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Globale und regionale Umweltprobleme als Herausforderung für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit | APuZ 24-25/1996 | bpb.de

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APuZ 24-25/1996 Artikel 1 Artikel 2 Weltrisikogesellschaft und öffentliche Wahrnehmung globaler Gefährdungen Weltbevölkerungswachstum: Die Bürde des 21. Jahrhunderts Hunger und Armut in den Entwicklungsländern. Dimensionen, Fortschritte und Lehren aus erfolgreicher Politik Globale und regionale Umweltprobleme als Herausforderung für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit

Globale und regionale Umweltprobleme als Herausforderung für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit

Klaus-Dieter Osswald/Barbara Peter

/ 23 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Reaktion der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auf globale Umweltprobleme wird analysiert. Ausgehend von der ersten Veröffentlichung des Club of Rome 1972, die eine große Breitenwirkung in der öffentlichen Diskussion erzielte, bis zu den Brandt-Berichten der Nord-Süd-Kommission sind Reaktionen der deutschen Entwicklungspolitik kaum feststellbar. Wenn Umweltprobleme in Grundsatztexten und -debatten angesprochen wurden, dann mehr unter dem Aspekt der eigenen Interessen wie Energie-und Rohstoffsicherung oder Sicherung politischer Einflußsphären in der Ost-West-Konfrontation. Außerdem wurden zunächst nur Teilaspekte der Umweltproblematik diskutiert wie Bevölkerungsexplosion, Verstädterung und ländliche Entwicklung. Dies änderte sich zum Teil mit dem Bericht Global 2000, verstärkt dann mit dem Brundtland-Bericht und seiner Rezeption in Deutschland. Grundbedürfnisstrategien, Umweltverträglichkeitsprüfung, die Debatte um „Nachhaltigkeit der Entwicklung“ und Tropenwaldprogramm wurden zunehmend zu Themen der Entwicklungszusammenarbeit, wobei oft die Notwendigkeit erkannt, die Lösung aber -da es um globale Probleme geht -in den Bereich multilateraler Organisationen verschoben wurde. Deutlich wird dies an der deutschen Position zu UNCED, der Umweltkonferenz der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro. Gerade im notwendigen Umsetzungsprozeß zeigt sich, daß zwischen erklärten Konferenz-Absichten und praktischer Politik die Kluft fast unüberwindlich scheint.

„Das 21. Jahrhundert wird von seinem Beginn an unter dem Eindruck einer von Menschenhand ausgeraubten, im Kern gefährdeten und teilweise zerstörten Natur stehen. Sämtliche Politikbereiche, von der Außen-und Entwicklungspolitik bis zur Forschungs-und Technologiepolitik, werden unter diesem Eindruck stehen. Religion und Kultur, Bildung, Recht und Wirtschaft ... werden im Jahrhundert der Umwelt vom ökologischen Diktat bestimmt sein.“

Solche Erkenntnis braucht lange Zeit, bis sie sich auch politisch durchsetzt. Im selben Jahr erkannte der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit: „Der Schutz der Umwelt ist für die internationale Zusammenarbeit eine zentrale Herausforderung der 90er Jahre. Bittere Armut und explosives Bevölkerungswachstum drohen die nicht zuletzt von den Industrieländern heraufbeschworene weltweite Umweltkatastrophe zu verschärfen. Der Entwicklungszusammenarbeit kommt die Aufgabe zu, die sich gegenseitig bedingenden Faktoren Armut, Bevölkerungswachstum und Umweltverschmutzung zu bekämpfen. Erfolgreiche Entwicklungspolitik ist daher heute zu einer Frage des Überlebens der ganzen Menschheit geworden. Wir stellen uns dieser Verantwortung.“

Soweit die gemeinsame Erkenntnis im Jahre 1992, dem Jahr der Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro (UNCED). Doch der Weg dahin war weit, und es klafft immer noch die Lücke zwischen politischen Erklärungen und praktischer Politik.

I. Umwelt -kein Thema der Entwicklungshilfe?

1. Die Berichte des Club of Rome Daß Umweltprobleme eine globale Dimension haben, ist eine relativ junge Erkenntnis. Es ist noch kein Vierteljahrhundert her, daß auf nationaler Ebene so etwas wie ein Bewußtsein für die Umweltbelastungen auf regionaler und nationaler Ebene entwickelt wurde. Noch kürzer ist die Zeit, daß durch die Veröffentlichungen des Club of Rome Umwelt und die Endlichkeit der Ressourcen in das Bewußtsein gehoben wurden. Seit 1972 warnen Wissenschaftler, Ökonomen und Politiker des Club vor drohender Umweltkatastrophe und der Gefahr, daß der Menschheit ihre wichtigsten Ressourcen ausgehen könnten.

Die Berichte des oder an den Club of Rome lassen sich ganz grob in solche Berichte einteilen, die -und dies ist ein wichtiger Kritikpunkt daran -sich in exponentiellen Modellrechnungen mit der Zukunft des Planeten Erde auseinandersetzen, und solchen, die sich mehr mit Alternativen einer möglichen Entwicklung beschäftigen. Bei letzteren wird über den Nord-Süd-Konflikt und die Reform der Weltwirtschaft nachgedacht.

In der politischen Diskussion werden allerdings, trotz breiter Resonanz in der öffentlichen Meinung, nur Teilprobleme wahrgenommen -so nach der ersten Ölkrise 1974, nach der auch die Entwicklungspolitik u. a. als eine Politik der Energie-und Rohstoffsicherung gesehen wurde. Während Erhard Eppler noch Strukturprobleme gesehen und benannt hatte, standen auf der VN-Welthandels-und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) vom Mai 1976 für die Bundesregierung die Verhinderung integrierter Rohstoffabkommen bei eigener Rohstoffsicherung und die Ablehnung einer neuen Weltwirtschaftsordnung im Mittelpunkt. Eine politische Reaktion auf die Vorschläge des Club of Rome, Nullwachstum und Gleichgewichtsorientierung anzustreben, erfolgte nicht. Zwar wurden einige pessimistische Prognosen diskutiert, dies hatte aber keine politischen Konsequenzen. Auch die deutschen Nachfolge-publikationen -ob pessimistisch oder optimistisch -hatten auf die Öffentlichkeit mehr Auswirkungen als auf die praktische Politik Die Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit lagen weiterhin in den Bereichen Infrastruktur, Land-und Forstwirtschaft, Industrie, Dienstleistungen, Bildung, Wissenschaft, Ausbildung, Gesundheit. Zu den Reaktionen auf globale Umweltprobleme können höchstens Maßnahmen zur Bevölkerungsplanung und der Nahrungsmittelhilfe gerechnet werden. 2. Die Brandt-Berichte Auch die Berichte der Nord-Süd-Kommission haben, bei aller öffentlichkeitswirksamen Diskussion, die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Umweltfragen kaum beeinflußt Allerdings haben die Berichte der Kommission nur wenig Hinweise auf ökologische Probleme enthalten, sie befaßten sich mehr mit Fragen der in der deutschen Politik nicht sehr beliebten Neuen Weltwirtschaftsordnung. Hinsichtlich der wachsenden ökologischen Probleme wurden internationale Abkommen vorgeschlagen; den Ländern der Dritten Welt sollte u. a. ein höherer'Erlös für ihre Rohstoffe zugestanden werden, und es sollte eine internationale Energiestrategie entwickelt werden. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) lehnte die meisten Vorschläge ab Die Bundesregierung ging zwar im Fünften Entwicklungspolitischen Bericht auf die Brandt-Kommission ein, im Sechsten Bericht stellte sie dann nur noch lapidar fest: „Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit vertritt in einer Stellungnahme zum zweiten Bericht u. a. die Meinung, daß dieser die gleichen Schwächen zeige wie der erste.“ 3. Umwelt -kein wesentliches Thema in der Entwicklungszusammenarbeit Bis zu Beginn der achtziger Jahre spielten Umweltprobleme in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit praktisch keine Rolle: Probleme des Bevölkerungswachstums, Rohstoffe unter dem Gesichtspunkt der Rohstoffsicherung, Energieprobleme mit der Absicht der eigenen Energieversorgung sind die einzigen Aspekte, die eher indirekt mit globalen Umweltproblemen zu tun haben. Im Vierten Entwicklungspolitischen Bericht gibt es keine Erwähnung der Umweltprobleme und im BMZ-Journalisten-Handbuch 1980 noch nicht einmal ein Stichwort „Umwelt“. Im Journalisten-Handbuch 1981 lautet der einzige Satz zu Umwelt-problemen: „Fragen der Ökologie spielen ... bei der Entwicklung des Agrarsektors eine zunehmende Rolle.“ Auch 1983 wird der Anteil der Entwicklungspolitik zur Lösung globaler Umwelt-probleme noch minimiert, ja diese werden als für die Dritte Welt spezifisch dargestellt: „Die ökologische Situation ist in vielen Ländern der Dritten Welt aufgrund anders gearteter Ökosysteme und des unterschiedlichen Entwicklungsstandes kritischer als in den Industriestaaten.“

II. Umwelt und Entwicklung als globale Themen

1. global 2000

Vielleicht hat die Tatsache, daß die USA -immer zurückhaltend, wenn es nicht ihren Interessen entspricht -im Auftrag ihres Präsidenten einen Bericht in Auftrag gaben, auch die deutsche Einstellung beeinflußt. Jedenfalls werden Umweltprobleme nach der Popularisierung (nicht der Veröffentlichung) von Global 200 anders gesehen. Die Studie prognostiziert unter Fortschreibung der vorhandenen Trends und unter der Annahme, daß die bisherigen Politiken fortgeführt werden, für das Jahr 2000 alarmierende Dimensionen.

Die Reaktionen in der Bundesrepublik waren relativ vielfältig. Die der FDP nahestehende Friedrich-Naumann-Stiftung veranstaltete ein Hearing, es gab einen Bericht des Bundesministers für Forschung und Technologie, Große Anfragen und Anträge der Fraktionen im Deutschen Bundestag sowie einen Bericht der Bundesregierung. Folgende Maßnahmen wurden angekündigt: a) Es sollen Konsequenzen aus Global 2000 für die Bundesrepublik geprüft werden. Die Folgen für die Außen-und Entwicklungspolitik sollen dargestellt werden. b) Es soll überprüft werden, ob das umweltpolitische und planerische Instrumentarium ausreicht, um Gefahren vorauszuschätzen und ihnen zu begegnen. c) Es soll geprüft und dargestellt werden, wo in den Bereichen der Innen-, Außen-und Entwicklungspolitik zusätzliche Handlungsprogramme und Handlungsalternativen notwendig sind, einschließlich des dazu notwendigen Finanzbedarfs. d) Es soll ein Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen und anderer Beratergremien erstellt werden, um die in Global 2000 aufgezeigten weltweiten Gefahren und Entwicklungstrends weiter zu untersuchen. e) Dabei soll überprüft werden, ob die in Global 2000 aufgezeigten Entwicklungstrends eine besser koordinierte und wirksamere internationale Zusammenarbeit notwendig machen.

f) Das Problembewußtsein der Bevölkerung muß geschärft werden, damit für wichtige strukturelle Entscheidungen ein demokratischer Konsens möglich wird. 2. Grundbedürfnisstrategie Ein Konsequenz dieser Überlegungen ist eine Modifizierung der sogenannten Grundbedürfnis-strategie. Dieser von der Internationalen Arbeitsorganisation der VN (ILO) 1976 entworfene neue Entwicklungsansatz wurde als Konzept in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit übernommen. Über die verstärkte Bedürfnis-, Zielgruppen-und Produktionsorientierung sowie mehr Partizipation soll eine möglichst große Nähe zu den ärmsten Bevölkerungsschichten erreicht werden. Danach sollen auch unter ökologischen Aspekten nur noch Projekte gefördert werden, die nicht ausschließlich auf machtpolitische, außenpolitisch-taktische und wirtschaftliche Gründe zurückzuführen sind Self-Reliance soll im Vordergrund stehen.

Erstmals ab 1980 -und nicht nur im Zusammenhang mit den Nord-Süd-Berichten und Global 2000 -werden Umweltaspekte etwas ausführlicher diskutiert. Neben Bevölkerung, Nahrungsmittel und Energie werden allmählich auch andere Umweltprobleme gesehen. Die globale Dimension des Problems wird erkannt: „Die Mißachtung ökologischer Kreisläufe ist kein auf die Industrieländer beschränktes Phänomen. Das alarmierende Ausmaß der Umweltgefährdungen und -Zerstörungen in den Ländern der Dritten Welt ist erst in letzter Zeit in das entwicklungspolitische Bewußtsein gerückt.“ 3. Der Brundtland-Bericht Relativ breite Aufmerksamkeit erreichte der Bericht der Kommission für Umwelt und Entwicklung unter Leitung von Gro Harlem Brundtland Dieser Bericht verstärkte die Hinwendung zu Umweltproblemen, wie sie schon im Sechsten Bericht der Bundesregierung, in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und in den Grundlinien von 1986 sichtbar wurde. Der Bericht wird im Gegensatz zu der eher „technisch-wissenschaftlichen Bestandsaufnahme“ in die Reihe der Berichte gestellt, „die unter dem Anspruch reformerischer Politik die ökologischen, sozialen und entwicklungspolitischen Notwendigkeiten für eine zukünftige Welt-gesellschaft herausarbeiten“

Umwelt und Entwicklung, Ökologie und Ökonomie werden in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit und als Einheit betrachtet. Im Zentrum des Berichts steht der Begriff des sustainable growth, der in die deutsche Diskussion als „nachhaltige Entwicklung“ einging. Der Begriff wurde in unterschiedlichster Weise interpretiert. In seiner einfachsten Interpretation bedeutet er: „Unter welchen Bedingungen kann ein ökologisches Teilsystem ... so genutzt werden, daß die langfri-stige Ertragskraft nicht gemindert oder gar zerstört wird.“ 4. Reaktionen der deutschen Entwicklungspolitik Die Anerkennung dessen, was der Brundtland-Bericht vorgeschlagen hatte, zeigte sich in Veränderungen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Vor allem in den Industrieländern hatte sich das Umweltbewußtsein weiterentwickelt, mit der Folge, daß auch Politiker und Politiken sich unter Druck sahen, sich dem Thema verstärkt zuzuwenden. So sprach auch Bundeskanzler Kohl in der Regierungserklärung vom 18. März 1987 von der zu bewahrenden Schöpfung.

Am besten läßt sich die Veränderung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zwischen dem Brundtland-Bericht und der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 an den Entwicklungspolitischen Berichten ablesen und an den Memoranden der Bundesregierung zur Jahresprüfung des Ausschusses für Entwicklungshilfe der VN-Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (DAC). Für die Umweltpolitik relevant sind vor allem die Bereiche, die sich mit der „Bedrohung der Umwelt“ März 1987 von der zu bewahrenden Schöpfung.

Am besten läßt sich die Veränderung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zwischen dem Brundtland-Bericht und der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 an den Entwicklungspolitischen Berichten ablesen und an den Memoranden der Bundesregierung zur Jahresprüfung des Ausschusses für Entwicklungshilfe der VN-Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (DAC). Für die Umweltpolitik relevant sind vor allem die Bereiche, die sich mit der „Bedrohung der Umwelt“ 15 beschäftigen: „Im Jahre 1986 entfielen mit 2. 520, 7 Mio. DM ... 63 % der erteilten Regierungszusagen für Projekte der bilateralen staatlichen Kapitalhilfe und der Technischen Hilfe auf Maßnahmen mit umweltneutralen Eigenschaften; auf Vorhaben mit ausgesprochen umweltförderndem Charakter entfielen zusätzlich 296, 4 Mio. DM . . . oder 8 % der Regierungszusagen für Projekte der bilateralen staatlichen Kapitalhilfe und Technischen Hilfe. Umwelt-fördernde Maßnahmen von Projekten mit anderen fachlichen Hauptförderbereichen sind in den letztgenannten Werten noch nicht berücksichtigt.“ 16 Auch in der Debatte des Bundestages vom 19. Mai 1988 zum Siebenten Entwicklungspolitischen Bericht wurden Umweltprobleme in den Mittelpunkt gestellt: „Alle Redner stimmten überein, daß die Bekämpfung der von Hunger und Armut, Unterentwicklung und Bevölkerungswachstum ausgehenden Zerstörung höchste Priorität haben müsse. Verstärkte Anstrengungen, den Teufelskreis von Armut und fortschreitender Umweltzerstörung zu durchbrechen, lägen auch im ökologischen Interesse der Industriestaaten.“ 17 Der Achte Entwicklungspolitische Bericht versucht, Ursachen und Wechselwirkungen darzustellen. Dabei werden Ozonloch, Bevölkerungsentwicklung, Energiebedarf, Überweidung, Verwüstung und Brennholzabbau in ihrem Zusammenhang angesprochen und daraus geschlossen: „Als Ergebnis solcher wechselseitig verknüpfter und in den einzelnen Entwicklungsländern unterschiedlich ausgeprägter Auswirkungen auf die Ressourcenbasis und die natürlichen Lebensgrundlagen zeigen sich die wachsenden Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Existenz-bedingungen großer Teile der Bevölkerung. Darüber hinaus engt die Schmälerung der Ressourcenbasis die künftigen wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der betroffenen Länder ein.“ 18

III. Umwelt wird Thema der Entwicklungspolitik

Nachdem Umweltpolitik und globale Umweltprobleme in Politik und Öffentlichkeit auch für die Entwicklungszusammenarbeit thematisiert sind, folgen -allerdings eher zögerlich -Konsequenzen. Dazu gehören aus deutscher Sicht vor allem die Akzeptanz der Umweltverträglichkeitsprüfung und das Tropenwaldprogramm. 1. Umweltverträglichkeitsprüfung Vom BMZ wird immer wieder darauf verwiesen, daß die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in ersten Schritten schon 1972 eingeführt worden sei. Das BMZ führte allerdings erst 1983 einen Leitfaden für die Klassifizierung der Umweltbedeutsamkeit von Vorhaben ein, um die verschiedenen Projekte einordnen zu können. 1988 wurde dann ein vertieftes Verfahren für Projekte der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) eingeführt, das nach Angaben des BMZ auch heute noch gilt. Jedes Projekt der bilateralen Zusammenarbeit soll danach auf seine Umweltre-levanz geprüft werden und erhält somit eine Klassifikationsbezeichnung von Uo bis U 4.

Wichtig sollen die Kriterien sein sowohl für die Förderungsentscheidung als auch für die Durchführungssteuerung: „Betrachtet man die verschiedenen Ebenen bei der Verfolgung von Umweltschutzzielen in der EZ . . so spielt die UPV . .. eine zentrale Rolle nur auf der Projektebene (projektgebundenes Instrument). Indem mögliche Umweltbelastungen frühzeitig erkannt und geeignete Maßnahmen zu deren Begrenzung, Abwehr oder Kompensation sowie Projektalternativen identifiziert werden, hilft die UVP Zeit und Kosten für eine nachträgliche Bewältigung nicht vorhergesehener Umweltprobleme sparen und irreversible Umweltschäden vermeiden. Sie soll außerdem die Berücksichtigung der Umweltinteressen betroffener Bevölkerungsgruppen, Institutionen und nichtstaatlicher Organisationen im betreffenden Land ermöglichen und leistet damit einen wichtigen Beitrag beim Aufbau institutioneller Kapazitäten für eine eigenständige Umweltpolitik.“

Der Wissenschaftliche Beirat des BMZ kritisiert trotz wohlwollender Beurteilung der seit 1988 üblichen UVP für deutsche Projekte, daß die guten Grundsätze leider in vielfältigem Maße unterlaufen würden. In einer Presseerklärung stellte er fest, daß es bei der Anwendung der Ergebnisse der UVP eine Inkonsequenz gebe, weil laut BMZ im „Einvernehmen mit den Partnern Förderentscheidungen auf politischer Ebene zu treffen sind“ 20. Das heißt, daß politische Opportunität das anerkannte Prinzip zumindest immer wieder in Frage stellt. 2. Das Tropenwaldprogramm der Bundesregierung Die Sorge um das Weltklima nimmt in der politischen Diskussion und in den Medien immer breiteren Raum ein. Von einer Katastrophe für das Klima wird gesprochen, die ökologischen Funktionen vor allem des tropischen Regenwaldes für das Weltklima diskutiert, wobei auch emotional der Kampf gegen die Zerstörung der Regenwälder -zumal im Amazonasbereich -einen nicht zu unterschätzenden Einfluß hat. Es ging zunächst um zwei Themenbereiche: Erstens um die persönliche Betroffenheit -es könnte ja sein, daß die , Weltlunge 1 bei ihrem Versagen alle betrifft; und zweitens darum, wie man das Verschwinden der tropischen Regenwälder durch politische Einflußmöglichkeiten verhindern könnte. Es stellte sich z. B. die Frage, ob man durch Importverbote für Tropenhölzer das Abholzen verhindern oder ob man den Ländern einen Schuldenerlaß anbieten könne, damit sie ihre Waldreserven schonen.

Tatsache ist: „Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nahmen die Waldflächen der Erde seit Beginn der Landwirtschaft bis heute von fünf auf vier Milliarden Hektar ab. Am stärksten waren die geschlossenen Wälder der temperierten Zonen betroffen (Verlust bis zu 35 %), am wenigsten der Regenwald (4-6 %), der lange Zeit kaum bewohnt und nur schwer zugänglich war.“ 21 Aber seit Mitte der fünfziger Jahre wurden diese Wald-flächen immer mehr in Anspruch genommen. Aber seit Mitte der fünfziger Jahre wurden diese Wald-flächen immer mehr in Anspruch genommen. Die Ende der siebziger Jahre von der Ernährungs-und Landwirtschaftsorganisation der VN (FAO) und dem Umweltprogramm der VN (UNEP) durchgeführte Tropenwalderhebung machte das Problem bewußt, und in den Medien wie in der politischen Diskussion wurden die kritischen Nachfragen immer stärker. So gab es seit 1982 immer wieder Große Anfragen zu diesem Thema im Bundestag. Zu einer ersten ausführlichen Debatte kam es dort am 20. Januar 1989, als vier Anträge der Regierungs-und Oppositionsfraktionen diskutiert wurden. Als mögliche Sofortmaßnahmen wurden das Verbot des Imports tropischer Hölzer, aber auch weitergehende Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut und der Schuldeneindämmung vorgeschlagen. Vorher schon hatte der Bundestag den Anträgen zur Einsetzung einer Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ entsprochen; seit dem 3. Dezember 1987 gibt es diese Kommission. Sie hat inzwischen drei Berichte vorgelegt, der zweite war besonders umfangreich und trägt den Titel „Schutz der tropischen Wälder. Eine internationale Schwerpunktaufgabe“ Ein wichtiger Folgebericht ist der Tropenwaldbericht der Bundesregierung von 1993

Das BMZ entwickelte ein neues Sektorkonzept, das jährlich mit rund 300 Millionen ausgestattet wurde. Dabei ordnete sich die Bundesrepublik in den multilateralen Kontext ein, so z. B. in das auf Vorschlag des Weltwirtschaftsgipfels im Juli 1990 entwickelte Pilotprogramm zur Erhaltung der Regenwälder Brasiliens. Das Sektorkonzept ist auf sechs Jahre angelegt und umfaßt: -„Maßnahmen, die den Schutz von Waldökosystemen sowie von Lebensräumen der Indianervölker mit der Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen verbinden, nachhaltige Bewirtschaftung erneuerbarer Ressourcen, Wiedergewinnung und Aufforsten degradierter Böden; -flankierende Maßnahmen in Bereichen wie Landnutzungsplanung, Tropenwaldforschung, Verbreitung von Techniken schonender Landnutzung, Institutionenaufbau und -Stärkung, Umwelterziehung; -Verbesserung gesetzlicher Regelungen zum Wald-und Ressourcenschutz und wirksamere Kontrolle und Überwachung ihrer Einhaltung; -Einbeziehung und Finanzierung von Aktivitäten nichtstaatlicher Organisationen, lokaler Bevölkerungsgruppen und Institutionen sowie privatwirtschaftlicher Initiativen.“ 1992 hat sich die Politik besonders intensiv mit dem Sektorkonzept Tropenwald auseinandergesetzt. Neben der intensiven Öffentlichkeitsarbeit für das Konzept wurden auch die Grundsätze für die bilaterale Zusammenarbeit neu formuliert. Es wurde dargestellt, wie vernetzt das Problem ist und auch, wie bi-und multilaterale Bemühungen ineinandergreifen. „Über allen diesen laufenden Aktivitäten bildeten sowohl die Vorarbeiten zur VN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro als auch der daraufhin einsetzende Nachfolgeprozeß einen Schwerpunkt für die Tropenwaldpolitik der Bundesregierung.“

Die Bundesrepublik -das muß anerkannt werden -hat sich hier stark engagiert: „Deutschland ist das wichtigste Geberland in diesem Bereich.“ Zwar waren 1993 „Regenwaldzerstörer . . . wieder auf dem Vormarsch“ aber einzelne Projekte waren doch erfolgreich. Dennoch muß festgestellt werden, daß sich der Mitteleinsatz durch das BMZ nicht gesteigert, sondern verringert hat. Alle Vorhaben zusammen wurden von 1991 auf 1993 um ein Viertel reduziert, von 368 auf 275 Millionen DM. 3. UNCED: Die Umweltkonferenz von Rio de Janeiro Auch in der Bundesrepublik wurde diese größte Umweltkonferenz ausführlich vorbereitet, sowohl auf der Ebene Bundesregierung/Bundestag als auch durch Nichtregierungsorganisationen. Eine erste Zusammenfassung der zu diskutierenden Bereiche veröffentlichte das BMZ unter dem Titel „Umwelt und Entwicklung“ Themen waren vor allem mangelnder Umweltschutz bei der Industrialisierung und die Ressourcenzerstörung durch unangepaßte Landnutzung. Eine nächste Etappe der Auseinandersetzung mit diesen Problembereichen der UNCED war ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des BMZ vom April 1991. Der Beirat ging davon aus, daß umweit-und entwicklungspolitische Ziele deckungsgleich zu sein hätten -allerdings bedeute dies auch, daß Umweltschutz in den Ländern der Dritten Welt nicht gegen deren Willen erzwungen werden könne und ohne bedeutende Anstrengungen in den Industrieländern nicht durchsetzbar sei. Breit wird auf die Notwendigkeit der Umweltverträglichkeitsprüfung eingegangen, wobei diese auch ihre Probleme habe, aber „die Bundesregierung solle sich nicht scheuen, ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit mit einem Land zu verringern, wenn es sich zeige, daß dieses Land nicht fähig oder willens sei, einen umweltverträglichen Entwicklungspfad einzuschlagen“ Rechtzeitig veröffentlichte das BMZ noch eine Hochglanzbroschüre zum Thema: „Eine Welt -eine Umwelt“.

Über die Grundsatztexte hinaus wurde die Konferenz durch ein Nationales Komitee unter Federführung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vorbereitet, das am 11. Februar 1992 „Perspektiven einer weltweiten umweltverträglichen Entwicklung“ vorlegte. Der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit beschäftigte sich ebenfalls mit der Vorbereitung von UNCED. Das Nationale Komitee legte dann einen Bericht vor, der sehr allgemein gehalten war, sich auf Bemerkungen zu Schuldenerlaß, UVP und Einbeziehung der Entwicklungsländer beschränkte, und in der Presse als „wohlfeile Rhetorik“ und „seichter Minimalkonsens“ bezeichnet wurde. Auch der Bundestag beschäftigte sich ab März 1992 mit UNCED. Die SPD hatte eine Große Anfrage eingebracht, die Bundesregierung antwortete darauf am 18. März 1992. Bündnis 90/Die Grünen wollten ebenfalls wissen, wie sich die Bundesrepublik in Rio verhalten werde; schließlich stellten auch die Regierungsfraktionen am 29. April 1992 noch einen Antrag. Man konnte also davon ausgehen, daß die Regierung auf die Umwelt-Konferenz gut vorbereitet war.

Die Konferenz verlief -je nach Erwartungshaltung -gut oder schlecht. Dadurch, daß sich die USA schon im Vorfeld geweigert hatten, die Artenschutz-Konvention zu unterzeichnen, war Präsident Bush zum „Bösewicht“ geworden. Bundeskanzler Kohl befand sich in der komfortablen Lage, zum einen erklären zu können, daß die Bundesrepublik sich für die Ziele der Konferenz einsetzen werde, zum anderen konnte er sogar versuchen, die USA in Schutz zu nehmen. Da die Redezeit je Regierungschef auf nur sieben Minuten beschränkt war, konnte Kohl nur kurz die deutsche Position anreißen. Aber es war „der richtige Zungenschlag -und alle lieben sie den Kanzler“ kommentierten Teile der Presse. Sein Vorgänger, Altbundeskanzler Schmidt, war allerdings überzeugt: „Aus Rio kommt die Rettung nicht.“ 150 Staaten unterzeichneten die Umweltabkommen von Rio: die Rio-Deklaration, das Aktionsprogramm „Agenda 21“, die Walderklärung, die Klimakonvention, die Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt Kritik kam vor allem von Nichtregierungsorganisationen: Eine „historische Chance (sei) verpaßt“ worden. Auch die Presse nahm die Ergebnisse teilweise sehr kritisch auf.

Rio sei zwar kein Mißerfolg gewesen, aber es wurde auch Gro Harlem Brundtland zitiert: „Viel Fortschritt in wenigen, wenig Fortschritt in den meisten und kein Fortschritt in manchen Dingen.“ „Die Zeit“ faßte in einem Sonderheft die wichtigsten Kritikpunkte zusammen. Diese reichen von einem Ökodiktat der Industrienationen bis zu der Feststellung, daß Kompromisse herauskamen, die keinen schmerzen können. Aber der blaue Planet sei nunmehr „im roten Bereich“ 4. Reaktionen des Südens Das Mißtrauen der Länder der Dritten Welt gegenüber den Vorschlägen und Bedenken der Industrieländer besteht seit der ersten Umwelt-konferenz in Kopenhagen. Immer wieder wird der Verdacht geäußert, daß es sich bei diesen Vorschlägen eher um ein Entwicklungsverhinderungsprogramm für den Süden handle -ein Programm, das verhindern solle, daß auch die Länder der Dritten Welt eine Chance zur Industrialisierung und zur Verbesserung des Lebensstandards für ihre Bevölkerung haben sollten. Es wird nicht diskutiert, daß die Weltökologie zusammenbrechen würde, wenn alle Menschen der Dritten Welt einen den Industrieländern vergleichbaren Energie- und Rohstoffverbrauch hätten. Es wird im Süden angenommen, daß zum Beispiel Bevölkerungsprogramme die Qualität von „RockefellerBabies“ hätten, d. h. Kinder kapitalistisch-imperialistischer Ideologie seien, und der Norden verhindern wolle, daß durch ihre wachsende Bevölkerung die Dritte Welt ein größeres Gewicht auf der internationalen Bühne bekomme. Und so lange tatsächlich die meisten Emissionen -auch die, die eine Bedrohung des Weltklimas darstellen -aus dem Norden kommen, ist die Einsicht nicht zu vermitteln, daß sich der Süden in irgendeinem Bereich einschränken solle.

Es wird also ein neo-imperialistischer Ansatz vermutet, der den Süden klein halten solle. So hat die Gruppe der 77 (inzwischen 128 Länder der Dritten Welt) auf der Rio-Konferenz versucht, eine Gegenposition aufzubauen und durch Einigkeit gegenüber den Industriestaaten den Ton anzugeben, doch dies gelang nicht. Hinzu kommt, daß einige Länder der Dritten Welt sich selbst an den Pranger stellten, weil sie gegen opulente Bezahlung bereit waren, jede Form von Gift-und Sondermüll (einschließlich abgebrannter Brennelemente) auf ihrem Territorium zu lagern. Schwierig ist vor allem die Lage der Länder, die einen hohen Anteil ihrer Exporterlöse aus Tropenholz beziehen -eine Importsperre der Industriestaaten macht ihnen dasÜberleben schwer. „Die These, der Norden wolle seine und die von ihm verursachten globalen Umweltprobleme auf dem Rücken des Südens lösen, ist eingängig und nicht ohne wahren Kern.“ 5. UNCED und die Folgen Im ersten Jahr nach UNCED waren die öffentlichen Reaktionen gemischt, die skeptischen überwogen dabei. Von einem „ökologischen Marshallplan für den blauen Planeten“ kann nicht die Rede sein. Auch die Nachrichten aus der Bundesregierung gaben zu optimistischen Annahmen keinen Anlaß; Bonn kürzte in den auf Rio folgenden Haushalten die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit. Der BMZ selbst machte klar, daß die seit Ende des Kalten Krieges erhoffte „Friedensdividende eine Illusion“ sei. Das BMZ zog in einer ausführlichen Darstellung „Rio -ein Jahr danach“ Bilanz, wobei jedoch kaum ein Umsteuern in den Grundpositionen erkennbar war.

Auch 1994 brachte keine grundsätzlichen Veränderungen. Es wurde eher von einer „Kontinuität der Leistungen“ gesprochen. Diese fehlende grundsätzliche Änderung setzt sich fort. Die SPD stellte auf einer Konferenz „Das Überleben sichern -zwei Jahre nach Rio“ fest, „daß . . . die Bilanz ernüchternd ist“ Die Nachfolgekonferenz in Berlin 1995 brachte erneut einige Zusagen der Bundesregierung, aber heute schon ist klar, daß einige davon -wie z. B. die Reduzierung der Kohlendioxidemissionen bis zum Jahre 2005 um 25 bis 30 Prozent -nicht einzuhalten sind.

IV. Schlußbemerkungen

Fast ein Vierteljahrhundert lang wird von der Wissenschaft, etwas kürzer von den Medien die Diskussion über das Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie geführt. Als globales Problem erkannt, muß dieses auch für die Entwicklungszusammenarbeit relevant sein. Die Politik reagierte meist mit großer Verzögerung und dies fast immer auf Druck der Öffentlichkeit. Oft waren die Reaktionen zunächst nur verbal und die Umsetzungsdefizite unverkennbar. „Die Fragestellung ist bekannt: Ist die gegenwärtige Umweltpolitik tatsächlich geeignet, die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen zu schützen, oder erschöpft sie sich weitgehend in . Sonntagsreden'?“

Gerade in der Entwicklungszusammenarbeit müßte das Bewußtsein vom „gemeinsamen Boot“ besonders deutlich werden; es ist aber „selten mehr als ein rhetorisches Ritual, das Verhaltensänderungen des jeweils anderen Bootsinsassen einfordern soll, was zu einer wechselseitigen Geiselnahme nach dem Motto führt: Wenn du dich nicht konstruktiv verhältst, tue ich es auch nicht, aber selbst, wenn du dich konstruktiv verhältst, halte ich mir alle Optionen offen. Dabei besteht die Neigung, die umweltpolitischen Defizite aus dem Bereich der jeweiligen nationalen Verantwortung in den internationalen Bereich zu transferieren.“

Was sind die Gründe dafür, daß die Politik auf diese Herausforderungen so träge reagiert? a) Es geht eindeutig um „neue und alte Verteilungskonflikte zwischen Erster und Dritter Welt“ Es geht weiterhin um Wachstum, Ressourcenverschwendung auf der einen und Ressourcen-knappheit auf der anderen Seite, also um nationale Ressourcen und Souveränität. Es geht ferner um ein „Tauziehen um die Reste der Natur“ Es entsteht eine „Borniertheit auf Gegenseitigkeit“ es entsteht der Widerspruch „Theoretische Einsichten versus inkonsistentes Verhalten“ b) Es geht um die Frage, wie die Politik für Einsichten, die sie gewonnen hat, Akzeptanz findet -aber auch darum, wie stark öffentlicher Druck auf politische Entscheidungsprozesse einwirken kann. Die Diskrepanz zwischen Reden und Handeln wird hier besonders deutlich. Einerseits müßte die Politik den Mut haben, die Realitäten darzustellen und ihre Erkenntnisse umzusetzen, andererseits werden diese Realitäten meist nur von Minderheiten perzipiert -und dann stellt sich immer noch die Frage nach der Bereitschaft, sich einzuschränken, Konsumverzicht zu leisten oder zumindest seine Verhaltensweisen zu modifizieren.

Diese Probleme sieht auch der Wissenschaftliche Beirat beim BMZ für die künftige Entwicklungszusammenarbeit: „Die EZ hat sich in eine Legitimationsfalle hineinmanövriert: Sie muß sich gefallen lassen, an ihren eigenen Zielsetzungen gemessen zu werden. Es droht der Verlust der innenpolitischen Legitimationsbasis, wenn für die Öffentlichkeit überzeugende Entwicklungserfolge nicht erkennbar sind. Es bedarf einer Umorientierung auf das realistischerweise Machbare innerhalb enger werdender Haushaltsspielräume auf Geberseite und zunehmender soziopolitischer Krisen auf Nehmerseite.“ Wird oder darf es dann akzeptiert werden, wenn „die deutsche Entwicklungspolitik ... im Begriff (ist), bis auf die Knochen eigennützig zu werden“' ? c) Die Akzeptanz der Mammutveranstaltungen der Vereinten Nationen nimmt ab. Es werden dort großartige Konferenzergebnisse vorgestellt, deren Nichtumsetzung hinterher beklagt wird. Zwar wird die Vernetzung der einzelnen Aspekte wie Bevölkerungswachstum, Armut, Hunger, Flucht und Umwelt gesehen -wenn aber zu jedem Thema wieder eine Konferenz ohne Folgen abgehalten wird, nimmt die Bereitschaft zum Verständnis und zur Kooperation ab. 1992 UNCED in Rio (Umsetzung fraglich), 1994 Weltbevölkerungskonferenz in Kairo („deutsche Fehlleistungen“), dann 1995 Weltsozialgipfel („Sisyphus in Kopenhagen“), und kaum war dieser Gipfel vorbei, fand am Ende des gleichen Monats, im März 1995, in Berlin der Klimagipfel statt, bei dem schon im Vorfeld Vertreter von Nichtregierungsorganisationen meinten: „Die Bundesregierung ist dabei, diese Konferenz in den Sand zu setzen, obwohl Kohl und Töpfer in Rio große Sprüche geklopft haben.“ „Die Frühwarnzeit im Treibhaus Erde (ist) abgelaufen“ „zwei Jahre (seit Rio sind) verloren“ Die Bewertung aller dieser Konferenzen fällt also eher ähnlich negativ aus wie das Fazit nach der Klimakonferenz: „Erst sah es so aus, als ob die Konferenz im Desaster enden würde. Dann waren sich alle sicher, daß die Konferenz im Desaster enden würde. Schließlich einigte man sich darauf, daß die Konferenz im Desaster geendet hatte.“

Dadurch, daß sich die nationale Entwicklungspolitik immer mehr hinter multilateralen Konferenzen versteckt -mit dem Argument, daß es nur eine einheitliche Politik für globale Probleme geben könne -, können Veränderungen nur noch sehr mühsam erreicht werden, ändert sich auch für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit wenig.

In der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit sind durch eine stärkere ökologische Ausrichtung in vielen Bereichen andere Akzente gesetzt worden, auch wenn sie noch nicht befriedigend sind. In den sechziger Jahren standen die wirtschaftliche Infrastruktur und Bildung im Mittelpunkt; die Grundbedürfnisbefriedigung in den siebziger Jahren; Strukturanpassung, Politikdialog, Stärkung des Privatsektors in den achtziger Jahren; Armutsbekämpfung, Umwelt und Bildung seit Beginn der neunziger Jahre. Von der Programmatik her ist das eine durchaus positive Entwicklung, aber „der Wandel der Konzeptionen führte in der entwicklungspolitischen Praxis naturgemäß nicht jedesmal zu fundamentalen Veränderungen, sondern eher zu allmählichen Adjustierungen“ 55.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Ernst U. von Weizsäcker, Erdpolitik. Ökologische Real-politik an der Schwelle zum Jahrhundert der Umwelt, Darmstadt 19924, S. 9.

  2. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Hrsg.), Eine Welt -eine Umwelt. Umweltschutz: Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, Bonn 1992, S. 5.

  3. Vgl. u. a. Herbert Gruhl, Ein Planet wird geplündert. Die Schreckensbilanz unserer Politik, Frankfurt am Main 1975; Theodor Sonnemann, Die Menschheit hat noch eine Chance. Alternativen für die Welt von morgen, Hamburg 1977.

  4. Der erste Bericht der Nord-Süd-Kommission wurde 1980 veröffentlicht: Willy Brandt, Das Überleben sichern, Köln 1980; der zweite 1983: Willy Brandt (Hrsg.), Hilfe in der Weltkrise, Reinbek 1983.

  5. Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Stellungnahme zu den Vorschlägen des 2. Brandt-Berichts, vorgelegt vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, BMZ aktuell, Bonn, April 1983.

  6. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Sechster Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung, Bonn 1985, S. 33.

  7. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Journalisten-Handbuch 1981, Bonn 1981, S. 144.

  8. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Journalisten-Handbuch 1983. Bonn 1983, S. 167.

  9. Vgl. Global 2000. Der Bericht an den Präsidenten, Frankfurt am Main 1980. Diese Überlegungen schließen auch ein: Globale Future. Time to act, Frankfurt am Main 1981.

  10. Anforderungen an eine Grundbedürfnisstrategie, in: epd-Entwicklungspolitik, (1980) 1, S. 6-9.

  11. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Fünfter Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung, Bonn 1983, S. 18.

  12. Gro Harlem Brundtland, Our Common Future, London 1987. Die deutsche Ausgabe erschien im selben Jahr: Volker Hauff (Hrsg.), Unsere gemeinsame Zukunft. Für ein Klima des Wandels, Greven 1987.

  13. Gerd Michelsen und das Öko-Institut Freiburg (Hrsg.), Der Fischer Öko-Almanach 91/92, Frankfurt am Main 1991, S. 17.

  14. Hans-Jürgen Harbort, Die Diskussion um dauerhafte Entwicklung (Sustainable Development): Basis für eine umweltorientierte Entwicklungspolitik?, in: Wolfgang Hein (Hrsg.), Umweltorientierte Entwicklungspolitik, Hamburg 19922, S. 37.

  15. Ebd., S. 27.

  16. BMZ aktuell, 51 (Februar 1995), S. 8 f.

  17. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Erhaltung der tropischen Regenwälder, in: BMZ aktuell, (November 1988), S. 7.

  18. Vgl. BT-Drucksache 11/971.

  19. Vgl. Schutz der tropischen Wälder. Eine internationale Schwerpunktaufgabe, in: Zur Sache. Themen parlamentarischer Beratung, 10/90, Bonn 1990.

  20. Vgl. Tropenwaldbericht der Bundesregierung, Schutz und Bewirtschaftung der Tropenwälder, 3. Bericht, Bonn, März 1993.

  21. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Brasilien -Tropenwalderhaltung und Umweltschutz. (Aktualisierte Fassung), in: BMZ aktuell, (Januar 1992), S. 5.

  22. Tropenwaldbericht (Anm. 24), S. 7.

  23. Presse-und Informationsamt der Bundesregierung, Umweltpolitik -Chancen für unsere Zukunft, Bonn 19944, S. 90.

  24. In: Der Spiegel, 26/1993, S. 142.

  25. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Umwelt und Entwicklung, in: Materialien, Nr. 77 (Juli 1987).

  26. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Wissenschaftlicher Beirat fordert verbesserten Umweltschutz in der Entwicklungszusammenarbeit, in: Mitteilungen für die Presse, Nr. 48/91 vom 9. 4. 1991, S. 22.

  27. Perspektiven einer weltweiten Entwicklung, vorgelegt vom Nationalen Komitee zur Vorbereitung der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992, Bonn 1992 (11. 2. 1992).

  28. In: Die Zeit, Nr. 9 vom 21. 2. 1992.

  29. Vgl. Die Welt vom 13. /14. 6. 1992.

  30. Die Ergebnisse sind zusammengefaßt in: Deutscher Bundestag, Neunter Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung, BT-Drucksache 12/4096, Bonn 1993, S. 3941.

  31. Friends of the Earth International, Historische Chance verpaßt, in: epd-Entwicklungspolitik, 12/92, Dokumentation, S. o-p.

  32. In: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 19. 6. 1992.

  33. Ein Gipfel für die Erde. Nach Rio: die Zukunft des Planeten, in: Zeit-Schriften, (1992) 1, S. 36.

  34. Hans H. Lembke, UNCED 92 -eine Chance für einen neuen Nord-Süd-Dialog, in: Wolfgang Hein, Umweltorientierte Entwicklungspolitik, Hamburg 1992, S. 455.

  35. Theodor W. Beine, Umweltpolitik nach der Konferenz von Rio. Ökologischer Marshallplan für den blauen Planeten, in: Das Parlament, Nr. 31 vom 30. 7. 1993.

  36. Vgl. Nordbayerischer Kurier vom 14. 8. 1993.

  37. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Deutsche Entwicklungspolitik in der zwölften Legislaturperiode, in: BMZ aktuell, Nr. 41 (Mai 1994), S. 1.

  38. Themenschwerpunkt: „Das Überleben sichern -zwei Jahre nach Rio“, in: Nord-Süd-Info-Dienst, Nr. 66 (Oktober 1994).

  39. Heinrich Pehle, Umweltpolitische Institutionen, Organisationen und Verfahren auf nationaler und internationaler Ebene: Wirkungsvoll oder symbolisch?, in: Politische Bildung, 24 (1991) 2, S. 47.

  40. Manfred Wöhlcke, Umwelt und Entwicklung im Nord-Süd-Kontext: Argumente, Interessen und Verantwortlichkeiten, in: Beiträge zur wissenschaftlichen Grundlegung und zur Unterrichtspraxis, 21 (1994) 1, S. 43.

  41. Karin Stahl, Die UN-Konferenz über „Umwelt und Entwicklung“. Neue und alte Verteilungskonflikte zwischen Erster und Dritter Welt, in: Deutsches Übersee-Institut (Hrsg.), Jahrbuch Dritte Welt 1993: Daten, Übersichten, Analysen, München 1993, S. 48.

  42. Wolfgang Sachs, Globale Umweltpolitik im Schatten des Entwicklungsdenkens, in: Blätter für die deutsche und internationale Politik, (1994) 11, S. 1372.

  43. Lothar Brock, Borniertheit auf Gegenseitigkeit. Nord-Süd-Kontroversen in der Umweltpolitik, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, 35 (1994) 7, S. 160.

  44. Richard Münch, Das Dilemma der Umweltpolitik. Die Rückkehr der Verteilungskonflikte, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, B 37/94, S. 7 f.

  45. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Neue Akzente in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit während der nächsten Legislaturperiode, in: BMZ aktuell, Nr. 54, (Februar 1995), S. 10.

  46. Johannes Schradi, Eigennutz als Ziel, in: Badische Zeitung vom 2. 8. 1994.

  47. In: Badische Zeitung vom 27. 3. 1995.

  48. Kernforderungen für den Klimagipfel ’ 95, in: epd-Entwicklungspolitik, (1995) 5, Dokumentation, S. y-z.

  49. Peter Mucke, „Zwei Jahre verloren“. Handlungsstrategien der NROs nach der Berliner Klimakonferenz, in: epdEntwicklungspolitik, (1995) 9, S. 34-35.

  50. Der Klimagipfel -eine Nachlese, in: der überblick, (1995) 2, S. 89.

Weitere Inhalte

Klaus-Dieter Osswald, Dr. phil., geb. 1937; Professor für Soziologie an der Pädagogischen Hochschule Freiburg; 1968/69 John F. Kennedy-Fellow an der Harvard University; 1969/70 Associate Professor of Sociology and Social Anthropology an der University of Windsor (Ontario); Mitglied des Deutschen Bundestages 1980-1983 und 19871990. Veröffentlichungen zu Problemen der Dritten Welt, zur Entwicklungszusammenarbeit, zur Minderheitentheorie und Erziehungssoziologie.