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Unternehmerisches Umweltverhalten in Abhängigkeit von externen Einflüssen. Stand und Perspektiven | APuZ 7/1996 | bpb.de

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APuZ 7/1996 Ökologische Umorientierung der Industriegesellschaft Innovationen für eine zukunftsfähige Entwicklung Umweltschutz im deutschen Betriebsalltag. Eine Bestandsaufnahme in mikropolitischer Perspektive Unternehmerisches Umweltverhalten in Abhängigkeit von externen Einflüssen. Stand und Perspektiven Der Rhein -Ein langer Weg zum grenzüberschreitenden Umweltschutz

Unternehmerisches Umweltverhalten in Abhängigkeit von externen Einflüssen. Stand und Perspektiven

Winfried Kösters

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Viele Bürger in Deutschland reagieren inzwischen sehr sensibel auf ökologische Probleme. Unter Umgehung politischer Strukturen, aber mit der Unterstützung der Massenmedien wenden sich die Akteure mit ihren Initiativen direkt an die Verursacher: die Unternehmen. Sie versuchen so, Öffentlichkeit für ihre Anliegen herzustellen, um Druck zu erzeugen, der ein Umdenken in den Chefetagen deutscher Betriebe bewirken soll. Medienpräsenz kann zu einer erheblichen Dynamik in Umweltkonflikten führen. Da bleibt Unternehmen oft nur der Rückzug, um größere Imageschäden oder höhere Verluste zu vermeiden. Und die Politik reagiert zunehmend nur noch, indem sie ordnungsrechtliche Instrumentarien schafft oder verschärft, um bei den Unternehmen die gewünschten Wirkungen zu erzielen. Eine künftige Umweltpolitik hat jedoch die Aufgabe, die Unternehmen als ökologische Akteure zu begreifen, die auch agieren sollen und können. Kooperation ist notwendig, nicht Konfrontation.

I. Problemaufriß

In der bundesdeutschen Bevölkerung ist ein verstärktes Umweltbewußtsein festzustellen. Seit Jahren schon genießt der Umweltschutz als politische Aufgabe eine hohe Aufmerksamkeit. Gefordert sehen die Bundesbürger allerdings weniger die Änderung ihrer eigenen Lebensweise, sondern vor allem den Staat in seiner Funktion als Gesetzgeber und Ordnungshüter. Der Adressat dieser staatlichen Aktivitäten ist in der Regel das Unternehmen. Umweltorientierte Wünsche und Forderungen werden jedoch zunehmend direkter an diese Adresse gerichtet Denn die „Reichweiten und Eingriffstiefen wirtschaftlicher Tätigkeit, die zugleich auf labilere ökologische Verhältnisse und gesellschaftliche Lebensumstände trifft“, verlangen die umweltfreundliche „Bewältigung von Modernisierungsrisiken als Konsequenz und Kehrseite der industriellen Tätigkeit“ Einprägsames Beispiel: Die Shell-Bohrinsel „Brent Spar“ galt im Juni 1995 schlichtweg als Symbol für den Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie

Doch spektakuläre Einzelfälle verdecken eher das weltweite Grundproblem: Durch Bevölkerungsexplosion und industrielles Wachstum werden nichterneuerbare Ressourcen rasch und unwiederbringlich verbraucht, die Regenerierbarkeit der natürlichen Lebensgrundlagen überstrapaziert. Unabhängig davon, ob es die Wirtschaft ist, deren Einzelakteure die industriellen und gewerblichen Unternehmen sind und die die Umweltprobleme hauptsächlich verursacht, kommt ihr doch auf jeden Fall „eine entscheidende Rolle in der Erhaltung einer gesunden Zukunft dieses Planeten“ zu.

Unternehmen betreiben Marktforschung, um herauszufinden, an welchen Produkten Bedarf besteht. Die Produktion dieser Güter ist mit folgenden Prozessen verbunden: Besorgung der notwendigen Rohstoffe, Planung und Organisation der Produktherstellung, Verwertung, Reinigung und Entsorgung der entstehenden Abfälle, Abwässer, Abwärme und Abluft, Vertriebs-und Absatz-organisation (dazu zählen vor allem Marketing und Werbung, aber auch gezielte Presse-und Öffentlichkeitsarbeit) sowie Forschung und Innovation zur steten Produktverbesserung. Jeder dieser Prozesse greift verändernd in die Umwelt ein Doch auf jeden dieser Prozesse kann von außen Einfluß genommen werden, bei jedem kann von Beginn an der Umweltschutzgedanke integriert und damit Umweltverhalten konkret werden: „Hier -und nirgendwo sonst -erfolgt die Entwicklung und Umsetzung umweltfreundlicher Innovationen, die langfristig zu einer Problemlösung führen können.“ Dabei klafft die Schere zwischen Problemdruck und Problemlösung noch weit auseinander. Es kommt in Zukunft mehr denn je darauf an, daß der ökologische Akteur Wirtschaft agiert, nicht nur reagiert.

Das heutige industrielle Wirtschaften kann jedoch nicht losgelöst von den gesellschaftlichen System-bedingungen betrachtet werden. Was ist überhaupt unternehmerisches Umweltverhalten? Wie tief ist der Umweltschutzgedanke in Untemehmerkreisen verankert? Wie groß ist die Bereitschaft, bisher gültige Strukturen des Wirtschaftens ökologisch zu reformieren? Wie intensiv wird der Dialog mit der Gesellschaft geführt? Wie greift der Staat in unternehmerische Prozesse ein? Beeinflussen gesellschaftlich relevante Gruppen mit ihren Forderungen unternehmerische Entscheidungen? Welche Bedeutung hat die Medienberichterstattung über Umweltfragen auf das unternehmerische Umwelt-verhalten? Wie versuchen Unternehmen, Einfluß auf die Aktivitäten von Parlamenten, Behörden, Bürgerinitiativen und Medien in diesem Politikbereich zu nehmen?

II. Unternehmerisches Umweltverhalten: Spagat zwischen Notwendigkeit und Freiwilligkeit

(„ 80 % der Firmenchefs wissen, daß ihr Betrieb die Umwelt unnötig belastet, gut die Hälfte ist sogar bereit, mehr zu tun, als der Staat vorschreibt... Aber nur ein Fünftel kann die Vorsätze realisieren -es fehlt an Kenntnissen, wer, wo, wie anpacken muß.“ Galt es lange Zeit als ausreichend, Umweltschutzmaßnahmen den unternehmerischen Prozessen nachzuschalten, und das auch nur, wenn dies gesetzlich verlangt wurde, so ist inzwischen die Notwendigkeit unumstritten, den ganzen Produktionsprozeß mit allen seinen begleitenden unternehmerischen Prozessen einer umfassenden vorsorgenden Umweltprüfung zu unterwerfen. Denn die „Sicherheit des Unternehmens steht und fällt mit der Sicherung der Umwelt durch das Unternehmen“

Ein erstes Kriterium ist die bewußte Integration der ökologischen Belange in das Zielsystem des Unternehmens. Dies sollte nicht nur geschehen, weil es dem Image des Unternehmens förderlich ist, sondern aus Verantwortung für die Gesellschaft und die kommenden Generationen. Meßund überprüfbar gemacht werden kann diese Integration anhand schriftlich niedergelegter Umwelt-leitlinien, die sich der Zielvorstellung einer nachhaltigen ökonomischen Entwicklung und dem damit verbundenen ökologischen Umbau der Industriegesellschaft verpflichtet fühlen.

Wesentliches Instrument zur Umsetzung dieser Leitlinien ist das Konzept der umweltorientierten Unternehmensführung Dieses Konzept beinhaltet auch die Leitidee des produktionsintegrierten Umweltschutzes „Dort, wo viele der Umwelt-probleme sinnfällig in Erscheinung treten -in der industriellen Produktion und Produktverwendung dort ist auch das größte Wissen über diese Probleme und deren Lösung vorhanden.“ Vorgabe für Forschung und Innovation sollte die Umweltfreundlichkeit sein.

So kann neben dem Forschungs-, Planungs-und Innovationsbereich auch das umfangreiche Beschaffungswesen unter Umweltgesichtspunkten betrachtet werden Es sollten möglichst nur solche Vorprodukte -Roh-, Hilfs-und Betriebsstoffe -verwendet werden, die ohne gewichtige Gefährdung der Umwelt hergestellt, eingesetzt und abgebaut werden können. Mit Hilfe von Stofflisten und Einkaufsrichtlinien können Handreichungen für die Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden, deren Ziel es letztlich ist, auf die Lieferanten Druck zu erzeugen, der eine Ökologisierung größerer Wirtschaftsbereiche auslösen kann. Und es sollten natürlich auf dieser Basis Produkte hergestellt werden, die den Kriterien der Umweltfreundlichkeit entsprechen.

Die unvermeidlichen Abfälle sind einer Wieder-bzw. Weiterverwertung zuzuführen. Eine Entsorgung in Form einer Beseitigung der Abfälle ist die letzte Option nach Ausschöpfung aller Ver-meidungs-, Optimierungs-und Verwertungsbemühungen. Ziel dieser Anstrengungen ist die Verwirklichung einer Kreislaufwirtschaft. Jeder Unternehmer muß über den Kreislauf der von ihm verwendeten Stoffe nachdenken -möglicherweise mit der Konsequenz, auf sie zu verzichten oder sie zu ersetzen

Wirtschaftlichkeit hat keinen höheren Rang als Umweltschutz. Zahlreiche Umweltschutzmaßnahmen lassen heute bereits wirtschaftliche Vorteile erwarten. Eine Kosten-Nutzen-Analyse hilft, Vor-und Nachteile unter Berücksichtigung unterschiedlicher Aspekte zu bestimmen. Mittelfristig erhöhen sich die Chancen für den integrierten Umweltschutz, „da gesetzliche Auflagen und Umwelt-risiken derart eskalieren, daß sie Gegenstand von betriebswirtschaftlichen Rentabilitäts-und Versicherungskalkulationen werden und ökologieignorantes Management absehbar existenzgefährdend wird“ Ziel ist, daß die Unternehmen von einer betriebswirtschaftlich-partiellen zu einer volkswirtschaftlich ganzheitlichen Rechnung übergehen.

Umweltschutz-Argumente sind schließlich auch werbewirksame Marketing-Instrumente. Das Umweltbewußtsein der Verbraucher hat längst zu einem dementsprechenden Kaufverhalten geführt. Dem tragen Produktgestaltung und Werbung Rechnung. Unternehmen betreiben darüber hinaus auch Marktforschung, weil es ihnen wichtig ist zu wissen, welche Produkte der Verbraucher künftig wünscht.

Maßnahmen und Umsetzung müssen auf ihre Anwendung bzw. Anwendbarkeit hin überprüft werden. Ein umfassendes Kontrollsystem im Umweltbereich ist also einzurichten. Dazu zählen der Aufbau eines betrieblichen Informationssystems ebenso wie die Einführung einer Öko-Bilanzierung, einer Produktlinienanalyse oder einer Umweltbetriebsprüfung (Öko-Auditing)

Ein weiteres wesentliches Kriterium einer umwelt-orientierten Unternehmensführung ist der Aufbau organisatorischer Strukturen des Umweltmanagements. Aufgabe der Unternehmensführung ist es, eine kritische Ist-Analyse der unternehmerischen Umweltsituation vorzunehmen, umweltpolitische Zielvorstellungen zu formulieren, die das Unternehmen insgesamt erreichen will, Strategien zu entwickeln, die die möglichst rasche und effiziente Umsetzung der Ziele erlauben, sowie die Organisation der konkreten Gestaltung und Ausführung der Umweltschutzmaßnahmen im Betrieb. Vorgeschlagen wird die Institutionalisierung von Beauftragten für den Umweltschutz, die bereits über die gesetzlichen Anforderungen im Beauftragtenwesen hinausgeht. Wichtig bleibt eine konkret umrissene Definition des Aufgabenbereichs, des Verantwortungsprofils sowie der Zuständigkeit und Entscheidungskompetenz.

III. Externe Einflüsse: Parlamente, Massenmedien, Umweltverbände

Das vermehrte Wissen um die zugenommene Umweltbelastung in Kombination mit emotional aufrüttelnden Medienberichten sowie das veränderte Wert-und gewachsene Umweltbewußtsein in der Bevölkerung haben Wirkungen auf die Gesetzgebung, die Medienberichterstattung insgesamt, das Bürgerengagement und nicht zuletzt auch auf die Unternehmen gezeigt. Einstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung wiederum bedingen Aktivitäten des Gesetzgebers, der Medien, der Bürgerinitiativen und der Unternehmen. Derartige Aktivitäten beeinflussen Unternehmen in erster Linie dadurch, daß umweltbezogenes Unternehmensverhalten initiiert und verstärkt wird. Unternehmen unterliegen in dieser Frage einer „mehrdimensionalen Lenkung“ durch Markt, Politik und Moral. Aber auch die Unternehmen ihrerseits suchen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die ökologischen Anspruchsgruppen (Gesetzgeber, Medien und umweltengagierte Bürger) zu beeinflussen. Medien wiederum entscheiden, welche Themen in welcher Weise den Menschen bekannt werden Die Auseinandersetzung um die Shell-Bohrinsel „Brent Spar“ hat verdeutlicht, welchen Druck die tägliche Medienpräsenz zu erzeugen in der Lage ist. Das Bundeskabinett wurde im Februar 1995 erstmalig über die Shell-Aktion informiert, schloß sich dann aber im Mai 1995 der Greenpeace-Argumentation inhaltlich an

Der Gesetzgeber reagiert zumeist nur mit ordnungsrechtlichen Instrumentarien auf eingetretene Umweltprobleme. Bedingt durch das verstärkte Bürgerengagement im Umweltbereich und dessen Vermittlung durch die Medien, wird öffentlicher Druck erzeugt, der die politischen Entscheidungsträger in Bund und Land zum Handeln zwingt. Hinzu kommt die den Medien eigene Fähigkeit, einzelne Probleme aus dem Gesamtkomplex herauszugreifen. die mediale Aufmerksamkeit auf diese Problematik zu lenken, um damit die umweltpolitische Tagesordnung zu definieren. Die von den Medien aufgeworfenen Fragen werden durch Diskussionen im politischen (Parteien, Parlamente) und im vorpolitischen Raum (Umwelt-verbände, Bürgerinitiativen) aufgegriffen und dadurch verstärkt, daß die Medien erneut darüber berichten. Hauptadressat aller Bemühungen, Forderungen und Vorwürfe war und ist die Industrie.

Die industrielle Tätigkeit ist und bleibt mit Umweltbelastungen verbunden. Diese Tatsache bewirkt im veränderten gesellschaftlichen Umfeld eine öffentliche Exponierung des privatwirtschaftlichen Unternehmertums. Unternehmen sind zu gesellschaftlichen Institutionen geworden. Ein gesellschaftspolitisches Management seitens des Unternehmens wird erforderlich. Zu fragen ist, wer was von wem und warum im Umweltschutz fordert. Neue Wertvorstellungen haben zum Verlust, zumindest aber zu einer Verringerung der gesellschaftlichen Akzeptanz bisherigen unternehmerischen Handelns geführt. Neue Anspruchs-gruppen sind aufgetreten, die die bisher gültigen Kommunikationsstrukturen durch neue Wege, vor allem durch direkte Ansprachen, in Frage stellen.

Der Staat ist an die Grenzen seiner Problemlösungsfähigkeit in der Umweltpolitik gestoßen, zumal sich in diesem Politikfeld ein strukturelles Defizit offenbart: Umweltprobleme sind meist industriell „produziert“ worden, die Beseitigung der Umweltschäden und ihrer Folgen wurde jedoch lange Zeit von den Politikern gefordert eine Symptombehandlung der Ursachenbekämpfung vorgezogen. Der Gesetzgeber reagierte mit neuen Gesetzen und Verordnungen bzw. mit der Verschärfung bestehender Regularien. Die Anzahl legislativer Bestimmungen („demand pull“ erhöhte sich immer dann, wenn Umwelt als ein freies Gut behandelt wurde und die Umweltressourcen von den Marktteilnehmern zum Nulltarif bewertet wurden.

Die staatlichen Aktivitäten korrespondierten mit den Aktivitäten von über vier Millionen Menschen, die sich 1995 in umweltschutzbezogenen Bürgerverbänden engagierten. Nicht zuletzt deshalb stärkte der Gesetzgeber auch den Einfluß der Öffentlichkeit auf das unternehmerische Handeln („quality demand“ Die staatlichen Aktivitäten korrespondierten aber auch mit einer eher abwartenden Haltung der Wirtschaft. Durch die gewachsene Regelungsdichte die Anfang der neunziger Jahre erstmals auch die unternehmensinterne Organisation tangierte, waren die Unternehmen gezwungen, sich durch Investitions-und betriebs-organisatorische Maßnahmen den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Das geschah anfangs nahezu ausschließlich durch die Nach-schaltung von Reinigungstechnologien („end-ofthe-pipe-technologies“). Ansätze des integrierten Umweltschutzes und des Ressourcenmanagements (hierzu zählen u. a. Produktmanagement unter Lebenszyklusaspekten und Stoffstrommanagement) fanden und finden erst nach und nach Eingang in die unternehmerischen Strukturen.

Die Berücksichtigung marktwirtschaftlicher Wirkungsmechanismen ist den Ge-und Verboten unserer Gesetzgebung nach wie vor fremd. Zwar hat auch der Gesetzgeber erkannt, daß die Integration der Marktkräfte in die Umweltpolitik sinnvoll ist und daß die Ökologie durch Preissignale ökonomisch faßbar gemacht werden sollte, doch konnten entsprechende Maßnahmen -trotz einschlägiger Koalitionsvereinbarungen -bis heute kaum umgesetzt werden. Die Diskussion ging bisher an den marktwirtschaftlichen Instrumenten weitgehend vorbei. Dabei keimt alle Jahre wieder ein lebhafter Streit um den Sinn und Nutzen von Umweltsteuern und -abgaben auf

Die in der Umweltbewegung engagierten Menschen rufen -anders als die Unternehmen -nach einem starken Staat, der mit Geboten und Verboten eingreift Medien können nur verkürzt und stark vereinfacht auf die Problematik hinweisen, so daß die Zusammenhänge und Hintergründe, wozu auch die Interdisziplinarität des Umweltproblems zählt, in der Regel nicht ausgeleuchtet werden. Lösungsvorschläge laufen in der Berichterstattung ebenfalls auf das Ordnungsrecht hinaus, da dies sowohl für die meisten Journalisten als auch für die große Masse der Bevölkerung leichter nachzuvollziehen ist Die Wirtschaft hat sich zu lange mit ihren Lösungsvorschlägen zurückgehalten. Heute schenkt ihr der größte Teil der Bevölkerung wenig Vertrauen, die Umweltprobleme kompetent zu lösen. Ganz im Gegenteil: Für die meisten Menschen ist die Industrie schlichtweg der allein verantwortliche Verursacher.

Da die Wirtschaft in der Regel nur Produkte herstellt, die von den Verbrauchern konsumiert werden, haben die Konsumenten über ihr Kaufverhalten durchaus Möglichkeiten, die unternehmerische Umweltpolitik zu beeinflussen. Dies haben einige Umweltverbände erkannt, wenn sie auf Umweltgefährdungen bestimmter Produkte bzw. Stoffe in den Produkten aufmerksam machen und zu einem Kaufboykott aufrufen. Ähnlich wirken entsprechende Medienberichte im Fernsehen oder in Fachzeitschriften. Unternehmen reagieren darauf naturgemäß äußerst sensibel: Absatzrückgänge gefährden letztendlich ihre Existenz.

Der Gesetzgeber kann, bedingt durch die notwendigen Verfahren der Demokratie im Gesetzgebungsprozeß, nicht rasch genug reagieren, um zum Beispiel bestimmte Stoffe, die plötzlich als umweit-und/oder gesundheitsgefährdend eingestuft werden, mit Hilfe eines Verbots aus dem Verkehr zu ziehen. Erstens greifen während des Diskussionsprozesses zahlreiche Interessenvertreter durch zahllose Informationen auf die Entscheidungsträger in Politik und Ministerialverwaltung ein, um Einfluß auf die Normierung zu nehmen. Zweitens muß meist erst in längeren Diskussionsphasen Übereinstimmung zwischen den Regierungsparteien im Bundestag und dann zwischen Bundestag und Bundesrat gefunden werden. Drittens müssen wettbewerbsrechtliche, aber auch andere Bestimmungen innerhalb der EU berücksichtigt, gegebenenfalls auch hier Kompromißformeln gefunden werden. Viertens können dadurch getroffene Verträge und Vereinbarungen, die im Vertrauen auf das geltende Recht geschlossen wurden, verletzt werden, so daß Schadensersatzforderungen in nicht unerheblicher Höhe an den Staat gestellt werden könnten.

Die notwendigen Abstimmungsverfahren brauchen deshalb nicht selten mehrere Jahre, in denen die Umwelt weiter geschädigt wird und notwendige Innovationen nicht realisiert werden. Staatliche Strukturen weisen somit Defizite auf, zumal keine Antworten für die neue Problematik schleichender Folgen von Umweltschädigungen formuliert werden können In den Augen umweltbewußter und -aktiver Bürger versagt der Staat: politisch, funktional und ökonomisch Dies manifestiert sich u. a. darin, daß ihm immer mehr umweltpolitische Aufgaben zuwachsen, die er immer weniger zu bewältigen in der Lage ist (Vollzugsdefizit), aber auch darin, daß das Industriesystem von den selbst erzeugten Umweltmißständen z. B. durch den Verkauf neuer Technologien und die Sanierung selbst verunreinigter Umweltmedien profitiert. Neue Aktionsformen und eine direkte Ansprache der vermeintlichen Verursacher werden daher von den Umweltschützern an die Stelle staatlichen Handelns gesetzt.

Insbesondere die Medien zeigen sich für die Anliegen der Umweltverbände offen. Journalisten greifen in ihrer Berichterstattung eher auf Pressemitteilungen der Umweltverbände zurück als auf die der Unternehmen wobei sie von einer funktionierenden Öffentlichkeitsarbeit der Umweltverbände abhängig sind. Dies wissen die Umweltverbände zu nutzen, indem sie entsprechende Ereignisse mediengerecht inszenieren. Das Berufs-verständnis der Journalisten sowie die vorherrschende Tendenz zu negativer Berichterstattung wirken dabei zuungunsten der Wirtschaft. Hinzu kommt, daß die Menschen kaum noch über einen anderen Zugang zur Realität verfügen als über die Medien.

Der Gesetzgeber kann im Grunde nur noch zusehen und unter Umständen auf die Rechtswidrigkeit einer von Umweltverbänden organisierten Aktion hinweisen. Moralisch befindet aber auch er sich auf der Seite der umweltpolitisch Untätigen. Politiker, die diesem Bild nicht entsprechen wollen, greifen daher Aktivitäten der Umweltorganisationen inhaltlich auf und verlangen sofortige Verschärfungen der umweltpolitischen Rechtsmaterie. Eine sachliche, um Zusammenhänge und sinnvolle Lösungen bemühte Diskussion kann so gar nicht entstehen. Unternehmen können nur noch mit dem Ziel reagieren, dem öffentlichen Druck, der sich anbahnenden Krise, weiteren spektakulären Ereignissen und verschärften staatlichen Regulierungen möglichst glimpflich zu entgehen und ihnen künftig vorzubeugen.

Dieses Wirkungs-und Reaktionsmuster der einander teilweise bedingenden Handlungsweisen von Medienberichterstattung und staatlichen Maßnahmen, von Bürgerengagement und Unternehmeraktivität ist schon seit längerer Zeit zu beobachten. Die Unternehmen -insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) -reagierten bislang vor allem mit Protest und abwehrender Haltung. Daß innerhalb der Unternehmen und innerhalb der Branchen inzwischen eine eklatant geänderte Einstellung zum Umweltschutz vorherrscht, muß wohl bezweifelt werden. Nicht selten ist die Einschätzung anzutreffen, daß der Versuch der Unternehmen, eine Balance zwischen gesetzlichen Umweltauflagen und öffentlichen Legitimationszwängen einerseits und betriebswirtschaftlichem Kostenkalkül und reformresistentem Innenleben andererseits zu finden, dazu führt, daß dort zumeist „Umweltschutz als Flickwerk praktiziert“ wird.

Auslösender Faktor für die Bereitschaft der Wirtschaft zu einem ökologiegerechteren Unternehmensverhalten waren in erster Linie die Forderungen der verschiedensten ökologischen Anspruchsgruppen. Nicht unerheblich wirkten aber auch die Umweltkatastrophen der achtziger Jahre nach (Bhopal, Tschernobyl, Sandoz) sowie die mit ihnen einhergegangenen Reaktionen der Angst und des Protestes in der Bevölkerung. Eine „Informationsbringschuld“ seitens der Wirtschaft wird konstatiert, um gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. Proteste, Ängste, Kritik und Widerstände in der Öffentlichkeit spiegeln veränderte Wertprämissen in der Bevölkerung wider. Das Ziel der Wirtschaft(sverbände) lautet, aus der Defensive, also der bloßen Erfüllung gesetzlich vorgeschriebener Maßnahmen, in die Offensive, also die aktive Einbeziehung des Umweltschutzes in das unternehmerische Ziel-und Verhaltenssystem, zu gehen.

Dadurch bewegen sich die Zielsetzungen der Umweltschützer sowie der besonneneren Industriellen schneller aufeinander zu. Punktuelle Zusammenarbeit zwischen Umweltverbänden und Unternehmen konnte vereinbart werden, die qualitativ über ein marketingorientiertes Sponsoring der Umwelt hinausweist. Aber auch innerhalb der Unternehmen, der Branchen-und Wirtschaftsverbände kann ein Umdenken festgestellt werden. Die Erkenntnis gewinnt an Boden, daß nur ein aktives Umweltschutzmanagement weitere gesetzliche Regelungen, neue ökologische Forderungen von Umweltverbänden und eine imageschädigende Berichterstattung in den Medien verhindern kann. Hierzu wird ein Vier-Stufen-Konzept empfohlen, das erstens die Formulierung eines Umweltleitbildes, zweitens die systematische Installierung eines Umweltschutzmanagements im Betrieb, drittens die Ökologisierung von Produkten und Produktionsverfahren sowie viertens eine aktive Kommunikationsstrategie nach innen wie nach außen nahelegt.

Die Forderung nach einer verbesserten Kommunikation entspringt nicht nur der Erkenntnis eines bisherigen Defizits auf Seiten der Unternehmen, die Umweltschutz bisher eher als ein technologisches Problem naturwissenschaftlich aufgegriffen und behandelt haben. Sie entspricht auch einer Forderung der Umweltverbände nach mehr Mitsprache. Zudem ist deutlich geworden, daß es in den Medien, also bei den Journalisten, ein erhebliches Kenntnisdefizit über umweltpolitische Entwicklungen in der Wirtschaft auszugleichen gilt. Auch ist der Wissensstand bei Bürgerinitiativen über Unternehmen mangelhaft -und umgekehrt. Politikwissenschaftlich betrachtet, entspricht diese Strategie der festgestellten Notwendigkeit einer ökologischen Strukturreform, die auf mehr Kooperation, mehr Dezentralisierung und mehr Partizipation zielt Dabei bietet die Dezentralisierung kürzere Wege zwischen Entscheidungsträgern und Betroffenen und mehr partizipative Offenheit des Willensbildungsprozesses „nach unten“. Die Beteiligung der Öffentlichkeit darf sich dann aber nicht als eine „partizipatorische Verzierung bürokratischer Entscheidungen“ entpuppen.

IV. Perspektiven künftiger Umweltpolitik

Für die Umweltschutzorganisation Greenpeace waren die achtziger Jahre die Zeit des Protestes, die neunziger dagegen gelten als die Epoche der Lösungen Ähnlich sieht dies der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), wenn er anmahnt, in Zukunft „das hohe Umweltbewußtsein der Bürger und die Innovationskraft der Industrie durch die marktwirtschaftliche Rahmensteuerung des Staates noch besser für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu nutzen“ Dabei wird es gerade in der Umweltpolitik darauf ankommen, einen verantwortlichen Konsens zwischen Politik und Wirtschaft darüber herbeizuführen, in Fragen der Belastbarkeit des Naturhaushaltes auch mit unvollständigem Wissen Entscheidungen zu treffen. Für die Politik postulierte der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer die Notwendigkeit eines umweltpolitischen Grundkonzeptes für die Industriegesellschaft, „das im Sinn einer weltweiten Umweltpartnerschaft und eines ökologischen Generationenvertrages die Basis für eine dauerhafte, umweltverträgliche Nutzung der natürlichen Ressourcen legt“

Es besteht kein Zweifel: Die Umweltproblematik wird der „beherrschende Konflikt der kommenden Jahrzehnte“ sein Doch die globalen Umweltprobleme haben eine lange Entstehungsgeschichte. Sie werden keine kurzfristigen Lösungsversuche zulassen. Die Politik muß ihre Umweltschutzpolitik auf Ziele ausrichten, die sie mittel-bis langfristig erreichen will. Diese Umweltqualitätsziele gilt es regelmäßig zu überprüfen und an die aktuelle Sachlage anzugleichen. Doch wie werden die Umweltqualitätsziele definiert?

Wenn unumstritten bleibt, daß die Politik diese Ziele letztendlich verbindlich formuliert, so kann inzwischen als ebenso unumstritten gelten, daß die Beteiligungsrechte anderer Umweltakteure nachhaltig verbessert werden müssen. Das 1971 formulierte Kooperationsprinzip als eine Handlungsmaxime des umweltpolitischen Regierungskonzeptes bedarf einer Erweckung aus seinem Dornröschen-schlaf. Die Politik hat Strukturen zu finden, die eine Beteiligung der Wirtschaft wie auch der Umweltverbände an der Formulierung der Umweltpolitik garantieren. Damit können Akteure verschiedener gesellschaftlicher Gruppen ihre um-weltpolitischen Kenntnisse rechtzeitig in den Diskussionsprozeß einbringen, ebenso ihre Lösungsvorschläge. Eine derartige permanente Gesprächsstruktur und -kultur hilft, das umweltrelevante Wissen zu vertiefen und dem interdisziplinären Charakter der Umweltproblematik sowie der gemeinsamen Verantwortung für die Nachwelt gerecht zu werden.

Kooperativ müssen die Umweltqualitätsziele formuliert werden; kooperativ müssen auch die Zeiträume der Verwirklichung dieser Ziele festgelegt sowie Kontrollverfahren vereinbart werden. Die lösungsorientierten Wege und Strategien können individuell gestaltet sein. Damit wird den Unternehmen ein Ziel vorgegeben, das sie produktspezifisch und ursachennah erreichen können. Ein weiterer Vorteil dieser Kooperation ist die Klärung der Rahmenbedingungen als Voraussetzung für das jeweilige Handeln. Mit-und Absprachen tragen zur Konfliktreduzierung bei, und damit zu Zeitersparnissen in der Umsetzung umweltschützender Maßnahmen. Genehmigungsverfahren könnten auf diese Weise drastisch verkürzt, technologische Innovationen beschleunigt werden, weil die Zielvorgabe Sicherheiten bietet.

Damit sind natürlich nicht die den Interessenunterschieden der Akteure innewohnenden Konflikte aus dem Wege geräumt. Das Kooperationsprinzip bietet in erster Linie eine ständige Dialogstruktur, die auf allen administrativen Ebenen institutionalisiert werden kann. Denn die inhaltlich unterschiedlichen Zuständigkeiten eröffnen auch inhaltlich unterschiedliche Gesprächsansätze. In den dann zu schaffenden Umweltgremien könnten schneller und sachgerechter von formalen Entscheidungsverfahren unabhängige Problemlösungen entwickelt werden. Damit wäre ein bisheriges strukturelles Defizit beseitigt: Umweltpolitische Problemlösungen könnten von demokratisch-administrativen Entscheidungsprozessen entkoppelt werden.

Ein nächster Schritt wäre die nachhaltige Unterstützung des Vorsorgeprinzips. Es gilt, mehr als in der Vergangenheit, den Ursachen der Umwelt-probleme nachzuspüren, ihre Wirkungsstrukturen zu analysieren sowie die möglichen Folgen in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen, um dann -präventiv -künftigen Umweltschäden entgegenwirken zu können. Kriterien vorsorgender Umweltpolitik sind einerseits die Revidierbarkeit einmal getroffener umweltrelevanter Entscheidungen, andererseits die Sozialverträglichkeit der Maßnahmen. Bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung, einer Technologiefolgenbewertung oder einer Öko-Bilanz greifen diese Kriterien. Sie sind Maßstäbe politischen und wirtschaftlichen Handelns. Deren Einhaltung ist regelmäßig zu überprüfen. Entsprechend sind Strukturen zu schaffen, die die Realisierung des Vorsorgeprinzips in den Entscheidungsprozessen von Politik und Wirtschaft garantieren sowie kontrollieren. In der Regel werden umweltpolitische Absichten dann problemlos umgesetzt, wenn ein gewisses Maß an persönlicher Betroffenheit feststellbar ist, wenn eine gewisse Wirkung der Maßnahmen erwartet werden darf und wenn der Eigenverantwortung gebührender Raum gegeben wird.

Das Verursacherprinzip sucht die Verantwortung des einzelnen Akteurs für die Umwelt zu stärken. Ihm galt bisher die meiste Beachtung. Es wurde jedoch nur ordnungsrechtlich ausgefüllt. Der Verursacher wurde zwar adressiert, aber die Ursache der Umweltschäden unzulänglich beseitigt, da das Ordnungsrecht in der Regel nachgeschaltet zur Wirkung gelangt. Nach wie vor sind der Ge-und Verbrauch der Umweltmedien weitgehend kostenlos. Die Umweltmedien Luft, Wasser und Boden, insbesondere der Ge-und Verbrauch dieser Umweltmedien im Produktionsprozeß, müssen marktwirtschaftlich erfaßbare und kalkulierbare Größen werden. Marktwirtschaftliche Lösungen können jedoch nur funktionieren, wenn Spielraum für unternehmerisches Kalkül bleibt. Dieses kann nur bedingt „von oben“ verordnet werden. Dadurch wird das Ordnungsrecht nicht überflüssig, sondern sinnvoll ergänzt und weiterentwickelt. Ein weiterer Vorteil der Ökonomisierung der Ökologie ergibt sich aus der Relativierung des Vollzugsdefizits. Das Ordnungsrecht verlangt einen Vollzug. Dieser erfolgte in der Vergangenheit völlig unzureichend. Wenn das Recht auf Umweltverschmutzung mit einem Preis versehen wird, erübrigt sich das Vollzugsproblem teilweise von selbst, denn „den Griff ins Portemonnaie versteht jeder, und jeder reagiert darauf“

Die Unternehmen brauchen schließlich einen ökologisch orientierten Strukturaufbau. Mit einer Zusammenfassung der Rechtsmaterien zu einem Umweltgesetzbuch ist auch die Institutionalisierung von Umweltbeauftragten in jedem Unternehmen verbindlich vorgesehen. In amerikanischen Unternehmen wird zunehmend die Position eines „Vice-President for Environmental Affairs“ also eines Vizepräsidenten für Umweltangelegenheiten, geschaffen. Aber auch in deutschen Großunternehmen wird der Umweltschutz zu einer Vorstandsaufgabe gemacht. Die international hochgradige Verflechtungsstruktur der Wirtschaft könnte überdies weiterhelfen, die Umweltthematik voranzutreiben. Regelmäßige Gespräche mit anderen Umweltakteuren auf den unterschiedlichsten Ebenen könnten für eine ursachennahe Problemaufbereitung sorgen.

Ein wirtschaftsstrukturelles Problem stellen die kleinen und mittleren Unternehmen dar, die sich aufgrund von mangelnden finanziellen und personellen Ressourcen dem Themenbereich nicht so zuwenden können, wie es angebracht wäre. Dies ließe sich unter anderem lösen, wenn die Umwelt-defizite stärker in marktökonomischen Größen -Preisen -gemessen würden, somit automatisch in die betriebswirtschaftliche Kalkulation einflössen, aber auch, wenn die umweltspezifischen Aufgaben von wirtschaftsnahen Verbänden wahrgenommen werden könnten. Die Industrie-und Handelskammern (IHK) bieten sich dafür an

Eine besondere Schwierigkeit stellt die institutioneile Stärkung der Umweltverbände dar. Diese Verbände sind gegenwärtig hauptsächlich ehrenamtlich strukturiert. Meistens haben die ehrenamtlich fungierenden Vorstände auf Bundesebene eine hauptamtlich gegliederte Geschäftsstelle zur Seite. Dennoch bleibt die Frage offen, ob diese Strukturen den auf sie zukommenden Aufgaben gerecht werden können. Eine institutionelle Förderung dieser Verbände durch den Staat scheint angebracht, zumal der Staat auch von dem engagierten Wissen dieser Verbände profitieren kann. Das hat aber den strukturellen Nachteil, daß eine formale Abhängigkeit von zwei Akteuren untereinander entsteht. Wichtig ist, eine formale wie inhaltliche Gleichwertigkeit der Akteure zu sichern. Dazu dient eine rechtliche Aufwertung der Verbände durch die Einführung eines Verbandsklagerechtes im Umweltschutz.

Die Schreckensvision einer Öko-Diktatur ist denkbar geworden Um sie zu vermeiden, gilt es, rechtzeitig eine ökologische Umsteuerung im Denken und Handeln einzuleiten. Der ökologische Strukturwandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft steht erst am Anfang. Er ist dringlich. „Wir haben die Wahl: wir können entweder warten, bis uns die Veränderung aufgezwungen wird -und so das Risiko der Katastrophe vergrößern -, oder wir können einige schwierige Veränderungen zu unseren eigenen Bedingungen vornehmen und so die Kontrolle über unser Geschick wiedergewinnen.“

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dieser Aufsatz basiert auf den Ergebnissen der politikwissenschafilichen Dissertation des Autors, die unter dem Titel „Umweltverhalten im Unternehmensbereich als abhängige Variable von politischem System und politischer Öffentlichkeit -Fallstudie an Hand ausgewählter Unternehmen der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen“ an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz 1995 abgeschlossen wurde. (Vgl. Winfried Kösters, Umweltverhalten im Unternehmen -Einflüsse von außen und Reaktionen im Wirkungsgeflecht, Aachen 1996.) Vgl. Udo Kuckartz, Umweltwissen, Umweltbewußtsein, Umwelthandeln. Der Stand der Umweltbewußtseinsforschung, in: Gerhard de Haan (Hrsg.), Umweltbewußtsein und Massenmedien. Perspektiven ökologischer Kommunikation, Berlin 1995, S. 71-85.

  2. Vgl. Thomas Dyllick, Management der Umwelt-beziehungen. Öffentliche Auseinandersetzungen als Herausforderung, Wiesbaden 1989, S. 13. 72 Prozent der Bundesbürger erwarten besondere Aktivitäten im Umweltschutz von der Wirtschaft. Vgl. Arzneimittelzeitung vom 31. März 1994.

  3. Th. Dyllick (Anm. 2), S. XV. Vgl. auch Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt am Main 1986.

  4. Vgl. Winfried Kösters, Umwelt, Verbände, Management. Nach dem Shell-Desaster: Dialog statt Konfrontation, in: liberal -Vierteljahreshefte für Politik und Kultur, 37 (1995) 3, S. 40-47.

  5. Stephan Schmidheiny, Kurswechsel. Globale unternehmerische Perspektiven für Entwicklung und Umwelt, München 1992, S. 13.

  6. Nicht jeder Eingriff dieser Produktlebenszyklusprozesse in die Umwelt ist offenkundig. Doch gerade im Bereich der Planung und Organisation der Produktherstellung können von Beginn an mögliche Umweltbelastungen des Produktes unterbunden bzw. minimiert werden. Auch die Presse-und Öffentlichkeitsarbeit hat Einfluß auf die Umwelt, da sie als Informationsinstrument auch umwelterzieherisch eingesetzt werden kann.

  7. Vgl. Hartmut Kreikebaum (Hrsg.), Integrierter Umweltschutz. Eine Herausforderung für das Innovationsmanagement, Wiesbaden 1990.

  8. Ulrich Steger, Struktur und Dimensionen der Kontroverse über chlorchemische Verbindungen, in: ders. (Hrsg.), Chemie und Umwelt. Das Beispiel der chlorchemischen Verbindungen, Wiesbaden 1991, S. 23.

  9. Ders. zitiert aus: Vilim Vasata, Medienverantwortlichkeit im Umweltschutz oder die Grenze einer neuen Verantwortlichkeit, in: Organisationsforum Wirtschaftskongreß e. V. -OFW (Hrsg.), Umweltmanagement. Im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie, Wiesbaden 1991, S. 93.

  10. Heinz W. Adams/Guido Wolf, Ein System zum wirksamen Schutz der natürlichen Ressourcen. Umweltschutz im Unternehmen. Voraussetzungen und Begriffe, in: Blick durch die Wirtschaft vom 4. Dezember 1990.

  11. Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Berichte 11/1991: Umweltorientierte Unternehmensführung. Möglichkeiten zur Kostensenkung und Erlössteigerung -Modellvorhaben und Kongreß, Berlin 1991.

  12. Vgl. H. Kreikebaum (Anm. 7); Deutsche Gesellschaft für Chemisches Apparatewesen. Chemische Technik und Biotechnologie (Hrsg.), Produktionsintegrierter Umweltschutz in der chemischen Industrie. Verpflichtung und Praxis-beispiele, Frankfurt am Main 1990.

  13. Joseph Huber, Unternehmen Umwelt. Weichen-stellungen für eine ökologische Marktwirtschaft, Frankfurt am Main 1991, S. 109.

  14. Vgl. Volker Stahlmann, Umweltorientierte Material-wirtschaft. Das Optimierungskonzept für Ressourcen, Recycling, Rendite, Wiesbaden 1988.

  15. Vgl. Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Verantwortung für die Zukunft. Wege zum nachhaltigen Umgang mit Stoff-und Materialströmen, Bonn 1993.

  16. Martin Birke, Betrieblicher Umweltschutz zwischen Lippenbekenntnis, Flickwerk und Kurskorrektur. Strategie des Durchwurstelns, in: Politische Ökologie, 10 (1992) 28, S. 14-19.

  17. Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Umweltökonomische Gesamtrechnungen -Basisdaten und ausgewählte Ergebnisse, Stuttgart 1992.

  18. Vgl. Klaus Fichter (Hrsg.), Die EG-Öko-Audit-Verordnung. Mit Öko-Controlling zum zertifizierten Umweltmanagementsystem, München -Wien 1995. Anmerkung der Redaktion: Siehe dazu auch den Beitrag von Martin Birke und Michael Schwarz in diesem Heft.

  19. Th. Dyllick (Anm. 2), S. 139.

  20. Vgl. Frank Brettschneider, Agenda-Setting. Forschungsstand und politische Konsequenzen, in: Michael Jäckel/Peter Winterhoff-Spurk (Hrsg.), Politik und Medien. Analysen zur Entwicklung der politischen Kommunikation. Berlin 1994.

  21. Vgl. W. Kösters (Anm. 4).

  22. Vgl. Martin Jänicke, Staatsversagen. Die Ohnmacht der Politik in der Industriegesellschaft, München 1986.

  23. Vgl. Sönke Bästlein, Die Feasibility-Studie unter qualitativen Aspekten. Produktintegrierter Umweltschutz und Anlagensicherheit bei der Projektbewertung im Chemieanlagenbau, Ludwigsburg 1991, S. 217.

  24. Vgl. ebd., S. 224f.

  25. Laut Angaben der Umweltakademie Fresenius gibt es zur Zeit ca. 9 300 umweltorientierte Regelungen, Verordnungen, Richtlinien und Gesetze.

  26. Vgl. Heiner Jüttner, Umweltpolitik mit Umweltabgaben. Ein Gesamtkonzept, Bonn 19922.

  27. Vgl. Christel Möller, Heraus aus der Oppositionsrolle. Wie die Umweltbewegung mit der staatlichen Institutionalisierung der Umweltpolitik umgehen soll, in: Politische Ökologie, 11 (1993) 31, S. 64-69.

  28. Vgl. Petra Thorbrietz, Vernetztes Denken im Journalismus. Journalistische Vermittlungsdefizite am Beispiel Ökologie und Umweltschutz, Tübingen 1986.

  29. Vgl. Volker von Prittwitz, Das Katastrophen-Paradox. Elemente einer Theorie der Umweltpolitik, Opladen 1990.

  30. Vgl. Martin Jänicke, Staatsversagen und Dezentralisierung. Erwägungen zu einer langfristigen Strategie des ökologisch-ökonomischen Umbaus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 36 (1991) 9, S. 1053-1064.

  31. Vgl. Torsten Rossmann, Das Beispiel Greenpeace -Öffentlichkeitsarbeit und ihr Einfluß auf Medien, in: Media-Perspektiven, (1993) 2, S. 85-94.

  32. Vgl. Hans Mathias Kepplinger, Ereignismanagement. Wirklichkeit und Massenmedien, Osnabrück 1992.

  33. M. Birke (Anm. 16), S. 17. Anmerkung der Redaktion: Siehe hierzu auch den Beitrag von Michael Schwarz und Martin Birke in diesem Heft.

  34. Davon sprachen u. a.der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Mercedes Benz AG, Edzard Reuter, und der ehemalige Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie, Hermann Josef Strenger.

  35. Vgl. u. a.: Frank Annighöfer, Wettbewerbsvorteile durch Strategisches Umweltschutzmanagement, in: OFW (Anm. 9), S. 149-165.

  36. Vgl. M. Jänicke (Anm. 30).

  37. Horst Zilleßen/Thomas Barbian, Neue Formen der Konfliktregelung in der Umweltpolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 39-40/92, S. 22.

  38. Vgl. Greenpeace Magazin V/93, S. 8 f.

  39. BDI (Hrsg.), Umweltpolitik International -Perspektiven 2000, Köln 1992, S. 64.

  40. Klaus Töpfer, Umweltpolitische Grundsätze, in: OFW (Anm. 9), S. 29.

  41. Kurt H. Biedenkopf, Zeitsignale. Parteienlandschaft im Umbruch, München 19892, S. 129.

  42. Lothar Späth, Natur und Wirtschaft. Zur Zukunft der ökologischen Industriegesellschaft, Reinbek bei Hamburg 1992, S. 94.

  43. Vgl. Edwin Rühli, Management und Ökologie. „Grüne“ Anforderungen an die Unternehmenspolitik, in: Neue Zürcher Zeitung vom 12. Dezember 1991, S. 17.

  44. Vgl. DIHT (Hrsg.), Umweltschutzpartner IHK, Bonn o. J.

  45. Vgl. dazu den Roman von Dirk C. Fleck, GO! Die ÖkoDiktatur, Hamburg 1993.

  46. Al Gore, Wege zum Gleichgewicht. Ein Marshallplan für die Erde, Frankfurt am Main 1992.

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Kösters, Winfried, Dr. phil., geb. 1961; Studium der Politikwissenschaften, Mittleren und Neueren Geschichte und Publizistikwissenschaften in Münster und Mainz; freiberuflich tätiger Journalist, Publizist und Dozent, u. a. für Umweltkommunikation an der Umweltakademie Fresenius. Veröffentlichungen u. a.: Vom Ich zum Wir. Selbsthilfegruppen finden, gründen, führen, Stuttgart 1992; Die verharmloste Allergie -Heuschnupfen, Zürich 19953; Umweltverhalten im Unternehmen -Einflüsse von außen und Reaktionen im Wirkungsgeflecht, Aachen 1996; mehrere Aufsätze und Beiträge zu den Themen Umwelt und Gesundheit.