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Mit dem Kapitalismus den Sozialismus retten? Zur Reichweite der Reformbestrebungen in Kuba | APuZ 48-49/1996 | bpb.de

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APuZ 48-49/1996 Europa und Zentralamerika: 12 Jahre San-Jose-Dialog Lateinamerika und Asien: Ein neues Beziehungsmuster in der internationalen Politik Zwischen Widerstand und ethnischem Aufbruch Indianische Renaissance in Lateinamerika Mit dem Kapitalismus den Sozialismus retten? Zur Reichweite der Reformbestrebungen in Kuba Verteilungskonflikte und Interessengruppen in Lateinamerika Eine politisch-ökonomische Analyse des „Rent-Seeking" Artikel 1

Mit dem Kapitalismus den Sozialismus retten? Zur Reichweite der Reformbestrebungen in Kuba

Günther Maihold

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und seiner internationalen Wirtschaftsbeziehungen sahen viele Beobachter das Ende der kubanischen Revolution als besiegelt an. Trotz massiver wirtschaftlicher Einbußen hat Kuba einen bedächtigen und von vielen Vorbehalten getragenen Weg der Wirtschaftsreformen eingeleitet. Zunächst wurde der Schwerpunkt auf eine Stabilisierung der Außenwirtschaft gelegt. Die Werbung für ausländische Direktinvestitionen sowie die Legalisierung des Dollarbesitzes waren wichtige Schritte, um den Zufluß von Devisen sicherzustellen. Binnenwirtschaftlich wurde durch die Einrichtung von Bauern-und Handwerkermärkten ein Ventil angesichts tiefgreifender Versorgungsengpässe geschaffen. Die Haushaltskonsolidierung und die Umwandlung staatlicher Großbetriebe in landwirtschaftliche Kooperativen ergänzten die ersten Maßnahmen zur Strukturanpassung. Eine weitreichende Dualisierung der Wirtschaft und Bevölkerung bezüglich des Zugangs zu US-Dollars war die Folge. Die ordnungspolitischen Reformansätze stecken demgegenüber noch in den Anfängen. Aufgrund der Intensivierung der Auseinandersetzung mit den USA um das Gesetz Helms-Burton sowie interner Spannungen ist nach der erfolgreichen wirtschaftlichen Stabilisierung eine gewisse Stagnation des Reformprozesses feststellbar. Die Restrukturierung der Staatsbetriebe ist die nächste große Herausforderung. Die Tiefe und die Tragfähigkeit der bisherigen Reformen wird sich an diesem kritischen Punkt für das kubanische Modell eines marktwirtschaftlichen Sozialismus erweisen.

I. Einleitung

37 Jahre nach der Revolution scheint Kuba auf einen Wendepunkt in seiner wirtschaftlichen und politischen Entwicklung zuzusteuern. Die doppelte Identität des Landes, einerseits lateinamerikanischen Politikmodellen einer Caudillo-Herrschaft nahezukommen und andererseits dem „sozialistischen Lager“ unter der Kontrolle der UdSSR zugehört zu haben, wirkt zwar auch heute noch fort Die zunehmende „Lateinamerikanisierung“ Kubas erweist sich heute immer mehr durch die wachsende Präsenz der Schattenwirtschaft und des informellen Sektors im Stadtbild von Havanna, gegenüber früher aber auch an der Tatsache, daß „wer heute mit großen Augen vor den Schaufensterscheiben steht, dies nicht tut, weil er nicht hinein darf oder ihm der Devisenbesitz verboten ist, sondern weil er schlechterdings nicht genug Geld dafür hat“

Auch in politischer Hinsicht ist das lateinamerikanische Element deutlich erkennbar: So fungiert Fidel Castro als Präsident der Republik, erster Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei sowie des Staats-und Ministerrates, aber jenseits aller formaler Ämter und Funktionen bleibt die Anerkennung seiner Person als Quelle der Legitimität und Macht wirksam Diese Integrationswirkung der Person des Staatschefs darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, daß das Land eine tiefe Wirtschaftskrise durchlaufen hat, die erstmals im Jahre 1994 mit einem Wachstum von 0, 7 Prozent stabilisiert werden konnte. Damit wird aber gleichzeitig die Position einer Domino-theorie widerlegt, die nach dem Niedergang des Ostblocks eine beinahe zwangsläufige Abkehr des Landes von seinem bisherigen Entwicklungsleitbild und das Ende von Fidel Castro voraussagte.

Auch im konkreten Wortschatz der Parteiführung sind leichte Änderungen erkennbar: Der Appell an den Patriotismus überlagert immer stärker die alte Formel des „Sozialismus oder Tod“, der Begriff der „Gleichheit“ erhält eine stärkere Betonung in Richtung der „Chancengerechtigkeit“, und trotz seiner negativen Ausgrenzung ist der Begriff „Zivilgesellschaft“ in den nationalen Diskussionen präsent.

II. Die Folgen des Zusammenbruchs des Ostblocks für Kuba

Es scheint ein langsamer und in seinen Ergebnissen nicht voraussehbarer Prozeß des Wandels Platz zu greifen, der seinen Ursprung in der Bewältigung der dramatischen wirtschaftlichen Situation des Landes nach dem Ende des COME-CON/RGW hat. Zwischen 1989 und 1993 wurde ein Verlust von 35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verzeichnet; 85 Prozent des Außenhandels, der sich mit dem RGW abspielte, brachen von einem Tag zum anderen zusammen. Die extreme außenwirtschaftliche Abhängigkeit und die gering entwickelte verarbeitende Industrie stürzten das Land in eine Überlebenskrise, von der es sich bislang nicht erholt hat Die einseitige Produktionsund Technologiestruktur, der ineffiziente und verschwenderische Umgang mit Rohstoffen, Dünger und Energie wird heute der dem Lande zugewiesenen Rolle im RGW angelastet, die jedoch anderer-seits erheblich begünstigte Preise und umfassende Rohstoffversorgung bedeutet habe Kuba stand damit am 31. Dezember 1991 faktisch außerhalb der internationalen Arbeitsteilung und suchte nach Wegen der Eingliederung in den Weltmarkt. Bis Mitte 4995 stieg der Warenaustausch Kubas mit den Ländern der Europäischen Union (EU) von zehn auf fast 50 Prozent des Handelsvolumens Kubas; eine weitere Dynamisierung wird insbesondere durch engere Wirtschaftskooperation mit China erwartet.

Diese Orientierung auf den Weltmarkt ist für Kuba eine Notwendigkeit des ökonomischen Überlebens. Angesichts des immensen Schulden-berges, den das Land angehäuft hat der Kosten des Embargos der USA und seiner strukturellen Außenabhängigkeit ist es auf die Lösung seiner Devisenprobleme angewiesen. Nach der Einstellung des Schuldendienstes durch Kuba im Juli 1986 ist der Zugang zu internationalen Krediten verstellt, und es muß auf kurzfristige und teure Handelskredite zurückgegriffen werden. Den Versuchen, devisenlose Kompensationsgeschäfte durchzuführen, sind naturgemäß im Rahmen einer Weltmarktintegration deutliche Grenzen gesetzt, obwohl dies im Rahmen der sich dynamisierenden Wirtschaftsbeziehungen zu China angestrebt wird. Besonders schmerzlich war für Kuba der Verlust der Deviseneinnahmen aus dem Reexport sowjetischer Erdöllieferungen, die dem Land durch Verkauf auf europäischen Spotmärkten zusätzliche Deviseneinahmen erbracht hatten

Um kurzfristig an Devisen zu gelangen, wird die Tourismusindustrie von der kubanischen Regierung als neues Zugpferd der Wirtschaft vorangetrieben. Dies zumal die Weltmarktpreise für Zukker spürbar gesunken und dasnationale Produktionsvolumen in den Krisenjahren erheblich geschrumpft ist Auf diese Situation reagierte die kubanische Führung mit der Ausrufung eines Notstandsprogrammes im Sommer 1990, das in einer „Spezialperiode“ die notwendigen Anpassungen an die neue Situation ermöglichen sollte.

III. Die halbierte Transformation

Die ersten eingeleiteten Maßnahmen der Außen-marktöffnung und Förderung ausländischer Investitionen in Kuba haben einer Interpretation Vorschub geleistet, auch in Kuba sei nun die Zeit für eine Transition reif. Allerdings stößt dieser Begrrif in der offiziellen Sprachregelung auf erheblichen Widerstand, da er sehr stark an die lateinamerikanische Debatte des Übergangs zur Demokratie gebunden ist Zudem ist ein Bestreben feststellbar, sich von jenen Prozessen des Systemwechsels abzusetzen, die in den osteuropäischen Ländern stattfinden und welche in Kuba als „chaotisch“ empfunden werden. Die Befürchtungen vor den „Dilemmata der Gleichzeitigkeit“ des politischen Übergangs und der Reform der Wirtschaftsordnung sind massiv, zumal die Perzeption der externen Bedrohung vorhanden ist und auch ideologisch überhöht eingesetzt wird. Insofern wird in der kubanischen Reformdiskussiön eine strikte TYennung zwischen Wirtschaftsreform und politischer Reform vorgenommen, die bislang kohärent durchgehalten wurde.

Kuba steuert damit auf eine halbierte Transformation zu, die sich durch die Koexistenz einer Liberalisierung der Wirtschaftspolitik einerseits mit der Fortdauer staatlicher Kontrolle über den politischen Prozeß andererseits kennzeichnen läßt. Die wirtschaftliche Liberalisierung wird von einer technokratischen Reformelite getragen, die jedoch ohne eigene Machtgrundlagen von Castros Gnaden und dem Erfolg ihrer Stabilisierungspolitik abhängt. Im Wechselspiel von wirtschaftlicher Reform und politischer Erstarrung, von Innovation und Linientreue kommt daher für das Fortschreiten des Öffnungsprozesses der nach wie vor gegebenen Integrationsrolle Fidel Castros eine zentrale Bedeutung zu.

Die Intention der politischen Führung scheint es zu sein, die wirtschaftliche Reform nicht auf die politische Sphäre überspringen zu lassen. Es herrscht ein gradualistisches Vorgehen im Strukturanpassungsprozeß vor, das sich von der schock-artigen Anpassungspolitik Vietnams abzusetzen versucht, jedoch dem chinesischen Modell einer Beibehaltung der politischen Dominanzverhältnisse nahesteht. Das Leitbild läßt sich unter dem Begriff eines „marktwirtschaftlichen Sozialismus“ zusammenfassen, der auf dezentralen Produktionsstrukturen aufbaut, aber auch nicht der Tendenz zu einer autoritären Marktwirtschaft entgehen kann. Die Überschrift, unter der Castro diesen Kurswechsel vollzog, lautete: „Wir haben keine Alternative.“ In seiner Rede anläßlich des 40. Jahrestages des Sturms auf die Moncada-Kaserne führte er aus: „Wir haben einfach keine Alternative, als unsere Positionen an die entstandene Situation anzupassen. Es handelt sich dabei nicht um eine von uns angestrebte Situation. Vielmehr ist das eine Situation, der wir uns gegenübersehen, nicht weil wir unsere Grundsätze beiseite-geschoben hätten, sondern weil wir unseren Grundsätzen treu sind. Wir stehen dieser Situation nicht gegenüber, weil wir unsere revolutionären Vorstellungen vergessen hätten, sondern weil wir unsere revolutionären Vorstellungen zu retten versucht haben.. ."

Das Interesse an einer ideologischen Frontbegradigung begleitet somit auch den sich fortsetzenden Reformprozeß in der Wirtschaft. Deutlicher Ausdruck dieses Bemühens ist die Rede von Raül Castro, Bruder des Präsidenten, Verteidigungsminister und zweiter Mann im Staate, aus Anlaß der 5. Sitzung des Zentralkomitees der kubanischen KP am 23. März 1996, in der er sich gegen subtile Formen von Glasnost in kubanischen Institutionen wendet. Der Wirtschaftskurs wird dabei nicht in Frage gestellt, allerdings auf seine ungewünschten Folgen und die daraus abzuleitenden Aufgaben für den ideologischen Kampf abgehoben. Als erste Maßnahme wurden parteinahe Studienzentren unter eine schärfere Kuratel gestellt, da in ihnen Tendenzen manifest geworden seien, die darauf abzielten, „eine Fünfte Kolonne aufzubauen“ Die Bedeutung solcher „ideologischer Feldzüge“ ist sicherlich schwierig einzuschätzen, sie machen -besonders in der Vagheit der Vorwürfe und der gezielten Ungewißheit der Folgen -das Problem deutlich, einen Reformprozeß in der „Grauzone“ eingeleitet zu haben, bei dem nicht mit deutlichen Einschnitten agiert wird, sondern eine de facto Aufhebung bestehender Dogmen im Verlauf des Anpassungsprogrammes fortschreitet.

IV. Zur Anlage des wirtschaftlichen Reformprozesses

In wissenschaftlichen Kreisen ist die Diskussion, inwieweit der Reformprozeß einer Konzeption folgt oder nur dem NachVollzug unvermeidbarei Anpassungsschritte gehorcht, nicht entschieden. Es scheint sich jedoch eine Tendenz durchzusetzen, die nach den unmittelbar krisenbedingten Abschnitten mit dem Zusammenbruch des Außenhandels und der Devisenbilanz eine stärker inhaltlich-konzeptionell angelegte Handlungsstrategie erkennen will. Insofern läßt sich der bisherige Reformprozeß in der Wirtschaftspolitik in zwei Etappen nachzeichnen: 1. Die Phase der Stabilisierung externer Ungleich-gewichte (1990-1992)

In diesem Abschnitt herrschte eine Problemanalyse der Krise als externes Phänomen vor, der mit der Einführung marktwirtschaftlicher Elemente im Exportsektor begegnet werden sollte. Der zentrale Rettungsanker wurde in der Dynamisierung des „Joint-venture“ -Ansatzes für Kooperationen im Tourismus, Energie und Bergbaubereich gesehen. Mit den drastischen Sparmaßnahmen im Lebensmittelkonsum (Rationierungen) und Energieverbrauch (massive Stromabschaltungen) geriet die Wirtschaft auf die Bahn einer Importsubstitutionspolitik, die zwar kurzfristig, aber nicht mittelfristig tragfähig war. Die wirtschaftliche Talfahrt konnte durch diese Maßnahmen nicht abgefangen werden, die Wirtschaft schrumpfte in diesem Zeitraum um 35 Prozent.

Als zentrales Element dieser Phase ist das bereits am 15. Feburar 1982 verabschiedete Gesetzesdekret für „Joint-ventures“ anzusehen, das in den zu gründenden Mischunternehmen eine Beteiligung des ausländischen Kapitals von bis zu 49 Prozent gestattet. Die Gründung der Gemeinschaftsunternehmen erfolgt durch Beratung mit den staatlichen Entscheidungsinstanzen bedarf aber prinzipiell der Zustimmung des Exekutivkomitees des Ministerrates. Das Gesetz und die daraus abgeleitete Praxis folgen damit einem diskretionären Verfahren, das zwar die Beteiligung höchster politischer Ebenen vorsieht, aber gleichwohl in nur geringem Maße Kriterien der Transparenz genügt. Mit Hinsicht auf die Bereitstellung von Arbeitskräften werden diese von einem kubanischen Unternehmen dem Mischunternehmen zur Verfügung gestellt, das seinerseits an die vermittelndeInstanz die Löhne in Devisen überweist. Der Arbeitnehmer erhält seine Löhne vom kubanischen Arbeitgeber in kubanischen Pesos ausgezahlt

Das Werben um ausländische Investoren auf der Basis des Gesetzes von 1982 wurde 1990 aufgrund des Devisenmangels massiv ausgeweitet, wobei ein besonderes Interesse dem Tourismussektor und der Grundstoffindustrie (Öl, Minen etc.) galt. Eine erste Bewertung der inzwischen auf eine Zahl von ca. 250 „Joint-ventures“ mit mehr als 53 Staaten angewachsenen Mischunternehmen weist aus, daß die Mehrzahl im Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen liegen (Investitionen bis 300 000 US-Dollar), während darüber hinausgehende Anlagen ausländischer Kapitalgeber sich vor allem auf den Bereich strategischer Rohstoffe, Telekommunikation und Tourismus beziehen.

Ergänzt wurde diese Initiative zur Mobilisierung von ausländischen Direktinvestitionen durch eine Verfassungsreform vom 12. Juli 1992, die eine Reihe von Veränderungen in bezug auf die Frage der Eigentumsordnung und die Öffnung staatlicher Monopole vorsieht Ebenso wurde ein weiterer Sektor kubanischer Unternehmen von den staatlichen Kontrollen bei der Inanspruchnahme von Devisen für Rohstoff-und Technologieimporte freigestellt, solange diese aus der internationalen Vermarktung ihrer Produkte erwirtschaftet werden konnten. Damit setzte sich der Sektor der dynamisch am Weltmarkt arbeitenden Betriebe mit stärker marktwirtschaftlich ausgerichteten Strategien von der planwirtschaftlich strukturierten binnenwirtschaftlichen Produktion ab. Auf diese Weise wurde die Grundlage einer dualen Wirtschaft gelegt, die durch das Gegenüber von Betrieben mit weltmarktorientierter Produktion sowie Zugang zu Devisen einerseits und der weiterhin ineffizienten und an der Verteilung der Konsumgüter orientierten Planwirtschaft des Binnensektors andererseits gekennzeichnet ist 2. Die Phase des Beginns wirtschaftlicher Strukturreformen (1993-1995)

In diesem Abschnitt wurde eine einstweilige wirtschaftliche Stabilisierung erreicht und der Weg zum angestrebten „marktwirtschaftlichen Sozialismus“ eröffnet, in dem die Privatinitiative größere Spielräume erhalten sollte. Die Legalisierung des Devisenbesitzes, die Zulassung selbständiger Familienuntemehmen und die Einrichtung paralleler Märkte für Nahrungsmittel und verarbeitete Produkte sind erste Schritte, die durch eine Umwandlung der Staatsbetriebe in der Landwirtschaft in Kooperativen und die Einrichtung eines Steuersystems ergänzt wurden. Mit dem Ziel der Abschöpfung von Liquidität und der Budgetkonsolidierung durch Steigerung der Einnahmen und fiskale Disziplin in Gestalt eines Subventionsabbaus und einer Reform der Preispolitik gelang es, die boomende Schattenwirtschaft stärker zu kontrollieren und einen realistischen Wechselkurs wiederherzustellen. Die verbesserten Konditionen des neuen Investitionsgesetzes sollen nachdrücklich auswärtige Anleger für das Land interessieren; Kuba, sieht sich damit auf dem Weg zum karibischen „Tiger“, da es durch den hohen Qualifizierungsgrad der Bevölkerung und die erreichten Sozialstandards bessere Standortvorteile als andere lateinamerikanische Länder anbieten könne.

Der als „Sommer der Reformen“ bekannt gewordene Juli 1993 verband mehrere Maßnahmen, die den Eindruck erweckten, die Öffnung „nach außen“ werde durch eine Liberalisierung „nach innen“ ergänzt werden. Die Legalisierung des Besitzes von US-Dollars entsprach dabei dem Interesse, die Devisenbilanz des Landes zu verbessern. Gleichzeitig wurden Devisenanreize für Arbeitnehmer zur Erfüllung des staatlichen Planungssolls eingeführt, die die Dualisierung der Wirtschaft auch auf die Bevölkerung hin ausdehnte. Wenn heute geschätzt wird, daß ca. 40 Prozent der Kubaner Zugang zu US-Dollars besitzen, so wird erkennbar, daß mit dieser Maßnahme ein tiefer Einschnitt in die früher als gegeben unterstellte Gleichheitserwartung vorgenommen wurde. Dollareinkommen werden erzielt bei Beschäftigten in den strategischen Sektoren (als „konvertierbare Pesos“, die im 1 : 1-Verhältnis zum Dollar gehalten werden), durch Überweisungen von Dollar-Guthaben aus dem Ausland an Familienangehörige sowie in den dollarisierten Sektoren der Tourismuswirtschaft. Der Kapitalzufluß von ausländischen Devisen durch Überweisungen von Verwandten liegt dabei in etwa so hoch wie die Gesamteinnahmen durch die Zuckerimporte oder die Summe ausländischer Direktinvestitionen Die Freigabe des Devisenbesitzes, auch als „Sauerstoffdusche für die ohnmächtige Volkswirtschaft“ bezeichnet, wurde ergänzt durch die Einführung Dollar-Geschäften, in denen die vorhandenen Ersparnisse beim Kauf von impor-tierten Gütern mit einer Gewinnspanne zwischen Einkaufs-und Verkaufspreis von mehr als 100 Prozent durch den Staat abgeschöpft werden. Gleichzeitig wurde ein umfassendes Austeritätsprogramm in Angriff genommen, das neben der Reduzierung der zirkulierenden Währung umfassende Maßnahmen zur Deckung des Staatshaushaltes vorsieht. Das Defizit von 40 Prozent im Jahre 1994 wurde auf 3, 2 Prozent im Jahre 1996 durch Einschränkung der Subventionierung defizitärer Staatsunternehmen, Einführung eines Steuersystems für Mischunternehmen und selbständige Betriebe sowie Preiserhöhungen für „nicht lebensnotwendige Produkte“ gesenkt

Eingeleitet von der zunehmenden Fluchtbewegung von ca. 50 000 Bootsflüchtlingen aus Kuba, die auf wackeligen Flößen den 90 Meilen langen Weg über das offene Meer nach Miami in die USA unternahmen, stieg der Druck auf eine Erweiterung des Reformprozesses nach innen. Die Flüchtlingskrise fungierte dabei nicht nur als Entlastung interner Versorgungsprobleme, sondern machte der kubanischen Führung deutlich, daß eine rein auf Wirtschaftsöffnung abzielende Strategie nicht hinreichend ist.

Die Einführung der „Arbeit auf eigene Rechnung“, die einen Sektor von Selbständigen innerhalb der Binnenwirtschaft etablierte, markiert die Anerkennung eines explodierenden Dienstleistungsbereiches, der sich als Schwarzmarkt bzw. informeller Sektor bereits eingestellt hatte. In 130 Berufen dürfen nunmehr Kleinbetriebe tätig werden, die nach ihrer Registrierung und des Kaufs einer Lizenz zur Beseitigung des Versorgungsdefizites beitragen sollen.

Diese neuen Handwerkermärkte und Märkte der Industriegüter beinhalten eben jene Elemente eines begrenzten Marktmechanismus, die gerade nach den bestehenden ideologischen Dogmen nicht akzeptabel erschienen wären.

Diesem ideologischen Problem versuchte man durch eine konsequente Steuereintreibung gerecht zu werden, die den Zwischenhändlern als „Feindbild Nr. 1“ auch im Bereich der Agrarmärkte das Handwerk legen sollte. Schon bei der Einführung kontrollierter Bauernmärkte 1980, die im Jahre 1986 wieder abgeschafft wurden war erkennbar geworden, in welch hohem Maße diese Entscheidung für eine geringfügige Liberalisierung den traditionellen Werthaltungen der politischen Führung zuwiderlief.

Demselben Ziel der Verbesserung der Versorgungslage entsprach auch die Überführung der bestehenden staatlichen Landwirtschaftsbetriebe in Genossenschaften (UBPC). Mit dieser Dezentralisierung der landwirtschaftlichen Produktion wurde eine Neuverteilung der Nutzfläche erreicht, so daß sich nunmehr über 40 Prozent in den Händen der Kooperativen befinden. Allerdings hat diese Maßnahme noch nicht zu den erwarteten Produktivitätssteigerungen geführt; dies gilt nicht zuletzt auch für die Zuckerproduktion. Zwar sind die neuen Betriebe verpflichtet, zunächst ihre Produktion an den Staat zu verkaufen; ihnen wurde jedoch das Recht eingeräumt, Erträge jenseits des Planziels auf den Bauernmärkten zu vermarkten, was ihnen erhebliche Gewinne einbrachte. Nicht zuletzt als Folge der Preisentwicklung auf diesen Märkten landwirtschaftlicher und handwerklicher Produkte wurde eine Abschöpfung des Liquiditätsüberschusses erreicht, die zu einer erheblichen Preissenkung für die dort angebotenen Güter und der Herstellung eines angemesseneren Wechselkurses des kubanischen Pesos führte.

Mit der Zulassung von Wechselstuben ist im dollarisierten Bereich der Wirtschaft ein weiterer Schritt getan worden, um die Rückbindung des US-Dollar-Bereiches und der über Märkte geregelten Wirtschaftssektoren an die Staatswirtschaft zu erreichen. Allerdings ist auch weiterhin die seit 1966 existierende Rationierung über die Lebensmittelkarte gültig, die für weite Teile der Bevölkerung aber zugleich den garantierten Zugang zur Mindestausstattung mit Lebensmitteln sicherstellt. Mittelfristig dürfte jedoch damit zu rechnen sein, daß dieses System einer Subventionierung der Produktionskosten für Lebensmittel oder der Preis-kontrolle durch direkte Subventionen Platz machen wird, um die Vermittlungskosten der staatlichen Verteilungsmechanismen zu reduzieren. 3. Die vertagte Phase ordnungspolitischer Transformationen Als Ergebnis der 2. Phase läßt sich eine Stabilisierung der kubanischen Wirtschaft erkennen: Im Jahre 1994 wurde ein Wirtschaftswachstum von 0, 7 Prozent erreicht, das 1995 auf 2, 5 Prozent stieg und für das Jahr 1996 sich zwischen fünf und sechs Prozent einspielen könnte. Nach wie vor besitzt der Erlös aus der Zuckerproduktion einen maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung der kubanischen Wirtschaft. Nach den Einbrüchen der Vorjahre und unter den hohen Kosten der Kreditfinanzierung bedeutet die vorausgesagte Ernte von 4, 7 Mio. Tonnen für 1996 zumindest eine einstweilige Stabilisierung in diesem kritischen Sektor der Ökonomie. Ausdruck der neuen Phänomene der Wirtschaftsreform ist nicht nur das Auftreten von Prostitution und Kriminalität als Folge der massiven Präsenz ausländischer Tourismuszentren, sondern auch die Öffnung von Kleinlokalen (bis zu 12 Stühlen) als Familienunternehmen, die als paladares zum Inbegriff des neuen Wirtschaftssektors geworden sind, der sich flexibel zwischen Dollar-Ökonomie und Peso-Wirtschaft bewegt. Die Fortexistenz von drei Währungen (Peso, konvertierbarer Peso und US-Dollar) weist auf eine mittelfristige Strategie hin, den konvertierbaren Peso mit einer momentanen Dollar-Parität zur nationalen Währung zu erklären, die nach und nach den geltenden kubanischen Peso ablöst. Ebenso kann der Aufbau einer umfassenden Steuersystematik und Steuerverwaltung in die Richtung einer Zulassung vielfältiger Wirtschaftssubjekte (Private, Kooperativen und Staatsbetriebe) interpretiert werden, die in einem abgewogenen Verhältnis Teil einer gemischten Wirtschaft sein könnten.

Diese sich als Verlängerung der bislang eingeleiteten Wirtschaftsreformen abzeichnenden Entwicklungslinien scheinen jedoch einstweilen durch die Intensivierung des Konfliktes mit den USA und die Kritik an der ideologischen Verformung der kubanischen Gesellschaft durch Raül Castro gebremst. Schon eingeleitete Diskussionen unter dem Stichwort der „Redimensionierung der Wirtschaft“, die bestehende Eigentumsformen antastet und neue Rahmenbedingungen für eine privatwirtschaftliche Dynamisierung des Landes herstellen sollte, sind aus der Öffentlichkeit verschwunden, obwohl an diesen Fragen der Restrukturierung der Staatsbetriebe nach Branchen gearbeitet wird. Von diesem Programm werden systemtragende Pfeiler tangiert, deren Reform angesichts fehlender Koordinationsinstanzen und Abstimmungen zu massiven wirtschaftlichen Instabilitäten und sozialen Ungleichgewichten führen könnte. Im einzelnen sind folgende strategischen Elemente anzuführen: Zulassung privater Klein-und Mittelbetriebe, Veräußerung bzw. Stillegung unproduktiver Staatsbetriebe, Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik, Reform (Privatisierung?) des Banken-und Kreditwesens, Verstärkung der Einbindung in den Weltmarkt und Reform der sozialen Sicherungssysteme.

Weiterhin bleiben jedoch zentrale Probleme der binnenwirtschaftlichen Schieflage des Landes ungelöst: Nur 40 Prozent der Produktionskapazitäten sind ausgelastet, 33 Prozent der Arbeitskraft des Landes sind ungenutzt, aber subventioniert, die Autonomie der Produktionseinheiten ist unvollständig, die Kontinuität weitreichender Planvorgaben kann nicht gesichert werden, fehlendes Investitionskapital und mangelnde Innovation der Produktionsprozesse belasten den wirtschaftlichen Neubeginn, und ein geringer Diversifizierungsgrad der Wirtschaft begrenzt die Handlungsspielräume.

Diese Elemente eines vertieften Reformprogrammes, das die Konflikte zwischen Strukturkonservativismus und Anpassungszwängen deutlich sichtbar machen, aber auch einer mittelfristigen Lösung zuführen könnte, sind von einer Gruppe kubanischer Ökonomen aufgegriffen worden. Unter dem Titel „Kuba -Die Restrukturierung der Ökonomie -Ein Vorschlag für die Debatte“ wurde ein Konzept vorgelegt, das die Wiedererlangung der ökonomischen Effizienz mit gleichzeitiger Bewahrung sozialstaatlicher Errungenschaften verbinden soll. Grundvorstellung ist ein dezentrales Wirtschaftsmodell, das sich der drängenden Frage einer Restrukturierung der Staatswirtschaft mit gleichzeitigem Ausbau des privaten Wirtschaftssektors stellen will, um das aufkommende Problem massiver Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Die notwendigen Reformen im Geld-und Bankensystem, in der Unternehmensstruktur sowie des Staates selbst sollen daher so mit der Schaffung einer nichtstaatlichen Wirtschaft verknüpft werden, daß die sozialen Chancen der Bevölkerung gewahrt werden, obwohl eine sich öffnende Schere in den Einkommen nicht zu vermeiden sein wird.

Dieser Anstoß zur Diskussion, über dessen inhaltliches Konzept sicherlich gestritten werden kann, ist jedoch mit der Rede von Raül Castro seitens der Parteiführung unter heftige Kritik geraten. Untersuchungskommissionen prüfen nunmehr den Charakter der zugrundeliegenden Positionen und das Verhalten der Personen. Solche abrupten Unterbrechungen der Diskussion über die Perspektive Kubas sind sicherlich auch weiterhin zu erwarten, obwohl kein Anlaß zur Vermutung besteht, daß damit auch die Reformpolitik an sich zum Stillstand gekommen wäre. Eine Vertiefung der Strukturreformen wird jedoch -unabhängig von den internen und externen Rahmenbedingungen -unumgänglich sein über deren Geschwindigkeit jedoch sind kaum zuverlässige Voraussagen möglich. 4. Externe Begrenzungen des wirtschaftlichen Reformkurses: Das Gesetz Helms-Burton Die Kontinuität des US-Embargos und die massive Verschuldung Kubas im Bereich des ehemaligen RGW wie auch im westlichen Bereich belasten nachhaltig die Erholung der kubanischen Wirtschaft. Die ungelöste Frage der Altschulden blockiert auch die Gewährung von Handelsbürgschaften und Investitionsgarantien. Kuba trifft dabei -anders als China und Vietnam -auf ein Junktim zwischen Achtung der Menschenrechte bzw. Fortschritten bei der Demokratisierung und der Gewährung wirtschaftlicher Hilfe bzw. Zugang zu internationalen Krediten. Eine Flexibilisierung der Position der USA ist nur begrenzt erkennbar, zumal das Thema „Kuba“ ein innenpolitisches Thema der USA auch unter wahlpolitischen Gesichtspunkten darstellt. s Zwar hat sich Kuba aus seinen außenpolitischen Verwicklungen in Zentralamerika und im südlichen Afrika befreit, gleichwohl bleibt eine Grundhaltung bestehen, die weiterhin „Kuba als gesellschaftspolitische Alternative“ anbieten will, während eher nach einer „Alternative für Kuba“ zu suchen wäre. Die politische Anerkennung des Landes im karibischen und lateinamerikanischen Raum hat jedoch über die symbolische Einbeziehung hinaus wenig ökonomische Auswirkungen, wenn man von der traditionellen Bindung an Mexiko absieht. Auch die asiatische Welt mit der VR China an der Spitze hat sich trotz ihrer Rolle als Hauptabnehmer kubanischen Zuckers nicht in dem Maße zu einem neuen Handelspartner entwickelt, daß Kuba eine nachhaltige Verbesserung seiner Devisenbilanz erwarten könnte. Gleichwohl scheint sich eine Annäherung gleich orientierter Modelle wirtschaftlicher Öffnung ohne Demokratisierung zwischen China, Vietnam, Laos und Kuba zu ergeben, die die ideologische Isolierung des Landes etwas aufbricht.

Allerdings trifft die Initiative des Landes zur weiteren Integration in den Weltmarkt und die Werbung um internationale Investoren auf ein neues Instrument US-amerikanischer Außenpolitik, das als „Kubanisches Freiheits-und demokratisches Solidaritätsgesetz“ -besser als Helms-Burton-Gesetz bekannt -das Land erneut in den Bereich internationaler Auseinandersetzungen gebracht hat.

So verfolgt die Regierung Clinton eine Doppelstrategie, die in überraschender Weise der halbierten Transformation des kubanischen Reformprozesses entspricht: Im Bereich der Beziehungen im Erziehungswesen, im Austausch zwischen Künstlern, akademischen Institutionen und religiösen Einrichtungen wird eine große Offenheit gefördert und vorangetrieben, während in ökonomischen Fragen eine harte Embargo-Position dominiert Nicht zuletzt der Abschuß zweier privater Klein-flugzeuge aus dem Umfeld des kubanischen Exils in Miami am 14. Februar 1996 durch die kubanische Luftwaffe hat die bilateralen Beziehungen erneut verhärtet. Die Initiative aus dem nordamerikanischen Kongreß zur Erweiterung der Sanktionen gegen Kuba wurde in Gesetzesform gegossen (unterzeichnet am 12. März 1996 von Präsident Clinton) und verpflichtet die Regierung zu Sanktionen, die insbesondere ausländische Investoren abschrecken sollen. Kuba soll vom Zugang zu Devisen abgeschnitten werden, sei es aus dem Handel mit ausländischen Firmen beim Verkauf von Tabak, Zucker, Zitrusfrüchten und Nickel, sei es aus dem Tourismusgeschäft oder auch ausländischen Direktinvestitionen in Kuba. Im einzelnen ist u. a. vorgesehen: -Verbot der Einreise in die USA für Angestellte, Eigentümer und Mehrheitsaktionäre jener ausländischer Firmen, die Investitionen in Unternehmen tätigen, die auf enteigneten Besitztümern operieren.

-Importverbot für alle Waren aus Drittländern, die kubanische Rohstoffe etc. enthalten.

-Unterstützung für Kuba aus den ehemaligen Staaten der UdSSR wird von deren Entwicklungshilfezuweisungen aus den USA in Abzug gebracht.

-Klagerecht für alle US-Staatsbürger (d. h. auch ehemalige kubanische Staatsangehörige) vor US-Gerichten auf Ansprüche gegen Firmen, die aus der Nutzung enteigneten Besitzes Gewinne erwirtschaften (Titel III)

Obwohl Präsident Clinton zunächst für sechs Monate (bis zum 16. Januar 1997) den Vollzug der Regelungen des Titels III ausgesetzt hat bleibt die extraterritoriale Wirkung nationaler Gesetze als Hauptargument gegen das Helms-Burton-Gesetz festzuhalten. Dieser Verstoß gegen das Völkerrecht und die Verpflichtungen aus einem multilateralen Handelssystem richtet sich auch gegen die Prinzipien der Welthandelsorganisation (WTO), so daß die Europäische Union bereits dieEinleitung eines Schiedsverfahrens beantragt hat. Andere Länder wie Mexiko haben ein Gegengesetz verabschiedet, das eine Befolgung des Helms-Burton-Gesetzes durch mexikanische Unternehmen unter Strafe stellt Mexiko und Kanada, Mitglieder der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA, haben gegenüber ihrem Partner USA in diesem regionalen Verbund die deutliche Ablehnung des Gesetzes zum Ausdruck gebracht, nachdem verschiedene Firmen mit Investitionen in Kuba aufgefordert worden waren, innerhalb von 45 Tagen ihre Tätigkeit einzustellen. Für Kuba hat dieses Gesetz trotz des Verstoßes gegen internationales Recht zumindest eine Einbuße bei neuen Verträgen mit ausländischen Neuinvestoren zur Folge, so daß sich das Devisenproblem erneut verschärfen könnte. Allerdings ist davon auszugehen, daß aufgrund innenpolitischer Gewichtsverschiebungen in den USA und Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen die einseitige Verfahrensweise der USA sich langfristig nicht als tragfähig erweisen wird.

V. Perspektiven und Szenarien des Transformationsprozesses

Die Erfahrungen des Systemwechsels in Osteuropa haben deutlich werden lassen, daß bei der radikalen Transformation von Planwirtschaften in Marktwirtschaften mit der Abschaffung der zentralen Planung und der Einführung des Privatbesitzes nicht automatisch jenes Marktsystem entsteht, das eine hinreichende Vorbedingung für einen Expansionspfad zum Wohlstand darstellen könnte Die Gefahren des Rückgangs der Produktion und der Beschäftigung in der Phase des Systemwechsels sind auch für Kuba nicht gebannt, vielmehr stehen sie diesem Lande noch bevor. Hier sind die Leistungen neuer Institutionen, einer fördernden Wirtschaftspolitik und eines aktiven Staates gefragt. Die Freisetzung einer Vielfalt wirtschaftlicher Akteure beinhaltet größere Pluralität, so daß aus der wirtschaftlichen Modernisierung auch die Vielfalt in den politischen Bereich hinein-getragen wird. Klar ist jedoch, daß es keine eindimensionale, lineare Tendenz in Richtung Reform gibt. Die Rolle Castros in der Austarierung und Verhandlung der Positionen zwischen ideologischem Fundamentalismus und politischem Pragmatismus ist bislang unangefochten, so daß mögliche Szenarien einer Transformation ohne oder gegen Castro sich bislang als gegenstandslos erwiesen haben Dies reduziert auch die unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten des kubanischen Exils auf die internen politischen Prozesse der Karibik-insel. Die halbierte Transformation einer beginnenden Marktwirtschaft in einer verstaatlichten Gesellschaft unter dem Leitbild eines marktwirtschaftlichen Sozialismus hängt am seidenen Faden des ökonomischen Erfolges der bisherigen wirtschaftlichen Öffnung. Allerdings stehen dem Land so umfangreiche Bewährungsproben noch bevor, daß politische Verwerfungen in diesem widersprüchlichen internen Kräftemessen mit labilen Gleichgewichten nicht auszuschließen sind, die zu einem Aussetzen oder der Vertagung des Reformprozesses führen können.

Mit der Verabschiedung eines Gesetzes für freie Produktionszonen und dem neuen Investitionsgesetz von 1995, das nunmehr auch mehrheitliche Beteiligung ausländischer Investoren zuläßt, bewegt sich Kuba auf das angestrebte Bild eines „karibischen Tigers“ zu. Ob dieses Entwicklungsleitbild einer hoch qualifizierten Bevölkerung gerecht wird, muß fraglich bleiben. Angesichts der prekären Einkommens-und Lebensbedingungen erscheint der politischen Führung jedoch auch dieses Element der wirtschaftlichen Öffnung hilfreich, um das Devisenproblem lösen zu können.

Der Weg einer Suche nach einem dezentralen Wirtschaftsmodell scheint für das Land die unmittelbar greifbarste Alternative darzustellen Ob dies „der lange Abschied von einem Mythos

wird oder eine realitätsorientierte Umstrukturierung der Ökonomie nach dem Prinzip einer gemischten Wirtschaft, hängt von einer Fülle interner und externer Faktoren ab, die sich in vielfältiger Weise kombinieren können. Die erneuten Hoffnüngen vieler Beobachter auf einen „dritten Weg“ nähren sich wieder an Kuba -die wirtschaftliche Realität wird diese Illusionen wie in vielen anderen Ländern unter sich begraben.

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Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Wolf Grabendorff, Die Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Kuba, in: Kubas Krise (Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation 20), 1992,

  2. Bert Hoffmann, Kubanische Comebacks. Die Rückkehr der Vergangenheit im sozialistischen Kuba, in: Lateinamerika. Analysen und Berichte, 20 (1996), S. 142.

  3. Vgl. Bert Hoffmann, Transiciön y Transformaciön -Cuba en el contexto latinoamericano, in: Karl Kohut/Günter Mertins (Hrsg.), Cuba en 1995. Un diälogo entre investigadores alemanes y cubanos, Eichstätt -Marburg 1995, S. 21.

  4. Am Ende der achtziger Jahre befand sich die Hälfte des landwirtschaftlich nutzbaren Landes im Dienste der Aus-fuhren (Zuckerrohr, Tabak, Zitrusfrüchte etc.). Weitere Exportprodukte (vor allem Nickel) kamen über die reine Ex-traktion der Rohstoffe nicht hinaus. Der verarbeitende Anteil an den Exporten betrug gerade drei Prozent. Gleichzeitig mußten 41 Prozent des BIP für Importe aufgewendet werden, wobei insbesondere die Aufwendungen für die energieintensive Industrieproduktion in Rechnung zu stellen sind. Vgl. Elena Älvarez-Gonzälez, Caracten'sticas de la apertura externa cubana, in: Economfa Cubana, 26 (1996), S. 17 ff.

  5. Vgl, Carlos Lage, Las estrategias ante la situaciön econ-mica actual, in: IRELA (Hrsg.), Cuba: Apertura econömica y relaciones con Europa, Madrid 1994, S, 17.

  6. Pro Kopf der Bevölkerung zahlt Kuba mit 1 400-1 700 US-Dollar zu den lateinamerikanischen Spitzenreitern in der Verschuldungsliste, wobei allerdings das Problem der Bewertung des Transferrubels zu berücksichtigen ist.

  7. Vgl, Karl-Christian Göthner, Kubas Wirtschaft im weit-und regionalwirtschaftlichen Kontext, in: Kubas Krise (Anm, 1), S. 20-38.

  8. So war der Ertrag der Zuckerproduktion Im Jahre 1995 auf 3, 3 Mio, Tonnen zurückgegangen, die niedrigste Zahl seit 35 Jahren, Für das Jahr 1996 rechnet man mit einem Volumen von 4, 7 Mio, Tonnen.

  9. Vgl. Claes Brundenius, Whither the Cuban Economy -

  10. Vgl, Claus Offe, Das Dilemma der Gleichzeitigkeit, Demokratisierung und Marktwirtschaft in Osteuropa, in: Merkur, 45 (1991) 4. S, 279-292.

  11. Fidel Castro, Rede anläßlich des 40. Jahrestages des Sturms auf die Moncada-Kaserne (Teil II), in: DW-Monitor-Dienst vom 29. Juli 1993, S. 9.

  12. Raül Castro, Informe del Burö Politico, in: Granma Internacional vom 10. April 1996, S. 7.

  13. Vgl. Bert Hoffmann, Die Rückkehr der Ungleichheit. Kubas Sozialismus im Schatten der Dollarisierung, in: ders. (Hrsg.), Wirtschaftsreformen in Kuba. Konturen einer Debatte, Frankfurt a. M. 1996, S. 132.

  14. Vgl. Rodolfo Dävalos Fernandez, Las empresas mixtas. Regulaciön juridica, La Habana 1993.

  15. Vgl. Robert Lessmann, Ausländische Investitionen und wirtschaftliche Strukturreformen in Cuba, Bonn: FES 1996, 46 ff. S.

  16. Vgl. A. Gonzälez (Anm. 4), S. 29 ff.

  17. Vgl. Knut Henkel, Kuba zwischen Plan und Markt. Die Transformation zur „dualen Wirtschaft“ seit 1985, Hamburg 1996, S. 136 f.

  18. Vgl. B. Hoffmann (Anm. 13), S. 116.

  19. R. Lessmann (Anm. 14), S. 10.

  20. Vgl. Horst Gobrecht, Wirtschaftsreformen in Kuba: Einführung eines modernen Steuersystems und Aufbau einer Steuerverwaltung, in: Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation, Hamburg, 12 (1995) 30, S. 43-50.

  21. Vgl. Carmen Diana Deere/Mieke Meurs, Markets, Markets everywhere? Understanding the Cuban Anomaly, in: World Development, 20 (1992) 6, S. 825-839.

  22. Vgl. Julio Carranza/Luis Gutierrez/Pedro Monreal, Cuba -la restructuraciön de la economa. Una propuesta para el debate, La Habana 1995.

  23. Vgl. Andrew Zimbalist, The Cuban Economy in the Era of Helms-Burton, in: IRELA (Anm. 9), S. 8.

  24. Vgl. Sven Hansen, Chinas Beispiel folgen?, in: der über-blick, (1995) 3, S. 74 f.

  25. Vgl. James Petras/Morris Morley, Clinton’s Cuba policy: two Steps backward, one Step forward, in: Third World Quarterly, 17 (1996) 2, S. 269-287.

  26. Vgl. B. Hoffmann (Anm. 13), S. 125 ff.

  27. Vgl. zum Gesamtkomplex Muse & Associates, Legal and practical implications of Title III of The Helms-Burton Law, in: IRELA (Anm. 9).

  28. Vgl. Mexiko und Kanada brauen Gegengifte gegen Helms-Burton, in: IPS-Hintergrunddienst, Nr. 39 vom 28. September 1996.

  29. Vgl. Egon Matzner/Jan Kregel/Gernot Grabher (Hrsg.), Der Markt-Schock, Berlin 1992, S. 17.

  30. Die Begrenzungen des Vergleichs zu den Transitionen in Osteuropa werden deutlich bei Michael Radu, Cuba’s Transition: Institutional Lessons from Eastem Europe, in: Journal of Interamerican Studies and World Affairs, 37 (1995), S. 83111.

  31. Vgl. Joel C. Edelstein, The Future of Democracy in Cuba, in: Latin American Perspectives, 22 (1995) 4, S. 18 f.

  32. So der Untertitel des Buches von Hans-Jürgen Burchardt, Kuba -der lange Abschied von einem Mythos, Stuttgart 1996.

Weitere Inhalte

Günther Maihold, Dr. phil., geb. 1957; Studium der Soziologie und Politikwissenschaft; 1983-1988 Akademischer Rat a. Z. am Institut für Politikwissenschaft der Universität Regensburg; 1988-1995 Projektleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mexiko, Nicaragua und Costa Rica; seitdem Referent im Referat Lateinamerika und Karibik der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn. Veröffentlichungen u. a.: Jose Carlos Mariätegui. Nationales Projekt und Indio-Problem in Peru, Frankfurt a. M. 1988; (zus. mit Manuel Carballo) Que serä de Centroamerica? Gobernabilidad, legitimidad electoral y sociedad civil, San Jose 1994; „Erblinden“ die Institutionen und versagen die Akteure? Regierbarkeit und Zukunftsfähigkeit der Demokratie in Lateinamerika, in: Jahrbuch Lateinamerika 1996.