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Weltbevölkerungswachstum: Die Bürde des 21. Jahrhunderts | APuZ 24-25/1996 | bpb.de

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APuZ 24-25/1996 Artikel 1 Artikel 2 Weltrisikogesellschaft und öffentliche Wahrnehmung globaler Gefährdungen Weltbevölkerungswachstum: Die Bürde des 21. Jahrhunderts Hunger und Armut in den Entwicklungsländern. Dimensionen, Fortschritte und Lehren aus erfolgreicher Politik Globale und regionale Umweltprobleme als Herausforderung für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit

Weltbevölkerungswachstum: Die Bürde des 21. Jahrhunderts

Josef Schmid

/ 28 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Beitrag will eine Bilanz ziehen hinsichtlich der vieldiskutierten Folgen des Weltbevölkerungswachstums; zuerst für die Entwicklungsländer, die das gesamte Volumen der global noch zu erwartenden Bevölkerungsschübe hervorbringen, sodann aber auch für den industrialisierten Norden. Die Weltbevölkerung wächst jährlich um ca. 100 Millionen Menschen -und dies praktisch nur noch in der südlichen Hemisphäre. Einer realistischen Prognosevariante zufolge wird sie bis zur Mitte des kommenden Jahrhunderts etwas über zehn Milliarden erreichen, das ist nahezu eine Verdoppelung der derzeitigen Zahl. Der industrialisierte Norden bietet mit einem Geburtenniveau unterhalb des Generationenersatzes und voranschreitender Alterung seiner Bevölkerungen ein Kontrastbild. Was sich im Süden als Bevölkerungsdruck im Entwicklungsprozeß zeigt, zeigt sich im Norden weniger als Menschenmangel denn als Finanzkrise, die sich angesichts einer großen Beschäftisgungskrise und einer immer stärkeren Belastung der Erwerbsbevölkerung im Rahmen des „Generationenvertrages“ weiter verschärfen dürfte. Die Entwicklungsprobleme der Dritten Welt sind nur mit einer vorgezogenen Kontrolle des Bevölkerungswachstums und vorzeitiger Einführung nachindustrieller Energie-und Produktionsformen zu lösen. Das entspricht einer Umkehrung des Weges, den Europa für seine Entwicklung genommen hat. Das Bevölkerungswachstum im Süden wird sich unweigerlich als Migrationsdruck auf den Norden bemerkbar machen. Die soziale Lage der Welt verträgt aber keine Abwanderung Qualifizierter aus dem Süden und keinen Zuzug Unqualifizierter in den Norden. Es zeichnet sich jedoch das kaum zu bewältigende Problem einer neuen „Völkerwanderung“ ab, die dem Norden und dem Süden bei der Bewältigung ihrer Zukunft Schaden zufügt. Ohne die intakte Kapazität und Leistungsfähigkeit der Industrienationen ist der alternative Entwicklungsweg des Südens, ein „demographisch-ökologischer Übergang“, jedoch nicht zu vollenden.

Die Weltumweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992, die Weltbevölkerungskonferenz in Kairo 1994, der Weltsozialgipfel in Kopenhagen 1995 -sie alle konnten nur vorübergehend politische und publizistische Aufmerksamkeit erregen. Die auf diesen Konferenzen diskutierten Zukunftsfragen bleiben dagegen bitter aktuell und berühren die internationalen Kooperationen und Konflikte. Wollte man zentrale Bereiche herausheben, in denen sich das Weltbevölkerungswachstum besonders auffällig bemerkbar macht, so wären zu nennen: die Entwicklung von Staaten und Gesellschaften in der „Dritten Welt“, die im Bewußtsein ihrer Differenziertheit noch so genannt sei; (2) die Entwicklungswege, die die Länder der Dritten Welt beschreiten müssen und die nicht mehr von europäisch-westlichen Vorbildern abgeleitet werden können, und schließlich (3) die Konsequenzen von Modernisierungen, die sich in allen Teilen der Dritten Welt immer stärker ausprägen und die auch der moderne Westen zu spüren bekommt, vor allem, was die demographische Seite betrifft.

Eine glücklich verlaufende Entwicklung zeigt sich in günstigen Meßzahlen von Produktion und Einkommen, drängt Sterblichkeit zurück und bald auch die Kinderzahlen, weil Kinderarbeit immer weniger zur Familienprosperität beiträgt; schließlich setzt Arbeitskräftewanderung in die kommerziellen Zentren ein. So jedenfalls sieht das Wunschbild einer gesellschaftlich stabilen Entwicklung aus. das jedoch von der Bevölkerungsseite her allzuoft konterkariert wird. Tatsächlich bedeuten bessere Lebensbedingungen, daß mehr Neugeborene überleben und die ohnehin schon großen Jugendjahrgänge weiter anschwellen. Sowie in Städten die Einkommen steigen, lösen sie Landflucht aus, die heute die Städte der Dritten Welt zu alptraumhaften Gebilden macht. Das Wachstum der Bevölkerung ist letztlich der schwierigste der entscheidenden Entwicklungsfaktoren, weil er im Sinne herkömmlicher Politik nicht zu beeinflussen ist.

Als erstes sei die „demographische Hypothek“ der Dritten Welt dargestellt, die für sie ungleich schwerer abzutragen sein wird als für Europa im Laufe seiner Industrialisierung 1.

I. Weltbevölkerung und Weltentwicklung im Widerspruch

(mitAbbildung: Langfristige Projektionen der Bevölkerung der Makroregionen der Erde. Quelle: United Nations, World Population Prospects. The 1994 Revision. New York 1995 (dt. Bearbeitung Kommission der EU, Brüssel).

Die gegenwärtigen Tendenzen des Weltbevölkerungswachstums lassen sich mit folgenden Kernpunkten benennen: Die Menschheit wächst derzeit jährlich um 100 Millionen Menschen. Diese Zahl errechnet sich aus Geborenenüberschüssen, die zu über 80 Prozent in den Entwicklungsländern zu verzeichnen sind. Von zehn Kindern werden kaum noch zwei in den „more developed countries“, wie sich schüchtern die Industrienationen auf der nördlichen Halbkugel nennen, geboren. Im Jahre 1996 wird die Menschheit 5, 8 Milliarden zählen und bis zur baldigen Jahrtausendwende auf über 6 Milliarden klettern. Das jährliche Vermehrungsquantum liegt bei 1, 57 Prozent, was schon einen leichten Rückgang seit 20 Jahren bedeutet im Ver-1gleich zu der Zeit, als -geschichtlich einmalig -fast Prozent jährlich erreicht wurden.

Dieser Rückgang bezieht sich auf die jährliche Zuwachsrate, und bedeutet noch keinen Rückgang der Bevölkerung. Analog dem Zinseszinseffekt wirkt auch in ihr ein Kindeskinder-Effekt und das heißt, daß selbst sinkende Prozent-Zuwächse das Volumen der Weltbevölkerung erhöhen. Um einen Eindruck von diesen Zuwächsen zu geben: China und Indien wachsen jährlich um 31 Millionen, die Europäische Union aus eigenen Geborenenüber-Schüssen über die Sterbefälle nur noch um 370 000.

Die genannten sinkenden jährlichen Zuwächse sind auf die seit 20 Jahren zu beobachtenden Geburtenrückgänge nun auch in der Dritten Welt zurückzuführen. Ein statistisches Verzerrungsmoment liefert die drastische Ein-Kind-Politik der Volksrepublik China, die alleine wegen dessen Menschenmasse von 1, 2 Milliarden die Weltgeburtenstatistik nach unten verzerrt. Seit Jahren nun wird China gesondert ausgewiesen und aus den Drittwelt-Durchschnitten herausgerechnet. Ohne China macht die jährliche Zuwachsrate in der Dritten Welt 2, 2 Prozent aus. Inzwischen sinkt in allen Teilen der Dritten Welt die „Fruchtbarkeit“ -mit höchst unterschiedlichem Tempo, wie die Meßziffern ergeben 2.

Dem Geburtenrückgang geht in der Regel ein allgemeiner Rückgang der Sterblichkeit voraus. Sie hat in vielen Teilen der Welt, vor allem in Ost-asien, schon das europäische Niedrigniveau erreicht. Das ist nicht zuletzt internationaler Hilfe und der Weltgesundheitsorganisation zu verdanken. Ein zuverlässiger Entwicklungsindikator bleibt die Säuglingssterblichkeit, die auf 1 000 Neugeborene innerhalb des ersten Lebensjahres berechnet und ausgewiesen wird. Schwarzafrika („südlich der Sahara“) hat die höchste Sterblichkeit insgesamt. Eine Säuglingssterblichkeit von 100 bis 150 (auf 1 000 Geborene) gibt es nur noch hier; in Westeuropa liegt sie zwischen 5 und 10. Hohe Sterblichkeit mindert die Geborenenüberschüsse. Wenn Sterblichkeit gesenkt wird, ist ein Bevölkerungsanstieg unvermeidlich, weil niedrigere Geburtenzahlen erst mit Verspätung und oft nur sehr langsam nachfolgen. Die Sterblichkeit kann in gewissem Umfang staatlicherseits durch bessere medizinische Versorgung gesenkt werden. Zur Senkung der Zahl der Geburten braucht es jedoch das massenhafte Einverständnis der Ehepaare und Eltern. Daher ist Geburtensenkung der neuralgische Punkt des Bevölkerungswachstums und seiner Kontrolle.

Die Durchschnittsgeburtenzahl pro Frau sinkt nicht überall gleich. China mit traditioneller Disziplinierung seiner Bevölkerung ist darin rasch und erfolgreich und drückte die Geburtenzahl auf durchschnittlich 2,0 In Indien mit derzeit etwa 930 Millionen Menschen und einer hohen Zuwachsrate von 2 Prozent kommen die Frauen auf 3, 6 Geburten. Das bedeutet 26, 5 Millionen Neugeborene, von denen „nur noch“ 2 Millionen im ersten Jahr sterben. Früher starb ein Vielfaches dessen. Indien bekennt sich seit seiner Staatsgründung zu geburtensenkender Bevölkerungspolitik. Vergleicht man Indien mit China, dann sind die Erfolge mäßig. Indien war das Laboratorium für die verschiedenen Konzepte der Geburtensenkung; alle Fehler, die auf diesem Gebiet möglich sind, wurden dort gemacht: in ihr eine medizinische Hospitalangelegenheit zu sehen, dann eine bloße Sache der Verhütungsmittelpropaganda bis zur Zwangssterilisierung. Das bestätigte die Annahme, daß das „generative Verhalten“, die Entscheidungsschritte für Nachwuchs also, in kulturellen Traditionen wurzeln, in alten religiösen und familienrechtlichen Beständen ruhen, die weder von nüchtern denkenden westlichen Kolonialherren noch von ungeduldigen, dem europäischen Vorbild nacheifernden Herrschern umgestoßen werden können. Es gibt nur den Weg des langsamen Wandels, des schrittweisen Übergangs von einer Konstellation in eine andere. Nun ist dieser Prozeß eingeleitet. In Afrika geht er ebenso schmerzlich wie unmerklich voran. Ostasien dagegen scheint in einer Aufholjagd mit dem Westen zu sein, während Lateinamerika noch ein uneinheitliches Bild bietet.

Selbst wenn die Geburtenzahlen sinken, bedeutet das noch keinen Wachstumsstillstand oder gar schon eine Bevölkerungsabnahme. Dazu müssen sie sich erst dem niedrigen Niveau der Sterbefälle angleichen. Wenn nun, wie in weiten Teilen der Dritten Welt, Sterblichkeit und die Zahl derGeburten zugleich sinken, dann bleibt die Schere zwischen Geburten und Sterbefällen offen und es ändert nichts an den Geborenenüberschüssen.

Aber nicht nur der Geborenenüberschuß -die Differenz von Geborenen und Gestorbenen -bedeutet Wachstum. Im breiten Jugendsockel der Alterspyramiden steckt die Wachstumsdynamik einer jungen Bevölkerung, weil nämlich aus starken Jugendjahrgängen 20 Jahre später Elternjahrgänge werden. Das bringt einen Wachstumsschub, der nur durch äußerste Anstrengung und mit problematischen Mitteln abgebogen werden könnte. Diese Dynamik hat dann einen durchschlagenden Effekt, wenn das, was eine geburtensenkende Politik in Familien bewirken würde, durch stärkere Heiratsjahrgänge wieder aufgefüllt wird. Selbst bei sinkenden Geburtenzahlen pro Ehe wird bei einem entsprechenden Anstieg der Zahl junger Ehen das Geborenenniveau auf gleicher Höhe wie zur Zeit der Einführung der Familienplanung verharren. Dieses dynamische „demographische Moment“, das im Altersaufbau ruht, führt zu zwei Konsequenzen: 1. Eine vorausschauende Politik oder Prognose stellt nicht nur ein Schwinden der Geborenenüberschüsse in Rechnung, sondern auch noch die Auswirkung starker Elternjahrgänge. Eine Generation lang wird eine Bevölkerung mit einem solchen Aufbau noch weiterwachsen, auch wenn alle statistischen Meßwerte schon auf Stagnation (Nullwachstum) eingeschwenkt sein sollten, z. B. auf eine geringe Kinderzahl, die nur noch das Elternpaar ersetzt: die 2, 2-Kinder-Familie 2. Sodann muß eine Politik der Geburtensenkung -falls sich diese nicht mit dem allgemeinen Wandel ergibt -lange mit gegenläufigen Effekten rechnen, so daß Geduld ebenso wichtig ist wie Geld; denn Investitionen ins Gesundheitswesen bedeuten mehr Überlebende. Sie senken die Kindersterblichkeit und die Zahl der im Kindbett verstorbenen Frauen. Mit dem Anstieg der Einkommen steigt auch die Zahl der Frühehen, die entwicklungspolitisch unerwünscht sind; mit der Schulung in Sachen Kontrazeption wird oft nur ein günstigerer Zeitpunkt der Schwangerschaft geplant, es werden aber noch nicht Geburten verhindert. Und sollte schließlich die 2-Kinder-Familie erreicht sein, dann muß ein Wirtschaftswachstum einsetzen, das den immer noch vorhandenen „Jugendberg“ in Arbeit und Brot bringt. Die Senkung der Kindersterblichkeit steht am Beginn der Ursa-chenkette. Die Gewißheit, daß Kinder nur noch ausnahmsweise sterben, macht die Vorsorgegeburten überflüssig und die Bildungsinvestitionen in gewünschte und geplante Kinder lohnender.

II. Das Weltbevölkerungswachstum „außer Kontrolle“? Projektionen und Prognosen

Übersicht: Die 31 bevölkerungsreichsten Länder 1950, 1994 und 2050 (in Mio.). Quelle: united Nations, World Populations Prospects (The 1994 Review), New York 1995, S. 104.

Die Prognosen zur Entwicklung der Weltbevölkerung ändern sich seit Jahren nur noch wenig. Sie sind eine wichtige Arbeitsgrundlage für alle politischen Planungen und Entscheidungen auch im nationalen Rahmen. Gebräuchlich und verbindlich sind die Projektionen, die die Vereinten Nationen in ihrer Population Division in New York erstellen und in regelmäßigen Abständen aktualisieren Richtschnur ist eine „mittlere Variante“ zwischen einem niedrigen und hohen Projektionsergebnis; sie hat sich seit Jahren als Wahrscheinlichkeitspfad bewährt.

Der entfernteste Zeitpunkt einer Projektion ist das Jahr 2150 -dessen Ergebnis wohl als nützliche Fiktion anzusehen ist. Auf so langem Zeitraum wirkt sich die Differenz zwischen hoher und niedriger Projektionsvariante maximal aus. Sie gegeneinander zu stellen hat Anschauungswert und macht Worte wie „Bevölkerungsexplosion“ oder „D-Bombe“ (D wie Demographie) verständlich :'Die niedrige Variante signalisiert da einen Rückgang der Weltbevölkerung unter den gegenwärtigen Stand von 5, 7 Milliarden auf 4, 3; die hohe Variante aber zeigt einen Anstieg auf 28 Milliarden. Die Projektionszeiträume bis 2050 und noch kürzer bis 2025 sind schon geeigneter für konkrete Aktionen. Man vermutet, daß bis 2050 in den zehn bevölkerungsreichsten Ländern die Wachstums-bremsen zwar noch nicht durchgehend greifen, aber doch eingelegt sind und eine Stagnation des Wachstums gegen Ende des kommenden Jahrhunderts erwarten lassen (vgl. Übersicht S. 18).

Bis zum Jahr 2050 schwanken die Prognosewerte zwischen und 12, 5 Milliarden, so daß mit etwas über 10 Milliarden Menschen, einer Beinahe-Verdoppelung des derzeitigen Standes also, zu rechnen ist.

Am greifbarsten steht die Welt um 2025 vor uns: immerhin 8, 3 Milliarden mit den volkreichsten Staaten China (1, 5 Mrd.), dicht gefolgt von Indien (1, 38 Mrd.) und dann mit großem Abstand den USA und Indonesien, Pakistan, Nigeria, Brasilien, Bangladesch, Rußland, Mexiko und Äthiopien. Die Wachstumsdynamik der volkreichsten heutigen Entwicklungsländer wird das endgültige Volumen der Weltbevölkerung bestimmen. Die Industrienationen unterliegen zwar einer Alterungsund Schrumpfungstendenz, würden aber nach „Vereinigungen“, wie in der Europäischen Union der 15, mit einer Bevölkerungszahl von 372 Millionen immerhin an dritter Stelle nach China und Indien rangieren 7, wenngleich mit sehr großem Abstand.

Bei Projektionen auf Länderebene fragt man sich, was verhindern könnte, daß eine rasch wachsende Bevölkerung -wie etwa die des westafrikanischen Togo mit einer Zuwachsrate von 3, 6 Prozent -sich im extrem kurzen Zeitraum von nur 19 Jahren verdoppelt. Bremskräfte sind hier nirgendwo zu sehen. Eine so kleine Bevölkerung wie die von Togo fällt global nicht ins Gewicht. Anders dagegen Nigeria, das mit über 100 Millionen die weitaus größte Bevölkerung Schwarzafrikas besitzt und mit einer für Afrika üblichen hohen Zuwachsrate von 3, 1 jährlich wächst. Da keine wesentlichen wirtschaftlichen Änderungen ins Haus stehen und auch kein Familienplanungsprogramm existiert, steht der Verdoppelung in nur 23 Jahren recht wenig im Wege. Bereits um 2025 soll Nigeria die USA an Bevölkerungszahl übertreffen.

Das Fazit aus jahrelangen Erfahrungen mit Vorausschätzungen und Projektionen lautet, daß Zweifel an ihnen -wie noch in früheren Jahrzehnten -nicht mehr angebracht sind und ihre Ergebnisse keinen Anlaß für falschen Optimismus und Illusionen geben. Ein alter Einwand lautet, daß die „Abhilfe“ ä la Malthus (Kriege, Seuchen und Hungersnöte) doch gewirkt hätten, wenn auch auf schreckliche Weise. Dem ist nun zu entgegnen, daß eine Wachstumsdynamik vom Ausmaß Afrikas und Bevölkerungsvolumina vom Ausmaß Asiens sich von geschichtlich verbürgten Korrekturen ä la Malthus in dieser Zeit nicht mehr beeindrucken lassen. Überschwemmungen am Ganges oder andere Katastrophen halten den Marsch der indischen Bevölkerung zur Milliardenmarke nur für wenige Tage auf. Bürgerkriege, Massaker und Seuchen wie AIDS dezimieren einen Kontinent mit einer Geburtenzahl pro Frau zwischen 7 und 10 nur regional und auch nur vorübergehend 8. So gesehen ist es keine Panikmache und kein politisch inkorrektes Katastrophenszenario, wenn man das Wachstum der Bevölkerung auf den Entwicklungskontinenten als „aus der Kontrolle geraten“ bezeichnet -und zwar in dem Sinne, daß Eingriffe, die am Trend Wesentliches ändern würden, kaum möglich sind und wir mit diesem Wachstum und ihren Folgen für alle Politikbereiche rechnen müssen. Das in der Abbildung hervorstechende Wachstum Afrikas und Zentralasiens ist durch nichts mehr aufzuhalten. Eine demographische Stagnation im Stil der heutigen modernen Welt ist vor Ende des kommenden Jahrhunderts nicht zu erwarten. Wie die Welt bis dahin aussehen wird, dürfte allerdings kaum vorstellbar sein.

III. Stabilisierungswege und ihre Blockaden

Wie die Menschheit wächst

Man kann die Epochen der Menschheitsgeschichte einteilen nach dem jeweiligen Verhältnis von Bevölkerungswachstum bzw. -erneuerung und der Existenzbasis, die sich die Bevölkerung schuf. Ein seit der Steinzeit kaum merkliches Wachstum beschleunigte sich im Europa des 18. Jahrhunderts rasant. Die 760 Millionen um 1750 wuchsen auf 1, 6 Milliarden um 1900, standen 1950 schon bei 2, 5 Milliarden, bis bereits 1987 irgendwo der fünfmilliardste Erdenbürger begrüßt wurde. Dieser Vorgang hat keine Parallele in der Geschichte, weil die Weltbevölkerung bis zur Neuzeit rein rechnerisch ein durchschnittliches Kriechtempo von 0, 05 Prozent Wachstum jährlich hatte. Die Abkehr von der agrarischen Produktionsform begann sich rasch auszuwirken. In Europa bündelten sich einige Strömungen zur völligen Umstrukturierung der Existenz für wachsende Menschenzahlen. Die Fachsprache nennt es das europäische Modell des demographischen Übergangs und versteht darunter das drei Generationen umfassende Zusammen-spiel von industrieller Produktion und dem Umbau einer bäuerlichen Bevölkerungsstruktur (mit hoher Sterblichkeit, großen Kinderzahlen und geringer Lebenserwartung) in eine industrielle Gesellschaftsstruktur, gekennzeichnet durch die Kleinfamilie mit nur selten mehr als zwei Kindern, stark ausbildungs-und konsumorientiert und mit hoher Lebenserwartung.

Die Europäer halten zwei Entwicklungen für entscheidend für das Motiv, wenig Kinder zu bekommen: Zum einen den Wegfall der Kinder als Arbeitskräfte und Alterssicherung. Der Rückgang der Kindersterblichkeit nach 1918 machte auch noch Geburten als Kindersterblichkeitsvorsorge unnötig und exaktere Familienplanung möglich. Zum anderen haben die gestiegenen Familieneinkommen Alternativen zum herkömmlichen Lebensstil entstehen lassen (Sport, Wochenende, Reisen), die eine Kleinhaltung der Kinderzahl bedingen; auch stieg damit im Bürgertum der Hang zur „Familienkarriere“, die gegeben ist, wenn die Kinder sozial höher steigen als die Eltern. Auch das ist nur mit wenig Kindern zu realisieren.

Auch gesellschaftsweit zeigt sich dieser Vorgang; Die Produktionsstätten wachsen und damit die Beschäftigung. Es gelang aber letztlich nur in Europa -und selbst hier nur eher in den mittleren und nördlichen Regionen -, die ländliche Überschußbevölkerung zu integrieren, den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt so zu gestalten, daß auch ein Sozialstaat auszubauen und zu genießen war. Die Entwicklung Europas ist identisch mit der Vollendung des demographischen Übergangs. Sie wird wegen ihrer scheinbaren Einmaligkeit als „Operation Traumschiff“ bezeichnet. In dieser Ironie liegen schon Zweifel, ob der europäische Weg wirklich Vorbildcharakter für die übrige Welt haben kann, weil vielleicht nur hier günstige Umstände zusammentrafen, nämlich mäßiges Bevölkerungswachstum und enorme Produktion. Sie haben trotz gewisser Krisen so ineinandergegriffen, wie sich das nirgendwo mehr so wird ereignen können. Trotzdem ist der europäische Weg zu einer Art Entwicklungsdogma für die Dritte Welt geworden. Die genannten Fakten lassen ahnen, daß die Entwicklungsländer einen steileren Problemberg zu bezwingen haben als die Europäer: -Sie müssen den schwierigsten Faktor des Bevölkerungsfaktor, die Geburtenzahlen, innerfamiliär unter Kontrolle bringen. Die Hilfe von außen ist dabei unerläßlich, denn die Senkung der Sterblichkeit, die „Kehrseite der Medaille“, wurde ebenfalls mit westlicher Hilfe eingeleitet. -Beim Entwicklungsprozeß werden sie mehr auf die eigenen kulturellen Bestände achten und nicht nur die Konzepte westlicher Hilfseinheiten unbesehen übernehmen. Dabei werden innerhalb der Dritten Welt kulturelle Diskrepanzen sichtbar, die den unterschiedlichen Entwicklungserfolg gewisser Regionen besser erklären als die jeweiligen politischen Maßnahmen. -Als Entwicklungsziel ist nicht mehr Strukturangleichung an den Westen anzustreben, sondern ein gewisses Maß an kultureller Eigenentwicklung, um Entwurzelungsschäden an Menschen und Natur kleinzuhalten. „Entwicklung“ muß die Menschen am angestammten Ort halten und darf sie nicht zum Ab-und Auswandern treiben oder verleiten. „Süd-Süd-Wanderungen“, d. h. zwischen den Entwicklungsländern selbst, sind prekäre und konfliktuelle Vorgänge, wie es „Süd-Nord-Wanderungen“ noch sein werden bzw. jetzt schon sind.

Die Bevölkerungswissenschaft hat demnach einen eigenen Zugang zum Entwicklungsproblem. Ihr Kriterium ist das Vorrücken einer Bevölkerung im „Übergang“, d. h., wie es gelingt, dem Absenken der Sterblichkeit möglichst bald ein sinkendes Geburtenniveau nachfolgen zu lassen, damit die sich ergebende Wachstumsphase kurz bleibt. Entscheidend ist nun, woher die Anstöße zu diesem Vorrücken kommen -ob sie bewußt politisch eingeleitet werden (Bevölkerungspolitik), ob es sich um selbsttragende Entwicklungsfolgen handelt, die zu Lebensumstellungen führen, oder ob kulturelle Faktoren, wie religiöse, traditionelle Einstellungen, die Verhaltensänderungen begünstigen. Diese drei Auslösefaktoren des demographischen Übergangs können in bestimmter Kombination auch Entwicklungsschritte verhindern. Wissenschaft und Politik tun gut daran, sowohl Entwicklungserfolg wie Entwicklungsversagen in Erwägung zu ziehen und die Indikatoren für den einen wie den anderen Fall zu untersuchen. „Kultur“ -vernachlässigter Faktor der Entwicklung China liefert den spektakulärsten Fall, mit drakonischen Maßnahmen den demographischen Über-gang herbeizuzwingen. Die Maßnahmen, wie Kontrolle des einzelnen in der Kleingruppe, fußen da auf alter Tradition und Disziplin. Sie werden erfolgreich sein, wenn China die Folge-probleme seiner Ein-Kind-Politik, nämlich das Altern seiner Bevölkerung meistert. Indien dagegen gilt als der enttäuschende Fall und liefert das Musterbeispiel, wie kulturelle Faktoren in die andere Richtung zielen: das Fehlen einer Zentralgewalt, Zersplitterung in Stammeskulturen und Stammessprachen, wie sie größer nicht sein kann; kleinbäuerliche Landbevölkerung, die vom Nachwuchs ebenso lebt wie vom kargen Grund und Boden. Das macht auch die staatliche Werbung für Geburtenkontrolle erfolgloser als anderswo; dazu eine Religion, der bis heute eine Reformation, ein Schub zur Ausrichtung am Diesseits fehlt. Dies hat verhindert, daß Indien aus seiner Großbevölkerung nicht auch eine Großmacht geschmiedet hat. Erst im kommenden Jahrhundert dürfte das gelingen, denn die qualifizierten Führungskader in Wissenschaft, Kommerz und Beamtenschaft sind vorhanden und profitieren schon von der globalen Arbeitsteilung

Ein Kontrastbild von Entwicklungserfolg auf der einen Seite und Entwicklungsversagen auf der anderen wird in der Expertenzunft stark diskutiert, nämlich das von Ostasien und Schwarzafrika.

Entwicklungssoziologen könnten hier ihr Exempel für Kulturdifferenzen finden und den Nachweis liefern, wie kulturelle Indikatoren Entwicklungspfade letztlich mitbestimmen. Die Erfolgsökonomien des Fernen Ostens (Singapur, Taiwan, Malaysia, Hongkong, Südkorea und noch weitere Anwärter aus dem „kapitalistischen Club“ ASEAN) haben den demographischen Übergang abgeschlossen, mitunter nach drakonisch-chinesischer Manier. Sie bestätigen damit den europäischen Weg der produktiven ökonomisch-demographischen Verzahnung. Und man ist gleich bei der Hand, einen gewissen Gleichklang von Konfuzianismus und protestantischer Ethik, dem Ursprung des Kapitalismus nach Max Weber, zu entdecken. Dagegen bietet das schwarzafrikanische Desaster, wie es bereits undifferenziert und landläufig genannt wird, keine kulturgeschichtlichen Voraussetzungen für eine Entwicklung im lehrbuchhaften Sinne. Die von den Kolonialherren erzwungene Staatenbildung steht im Widerspruch zu Stammesloyalitäten und erscheint als parasitäre Superstruktur, die nur den Privilegierten nutzt

Die Differenz zwischen zwei so unvergleichbaren Räumen läßt sich an der jeweiligen Einstellung zu Boden (Subsistenz) und Arbeit bzw. Einkommenerklären. Der Afrikaner besitzt nur Status über Familie und Geburtenfolge. Ein Patriarch ist bodenständiger Rentier, der alleine einnimmt und verteilt. Die Existenzsicherung liegt in der gefügigen Rollenübernahme innerhalb des Clans, der gleichzeitig Dorfgemeinschaft ist. Die wirtschaftliche Produktivität liegt in der Bearbeitung des Bodens. Frauen können in einem solchen System nur über Kinder Arbeitserleichterung und Status erhoffen. Sobald eine solche Region unter Bevölkerungsdruck kommt, steht sie unter dem Gesetz der sinkenden Erträge pro eingesetzter Kinder-und Frauenarbeitseinheit, was der von Malthus vorgezeichneten Verelendung entspricht. Frauen geraten nun in eine generative Entscheidungsfalle: Gegen Verarmung und Nahrungsengpässe wegen zu vieler Kinder helfen -mangels anderer Ressourcen -nur noch mehr Kinder! In Ruanda lag bis zum kürzlichen Massaker die Geburtenzahl der Frauen bei durchschnittlich zehn

Asiaten haben ebenfalls eine strenge Familien-hierarchie. Doch der Patriarch „betreibt“ die Familie wie ein Unternehmen, wie ein Investor. Grund-und Bodenrenten spielen dort keine. Rolle. Dafür bilden die Familienmitglieder eine Produktionsgemeinschaft, die ihren Reichtum über Investition und Produktivität vermehrt. Die Kinder der einst armen Reisbauern sind längst Händler, Taxifahrer, Filialleiter und fädeln sich mit ihren Familien netzartig in die wachsenden Wirtschaftssektoren ein, wozu sie ein unermüdlicher Lerneifer befähigt.

Die Forschungen zu diesem wichtigen Kulturvergleich stehen eigenartigerweise erst am Anfang. Sie werden die internationale Politik und auch die Entwicklungshilfe beeinflussen, zumindest die Suche nach kulturangepaßten Konzepten intensivieren.

IV. Überraschende Entwicklungen -neuartige Lösungsversuche

Die volkreichsten Staaten der Welt Bevölkerung 1994 in Millionen. Quelle: Statistisches Bundesamt

Entwicklungsversagen bedeutet nach herrschender Lehre auch ein Stocken im demographischen Übergang. Es macht Wissenschaft und Politik gleichermaßen nervös, wenn die Wachstumsschere zwischen Geburten und Sterbefällen sich nicht schließt und eine Fortschrittsblockade, eine „malthusianische Falle“, verursacht. Sie schnappt zu, wenn das Bevölkerungswachstum die bescheidenen Entwicklungsfortschritte frißt. Die für die Ökonomie vorgesehenen Investitionen müssen für das --im wahrsten Sinne des Wortes -nackte Leben geopfert werden.

Abgesehen vom allgemeinen Geburtenrückgang wird von bemerkenswerten Änderungen im generativen Verhalten in einigen Teilen der Welt berichtet. Sie können aus der malthusianischen Falle heraushelfen. Sie geben auch den Blick frei auf einen demographischen Übergang, der für die Dritte Welt eine Lösung sein könnte und nicht mehr vom europäischen Vorbild lebt.

In Bangladesch und im Iran haben sich Geburten-rückgänge ereignet, die nach herrschender Lehre -wonach erst ein Mindestmaß an Wohlstand erreicht werden müsse, bis die Zahl der Geburten allmählich sinkt -sich nie hätten ereignen können. In Bangladesch ist im Laufe von zehn Jahren die Geburtenzahl der Frauen von 6, 2 auf 4, 7 gesunken. Theoriewidrig war, daß sich das während eines völligen wirtschaftlichen und sozialen Stillstands ereignet hat und noch dazu in allen Schichten. Das steht nicht im Einklang mit der europäischen Erfahrung, wonach sich der Geburtenrückgang entlang der Ständehierarchie von oben nach unten durchsetze. Hier stellte der französische Forscher Jean-Claude Chasteland die Frage, ob dies nicht etwa auf eine „kulturelle Diffusion“ zurückzuführen sei, die von Japan ausginge und über Asien ausstrahle, oder ob es eine schlichte Reaktion auf Armut sei, was wiederum nicht der klassischen Theorie entspräche, oder ob gar Familienplanungsprogramme dies fertiggebracht hätten. Der Iran ist nun wahrlich kein Terrain für signifikante Geburtenrückgänge. Daher ist es rätselhaft, wie eine von der Welt abgeschlossene Theokratie, die die Rolle der Frau zurück-stutzte, einen Rückgang der Geburten von 6, 5 auf 4, 6 pro Frau in zehn Jahren zuwege gebracht hat -eine Absenkung, die das Schah-Regime niemals fertigbrachte

Entwicklungs-und Familienplaner wollen immer gerne wissen, ob ein solcher Rückgang auf die Programme zurückzuführen ist oder auf den allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung, der Lebensformen und Lebenspläne so tangiert, daß er auch ohne Familienplanungsprogramme eingetreten wäre. Ende der achtziger Jahre hat der WeltbankÖkonom Timothy King 19 Entwicklungsländer daraufhin untersucht und feststellen müssen, daß 54 Prozent des Vorrückens im demographischen Übergang doch auf wirtschaftlichen Fortschritten beruhen und 10 bis 40 Prozent -je nach angewandter Methode -auf Familienplanungsprogrammen Sowie Geburtenrückgänge ohne den bisher stets angenommenen wirtschaftlichen Fortschritt möglich werden, eröffnet sich ein neuartiger Entwicklungsweg für die Dritte Welt.

Ein halbes Jahrhundert nach der Entdeckung des europäischen demographischen Übergangs kündigt sich ein nicht minder revolutionärer Ausweg aus dem andauernden „Bevölkerungsdruck“ der Dritten Welt an. Geburten müssen rascher und bedingungsloser gesenkt werden als in Europa, wenn die Völker auf den Entwicklungskontinenten jemals eine kulturangepaßte Existenzform erreichen sollen Dieser „Ausweg“ wird das 21. Jahrhundert bestimmen und nicht ohne Tücken sein. Er bedarf einiger Erläuterungen:

Das globale Bevölkerungswachstum würde das europäische Entwicklungsmodell sprengen. Schon die ökonomischen Auslösefaktoren des „klassischen“ demographischen Übergangs (wie die ersten „Entwicklungsdekaden“ der UN sie vorsahen) würden die Entwicklungskosten ins Unermeßliche steigern und auch gegen die Forderung der Weltgemeinschaft, Entwicklung ökologisch verträglich einzuleiten, verstoßen. Sie ist nur zu verwirklichen, wenn die Dritte Welt den europäischen Weg in umgekehrter Richtung einschlägt und das heißt: (1) die demographische Modernisierung wird noch vor der ökonomischen eingeleitet werden müssen und (2) die ökonomisch-technische Entwicklung wird in einem hohen Reifegrad eingeführt werden müssen. Auch die Industrialisierung der Dritten Welt wird den europäischen Weg umgekehrt, von seinem postindustriellen Höchst-stadium her, einschlagen müssen. Die klimatischen und ökologischen Zustände dort gestatten keine Phase des Früh-und Hochkapitalismus, der rauchenden Schlote. Sie erfordern vielmehr die Beibehaltung eines höheren Anteils der Landwirtschaft und die vorzeitige Einführung von Niedrig-Energie-Systemen und intelligenten Steuerungstechniken, wenn die bis 2050 erwarteten acht Milliarden Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika eine leidliche Existenz haben sollen.

Der Globus hat also nur dann eine Chance, wenn sich die Dritte Welt nach einem anderen Prioritätsschema entwickelt und nicht meint, auch einen Manchester-Kapitalismus oder einen Rhein-Ruhr-Komplex schaffen zu müssen, um den Wohlfahrtsstaat nach westlichem Muster zu erreichen. Wenn die Geburten rascher der niedrigen Sterblichkeit folgen, die Geborenenüberschüsse rascher verringert werden sollen, wenn Angehörige kleinerer Jahrgangsstärken lernen sollen, mit Niedrig-Ener-gie-Systemen und mit umwelterneuernder Technologie umzugehen, erfordert dies Investitionen und Erziehungskosten, wie sie von Bevölkerungen, die zur Hälfte aus Kindern und Jugendlichen bestehen, nicht aufzubringen sind. Entwicklungspolitik und -hilfe wird sich darauf einstellen und sich auf die Bildung von Humankapital konzentrieren müssen. Auf die Entwicklungsländer wartet die Anstrengung eines demographisch-ökologischen Übergangs.

Die neue Problemstellung lautet: Wie sind auf den Entwicklungskontinenten eine Ökonomie und Existenzbasis einzurichten, die maximal zwölf Milliarden Menschen ernährt und beschäftigt -also mehr als das Doppelte der heutigen Weltbevölkerung? Und wie sind die Kapazitäten der westlichen Welt zum Vorteil beider Welten zu erhalten?

V. Die demographische Seite des Nord-Süd-Konflikts

Die Weltlage im kommenden Jahrhundert wird auch von den Zuständen im Norden des Globus bestimmt bzw. in Mitleidenschaft gezogen. Die nördliche Welt hat ein Bevölkerungsproblem, das nicht weniger gravierend ist, nur von diametral entgegengesetzter Art: Geburtenarmut und technologisch bedingte Arbeitslosigkeit mindern die Sozialabgaben eines schrumpfenden Erwerbspotentials, das einer rasch alternden Gesellschaft mit hohen sozialen Ansprüchen gegenübersteht. Niemand kann heute sagen, wie der Norden sein eigenes Bevölkerungsproblem, das sich u. a. als gewaltige Finanzkrise darstellt, lösen wird. Ebenso hofft man nur, daß die Dritte Welt ihr Bevölkerungsproblem, das sich als gigantische Beschäftigungs-, Umwelt-und Verstädterungskrise zeigt, auf eigene Weise löst. Der Norden kann niemals jene Mittel zur rascheren Entwicklung der Dritten Welt aufbringen, die notwendig wären, um von solchen Problemen wie Lohn-und Preis-Dumping, Einwanderung und einer Globalisierung, die dem Gesetz der freien Wildbahn folgt, weniger berührt zu werden, In Europa haben die Entwicklungskräfte auch die Wachstumsbremsen der Bevölkerung hervorgebracht. Demographischer Übergang und „Urbanisierung“ haben da zusammengewirkt. Das Wachstum der Städte hatte in seinem Kern auch eine Lebensstil-Revolution zur Folge, die zugleich für die Abbremsung des Wachstums sorgte: Die „Klein“ -Familie ist ihr Produkt. Bald erneuerten sich die Städte nur um den Zuzug vom Lande, der sogleich in eine familienplanerische Stadtmentalität eingeschmolzen wurde. In der Dritten Welt fehlt eine solche Bremse; da sind Verstädterung und Zivilisierung entkoppelt und ergeben jene beängstigenden Agglomerationen wie Mexico City, Bombay, Kalkutta, Lagos oder Lima

Europa hat die Erfüllung der Malthusschen Prophezeiung vom Hungertod des allzu großen Nachwuchses mit neuzeitlicher Wissenschaft und Technik verhindert. Der Dritten Welt gelingt dies aus eigener Kraft nicht mehr: Auf die starken Jugend-jahrgänge warten dort die sozialen und ökologischen Gefahren ihres Raumes, nicht zu reden von ethnischen Kämpfen bzw. Bürgerkriegen aufgrund immer knapperer Ressourcen. Die im Süden heranwachsenden Menschenmassen werden trotz ihrer Bescheidenheit nicht als einzelne, dafür aber in ihrer Masse nördliche Umweltpolitiken nutzlos machen. Es wird der Punkt erreicht, wo eine wachsende Bevölkerung mit geringem Lebensstandard bald mehr ökologischen Schaden anrichtet als eine Hochstandardregion wie Westeuropa mit stagnierender Bevölkerung, die aber Umwelttechnik produziert. Die diffizilen Böden in den Tropen, die Neigung zu großen Herden, Abholzung und wilden Rodungen lösen „Ökoflucht“ aus. Alle Entwicklungskontinente kennen sie; nicht nur in Afrika, auch für China wird sie in noch unbekanntem Ausmaß befürchtet

Diese Auswirkungen könnten nur verhindert oder gemildert werden mit dem Alternativ-Muster des demo-ökologischen Übergangs: Die Entlastungen von demographischer Seite können zu Investitionen in schonende modernste Technologie genutzt werden. Die gesenkte Quantität an Menschen würde in steigende Qualität, also beruflich und technisch versiertes Humankapital, verwandelt werden. Doch wie sind die derzeitigen Aussichten der Entwicklungsländer, sich an eine postindustrielle Revolution anzubinden?

Der Gedanke daran erscheint verwegen, wo Schuldendienst, Militarisierung und „Armutsbombe“ (die ärmsten Bevölkerungen wachsen mit 3 Prozent jährlich am schnellsten) die näher-liegenden Probleme sind. Jeder Blick ins 21. Jahrhundert heftet sich aber unwillkürlich auf den „Zugang zu Technologien“, zu Wissenschaft und Forschung, zu hochwertigem Sozial-und Humankapital. Sie sind die längerfristigen Konstanten der Entwicklung.

Hier muß man jedoch der Realität ins Auge sehen: Auf 80 Prozent der Menschheit im Süden entfallen nur 4 Prozent der Forschungstätigkeit, nur 5 Prozent der Computer. Die Senkung der Sterblichkeit und der Geburtenhäufigkeit sowie die Anhebung der Lebenserwartung können vorerst nichts daran ändern, daß der Süden am Aufschwung der sogenannten Wissensindustrie praktisch nicht teilhat. Ein Hauptgrund ist der Exodus der Spitzenkräfte, vor allem aus Afrika, in Richtung Europa und USA Seit der Unabhängigkeit hat Afrika ein Drittel seiner Spezial-kräfte verloren: Ärzte, Hochschullehrer, Ingenieure, Geometer. Nahrungsmittelhilfen und konventionelle Entwicklungspolitik sind kein Ersatz dafür, wenn Technologie und Produktivität die Motoren der Entwicklung geworden sind. Der Süden gerät also in eine Negativspirale, wenn er steigende Bevölkerungsquanten verkraften muß und sein Humankapital, das dabei behilflich sein könnte, fortwährend verliert. Und hier ist mit den klassischen Einwanderungsländern USA und Kanada ins Gericht zu gehen, die zwischen 1960 und 1990 in einer Größenordnung von über einer Million Führungskader und technisches Personal bei ansonsten hohen Einwanderungsbarrieren aus der Dritten Welt abgesaugt haben.

V. Weltbevölkerung und Wanderungsdruck

Die gesamte westliche Welt steht unter Zuwanderungsdruck, der sich zuallererst aus den Lebensdiskrepanzen speist, die zwischen ihr und den Entwicklungsregionen noch Jahrzehnte klaffen. Aucheine absehbare Absenkung der Lebensniveaus im Westen dürfte daran wenig ändern. Die raschen Verkehrsmittel und die weltweiten Informationsnetze verleiten unter solchen Bedingungen immer mehr Menschen dazu, ihre Regionen zu verlassen. Wanderungspotentiale, Menschen „auf der Suche nach neuen Lebensbedingungen“, lassen sich leicht auf 100 bis 200 Millionen schätzen. Die eben geschilderte Lage treibt immer mehr Entwurzelte in die Slums der Hauptstädte und vermehrt die „Armutsbevölkerung“, die derzeit mit 800 Millionen Mangelernährten angegeben wird. Zu den Wanderungsmotiven zählen keinesfalls nur Hunger und Elend. Steigende Erwartungen und Ungeduld, die wirtschaftlichen Fortschritte mit einem Ortswechsel zu beschleunigen, lösen ebenso Wanderungen aus

So gelangt man zur Feststellung, daß Abwanderungen in entwickeltere Regionen immer stattfinden, unabhängig vom eventuellen Entwicklungserfolg im eigenen Lande. Ist er spürbar, sind die Abwanderungswilligen ungeduldige Fachkräfte und Mittelständler. Entwicklungsversagen löst dagegen Armutswanderung aus. Im ersten Falle schadet eine Abwanderung dem Herkunftsland, im letzten Fall wird die Sozialautomatik der Zuzugsländer bis zum Konfliktfall belastet. Der Abfluß der Intelligenz, der „brains“, verschiebt den dringenden demo-ökologischen Übergang. Dagegen schafft Armutswanderung unübersehbare Konflikte in den Zuzugsländern, ohne in den Abwanderungsländern irgendetwas zu ändern. Von einer Entlastung vom inneren Bevölkerungsdruck -ein „Argument“ zuwanderungsfreundlicher Gruppen und Medien -kann keine Rede sein. Eine Bevölkerung von 50 Millionen, die um drei Prozent im Jahr wächst (z. B. Äthiopien), nimmt in sechs Wochen um 170 000 Menschen zu. Die Türkei wächst in derselben Zeit um 114 000 Menschen.

Deutschland spürt den Zuwanderungsdruck über deutschstämmige Aussiedler aus dem Osten, über Familiennachzug zu Aufenthaltsberechtigten und Geduldeten, weiterlaufende Arbeitsmigration, Asylbewerbung und Bürgerkriegsflucht. Eine Palette von „Schienen“ liegt hier bereit, die je nach Opportunität „befahren“ werden können, sollte der Wunsch nach einem Aufenthalt in Deutschland irgendwo in der Welt entstehen. Auch aufgegriffene illegale Zuwanderer sollen Verständnis und Bleiberecht finden, wie nirgendwo sonst. Es ist bekannt, daß die gesamten „Aufnahmen“ der letzten Jahre selbst diejenigen des nordamerikanischen Kontinents übertroffen haben.

Was Deutschland hier praktiziert, ist tugendsame Weltfremdheit, mit der es seinen zeitgeschichtlichen Rehabilitationszustand signalisiert. Unglücklicherweise entstehen so karrieresensible Bereiche, die zu Handlungsabstinenz verleiten. Die „Politikerklasse“ leistet damit einer Moralboheme Vorschub, die mit aggressiver Sentimentalisierung des Einwanderungsthemas Entscheidungsschritte in diesem Politikbereich unterbinden will. Die Sentimentalisierung von Politik ist zugleich das Ende von Politik, denn sie blockiert die notwendigen Entscheidungen; in ihr liegen die eigentlichen Gefahren des späten Liberalismus -eine Handlungs-und Entscheidungsschwäche der politischen Mitte

Ob sich Deutschland nun als „Einwanderungsland“ deklariert oder nicht, tut angesichts seiner Politik der gebundenen Hände, die mit Rechtsstaatlichkeit und Verfassungsgeboten begründet wird, nichts zur Sache. Der Glaube an die „Gestaltbarkeit" des Zuwanderungsdrucks in Form einer geordneten Kontingentierung oder aber die Ausrufung einer „multikulturellen Gesellschaft“ ist absurd. Selbst wenn sich Bruchteile dieser Völker auf Wanderschaft begeben, bilden sie in ihrer Summe ein Einwanderungspotential, das ohne jede Diskussion abgewehrt werden muß. Es sei denn, man wiegt sich in folgenden, unsere demokratische Gesellschaftsordnung letztlich zerstörenden Illusionen: -in einem bedingungslosen Verfassungspatriotismus, der -um abstrakte Bürgerrechte gruppiert -sich gegenüber Herkunft und Lebensgewohnheiten laufend Hinzukommender neutral verhält. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Zuwanderer es auch so halten und ihr national-ethnisches Bewußtsein an der Staatsgrenze abstreifen. Man fragt sich, wer so etwas ernsthaft erwartet; -im festen Glauben an die Möglichkeit eines kultur-und geschichtsneutralen Staates, der seine eigenen Entstehungsgründe aufhebt und meint, so am besten den Boden für Vielvölkerfreundschaft und Multikultur zu bereiten. Einen solchen Staatsnihilismus in weltbürgerlicher Absicht wird das gleiche Schicksal ereilen wie eine „offene Republik“, die sich ihrer inneren Gegner nicht erwehrt. Sie wird politische Ersatzreligionen und Sektierertum heraufbeschwören; -in dem Glauben an die selbstregulierende Kraft des Arbeitsmarktes, dem man auch das Einwanderungsgeschehen überantworten könne. Es sind arglose Liberale kapitalistischer Provenienz, die meinen, man könne Menschen wie Güter, Kapital und Petrodollars frei strömen lassen. Angebot und Nachfrage würden schon für die günstigste Menschenverteilung auf dem Globus sorgen. Ihnen springen noch Moralisten bei, die zwar nichts von Arbeitsmarktbilanz und „gespaltenem Arbeitsmarkt“ verstehen, aber um so mehr von weltumspannender Humanität.

Das Marktmodell funktioniert nur, wenn die von ihm ausgehenden Informationen ein entsprechendes Verhalten nach sich ziehen. So dachte es sich Friedrich von Hayek Es ist aber doch naiv anzunehmen, daß Menschen der Dritten Welt, sobald sie von Arbeitslosigkeit oder nicht mehr bezahlbaren Soziallasten im Westen hören, von Einwanderungsversuchen Abstand nehmen. Es sind Einwanderungsmuster dominant geworden, die sich nicht mehr um die Arbeitsmarktlage oder die wirtschaftliche Situation im Zuwanderungsland scheren. Westliche Strukturgegebenheiten, wie „Anrechte“ auf Existenzsicherung, sind hinreichendes, ja geradezu verlockendes Wanderungsmotiv. Die Forscher in den USA sprechen schon von einer „Selbst-Perpetuierung der Wanderungsströme“, wo es nur noch am Zuwanderungsland liegt, sie einzudämmen oder abzustellen Selbst eine Niedrigrechnung des Einwanderungsdrucks auf den Norden läßt noch so viel Raum für Abwanderung aus dem Süden, daß allein damit Westeuropa nicht mehr wiederzuerkennen, seine soziale und politische Ordnung hinfällig und seine Leistungen für die Weltgemeinschaft beendet wären. Der rettende demo-ökologische Übergang ist ohne ein intaktes und leistungsfähiges Europa nicht zu schaffen. Es kann nicht sein, daß sich Europa dasjenige -sehendes Auges -ins eigene Haus holt, was es anderswo zu beheben aufgerufen ist. Die amerikanische Politologie sieht in seltener Einhelligkeit negative Wanderungsfolgen für die westliche Welt und untersucht drohende Konflikt-und Verfallsmuster für ihr eigenes Land Abschrekkende Zukunftsbilder aus anerkannten Institutionen sollte man am Wahrwerden hindern.

Das 21. Jahrhundert wird nicht mehr ein ideologisches, sondern ein „demographisches“ sein. Es wird trotz aller Globalisierung und Informatisierung der Weltzusammenhänge ein Wiederaufleben des Nationalen und Ethnischen bringen. Da wird sich auch und gerade Deutschland, die ideologie-bereite Nation par excellence, nach neuen Kategorien umsehen müssen; denn mit seinen jüngsten gedanklichen Steckenpferden von einer friedlichen multikulturellen Weltgesellschaft ist das kommende Jahrhundert nicht zu bewältigen. Die sich ankündigenden Weltverhältnisse werden diese akademisch-publizistische Kunstlandschaft gründlich umpflügen.

Falls Deutschland nicht eine Kulturrevolution an sich selbst vollzieht, sein exklusives Geschichtsbewußtsein eines hypermoralischen deutschen Sonderwegs (an dem wieder einmal die Welt genesen soll) samt Füllhornmentalität nicht bald in nüchternes Zukunftsbewußtsein und Knappheitsdenken umwandelt, wird es das Ende des 21. Jahrhunderts nicht mehr erleben -weder als Nation noch als eine demokratische Gesellschaft. Nur wer auch der Vernunft rechtzeitig im Inneren dient, kommt äußeren Zwängen zuvor.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zur Differenz von europäischer Entwicklung und dem, was der Dritten Welt bevorsteht, vgl. Josef Schmid, Die demographische Komponente im Entwicklungsprozeß, in: Peter Atteslander (Hrsg.), Kulturelle Eigenentwicklung. Perspektiven einer neuen Entwicklungspolitik, Frankfurt/M. -New York 1993, S. 213-238; ders., Die Zukunft der Weltbevölkerung, Ursachen und Folgen des Bevölkerungswachstums, in: Ludwig Bertsch/Hans Messer (Hrsg.), Die Verantwortung der Industrieländer angesichts des Bevölkerungsproblems. Sankt Georgener Symposium 1995, Frankfurt/M. 1995, S. 9-24; ders., Deutschland und Europa im Bevölkerungsdilemma, Demographische Trends und soziale Folgen, in: Hans Thomas (Hrsg.), Bevölkerung, Entwicklung, Umwelt, Herford 1995, S. 201-215; ders., Weltbevölkerungsprobleme und Migration, in: Studenteninitiative Wirtschaft & Umwelt e. V. (Hrsg.), Globales Bevölkerungswachstum -Exponentiell ins Chaos?, Münster 1995, S. 141-158; ders., Die wachsende Weltbevölkerung, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, B 35-36/94, S. 13 f. (diese Nummer der „Beilage“ erschien anläßlich der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo und behandelte die bevölkerungsstatistische Seite der Thematik, die hier so nicht wiederholt werden kann, recht ausführlich; auf die Beiträge von Charlotte Höhn und Herwig Birg sei nochmals verwiesen); Andreas Heigl, Weltbevölkerungsentwicklung. Ein globales oder ein regionales Problem?, in: Erwachsenenbildung, (1995) 2, S. 51-54.

  2. Der üblich gewordene „Gesamtindex der Fruchtbarkeit“ (aus dem Französischen übersetzt) oder die „Gesamtfruchtbarkeitsrate“ (aus dem Englischen, dort Total Fertility Rate, abgekürzt „TFR“ genannt) heißt im Deutschen nun „zusammengesetzte Fruchtbarkeitsziffer“ und bezeichnet schlicht die durchschnittlichen Geburten pro Frau und ist immer eine ganze Zahl mit einer Dezimale: Im Gaza-Streifen liegt sie bei 8, 1, in Deutschland bei 1, 3 und der Weltdurchschnitt beträgt zur Zeit (1995) 3, 0. Vgl. 1994 -World Population Data Sheet, Population Reference Bureau, Washington D. C.

  3. Diese Durchschnittszahl ergibt sich, weil Frauen mit mehreren Kindern, die also noch vor Einführung der drastischen Geburtenkontrollpolitik Mütter geworden sind, mit eingerechnet sind.

  4. Etwas mehr als 2, um noch vorhandene Sterblichkeit auszugleichen.

  5. Vgl. United Nations, World Population Prospects -The 1994 Revision, New York 1995; R. A. Bulatao/E. Bos u. a., World Population Projections, Short-and Long-Term Estimates, World Bank, Baltimore -London 1990. Der United Nations Fund for Population Activities (UNFPA) ediert jährlich einen „Weltbevölkerungsbericht“, der alle Eckwerte, global und kontinental, enthält. Im Rahmen des UN-Systems ist die Weltbank für die Weltbevölkerungsfrage aktiv. Ihr jährlicher „Weltentwicklungsbericht“ enthält alle demographischen Implikationen des jeweils behandelten Zentral-themas. Unlängst hat Herwig Birg einen neuen Satz von Projektionsvarianten publiziert: World Population Projections for the 21st Century, Frankfurt/M. -New York 1995.

  6. Vgl. Paul Ehrlich, Die Bevölkerungsbombe, München 1968; Paul und Anne H. Ehrlich, The Population Explosion, New York 1990.

  7. Vgl. Michel Louis Levy/Marguerite Boucher, Tous les pays du monde, Population & Socits, Paris (INED) 1995, Nr. 304.

  8. Vgl. C. Caldwell/Pat Caldwell, nature and limits of the sub-Saharan African AIDS epidemic. Evidence from geographic and other patterns, Population and Development, (1993) 4, S. 817-848. Die von Malthus so genannten „niederdrückenden Checks“ taten tatsächlich jahrhundertelang ihre Wirkung. Seuchen, Hunger, Krieg hielten die Bevölkerung brutal im Rahmen des „Nahrungsspielraums“. Während des „Schwarzen Todes“ zwischen 1348 und 1350 verlor

  9. Vgl. Davidson R. Gwatkin, Political Will and Family Planning: The Implications of India’s Emergency Experience, in: Population and Development Review, 5 (1979) 1, S. 29-59; G. Narayana et al., Doing the Needful. The Dilemma of In-dia’s Population Policy, Oxford 1992.

  10. Vgl. Jacques Giri, Afrique-Asie: des evolutions divergentes. Pourquoi?, in: Futuribles, (1993) 172, S. 33-44.

  11. Vgl. Omari H. Kokole, The Politics of Fertility in Africa, in: Population and Development Review, (1994) (20 Suppl.), S. 73-88.

  12. Vgl. Jean-Claude Chasteland, Une Demographie Eclatee, in: Le Monde vom 30. August 1994.

  13. Im Weltentwicklungsbericht 1984, der dem Thema gewidmet war, wird darauf ausführlich eingegangen (S. 123 ff.) Vgl. Nathan Keyfitz, Probleme des Bevölkerungswachstums, in: Spektrum der Wissenschaft, (1989) 11, S. 98-106.

  14. Vgl. Josef Schmid, Bevölkerung -Umwelt -Entwicklung: Forschungsrichtungen und aktuelle Argumentation, in: ders. (Hrsg.), Bevölkerung -Umwelt -Entwicklung, Opladen 1994, S. 17-42.

  15. Daß der europäische Weg alles andere als „vollendet“ ist, zeigen die Eingangsbemerkungen zu Kap. V.

  16. Vgl. The Challenge of Urbanization: The World’s Large Cities, in: Population Newsletter, Nr. 57/Juni 1994 (UN-Sekretariat, The Population Division), New York 1994.

  17. Vgl. Manfred Wöhlcke, Umweltflüchtlinge -Ursachen und Folgen, München 1992.

  18. Alarmierende Zahlen nannte schon der „Bericht zur menschlichen Entwicklung“ des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) 1992.

  19. Vgl. Swatli R. Gosh, Die zunehmende Bedeutung der Entwicklungsländer, in: Finanzierung & Entwicklung, (1996) 3, S. 38-41.

  20. Es ist seit Jahren ein offenes Geheimnis, daß die Kosten, die den Kommunen aus Flucht, Asyl und sonstiger Aufnahme entstehen, sich jährlich auf eine zweistellige Milliarden-summe belaufen.

  21. Vgl. A. von Hayek, Lilberalismus, Tübingen Friedrich 1979.

  22. Vgl. Douglas Massey et al., Theories of International Migration -Review and Appraisal, in: Population and Development Review, (1993) 3, S. 431-466; Josef Schmid, Migration und Konflikt. Ansätze zum Paradigmenwechsel in der Wanderungsforschung, in: Rainer Münz/Hermann Korte/Gert Wagner (Hrsg.), Internationale Wanderungen (DGBWTagungsband 1994), Lehrstuhl für Bevölkerungswissenschaft, Humboldt-Universität, Berlin 1994, S. 129-140.

  23. Vgl. u. a. Samuel H. Huntington, The Clash of Civilisations?, in: Foreign Affairs, (1993) 4, S. 22-49; Graham E. Fuller, The Breaking of Nations -and the Threat to Ours, in: The National Interest, Winter 1991/92, S. 14-21; James Kurth, Toward the Postmodern World, in: Dialogue, (1993) 2, S. 8-13; ders., The Real Clash, in: The National Interest, (1994) 1, S. 3-15.

Weitere Inhalte

Josef Schmid, Dr. phil., Dipl. -Volkswirt, geb. 1937; Habilitation mit einer bevölkerungswissenschaftlichen Schrift an der Ludwig-Maximilians-Universität München; seit 1980 Inhaber des Lehrstuhls für Bevölkerungswissenschaft an der Universität Bamberg; Wissenschaftliches Mitglied des Kuratoriums des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung; Mitglied der European Association for Population Studies (EAPS), Den Haag; Mitglied der International Union for the Scientific Study of Population (IUSSP) Liege. Veröffentlichungen u. a.: Einführung in die Bevölkerungssoziologie, Reinbek 1976; Bevölkerung und soziale Entwicklung. Der demographische Übergang als soziologische und politische Konzeption, Boppard 1984; Bevölkerungsveränderungen in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Revolution auf leisen Sohlen, Stuttgart 1984; Das verlorene Gleichgewicht. Eine Kulturökologie der Gegenwart, Stuttgart 1992; (Hrsg.) Bevölkerung -Umwelt -Entwicklung, Opladen 1994.