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Zwischen Widerstand und ethnischem Aufbruch Indianische Renaissance in Lateinamerika | APuZ 48-49/1996 | bpb.de

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APuZ 48-49/1996 Europa und Zentralamerika: 12 Jahre San-Jose-Dialog Lateinamerika und Asien: Ein neues Beziehungsmuster in der internationalen Politik Zwischen Widerstand und ethnischem Aufbruch Indianische Renaissance in Lateinamerika Mit dem Kapitalismus den Sozialismus retten? Zur Reichweite der Reformbestrebungen in Kuba Verteilungskonflikte und Interessengruppen in Lateinamerika Eine politisch-ökonomische Analyse des „Rent-Seeking" Artikel 1

Zwischen Widerstand und ethnischem Aufbruch Indianische Renaissance in Lateinamerika

Raimund Allebrand/Walther L. Bernecker

/ 29 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In Lateinamerika erweisen ethnische Spannungen seit einigen Jahren erneut ihre Sprengkraft. Das soge-nannte Kolumbusjahr 1992 brachte die Erinnerung an Entdeckung, Kolonisierung und Missionierung durch Europa, aber auch verstärkte indianische Emanzipationsbestrebungen. In einzelnen Ländern stellen die ehemaligen Herren des amerikanischen Kontinents nach wie vor die Bevölkerungsmehrheit oder zumindest die größte ethnische Gruppe. Das Kolumbusjahr wurde zum Katalysator einer panamerikanischen Bewegung, die heute soziale und bürgerliche Rechte einfordert. Dabei definieren sich marginalisierte Gruppen der indigenen Bevölkerung teils als soziale Klasse, teils eher als vom europäischen Kolonialismus und seinen Folgen unterdrückte Nation. Paradebeispiel dieser indianischen Bewegung ist das mittelamerikanische Guatemala: Die Bevölkerungsmehrheit aus Maya-Ethnien hat hier den Marsch durch staatliche Institutionen angetreten und reklamiert im Zuge einer Befriedung des vom Bürgerkrieg gezeichneten Landes politische Partizipation auf allen Ebenen.

Ethnische Spannungen weisen in Lateinamerika seit einigen Jahren wieder eine vermehrte Sprengkraft auf. Die wiederaufgeflammte Ethnizitätsdiskussion hängt zum einen mit einer Art Paradigmenwechsel zusammen, der (in der gesamten Welt) dem Ethnischen und Nationalen zu einer Renaissance verhülfen hat; zum anderen ist sie auf die äußerst prekäre Lage zurückzuführen, in der sich einige ethnische Gruppen in Lateinamerika befinden. Exemplarisch sei auf die Maya-Bevölkerung des mexikanischen Gliedstaates Chiapas verwiesen, die sich unter Anleitung des SubcomandanteMarcos am Januar 1994 nach jahrelanger geheimer Vorbereitung erhob 1.

Zur Charakterisierung der zahlreichen ethnischen Protestbewegungen der letzten Jahre läßt sich ein Ethnienbegriff zugrunde legen, bei dem es weniger auf „objektive“ Merkmale (gemeinsame Sprache, Herkunft, Institutionen) als vielmehr auf „das gemeinsame Selbstverständnis“ einer Gruppe ankommt. „In diesem Sinn werden als Ethnien familienübergreifende Gruppen bezeichnet, die sich selbst eine kollektive Identität zusprechen und auch von außen als Gruppe mit einer eigenen Identität wahrgenommen werden.“

Die folgenden Ausführungen kreisen um das Phänomen einer Renaissance des Indianischen in Lateinamerika. Sie beanspruchen schon deshalb nicht, das Phänomen in seinen verschiedenen Ausprägungen voll zu erfassen, weil es nicht das Indianische in Lateinamerika gibt; vielmehr müßte ein derartig komplexer Stoff in viele Teilbereiche aufgegliedert werden, gibt es doch -um nur ein Beispiel zu nennen -allein bei den Tieflandindianern Brasiliens 323 Gruppen sehr unterschiedlicher Größe Angesichts einer derartigen strukturellen Vielfalt ist es ausgesprochen problematisch, verallgemeinernde Aussagen über indianische Ethnien und Gemeinschaften zu machen. Selbst wenn im folgenden von indianischen Bewegungen gesprochen wird, ist diese Charakterisierung mit Vorbehalt zu betrachten, da die angesprochenen „Bewegungen“ mitunter keine ausreichende Unterstützungsbasis und kollektive Vorgehensweise aufweisen, welche eine solche Bezeichnung gerechtfertigt erscheinen ließen.

Der erste Teil des folgenden Aufsatzes legt die Umstände dar, unter denen im Vorfeld des „Kolumbusjahres“ 1992 neue Indianerbewegungen entstanden, welche Ziele sie verfolgen, welchen (endogenen und exogenen) Problemen sie sich gegenübersehen. Der zweite Teil geht exemplarisch auf ein Land, Guatemala, ein, da an diesem Beispiel besonders gut aufgezeigt werden kann, wie in einem Staat, in dem eine tendenziell weiße Minderheit seit jeher der indianischen Mehrheit jegliche gesellschaftliche Partizipation vorenthielt, der politische Diskurs in den letzten Jahren eine deutliche Veränderung erfahren hat.

I. Zur Entstehung der Indianer-bewegungen im Umfeld des „Kolumbusjahres“

Umfaßten in früheren Jahrzehnten Indianerbewegungen höchstens kleinere Gruppen, die kulturelle und soziale Überlebensrechte für ihre existentiell bedrohten Ethnien fordeten, so haben sie im letzten eine quantitativ wie qualitativ neue

Dimension angenommen. Indianische Bewegun-gen wurden zu aktiven sozialen Akteuren, die -weltweit beachtet -vielfache Initiativen starteten, Politiker zum Handeln und Intellektuelle zu Engagement veranlaßten, in den westlichen Ländern vielerlei Solidaritätsbewegungen auslösten. Mitte 1990 etwa legte der größte indianische Aufstand der neueren Geschichte Ecuadors das Wirtschaftsleben des Landes für mehr als eine Woche lahm In Bolivien verschreckte noch im gleichen Jahr der Marsch nahezu , vergessenerindianischer Gruppen des Tieflandes auf La Paz die mestizisch-städtische Bevölkerung In vielen anderen lateinamerikanischen Ländern entstanden indianische Komitees, Aktionsgruppen und gewerkschaftsähnliche Zusammenschlüsse; selbstbewußt und un-überhörbar forderten sie ihre historischen Rechte ein.

Im Jahr 1992 wurde weltweit, vor allem in Europa und Amerika, der 500. Wiederkehr der sogenannten Entdeckung der Neuen Welt gedacht. Die Reaktionen auf die Feierlichkeiten reichten von pathetischem Eigenlob über Desinteresse und Ignoranz bis hin zu kategorischer Ablehnung und der massiven Anklage vergangenen und anhaltenden Völkermordes. Für die Indianer genannten indigenen Völker Amerikas hatte der Jahrestag zumindest ein Ergebnis: Die Polemik führte zu einer schärferen Konturierung der Debatte über kulturelle Identität, es erfolgte eine Besinnung auf die Wurzeln, es kam zu einer intensivierten Reflexion über die Folgen von Eroberung, Kolonialismus und Abhängigkeit. Indigenas standen mehr denn je im Blickpunkt der Öffentlichkeit, erst recht, nachdem die Indianerin Rigoberta Menchü den Friedensnobelpreis erhalten hatte. In der Begründung des norwegischen Nobelkomitees heißt es, Frau Menchü erhalte den Preis wegen „ihrer Arbeit für soziale Gerechtigkeit und ethnisch-kulturelle Versöhnung auf der Basis von Respekt für die Rechte der Urbevölkerung“ Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Preisträgerin befand sich diese gerade bei einer Demonstration gegen die 500-Jahr-Feierlichkeiten. Symbolträchtiger hätte die fortbestehende Dichotomie zwischen dem von Weißen organisierten offiziellen Diskurs und dessen Ablehnung durch die indigenen Völker kaum ausfallen können.

Als in den letzten Jahren über „ 1492“ und die Folgen diskutiert wurde, ging es vor allem um das Schicksal der damaligen autochthonen Bevölkerung des Kontinents. Indios spielten in der gesamten Debatte um den Quinto Centenario allerdings eine nur marginale Rolle. Ihre Haltung war und ist dafür um so klarer: In zahlreichen Erklärungen lehnten die Indios jede Art von Feier-oder Gedenktag ab. 1987 schloß der Weltrat Indianischer Völker seine Konferenz in Peru mit einem Plädoyer dafür, die zerstörerischen Auswirkungen hervorzuheben, die die angebliche Entdeckung verursacht hat: „Die systematischen Bemühungen, jene Vorkommnisse, die zur teilweisen Ausrottung ganzer Völker und zu fünf Jahrhunderten fortgesetzter Aggression geführt haben, als positive Weltereignisse zu feiern, stellen eine Entwürdigung unserer Völker und unseres Kontinents dar.“

Die Indianer verweigerten sich. Verweigerung war jahrhundertelang eines der Mittel (oft das einzige) gewesen, Widerstand gegen die Weißen zu leisten. Der in Lateinamerika als „Tag der Rasse“ {Dia de la Raza) gefeierte 12. Oktober ist von den indigenen Organisationen zum „Tag der indianischen Würde“ {Dia de la Dignidad India) erklärt worden. Der Sprecher des mexikanischen (Anti-) Comite 500 anos, Jenaro Bautista, forderte, „den Nachfahren der ursprünglichen Gruppen Amerikas den Ort einzuräumen, der ihnen zusteht: Respekt vor ihrer Lebensweise, ihrer Sprache und ihrer Kultur, Recht auf Territorium und Recht auf ihre eigenen Gesetze“.

Bei allen Indianer-Erklärungen der vergangenen Jahre ging es immer wieder um ein umfassendes Selbstbestimmungsrecht. In einem Manifest etwa des im heutigen Chile lebenden Mapuche-Volkes heißt es: „Es gab keine Entdeckung und echte Evangelisierung, sondern eine Invasion unseres Gebiets, deren Folge der größte Völkermord der Geschichte war. ... Daher wurde unsere historische Entwicklung als Mapuche-Nation unterbrochen; wir wurden vielmehr zu dem, was wir heute sind: eine von einer kapitalistischen Zentralmacht, die sich chilenischer Nationalstaat nennt, unterdrückte Nation; dieser Staat maßt sich das Recht an, unsere Meinung zu vertreten und für uns zu entscheiden -im Namen einer angeblichen christlich-westlichen Überlegenheit, auf Kosten der dauernden und systematischen Vergewaltigung unserer historischen Grundrechte.“ Die Mapuches reklamierten das Recht auf Selbstregierung, auf Rückerhalt ihrer Ländereien, auf natürliche Res- sourcen, auf ein eigenes Bildungssystem, auf Autonomie und Selbstbestimmung.

Je näher das Jahr 1992 rückte, desto umfangreicher wurde auch die Widerstandsbewegung der Indianer. Die indianischen Gemeinschaften Kolumbiens propagierten die Kampagne der „Selbstentdeckung unseres Amerika“, die später zu einer gesamtkontinentalen Bewegung erweitert wurde 1989 fand in Bogota das „Erste lateinamerikanische Treffen der Volks-und Indigena-Organisationen“ statt, auf dem die Kampagne „ 500 Jahre Indgena-und Volkswiderstand“ ins Leben gerufen wurde. Zweck der Kampagne war der gemeinsame Kampf der Indianer für „Souveränität und Selbstbestimmung“.

In der Folge dieser ersten großen Zusammenkunft wurden fortan in zahlreichen Resolutionen die Grundforderungen nach Selbstbestimmung, eigener Kultur und Religion, eigenen politischen Organisationen, Beteiligung von Frauen sowie Verwaltung und Kontrolle der von Indios bewohnten Gebiete zum Ausdruck gebracht. Am weitesten ging eine Resolution des „Ersten kontinentalen Treffens indianischer Völker“ von 1990: „Wir stellen die Rechtsordnung der Nationen in Frage, weil sie das Ergebnis kolonialer und neokolonialer Entwicklungen sind. Wir streben nach einer neuen Gesellschaftsordnung, in der Platz für die traditionsgemäße Ausübung unseres Gewohnheitsrechts ist. Wir fordern unsere Anerkennung als Völker im Rahmen des Internationalen Völkerrechts und daß dies in den Gesetzen der Nationalstaaten verankert wird.“

II. Der Indianische Widerstand: ethnische oder soziale Orientierung?

Die Bezeichnungen für die verschiedenen Kampagnen („Indgena-und Volkswiderstand“), die sich im Vorfeld des Kolumbusjahrs herausbildeten, lassen erkennen, daß es bei den Widerstandsgruppen zumindest zwei Tendenzen gibt: Eine ist mehr „indianistisch" orientiert und betont die Haltung der indigenen Völker, die andere ist weiter gefaßt und versteht sich als einheitlicher Widerstand des unterdrückten Volkes, als soziale Bewegung Auf dem Treffen in Bogota stießen 1989 die zwei Positionen aufeinander, die erst nach schwierigen Kompromißverhandlungen eine einheitliche Resolution verabschieden konnten. Während die Indianer darauf bestanden, daß sie als historisch und moralisch vom (Neo-) Kolonialismus am stärksten betroffene Völker die Kampagne gegen die Fünfhundertjahrfeiern anführen durften -mit allen kulturellen und ideologischen Implikationen, die das bedeutet -, plädierten die „Volksbewegungsvertreter“ dafür, expliziter den multikulturellen und multiethnischen Charakter der Bewegung (unter stärkerer Beteiligung der Schwarzen, der Mestizen und der armen Weißen, die ebenfalls Widerstand geleistet hätten) zu berücksichtigen; das sie einigende Interesse sei ohnehin der gemeinsame Kampf um Land. Die schließlich vereinbarten Koordinierungsmechanismen blieben schwach. Der Haupterfolg bestand darin, trotz prekärer Finanzmittel und Infrastruktur und trotz erheblicher Widerstände eine kontinentweite Kampagne in Gang gesetzt zu haben

Im Oktober 1991 fand in Quetzaltenango/Xelajü (Guatemala) das zweite Kontinentaltreffen der amerikanischen Kampagne „ 500 Jahre Widerstand“ statt. Rund 1 000 Delegierte waren sich darüber einig, daß es darum gehen müsse, „die Einheit in der Vielfalt zu stärken“. Über allen vielfältigen Themen, die auf diesem Treffen angesprochen wurden, schwebte das nach wie vor ungelöste Spannungsverhältnis zwischen Ethnie und Klasse. Die Schlußerklärung läßt erkennen, daß keine endgültige Entscheidung darüber getroffen worden ist, wem im Widerstandskampf die Rolle des Protagonisten zukomme: ob den Ureinwohnern oder allen Unterdrückten des Kontinents. Betont wurde der möglichst offene und plurale Charakter der Kampagne. In der Abschlußerklärung von Xelajü heißt es: „Wir bekräftigen den umfassenden und demokratischen Charakter der Kampagne und ihrer Treffen. Sie sollen Raum schaffen zur Reflexion und Partizipation mit dem Ziel, einen Prozeß der Einheit der indianischen und schwarzen Völker sowie der Volksbewegungen zu ermöglichen und voranzutreiben ... Wir erklären das Jahr 1992 zum Internationalen Jahr des indianischen, schwarzen und allgemeinen Volkswiderstands.“ Auf dem Treffen wurde weiter beschlossen, die Kampagne fortan „ 500 Jahre indianischer, schwarzer und allgemeiner Volks-widerstand“ zu nennen.

Natürlich ist auch den indigenen Organisationen bewußt, daß ein Teil ihrer Forderungen -gerade die weitestreichenden -keine Aussicht auf Erfolg hat. Wenn sie eine Beendigung des Kolonialismus’ fordern und damit den , internen 1 Kolonialismus der Nationalregierungen meinen, so steht dem das gültige Völkerrecht entgegen, das Entkolonisierung nur Völkern zubilligt, die außerhalb der Staatsgrenzen ihrer Kolonisatoren leben. Und wenn sie für sich den Status von Nationen mit Selbstbestimmungsrecht reklamieren, dann steht dem in allen anderen Ländern der Souveränitätsanspruch der Nationalstaaten entgegen

Bis heute ist auch nicht klar, wie der Anspruch der von allen lateinamerikanischen Regierungschefs im Juli 1991 unterzeichneten „Erklärung von Guadalajara“ in die Tat umgesetzt wird, in der „dem immensen Beitrag der indigenen Völker zur Entwicklung und Vielfalt“ der lateinamerikanischen Gesellschaften größte Anerkennung gezollt wird und von einer „Verpflichtung gegenüber ihrem wirtschaftlichen und sozialen Wohlergehen“ sowie der „Respektierung ihrer Rechte und kulturellen Identität“ die Rede ist

Seit ungefähr einem Jahrzehnt tragen Indianer ihre Forderungen immer selbstbewußter vor. Dabei ist ein auffälliges Phänomen festzustellen: Seit den Zeiten des Kolumbus gelten bekanntlich im herrschenden Diskurs die vielfältigen indigenen Völkerschaften Amerikas kollektiv als „Indianer“ Europäische Eroberung und Kolonisation haben aus grundverschiedenen Völkern eine panindianische Leidensgemeinschaft geschaffen; mit Beginn der Conquista setzte eine Subsumierung der diversen und heterogenen autochthonen Gruppen unter den Homogenität herstellenden Begriff indio ein, der damit eine wesentlich koloniale Kategorie ist. Seit den sechziger Jahren entstand nun zuerst in Nord-, sodann in Mittel-und Südamerika eine neue Bewegung, die allerdings -trotz aller internen Differenzierung -durchaus die Bezeichnung „indianisch“ oder „panindianisch“ verdient. Indianische Bürger-und Landrechtsbewegungen wurden gegründet, die neue Organisationsformen einführten und politische Lobbyarbeit betrieben. Vielfach wurde die Entstehung indianischer Bewegungen auch von sympathisierenden Kirchenvertretern unterstützt.

In der Geschichtsschreibung zu Lateinamerika wird der Beitrag der indianischen Völker zur (gegenwärtigen) Kultur des Kontinents eher vernachlässigt. Allenfalls finden sie sich als Opfer und Unterdrückte -mit Begriffen wie jener von Oscar Lewis geprägten „Kultur der Armut“ -in den historischen Werken wieder, selten aber als Gestalter entwickelter Ausdrucksformen einer eigenständigen Kultur. Dies könnte sich ändern.

Das Instituto Indigenista Interamericano schätzt, daß 1992 nahezu 40 Millionen , Indianer 1 in Lateinamerika lebten, somit rund 5, 6 Prozent der Gesamtbevölkerung des Kontinents; 400 unterschiedliche Völker und über 300 Sprachen sind ausgemacht worden. Von ehemals autonomen Völkern sind die Indios kontinentweit zu ethnischen Minderheiten geworden. Während es sich bei ethnischen Minderheiten in Europa zumeist um Einwanderer in ein diesen ursprünglich fremdes Territorium handelt, geht es bei diesen ethnischen Minderheiten in Lateinamerika um „Eingeborene, deren zahlreichere Vorfahren von denen der heutigen Mehrheiten entweder biologisch dezimiert oder regional verdrängt und dadurch zu wirtschaftlicher Isolation und demographischem Rückgang gebracht oder durch fortschreitende Vermischung und soziokulturelle Anpassung in die Mehrheitsgesellschaft integriert worden sind“ Über 80 Prozent der Indianer leben heute konzentriert im andinen und im mesoamerikanischen Bereich, somit im früheren Einflußgebiet der Hochkulturen der Inka, Maya und Azteken; ihre Zahl ist absolut im Steigen begriffen. Vor allem aber: Ansprüche indianischer Gemeinschaften können heute nicht mehr einfach ignoriert werden: In Peru und Bolivien genießen indianische Territorien zumindest einen eingeschränkten Rechtsstatus; langwierige Landrechtsprozesse wurden begonnen; in einigen Staaten gibt es Gesetze, die indianischen Gemeinschaften auf ihrem Land den Lebensunterhalt und die Ausübung ihrer Kultur gewährleisten sollen; zahlreiche Interessenorganisationen von Indianern versuchen, bestehende Rechtsansprüche mit politischem Druck durchzusetzen. Kein Zweifel: Man kann von einer Renaissance des Indianischen in Lateinamerika sprechen. Dieser seit Jahren immer intensiver feststellbare indianische Aufbruch hat im positiven Recht bereits bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. Der traditionell-paternalistische Indigenismus verliert überall an Boden und weicht einem selbstbewußtfordernden Indianismus. Vor allem wird in vielen Ländern das obsolete Modell von ethnisch homogenen Nationalstaaten aufgegeben In Argentinien sieht das 1985 verabschiedete Gesetz über indigene Gemeinschaften Schutz und Unterstützung der Ureinwohner, Respekt vor ihren Werten und Eigenarten, Zugang zu Land und Erhaltung ihrer Kulturen vor. In Ecuador findet zwischen Regierung und indigenen Organisationen ein (allerdings spannungsgeladener) Dialog über die formelle Anerkennung des multinationalen Charakters des ecuadorianischen Staates statt. In Mexiko anerkennt seit 1991 ein neuer Verfassungsartikel die „plurikulturelle Zusammensetzung“ der mexikanischen Nation, den Schutz und die Förderung der indigenen Sprachen, Kulturen und Sozialorganisationen. Die brasilianische Verfassung von 1988 schreibt die Anerkennung der indigenen Völker und ihrer ursprünglichen Rechte auf Ländereien fest. Die nicaraguanische Verfassung von 1987 definiert das Land als multiethnisch und garantiert den indianischen Völkern das Recht auf Autonomie sowie auf freie Artikulations-und Organisationsmöglichkeit; den ethnischen Minderheiten wird territoriale und kulturelle Integrität zugestanden. Außerdem werden sie an der Legislative, somit auch an der Formulierung der Minderheitenpolitik beteiligt. Die neue kolumbianische Verfassung von 1991 „schützt die ethnische und kulturelle Diversität der kolumbianischen Nation“, anerkennt die Sprachen und Dialekte der verschiedenen ethnischen Gruppen, schreibt die zweisprachige Schulausbildung in Indianergemeinschaften vor. In Chile arbeitet eine Sonder-kommission an einem Gesetzentwurf, der die kulturelle Verschiedenheit der chilenischen Gesellschaft und den Eigencharakter der indigenen Völker anerkennt. In Paraguay ist, zumindest ansatzweise, nach enormen Auseinandersetzungen die Anerkennung von Landrechten indianischer Gruppen erfolgt In Guatemala wurden 1993 die indianischen Gemeinschaften an der Gestaltung des Schulunterrichts, an der Reform des Bildungssystems und an der Entwicklung neuer Lehrpläne beteiligt. In Bolivien wurde ein Indianer, Victor Hugo Cärdenas, Vizepräsident des Landes. Auf übernationaler Ebene hat die UN-Vollversammlung 1993 zum „Internationalen Jahr der indigenen Völker“ erklärt und damit über Amerika hinausgewiesen.

III. Guatemala: Ein ethnischer Konflikt

Der bisher aufgezeigte Aufschwung des Indianischen in verschiedenen Ländern Lateinamerikas läßt sich -mit allen notwendigen Einschränkungen -am guatemaltekischen Fall besonders gut verdeutlichen. Gemeinsam mit den südamerikanischen Ländern Bolivien, Peru und Ecuador zählt Guatemala zu den wenigen Staaten des Subkontinents, deren einheimische Indianervölker bis zur Gegenwart entweder die Mehrheit der Bevölkerung oder im jeweiligen Land zumindest die größte ethnische Gruppe stellen. Anders aber als in Mexiko, dessen Bevölkerung bereits gegen Ende der Kolonialzeit zu einem Großteil aus Mestizen bestand, behauptete sich im benachbarten Guatemala bis heute ein ethnischer Gegensatz relativ klar umgrenzter Sektoren. Von kultureller Homogenität oder nationaler Identität kann dabei keine Rede sein: Dem Spanischen als Amtssprache stehen 22 offiziell nicht anerkannte indianische Idiome gegenüber, ergänzt um die Sprache der schwarzen Garfuna-Minderheit. Allerdings konzentrieren sich die Volksgruppen mit indigener Muttersprache vor allem in den Hochland-Regionen, während in zwei Dritteln des guatemaltekischen Territoriums das Spanische dominiert; der indianische Anteil wird jedoch für gewöhnlich mit rund 60 Prozent einer Gesamtbevölkerung von derzeit mehr als zehn Millionen angenommen Die Rede vom ethnischen Konflikt bezieht sich hier auf zwei theoretisch klar definierte Gruppen: Indios und Ladinos. Bereits im Verlauf der Kolonialzeit (ab 1524) entstanden jene sozialen Schichten, deren Interessen auch in der Gegenwart hart aufeinanderprallen.

Die große Mehrheit der in Mittelamerika siedelnden Maya-Bevölkerung wurde nach Ankunft der Spanier, sofern sie nicht im Verlauf der Conquista physisch vernichtet wurde, als Indios in das koloniale Gesellschaftssystem eingegliedert: vorwiegend als Bauern und Landarbeiter in der Agrarwirtschaft. Ihnen stand eine kleine Elite spanischer Grundherren gegenüber, die durch Vermittlung der Krone über ausgedehnte Ländereien undindianische Arbeitskräfte verfügte; daneben entwickelte sich eine zahlenmäßig vergleichsweise geringe Mittelschicht (einfache Kronbeamte, Kaufleute, Handwerker etc.), der in Gestalt der Mestizen auch Mischlinge angehörten. Die sozial herausgehobene Schicht der im Lande geborenen Spanier (Criollos) erweiterte sich mit der Zeit um Angehörige dieser Mittelschicht. Das koloniale System brachte somit die im Vergleich zum Indio sozial privilegierte Kategorie des Ladino mit tendenziell heller Hautfarbe hervor. Nach erfolgter staatlicher Unabhängigkeit (1821) erlebte Guatemala erhebliche Umwälzungen in seiner nationalen Ökonomie -die soziale Schichtung einer spät-feudalen Gesellschaft blieb jedoch bis zur Gegenwart erhalten. Großgrundbesitzer bauen landwirtschaftliche Exportprodukte an und vermarkten sie, billige indianische Arbeitskräfte dienen (etwa in der Kaffeewirtschaft) als Plantagenarbeiter Vordergründig beruht das Konfliktpotential der guatemaltekischen Gesellschaft auf einem krassen Gegensatz von Arm und Reich, mit allen sozialen Auswirkungen im geradezu klassischen Fall eines Drittweltlandes. Aufgrund seiner ethnischen Komponente zeigt sich dieser Konflikt jedoch gleichzeitig als kollidierendes Interesse von Indios und Ladinos.

Zum Katalysator einer Indgena-Bewegung wurde in Guatemala, wie generell auf dem Subkontinent, das Kolumbusjahr. Aufgrund seines hohen indianischen Bevölkerungsanteils spielte Guatemala hierbei eine herausragende Rolle. Das Jubiläumsjahr 1992 brachte neben offiziellen Feierlichkeiten auch einen Protestmarsch zahlreicher Maya-Gruppen, vor allem aber die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Quiche-Indianerin Rigoberta Menchü. In einem Staat, der ökonomisch ebenso wie politisch vom Ausland abhängig ist, waren diese Ereignisse von erheblichem Gewicht; sie brachten der Maya-Bewegung neben symbolischer Würdigung und psychologischer Schützenhilfe eine bis dahin ungekannte Bewegungsfreiheit. Dies zeigte sich, als die politische Konjunktur der neunziger Jahre neue Spielräume öffnete.

Durch spektakuläre Verletzungen der Menschenrechte war das Land zuvor zu trauriger Berühmtheit gelangt. Die Bilanz des militärischen Konflik-tes seit Anfang der sechziger Jahre umschreibt man gewöhnlich mit schütteren Daten: schätzungsweise 150 000 Tote durch Bürgerkriegseinwirkung; eine Million Flüchtlinge im Land, weit mehr als 100 000 außerhalb der guatemaltekischen Grenzen; zahlreiche Witwen und Waisen, katastrophale Folgen für die nationale Wirtschaft, insbesondere für Bauern, die ihr Land verloren und fortan zu Niedrigstlöhnen arbeiten mußten Hinter diesen Angaben verbirgt sich eine traumatische Erfahrung, die geeignet war, einen Großteil der Guatemalteken dauerhaft einzuschüchtern -an erster Stelle die zwischen den militärischen Fronten zerriebene ländliche Maya-Bevölkerung.

Die außergewöhnliche, in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre einsetzende Repressionswelle gegen die indianische Bevölkerung vor allem im westlichen Hochland Guatemalas hatte wirtschaftliche und politische Ursachen: „Erstens die zunehmende Organisation der Bauern in Form von Kooperativen, die vor allem von der Katholischen Kirche (, Acciön Catölica‘) gefördert wurde. Zweitens der Strukturwandel der Wirtschaft durch die Einführung des zentralamerikanischen Marktes, der die Bauern zu Investitionen im landwirtschaftlichen Produktionsbereich und im Kleinhandel motivierte, was sie unabhängiger von der Lohnarbeit auf den Plantagen machte. Drittens die internationale Wirtschaftskrise Mitte der siebziger Jahre, die in Guatemala die Verteilungskämpfe zu Lasten der Indios verschärfte. Viertens das Erdbeben von 1976, das internationale Hilfsorganisationen auf den Plan rief, welche die indianischen Gemeinden teils direkt mit Hilfsgütern und Geldern unterstützten, teils über staatsunabhängige Projekte alternative Einkommensmöglichkeiten schufen. Fünftens die revolutionären Vorgänge in Nicaragua und El Salvador, die auch in Guatemala zu einer Verstärkung der Guerrilla führten, durch welche das Machtmonopol der herrschenden Eliten gefährdet wurde.“ Carol A. Smith verweist darauf, daß die repressive Politik jener Jahre durch rigorose Umsiedlungen auf die Zerschlagung der Indiogemeinschaften und -kulturen abzielte

Im Gefolge der zentralamerikanischen Friedens-vereinbarungen von Esquipulas fanden seit 1990 regelmäßige Konsultationen zwischen Regierung und Guerilla im norwegischen Oslo, später in Mexiko statt, die allerdings zunächst im Sande verliefen. Überraschenderweise kam es jedoch unter Präsident Ramiro de Leon im Januar 1994 zur Unterzeichnung eines Rahmenabkommens zwischen dem Guerilla-Dachverband Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca (URNG) und einer Regierungsdelegation. Der Anfang 1994 ausgehandelte Verhandlungsrahmen sah eine fortlaufende Diskussion soziopolitischer Schlüsselthemen vor, ohne daß deshalb zwischen Regierung und Guerilla ein Waffenstillstand vereinbart wurde. Auf diesem Wege erzielte Übereinkünfte sollten binnen Jahresfrist zu einem verbindlichen Friedensvertrag führen Nachdem ein Menschenrechtsabkommen sowie Vereinbarungen über eine Rückführung guatemaltekischer Flüchtlinge aus Mexiko zügig unter Dach und Fach kamen, verzögerte sich die Behandlung weiterer Diskussionspunkte drastisch: Über Inhalte des entscheidenden Kapitels Identität und Rechte der Indigena-Bevölkerungwurde man sich erst mit rund zehnmonatiger Verspätung Ende März 1995 einig; und dies gelang nur, weil das brisante Thema Agrarreform für ein gesondertes sozioökonomisches Abkommen ausgespart blieb, das schließlich bei seiner Verabschiedung im Mai 1996 hinter zahlreichen Erwartungen zurückblieb. Den Wortlaut dieser Teilabkommen eines globalen Friedensvertrages, der schließlich bis Ende 1996 unterzeichnet werden soll, konnten Maya-Organisationen nur indirekt beeinflussen. Dennoch brachte der damit einhergehende öffentliche Diskussionsprozeß für Guatemala einen beachtlichen Fortschritt in der ethnischen Frage.

IV. Die Maya-Bewegung

Ab Mitte der siebziger Jahre wurde die militärische Aktivität der Guerilla zunehmend vom zivilem Widerstand der Gewerkschafts-und Bauern-organisationen flankiert (u. a. Comite de Unidad Campesina, CUC); somit bildete sich eine regime-kritische Opposition, die bis in die jüngste Vergangenheit erheblichen staatlichen Repressionen ausgesetzt war. Im Umfeld formaldemokratischer Verhältnisse ab Mitte der achtziger Jahre machten ferner Gruppen von sich reden, die angesichts staatlicher Übergriffe die Einhaltung der Menschenrechte reklamierten und durch ihre Öffentlichkeitsarbeit auch bei Solidaritätsgruppen in Europa ein breites Echo erzielten (u. a. Grupo de Apoyo Mutuo, GAM, und Coordinadora Nacional de Viudas de Guatemala, CONAVIGUA) Aufgrund einer vorherrschend systemkritischen Perspektive verstand (und versteht) sich dieser Volks-widerstand allerdings nicht als ethnische Bewegung. Die Anliegen der indigenen Bevölkerungsgruppen sind hier in den Kontext des guatemaltekischen Klassenkampfes eingeordnet: Der Volkswiderstand will den Maya als Proletarier

Demgegenüber fand ein spezifisch ethnisches Bewußtsein erst vergleichsweise spät zu politischer Artikulation. Mit Beginn der neunziger Jahre traten kurz zuvor entstandene Maya-Gruppierungen auf den Plan, die das soziale Panorama unter dem Blickwinkel eines ethnischen Konfliktes interpretierten Zahlreiche Verlautbarungen dieser Bewegung summierten sich zu einem politischen Diskurs, der sich von den Argumentationslinien des Volkswiderstandes vornehmlich in der Perspektive unterscheidet:

Trotz jahrhundertelanger europäischer Dominanz hat Guatemala demnach nie aufgehört, eine multinationale Gesellschaft zu sein. Heute stehen sich zwei Nationen gegenüber, die gleichzeitig soziale Klassen bilden: einerseits die Maya als Nachkommen der ehemaligen Landesherren, andererseits die aus den Nachfolgern der Eroberer hervorgegangenen Ladinos. Daraus ergibt sich ein Interessengegensatz von Bevölkerungsgruppen mit extrem unterschiedlicher Verteilung sozialer Privilegien. Die gesellschaftliche Unterdrückung durch internen Kolonialismus dauert fort und hat Auswirkungen in allen Bereichen des sozialen Lebens. Die Wurzel der Ungerechtigkeit ist aus dieser Sicht jedoch die Dominanz einer Ethnie -konkret der Ladinos, die sich der staatlichen Institutionen bedienen, um die Maya gefügig zu halten.

Die in diesem Zusammenhang vorherrschende Argumentation ist völkerrechtlicher Natur, wenn etwa häufig auf die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 1989 Bezug genommen wird, die zahlreiche Forderungen zum Schutz einheimischer Ethnien aufstellt. Auf dem amerikanischen Kontinent fand die Konvention allerdings geteilte Aufnahme, denn die dort formulierten Kriterien zugunsten der Einwohner traditioneller Stammesterritorien stellten bei rigoroser Umsetzung selbst die Vereinigten Staaten vor erhebliche Probleme. Dennoch brachte die Ratifizierung in einem Land wie Kolumbien eine rechtliche Besserstellung der indianischen Randgruppen, obgleich vor allem der zugestandene Territorial-schutz in vielen Ländern nach wie vor unterlaufen wird. Die Ausbeutung von Bodenschätzen und die massive Abholzung großer Waldgebiete bedeuten -trotz aller Schutzbestimmungen -für die indianische Tieflandbevölkerung in Südamerika einen permanenten Überlebenskampf.

Länder mit starker indigener Präsenz -Bolivien und Peru -haben die Konvention 169 bereits Anfang der neunziger Jahre anerkannt und ihre Bestimmungen teilweise in die nationale Gesetzgebung übertragen. In Guatemala erfolgte die entsprechende Ratifizierung allerdings erst im Juni 1996 als Ergebnis hartnäckiger Bemühungen einer zu diesem Ziel eingerichteten Maya-Kommission. Durch eine vom Nationalkongreß verfügte Beschränkung auf die Inhalte der Verfassung von 1985 werden jedoch vor allem die Bestimmungen bezüglich territorialer Selbstverwaltung wirkungslos. Die Maya-Bewegung hatte bereits zuvor in diversen Deklarationen ihren Rechtsanspruch gegenüber dem Nationalstaat formuliert und bediente sich dabei eines Diskurses, der sich aus Völker-und bürgerrechtlichen Argumenten zusammensetzt. Einerseits wird die Berechtigung einer autonomen Selbstbestimmung des Maya-Volkes postuliert, die jedoch gegenwärtig durch sozioökonomische Bedingungen eines internen Kolonialismus behindert sei; dieser Aspekt erklärt die Notwendigkeit eines ethnischen Kollektivbewußtseins unter der Maya-Bevölkerung als Voraussetzung politischer Argumentation. Andererseits verweist die Maya-Bewegung auf die numerische Bedeutung der von ihr vertretenen Bevölkerungsgruppe innerhalb eines demokratisch verfaßten Staates und reklamiert eine entsprechende Repräsentanz auf allen institutionellen Ebenen. Beide Argumentationslinien fanden ihren Niederschlag in den Formulierungen des Friedensabkommens von 1995.

Die neue Perspektive will den systemkritischen Diskurs nicht ersetzen, wohl aber akzentuieren. Sie konzentriert sich auf die ethnische Identität unterdrückter Bevölkerungsgruppen und hat sich mittlerweile so weit durchgesetzt, daß man mit gutem Recht von einem allgemeinen Wechsel des politischen Paradigmas innerhalb der guatemaltekischen Oppositionsgruppen sprechen kann. Selbst die Guerilla (URNG), die in ihren Führungskadern keinen einzigen Maya aufweisen kann, bedient sich bei den Friedensverhandlungen einer zunehmend ethnisch bestimmten Argumentation.

In ihrer Einschätzung der sozialen Realität zeigen Volkswiderstand und Maya-Bewegung wenig Differenzen, zumal beide Strömungen teilweise in Personalunion auftreten. Im Unterschied zum Volkswiderstand der achtziger Jahre verharren die ethnisch definierten Gruppen jedoch nicht in Opposition zu einem repressiv agierenden Staatsapparat, sondern haben -wie mittlerweile auch die Volksbewegung und Teile der Guerilla -den Marsch durch die Institutionen des guatemaltekischen Systems angetreten. Prominentes Beispiel dieser Entwicklung ist die Wandlung Rigoberta Menchüs von einer extrem regimekritischen Funktionärin der Bauernbewegung zur Galionsfigur einer nationalen Maya-Politik.

V. Die Maya machen mobil

Erste und bisher einzige staatlich anerkannte Maya-Organisation ist die Academia de Lenguas Mayas (ALMG). Erstmals in der guatemaltekischen Geschichte widmet sich hier eine zumindest teilweise von der öffentlichen Hand finanzierte Forschungseinrichtung dem unübersichtlichen Sprachendschungel aus 20 Ethnien, die durch Abordnungen personell am Sitz der Akademie in Guatemala-Stadt vertreten sind. Neben ihrer Weisungskompetenz in linguistischen Fragen beansprucht die ALMG jedoch bereits seit ihrer Gründung (1990) ein politisches Votum für soziokulturelle Belange der Maya-Bevölkerung. Damit steht sie in einer Reihe mit zahlreichen Aktionsgruppen im Bereich der Alphabetisierung, Erwachsenenbildung und Entwicklungsarbeit, die aus intellektuellen Maya-Sektoren hervorgegangen sind und sich Ende der achtziger Jahre zu formieren begannen. Der Dokumentation und empirischen Forschung widmeten sich zu diesem Zeitpunkt bereits diverse kleinere Zentren; insgesamt 15 dieser Nichtregierungsorganisationen fanden sich schließlich 1990 zur gemeinsamen Koordination zusammen (Consejo de Organizaciones Mayas de Guatemala, COMG). Daneben entstanden im Umkreis des Volkswiderstandes neue Gruppierungen, die sich einer ethnischen Dimension des politischen Konfliktes verschrieben und neben sozialen auch soziokulturelle Anliegen verfolgen (u. a. Majawil Q'ij, 1990); katalysierend wirkte hier die kritische Vorbereitung des Kolum- busjahres im Umfeld der kontinentalen Bewegung 500 Jahre Widerstand. Hinzu kamen zahlreiche Selbsthilfegruppen in Gestalt von Produktionsund Vermarktungskooperativen, Schulkollektiven, Gesundheitsprojekten etc. vor allem in ländlichen Regionen des Hochlandes. Ungesicherten Schätzungen zufolge hat die Gesamtzahl von Maya-Initiativen unterschiedlichster Ausrichtung mittlerweile die Tausendergrenze überschritten; über 300 Kollektive sind von einem zentralen Register in Guatemala-Stadt erfaßt. Sämtliche Gruppen sind von Indigenas der verschiedenen Ethnien initiiert und getragen, nicht wenige erheben neben ihrem spezifischen Engagement Anspruch auf ein politisches Mandat.

Wegen ihrer Aufsplitterung in zahllose Kleingruppen und Komitees, Gewerkschaften, Kooperativen und Institute bietet die Maya-Bewegung jedoch bis heute ein ausgesprochen heterogenes Bild; gemeinsamer Nenner ist lediglich das ethnische Zugehörigkeitsgefühl. Zwischen Jahresmitte 1993 und 1995 zeigte diese Szene durch wechselnde Koalitionen und Neugründungen diverser Dachorganisationen eine verwirrende Vielfalt Innerhalb eines kurzen Zeitraumes von rund zwei Jahren erlebte die Maya-Bewegung eine rasante Konjunktur und fand im Verlauf einer permanenten Diskussion über Ziele und Strategien zu vorläufigem Profil. Als organisatorische Struktur zeichnete sich schließlich mit COPMAGUA (Coordinacion de Organizaciones del Pueblo Maya de Guatemala) ein lockerer Dachverband ab; innerhalb dieses Gremiums sind seit Mitte 1995 neben ALMG und COMG aus dem ethnischen Umfeld drei weitere Dachorganisationen vertreten, die aus der Tradition des Volkswiderstandes bzw.der Bauernbewegung hervorgegangen sind und sozusagen deren ethnischen Flügel darstellen; insgesamt sind hier mehr als 100 Basisorganisationen zusammengeschlossen. Der entscheidende Anstoß für eine gemeinsame Strategiesuche dieser unterschiedlichen Maya-Fraktionen liegt jedoch im fortschreitenden Friedensdialog der militärisch aktiven Konfliktparteien.

VI. Wege zum Frieden

Das im Rahmen der Friedensverhandlungen im März 1995 verabschiedete Grundsatzabkommen über Identität und Rechte der indigenen Bevölkerung geht in großen Teilen auf einen Formulierungsvorschlag der COPMAGUA zurück. Zahlreiche Bestimmungen der gegenwärtigen Verfassung werden demzufolge ungültig oder müssen modifiziert werden. Die ethnische Frage wird zum Motor einer administrativen Umgestaltung des Zentral-staates, der künftig den Maya-Völkern neben kultureller Autonomie auch regionale Selbstverwaltung einräumen muß. Die dabei vorherrschende Perspektive ist völkerrechtlicher Natur und führt vor allem im Bereich der Kultur-und Sozialpolitik zu weitreichenden Konsequenzen: Neben verfassungsmäßiger Anerkennung und „Offizialisierung“ der Maya-Sprachen wird etwa die institutioneile Beteiligung der Indigenas auf allen Ebenen von Politik und Verwaltung gefordert; ferner geht es um weitgehende Schutzbestimmungen für ethnische Traditionen und für Brauchtum bis hin zur Beachtung des traditionellen Gewohnheitsrechtes (derecho consuetudinario) im Justizwesen und zur Einführung von Elementen der Maya-Kultur in die Lehrpläne des Schulsystems. Nähere Ausführungsbestimmungen sollen von Kommissionen erarbeitet werden, die von Regierungs-und Maya-Vertretern paritätisch zu besetzen sind.

Freilich hat dieses unter zähem Ringen entstandene Dokument bisher lediglich den Stellenwert einer Absichtserklärung, deren Realisierung erhebliche Konflikte mit sich bringt; verändert wird damit nicht die soziale Realität, wohl aber ihre rechtliche Konstruktion. Erstmalig in der guatemaltekischen Geschichte erfahren die ethnischen Rechte der Maya eine offizielle Anerkennung, auf die jede weitere gesetzliche Regelung Bezug nehmen muß: Die guatemaltekische Realität ist damit auch in regierungsamtlicher Sprachregelung als multiethnisch, plurikulturell und multilingualausgewiesen. Begleitet sind diese Achtungserfolge von einer deutlichen Renaissance des kulturellen Selbstbewußtseins: Religiöse Riten werden wiederbelebt, Maya-Priester treten an die Öffentlichkeit und erheben Anspruch auf Nutzung der vom Tourismus okkupierten traditionellen Kultzentren; derartige Forderungen der ethnischen Selbstbehauptung sind durch die Formulierungen des Friedensvertrages abgedeckt. Daneben findet in den Kolumnen der Tagespresse eine polemisch geführte Debatte über künftige Mehrsprachigkeit und generelle Dezentralisierung des staatlichen Systems statt. Was im Verlauf eines 35jährigen Bürgerkriegs am Widerstand von Militär und Oligarchie scheiterte, gelingt jetzt unter internationalem Druck im Rahmen eines formaldemokratischen Systems: die rechtliche Gleichstellung der Bevölkerungsmehrheit.

Der ethnische Konflikt ist damit jedoch keineswegs beigelegt, sondern nur klarer akzentuiert; eine gesellschaftliche Versöhnung kann nur statt-finden, wenn die Ursachen sozialer Ungerechtigkeit innerhalb der guatemaltekischen Gesellschaft schrittweise beseitigt werden. Als größtes Hindernis erweist sich die ungelöste Agrarfrage: 65 Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Territoriums gehören zwei Prozent der Agrarbetriebe Ein staatlich vorgeschriebener, aber zumeist unterlaufener Mindestlohn von derzeit 16 Quetzal (ca. 4 DM) pro Tag reicht nicht einmal für die bescheidenste Subsistenz in ländlichen Regionen. Eine parlamentarische Szenerie, deren Politiker bisher als Erfüllungsgehilfen wirtschaftlich dominanter Schichten auftraten, bietet jedoch wenig Spielraum für die Durchsetzung soziopolitischer Forderungen. Innerhalb staatlicher Institutionen haben die Maya bis heute keine Lobby.

VII. Das politische Votum der Maya

Bis Mitte der achtziger Jahre war eine Beteiligung der indianischen Bevölkerungsmehrheit am politischen System praktisch nicht existent. In einem Land, dessen Bevölkerung zur Hälfte als analphabetisch gilt und nur zu Zweidrittel ins offizielle Wahlregister eingetragen ist, steht die Wahrnehmung des politischen Votums jedoch auch unter demokratischen Verhältnissen vor erheblichen Problemen. Eine hohe Wahlenthaltung ist an der Tagesordnung, und der Nationalkongreß wie die Regierungen können nur schwache demokratische Legitimation vorweisen. Diese Verhältnisse spiegeln sich in der Zusammensetzung eines Kongresses, der in der Vergangenheit durch begründeten Korruptionsverdacht immer wieder diskreditiert wurde. Der Anteil von Parlamentariern mit indianischer Muttersprache, die über die Listen politischer Parteien in den Kongreß gelangten, betrug nach den ersten demokratischen Wahlen von 1985 insgesamt acht (von 115) und sank kontinuierlich auf zwei (von 80) im Jahre 1994. Dabei handelte es sich in der Regel um Vorzeige-Parlamentarier, die Gesetzentwürfe zur rechtlichen Besserstellung der Maya-Ethnien teilweise sogar blockierten Unter dem Eindruck des fortschreitenden Friedensprozesses riefen im Jahresverlauf 1995 zahlreiche Gruppen -unter Einschluß des Guerilla-Dachverbandes URNG -zur Wahlbeteiligung auf, die eine Mitwirkung am parteipolitischen Geschehen des Systems bis dahin entrüstet von sich gewiesen hatten. Eine von Rigoberta Menchü ins Leben gerufene Stiftung bemüht sich um politische Partizipation der Maya durch Bewußtseinsbildung in ländlichen Regionen. Im Vorfeld des für November 1995 angesetzten Wahltermins formierten sich sodann zur Jahresmitte innerhalb der Maya-Bewegung zwei Gruppierungen mit ähnlichen Zielen, aber unterschiedlicher Strategie:

K’amal B’e und N’ukuj Ajpop; erstere ging aus akademischen Maya-Kreisen hervor, die Bewußtseinsbildung im Blick auf kommende Wahltermine stark betonten, für das Jahr 1995 jedoch von einer Kandidatur Abstand nahmen; N’ukuj Ajpop suchte das politische Mandat. Maya-Führer aus dem Umfeld des Volkswiderstandes bildeten als Privatpersonen einen lockeren Zusammenschluß und kandidierten über die Liste der Demokratischen Front Neues Guatemala (FDNG), die einen Maya-Vertreter als Vizepräsidenten nominierte.

Der überraschende Achtungserfolg dieser Partei (7, 7 Prozent der Wählerstimmen) etablierte den FDNG als drittstärkste parteipolitische Kraft und brachte mit insgesamt sechs Abgeordneten auch zwei Indi'gena-Frauen ins Parlament.

Die Gründung einer Maya-Partei mit eigenständiger Breitenwirkung wurde im Vorfeld der zurückliegenden Kongreßwahlen nicht angestrebt, jedoch beispielsweise in Erklärungen von Rigoberta Menchü für einen späteren Termin nicht ausgeschlossen; gleichzeitig stellte die Nobelpreisträgerin politischen Realismus unter Beweis, indem sie den späteren Gewinner und heutigen Staatspräsidenten Alvaro Arzu Irigoyen {Partido dc Avanzada Nacional, PAN) als kleineres Übel vor Alfonso Portillo (Frente Republicano Guatemalteco, FRG) einstufte, der als Strohmann für den ehemaligen Diktator Efram Ri'os Montt kandidierte. Der weiterhin von Rios Montt dominierte FRG band jedoch, auf dem Land das größte Wählerpotential und erfreute sich dabei eines lebhaften Zuspruchs der Maya-Bevölkerung. Hier zeigten sich sowohl kurzes Gedächtnis der seinerzeit unter dem Regime des Generals (1982/83) gepeinigten Land-bevölkerung als auch ungünstige Aussichten für eine sozialkritische Maya-Partei, die eben dieses ländliche Wählerpotential künftig mobilisieren müßte.

Der entscheidende Faktor für eine politische Beteiligung der Maya im Rahmen des guatemaltekischen Staates liegt in der Breitenwirkung des ethnischen Aufbruchs unter der indigenen Bevölkerung. Trotz einer Vielzahl organisatorischer Zusammenschlüsse auf allen Ebenen kann jedoch gegenwärtig von flächendeckender Wirkung nicht die Rede sein: In bezug auf statistische Daten über ihre Mitgliederbasis hüllen sich die Organisationen zumeist in Schweigen, und auch gutinformierte Beobachter wagen keine Einschätzung einer tatsächlichen Par-tizipation der Maya-Bevölkerung. Ferner besteht die Gefahr, daß der Wechsel des politischen Paradigmas vom Volkswiderstand zur Maya-Bewegung die berechtigten Interessen anderer sozial benachteiligter Schichten aus dem Auge verliert: Auch die Mehrheit der Ladino-Bevölkerung lebt nach wie vor in relativer Armut.

VIII. Ausblick: Ein Aufschwung mit ungewissem Ausgang

Die vorhergehenden Ausführungen haben deutlich gemacht, daß in Lateinamerika von einer Renaissance des Indianischen gesprochen werden kann. Längst vorbei sind die (gar nicht so lange zurückliegenden) Zeiten, in denen Alain Touraine noch davon sprechen konnte, daß die indigenen Gemeinschaften zwar zu lokalen Aufständen, nicht jedoch zu einer Bewegung nationalen Ausmaßes fähig seien Andererseits dürfen die hier vorgestellten „Erfolge“ der verschiedenen indigenen Bewegungen nicht zu der irrigen Annahme verleiten, als handle es sich bei dem bisher Erreichten um epochemachende, irreversible Fortschritte im Kampf um kulturelle und wirtschaftliche Selbstbehauptung. Viele „Erfolge“ gibt es nur auf dem Papier, die Betrachtung der sozialen Realität wirkt zumeist ernüchternd. Dies gilt auch und insbesondere für den Fall Guatemala. Kaum eine der vielversprechenden Absichtserklärungen ist bisher in die Tat umgesetzt worden. Wie soll auch eine multikulturelle und pluriethnische Gesellschaft aufgebaut werden, wo 500 Jahre lang Ethnozentrismus und Rassismus an der Tagesordnung waren? Wie soll ein Zusammenleben in Toleranz und Respekt aussehen, wo über diesen langen Zeitraum Ungleichheit und Verachtung vorherrschten? Wie soll die indigene Forderung nach gleichberechtigtem Zugang zur Modernität bei gleichzeitigem Festhalten an ethnischer Identität und historischer Kontinuität realisiert werden? Und: Wie soll das Zusammenleben verschiedener Ethnien in einem als „national“ bezeichneten Staat angesichts der neuerdings wieder verschärft auftretenden interkulturellen Verständigungs-und Akzeptanzprobleme aussehen?

Die Fragen müssen offenbleiben; sie lassen eine Bestandsaufnahme der Renaissance indianischer Kulturen in Lateinamerika allerdings ambivalent erscheinen und stimmen für die Zukunft eher skeptisch.

Zu den größten Feinden aller Bestrebungen zur Erreichung kultureller Gleichberechtigung, zum Schutz der Umwelt und der natürlichen Lebens-welt der Indianer gehört die extreme Armut großer Teile der Bevölkerung und die prekäre ökonomische Situation vieler lateinamerikanischer Länder. Letztere könnte dazu führen, daß -trotz aller Konventionen und Deklarationen, unbeschadet auch des zunehmenden Umweltbewußtseins und des möglicherweise sogar vorhandenen politischen Willens zur Umsetzung erforderlicher Maßnahmen -der Schutz der Lebenswelt der Betroffenen zugunsten anderer prioritärer Wirtschaftsziele zurückstehen muß; damit schreitet aber zugleich der Zerstörungsprozeß indianischer Kulturen weiter voran. Nicht nur die Regierungen und Gesellschaften Lateinamerikas sind aufgefordert, diesem Prozeß Einhalt zu gebieten; auch wir Europäer sind, in Anbetracht des Zusammenhangs zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Überlebensfähigkeit autochthoner Kulturen, aufgerufen, durch öffentliches Eintreten für die Sache der indigenen Völker unseren Beitrag zur Erhaltung der indianischen Kulturen zu leisten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zum Chiapas-Aufstand liegt inzwischen viel Literatur vor. Vgl. die von der „Universidad Nacional Autdnoma de Mxico“ herausgegebene Zeitschrift „Chiapas“, Mexico 1995/96 (bisher zwei Nummern); G. Collier, Basta! Land and the Zapatista Rebellion in Chiapas, Oakland 1994; Andreas Wimmer, erneute der Gehenkten: Chiapas Rebellion 1994, in: 1999, 10 (1995) 3, S. 59-68; ders., Transformationen symbolischer Praxis. Ein Modell des sozialen Wandels im indianischen Mittelamerika, Berlin 1995; ders., Ethnischer Radikalismus als Gegennationalismus. Indianische Bewegungen sechsten Jahrhundert im nach Kolumbus, in: Peter R. Gerber (Hrsg.), 500 Jahre danach. Zur heutigen Lage der indigenen Völker beider Amerika, Chur 1993, S. 127-149.

  2. Peter Waldmann, Einleitung, in: Ibero-Amerikanisches Archiv, 19 (1993) 3-4, S. 206. Vgl. auch zur Diskussion über indigene Identitäten Les W. Field, Who are the Indians? Reconceptualizing Indigenous Identity, Resistance, and the Role of Social Science in Latin America, in: Latin American Research Review, 29 (1994) 3, S. 237-248.

  3. Vgl. Mark Münzel, Traditionsbruch als Tradition. Indianisches in der indianischen ethnischen Bewegung Brasiliens, in: Ibero-Amerikanisches Archiv, 19 (1993) 3-4, S. 243-270. Zur heutigen Situation der Indianer in Brasilien vgl, Sabine August, Die Indianer im Spiegel der brasilianischen Gesellschaft, Frankfurt am Main 1995.

  4. Vgl. Volkmar Blum, Indianerbewegungen in Südamerika: Totengräber der mestizischen Nation?, in: Ibero-Amerikanisches Archiv, 19 (1993) 3-4, S. 213-242.

  5. Vgl. Juliana Ströbele-Gregor, Vom indio zum mestizo ... zum indio, in: Die Wilden und die Barbarei, Münster 1992 (= Lateinamerika-Analysen und Berichte, 6), S. 95-112.

  6. Zit. in: Informationsstelle Guatemala (Hrsg.), Guatemala, Bonn 1992, S. 13.

  7. Zit. in: Gregor Selser, Amerika: Entdeckung, Begegnung, Erfindung, Zufallsfund? Nominalistische Querele? in: Heinz Dieterich (Hrsg.), Die Neuentdeckung Amerikas, Göttingen 1990, S. 191.

  8. Mapuches en embajada espanola, in: El Pals vom 30. 9. 1989, S. 2.

  9. Zur kolumbianischen Indgena-Bewegung vgl. Entdekkung oder Invasion? 500 Jahre Amerika aus der Sicht der „Entdeckten“, Nürtingen 1989 (= Kolumbien-Rundbrief 16. 5. 1989).

  10. Erklärung von Quito, in: Incomindios, Nr. 60 vom März 1991, S. 15.

  11. Vgl. Angela P. Tolosa, Indianismus oder Klassenkampf?, in: ila, Nr. 138 vom September 1990, S. 21-23.

  12. Es ist auch der Verdacht geäußert worden, daß die Spaltung und Isolierung der Gegenbewegungen in „indianische Puristen“, die in einem exklusiven Kampf nur „indigene" Forderungen stellen, und „Volksbewegungsbefürworter“ einer gezielten Strategie entspreche. Unabhängig davon hat der von galicischen Eltern abstammende Fidel Castro deutlich gemacht, daß die argumentativen Trennlinien nicht entlang der Hautfarbe oder Rasse verlaufen, sondern daß es um das alte und stets aktuelle Problem von Dependenz und Unter-entwicklung geht, als er feststellte: „Ich fühle mich als Indio, ich gehöre zu den Indianern, ich fühle mich als Ureinwohner.“ Fidel Castro califica de „infausto“ el 12 de octubre, in: El Pafs vom 21. 7. 1985, S. 12.

  13. Vgl. Renate Domnick, Ureinwohner, Privateigentum der Nationalstaaten?, in: Incomindios, Nr. 60 vom März 1991, S. 24-26.

  14. Vgl. die „Declaraciön de Guadalajara“, in: El Pais vom 21. 7. 1991, S. 2.

  15. Zum folgenden vgl. „Unsere Zukunft ist euere Zukunft.“ Indianer heute. Eine Bestandsaufnahme der Gesellschaft für bedrohte Völker, Hamburg 1992, S. 9-21.

  16. Angela Mendoza, Das Verhältnis der modernen Staaten Lateinamerikas zu ethnischen Minderheiten, in: Bernhard Mensen (Hrsg.), Fünfhundert Jahre Lateinamerika, Nettetal 1989, S. 62.

  17. Vgl. Jos Matos Mar, Estado, pueblos indfgenas e indigenismo en Amrica Latina, MS (ADLAF-Tagung), 1992.

  18. Vgl, Hans-Rudolf Wicker, Tekoha -Der , Ort des Seins'oder die Rekonstruktion einer indianischen Gemeinschaft im Nordosten Paraguays, in: Gerhard Baer u. a. (Hrsg.), Die Neue Welt 1492-1992. Indianer zwischen Unterdrückung und Widerstand, Basel 1992, S. 119-130.

  19. Vgl. Leopoldo Tzian, Mayas y Ladinos en Cifras. El caso de Guatemala, Guatemala 1994.

  20. Zur Herausbildung dieser bis heute nachwirkenden Wirtschafts-und Arbeitsstrukturen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. Julio Castellanos Cambranes, Coffee and Peasants in Guatemala, 1853-1897, Vermont 1985 (mit umfangreicher Quellendokumentation). Zur ökonomischen Bedeutung der Dichotomie indianische Arbeitskraft -ladinischer Großgrundbesitzer vgl. auch George W. Lovell, Surviving Conquest: The Maya of Guatemala in Historical Perspective, in: Latin American Research Review, 23 (1988) 2, S. 25-58.

  21. Vgl. Susanne Jonas, La batalla por Guatemala, Caracas 1994, S. 165.

  22. Michael Pieper, Interethnische Beziehungen und Ethnizitätsdiskurs in Zentralamerika: Literaturüberblick und kommentierte Bibliographie, in: Ibero-Amerikanisches Archiv, 19 (1993) 3-4, S. 373 f.

  23. Vgl. Carol A. Smith, The Militarization of Civil Society in Guatemala, in: Latin American Perspectives, 17 (1990) 4, S. 8-41; vgl. auch Arturo Arias, Kulturpolitik in Guatemala zwischen „Counterinsurgency“ und Demokratie, in: Lateinamerika (Hamburg, Institut für Iberoamerikakunde), 14 (1990), S. 39-51.

  24. Vgl. Fundaciön Friedrich Ebert, Acuerdos suscritos entre el Gobiemo y la URNG, Guatemala 1995 (Dokumentensammlung).

  25. Zur Eskalation des sozialen Konfliktes im Laufe der siebziger und achtziger Jahre vgl. Albert Stern, Guatemala. Lautloser Aufstand im Land der Maya. Interviews, Analysen, Reportagen, Köln 1994.

  26. Diese Charakterisierung geht auf den Maya-Publizisten Demetrio Cojtf Cuxil zurück, der die ethnische Diskussion der zurückliegenden Jahre maßgeblich beeinflußt hat. Vgl. Demetrio Cojtf Cuxil, Configuraciön del Pensamiento Politico del Pueblo Maya, Quetzaltenango 1993; ders., Polfticas para la Reivindicaciön de los Mayas de hoy, Guatemala 1994; ders., Configuraciön del Pensamiento Politico del Pueblo Maya. 2a. Parte, Guatemala 1996.

  27. Zu diesem Zeitraum vgl. Santiago Bastos/Manuela Camus, Quebrando el silencio. Organizaciones del Pueblo Maya y sus Demandas (1986-1992), Guatemala 1993.

  28. Vgl. Santiago Bastos/Manuela Camus, Abriendo Caminos. Las organizaciones mayas desde el Nobel hasta el Acuerdo de derechos indigenas, Guatemala 1995.

  29. Vgl. S. Jonas (Anm. 21), S. 192.

  30. Vgl. Marco Antonio de Paz, Pueblo Maya y Democracia, Guatemala 1993.

  31. Vgl. Alain Touraine, Sociedad y polftica en America Latina, Madrid 1989, S. 212.

  32. Vgl. Fridolin Birk, Semimoderne. Zur heutigen Interpretation indianischer comunidades im Hochland Guatemalas, in: ders. (Hrsg.), Guatemala. Ende ohne Aufbruch, Aufbruch ohne Ende? Aktuelle Beiträge zu Gesellschaftspolitik, Wirtschaft und Kultur, Frankfurt a. M. 1995, S. 145-160.

Weitere Inhalte

Raimund Allebrand, geb. 1955; Rundfunkjournalist in Bonn; Tätigkeiten in Hochschule, Erwachsenenbildung und Publizistik. Veröffentlichungen u. a.: Die Erben der Maya. Die indianische Bevölkerung Guatemalas gestern und heute, Bad Honnef 1997; zahlreiche Hörfunksendungen und Presseartikel zu Politik und Kultur im spanischen Sprachraum. Walther L. Bernecker, Dr. phil., geb. 1947; 1988-1992 Professor für Allgemeine Neue Geschichte an der Universität Bern; seit 1992 Inhaber des Lehrstuhls Auslandswissenschaft an der Universität Erlangen -Nürnberg. Veröffentlichungen u. a.: Die Handelskonquistadoren. Europäische Interessen und mexikanischer Staat im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1988; Krieg in Spanien 1936-1939, Darmstadt 1991; (Hrsg. zus. mit Hans-Werner Tobler) Lateinamerika im 20. Jahrhundert (Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, Bd. 3), Stuttgart 1996.