus der Flut an Veröffentlichungen sei hier stellvertetend genannt Klaus-Dietmar Henke, Die amerikanische Besetzung Deutschlands, München 1995, sowie John E. Farquharson, The British Occupation of Germany 1945/46: A Badly Managed Disaster Area?, in: German History, 11 (1993), S. 316ff.

  16. Vgl. Peter Hüttenberger, Die Industrie-und Verwaltungsstadt (20. Jahrhundert), in: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Bd. 3, hrsg. von Hugo Weidenhaupt, Düsseldorf 1989, S. 671 ff.; Karl Teppe, Politisches System, gesellschaftliche Strukturen und kulturelles Leben seit dem Zweiten Weltkrieg, in: Franz-Josef Jakobi (Hrsg.), Geschichte der Stadt Münster, Bd. 3, Münster 1993, S. 22ff.

  17. Vgl. Hermann Glaser, Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen Kapitulation und Währungsreform 1945-1948, München-Wien 1985.

  18. Vgl. Matthias Franck, Die Geschichte der Ruhrfestspiele Recklinghausen 1946-1956, Würzburg 1986.

  19. Zahlreiche Beispiele in: So viel Anfang war nie. Deutsche Städte 1945-1949, hrsg. von Hermann Glaser/Lutz von Pufendorf/Michael Schöneich, Berlin 1989.

  20. Dietrich Hilger, Die mobilisierte Gesellschaft, in: Richard Löwenthal/Hans-Peter Schwarz, Die Zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland -Eine Bilanz, Stuttgart 1974.

  21. Zit. nach Everhard Holtmann, Politik und Nichtpolitik. Lokale Erscheinungsformen Politischer Kultur im frühen Nachkriegsdeutschland. Das Beispiel Unna und Kamen, Opladen 1989, S. 265.

  22. Vgl. Gisela Schwarze, Eine Region im demokratischen Aufbau. Der Regierungsbezirk Münster 1945/46, Düsseldorf 1984, S. 222.

  23. Ebd., S. 221.

  24. Vgl. P. Erker (Anm. 4); G. Schwarze (Anm. 24); Peter Exner, Beharrung und Wandel. Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Westfalen 1918-1960, Diss. (Ms.) Münster 1995 (zum Projektkontext dieser Studie vgl. die Erläuterung in Anm. 65); Anke Hufschmidt „.. . und dann blieben wir doch.“ Flüchtlinge und Vertriebene in Lippe 1945-1953, Detmold 1994; Rolf Messerschmidt, Aufnahme und Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge in Hessen 1945-1950, Wiesbaden 1994.

  25. Vgl. Albrecht Lehmann, Im Fremden ungewollt zuhaus. Flüchtlinge und Vertriebene in Westdeutschland 1945-1990, München 1991, S. 235.

  26. P. Erker (Anm. 4), S. 397.

  27. Vgl. P. Exner (Anm. 26).

  28. Vgl. B. Willenbacher (Anm. 8), S. 613.

  29. Vgl. Hans Braun, Helmut Schelskys Konzept der „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“, in: Archiv für Sozialgeschichte, XXIX (1989), S. 211 ff. .

  30. Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer. Gründerjahre der Republik 1949-1957, Stuttgart-Wiesbaden 1981, S. 120.

  31. Vgl. ebd., S. 169.

  32. Vgl. stellvertretend H. Schelsky (Anm. 11).

  33. Vgl. B. Willenbacher (Anm. 8), S. 604ff.; Merith Niehuss, Kontinuität und Wandel der Familie in den 50er Jahren, in: Axel Schildt/Arnold Sywottek (Hrsg.), Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre, Bonn 1993, S. 322ff.

  34. Vgl. neben der zeitgenössischen Studie von Hilde Thumwald, Gegenwartsprobleme Berliner Familien. Eine soziologische Untersuchung an 498 Familien, Berlin 1948, Ute Frevert, Frauen auf dem Weg zur Gleichberechtigung -Hindernisse, Umleitungen, Einbahnstraßen, in: Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nach-kriegsgeschichte, hrsg. von Martin Broszat, München 1990, S. 117f.; Ulla Robert, Starke Mütter -ferne Väter. Töchter reflektieren ihre Kindheit im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit, Frankfurt a. M. 1994.

  35. M. Niehuss (Anm. 35), S. 322.

  36. Im einzelnen dazu ebd., S. 137f.

  37. Vgl. B. Willenbacher (Anm. 8), S. 599.

  38. Vgl. insbesondere die Zeugnisse in: S. Meyer/E. Schulze (Anm. 2).

  39. An dieser Stelle sei nur angemerkt, daß gerade diese Formen und Ergebnisse familialer und damit in gewisser Weise auch gesellschaftlicher Restabilisierung in der sozial-geschichtlichen und speziell geschlechtergeschichtlichen Forschung kontrovers beurteilt werden: Etwa im Hinblick auf den Emanzipationsprozeß der Frauen und die Sozialisationsbedingungen der Kinder und Jugendlichen.

  40. So der Buchtitel von Hans-Ulrich Thamer, Verführung und Gewalt. Deutschland 1933-1945, Berlin 1986.

  41. Vgl. Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die deutsche Gesellschaft und der Widerstand gegen Hitler, hrsg. von Jürgen Schmädeke/Peter Steinbach, München-Zürich 1985, hier bes. die Beiträge zum Komplex „Auslandsbeziehungen des Widerstandes“, S. 639-776.

  42. Hans Mommsen, Der lange Schatten der untergehenden Republik. Zur Kontinuität politischer Denkhaltungen von der späten Weimarer zur frühen Bundesrepublik, in: ders., Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft. Ausgewählte Aufsätze. Zum 60. Geburtstag hrsg. von Lutz Niethammer/Bernd Weisbrod, Hamburg 1991, S. 362ff.

  43. Hans Woller, Gesellschaft und Politik in der amerikanischen Besatzungszone. Die Region Ansbach und Fürth, München 1985, S. 102.

  44. Zit. nach Eugen Kogon, Das Recht auf den politischen Irrtum, in: Frankfurter Hefte, 2 (1947), S. 641; vgl. auch Karl Prümm, Entwürfe einer zweiten Republik. Zukunftsprogramme in den „Frankfurter Heften“ 1946-1949, in: Thomas Koebner/Gert Sautermeister/Sigrid Schneider (Hrsg.), Deutschland nach Hitler. Zukunftspläne im Exil und aus der Besatzungszeit 1939-1949, Opladen 1987, S. 330ff.

  45. Vgl. H. Woller (Anm. 45), S. 112.

  46. Zum vieldiskutierten Problem der „Vergangenheitsbewältigung“ zuletzt Ulrich Brochhagen, Nach Nürnberg. Vergangenheitsbewältigung und Westintegration in der Ära Adenauer, Hamburg 1994; Franz-Werner Kersting/Karl Teppe/Bernd Walter, Gesellschaft -Psychiatrie -Nationalsozialismus. Historisches Interesse und gesellschaftliches Bewußtsein, in: dies. (Hrsg.), Nach Hadamar. Zum Verhältnis von Psychiatrie und Gesellschaft im 20. Jahrhundert, Paderborn 1993, S. 9 ff.

  47. Vgl. Jürgen Kocka, 1945: Neubeginn oder Restauration?, in: Wendepunkte deutscher Geschichte 1848-1990, hrsg. von Carola Stern/Heinrich August Winkler, Frankfurt a. M. 1994 (Erstauflage 1979), S. 176ff.

  48. Vgl. ebd.

  49. Vgl. Wolfgang Benz, Erzwungenes Ideal oder zweitbeste Lösung? Intentionen und Wirkungen der Gründung des deutschen Weststaates, in: Ludolf Herbst (Hrsg.), Westdeutschland 1945-1955. Unterwerfung, Kontrolle, Integration, München 1986, S. 135ff.; Hermann-Josef Rupieper, Der besetzte Verbündete. Die amerikanische Deutschland-politik 1949-1955, Opladen 1991.

  50. Vgl. Frank R. Pfetsch, Die Gründergeneration der Bundesrepublik Deutschland. Sozialprofil und politische Orientierung, in: Politische Vierteljahresschrift, 27 (1986), S. 237ff.; Helmut Fogt, Politische Generationen. Empirische Bedeutung und theoretisches Modell, Opladen 1982, S. 126ff.:. Peter Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949-1982, Baden-Baden 19843, S. 182ff.; Helga Grebing, Demokratie ohne Demokraten? Politisches Denken, Einstellungen und Mentalitäten in der Nachkriegszeit, in: Wie neu war der Neubeginn? Zum deutschen Kontinuitätsproblem nach 1945, hrsg. von Everhard Holtmann, Erlangen 1989.

  51. Jürgen W. Falter, Alte und neue Parteiorientierungen: Die Bundestagswahl 1949 zwischen Kontinuität und Neubeginn, in: E. Holtmann (Anm. 52), S. 50; vgl. ferner den Beitrag von Andreas Biefang in diesem Heft.

  52. In: Der Ruf, 2 (1946), 2. September, S. 60ff.

  53. In: Deutsche Literatur nach 1945 (Anm. 1), S. 140ff.

  54. Vgl. die anregende Studie von L. Albertin (Anm. 14).

  55. H. G. Hockerts (Anm. 9), S. 27.

  56. Vgl.den Buchtitel „Die Klassengesellschaft im Schmelztiegel“, Köln-Opladen 1949.

  57. Vgl. die Studie: Die Bedeutung des Schichtungsbegriffes für die Analyse der gegenwärtigen deutschen Gesellschaft (1953), in: ders., Auf der Suche nach Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze, Düsseldorf-Köln 1965, S. 332. Kritisch dazu H. Braun (Anm. 31), S. 199ff.

  58. H. -P. Schwarz (Anm. 32), S. 402.

  59. Klaus Tenfelde, Soziale Schichtung, Klassenbildung und Konfliktlagen im Ruhrgebiet, in: Wolfgang Köllmann/Hermann Korte/Dietmar Petzina/Wolfhard Weber (Hrsg.), Das Ruhrgebiet im Industriezeitalter, Bd. 2, Düsseldorf 1990, S. 174.

  60. P. Erker (Anm. 4), S. 425.

  61. Vgl. Karl Gariel, Die Katholiken in den 50er Jahren: Restauration, Modernisierung und beginnende Auflösung eines konfessionellen Milieus, in: A. Schildt/A. Sywottek (Anm. 35), S. 425.

  62. Hans Maier, Kirche, Religion und Kultur, in: Zäsuren nach 1945 (Anm. 36), S. 131.

  63. Zahlreiche Beispiele dazu in dem Sammelband von A. Schildt/A. Sywottek (Anm. 35). Dieser Fragestellung ist auch ein beim Westfälischen Institut für Regionalgeschichte, Münster, angesiedeltes Forschungsprojekt verpflichtet, in dem z. Z. 13 Einzelstudien bearbeitet werden. Grundsätzlich dazu: Matthias Frese/Franz-Werner Kersting/Michael Prinz/Susanne Rouette/Karl Teppe, Gesellschaft in Westfalen. Kontinuität und Wandel 1930-1960. Ein Forschungsprojekt des Westfälischen Instituts für Regionalgeschichte, in: Westfälische Forschungen, 41 (1991), S. 444ff.

Weitere Inhalte

Karl Teppe, Dr. phil., geb. 1943; Direktor des Westfälischen Instituts für Regionalgeschichte beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe; Lehrbeauftragter am Historischen Seminar der Universität Münster. Veröffentlichungen u. a.: (Hrsg. zus. mit Michael Epkenhans) Westfalen und Preußen. Integration und Regionalismus, Paderborn 1991; (Hrsg. zus. mit Franz-Werner Kersting und Bernd Walter) Nach Hadamar. Zum Verhältnis von Psychiatrie und Gesellschaft in der Moderne, Paderborn 1993; (Hrsg. zus. mit Arno Herzig und Andreas Determann) Verdrängung und Vernichtung der Juden in Westfalen, Münster 1994.