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Institutionalisierte Interessenvertretung der Regionen und Kommunen in der EU. Eine Bilanz des Ausschusses der Regionen | APuZ 25-26/1998 | bpb.de

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APuZ 25-26/1998 Die Problematik der europäischen Identität Europa in der Wahrnehmung junger Menschen -Bedingungen und Konsequenzen für Politikvermittlung und politische Bildungsarbeit EU-Akzeptanz und europäische Identität im deutsch-französischen Grenzgebiet Europa auf dem Weg zur integrierten Umweltpolitik? Institutionalisierte Interessenvertretung der Regionen und Kommunen in der EU. Eine Bilanz des Ausschusses der Regionen

Institutionalisierte Interessenvertretung der Regionen und Kommunen in der EU. Eine Bilanz des Ausschusses der Regionen

Oliver Mietzsch

/ 17 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Am 18. Februar 1998 wurde Manfred Dammeyer, Minister für Bundes-und Europaangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen, zum neuen Präsidenten des Ausschusses der Regionen (AdR) gewählt. Im Maastrichter Vertrag ist vorgesehen, daß der Ausschuß der Regionen bei bestimmten kommunal-bzw. regionalrelevanten Themen von Rat und Kommission angehört werden muß. Auf dem Amsterdamer EU-Gipfel am 15. /16. Juni 1997 wurden die obligatorischen Beratungsbefugnisse des Ausschusses der Regionen erheblich ausgeweitet.

I. Einleitung

Die wahre Stärke des Ausschusses der Regionen (AdR) liege in der Sachkenntnis seiner Mitglieder und in dem Einfluß, den diese auf die anderen EU-Institutionen ausüben können, so könnte die Bilanz der Arbeit am Ende der ersten Amtsperiode des Ausschusses lauten.

Am 18. Februar 1998 wurde Manfred Dammeyer, Minister für Bundes-und Europaangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen, zum neuen Präsidenten des Ausschusses der Regionen gewählt. Mit seiner Wahl übernahm erstmals ein Deutscher den Vorsitz in dieser jüngsten EU-Institution, deren erste Amtsperiode im Januar 1998 endete. Gleichzeitig stieg das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit in der Bundesrepublik an diesem einzigen Gremium innerhalb der Europäischen Union, in dem die Kommunen und Regionen über ein institutionalisiertes Mitwirkungsrecht verfügen.

Als der Ausschuß der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, der meistens nur unter der Kurzbezeichnung „Ausschuß der Regionen“ bekannt ist -1994 eingerichtet wurde, konnte noch niemand absehen, in welche Richtung sich diese Institution entwickeln würde. Während manche Repräsentanten großer europäischer Regionen wie etwa die deutschen Bundesländer hofften, der Ausschuß könne sich auf europäischer Ebene zu einer dritten Kammer mit legislativen Befugnissen neben dem Rat und dem Europäischen Parlament entwickeln sahen andere darin eine Schwächung der vorhandenen Institutionen und hier insbesondere des Europäischen Parlaments

II. Vorgeschichte und Gründungsmotive

Der als Vorläufergremium des AdR 1988 eingerichtete Beirat der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften bei der Kommission als der ersten Form institutionalisierter Interessenvertretung dezentraler Körperschaften auf europäischer Ebene hatte die Aufgabe, die Kommission bei allen Fragen der regionalen Entwicklung, der Ausarbeitung und Durchführung der Regionalpolitik sowie der Auswirkungen der übrigen Gemeinschaftspolitiken auf die Regionen und Kommunen zu beraten. Dieses Gremium entfaltete jedoch keine große Wirksamkeit. Im wesentlichen lag dies an dem beschränkten Aktionsradius des Beirats, der thematisch weitgehend von der Kommission gesteuert wurde und zudem bloße Anhörungsrechte besaß. Das zweite Strukturproblem lag in der heterogenen Zusammensetzung des Beirats begründet. Es war daher nur folgerichtig, daß der Beirat mit Beschluß vom 21. April 1994 von der Kommission aufgelöst wurde.

Im Vorfeld der Maastrichter Regierungskonferenz zur Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaften wurde dann von regionalen und kommunalen Interessenverbänden sowie vor allem von den deutschen Ländern eine stärkere Absicherung ihrer Interessen im europäischen Integrationsprozeß angemahnt. Die Bundesregierung machte sich diese Forderung teilweise zu eigen und schlug die Einrichtung eines Regionalausschusses mit beratender Stimme gegenüber Rat, Kommission und Europäischem Parlament vor. Dieser Ausschuß sollte bei Fragen angehört werden, „die sich auf die Regionalentwicklung einschließlich der Regionalpolitik der Gemeinschaft beziehen und (zu) weiteren (im) Vertrag vorgesehenen Fällen“ Wenngleich dieses Anliegen von den meisten europäischen Institutionen und Verbänden unterstützt wurde, so stieß es im Kreise der anderen EU-Mitgliedstaaten nur bedingt auf Zustimmung. Insbesondere in den zentralisitsch organisierten Staaten wurde befürchtet, daß die Regionen und Kommunen auch auf nationaler Ebene stärkeren Einfluß gewinnen und sich die EU langfristig in Richtung auf ein föderal strukturiertes Europa entwickeln könnte Am Ende konnten sich die Regierungen daher lediglich auf ein Gremium verständigen, das nur dem Rat sowie der Kommission zuarbeiten durfte und weder über eine eigenständige Verwaltung verfügte, noch das Recht besaß, sich selbst eine Geschäftsordnung zu geben.

Die Europäische Union unterscheidet sich von internationalen Organisationen im wesentlichen dadurch, daß Akteure unterhalb der staatlichen Ebene eine wichtige Rolle spielen. Demzufolge deutet vieles darauf hin, „daß der institutioneile Wandel in der EU, wie er sich auch in der Errichtung des Ausschusses der Regionen zeigt, nicht in erster Linie von dem Versuch der Erlangung demokratischer Legitimation geprägt ist -was eine Nachahmung der staatlichen Strukturen der Mitgliedstaaten bedeuten würde sondern vielmehr von dem Ansinnen, quasi als ersten Schritt, das Problem der Legitimität in der Gemeinschaft zu lösen“ Dieses Motiv gilt zumindest für die europäischen Institutionen sowie die Mitgliedstaaten, denen es bei der Einsetzung des Ausschusses der Regionen zuallererst darum ging, die Akzeptanz in der Bevölkerung für die auf EU-Ebene getroffenen Entscheidungen zu erhöhen.

Für die Regionen und hier insbesondere die deutschen Länder ging es vor allem darum, ihr Gewicht auf der europäischen Bühne zu stärken. Angesichts zunehmender Kompetenzverlagerungen von den Mitgliedstaaten nach Brüssel fürchteten sie um den Bestand ihrer Zuständigkeiten, auf denen nicht zuletzt ihre Qualifikation als Bundesländer beruht. Um so größer war ihr Bestreben, ihre spezifischen Anliegen in den Willensbildungsprozeß der EU einzubringen.

Das Interesse der Kreise, Gemeinden und Städte in Deutschland, sich in Brüssel Gehör zu verschaffen, rührte daher, daß sie gleichsam an zwei Fronten gegen eine schleichende Aushöhlung ihrer Selbstverwaltungsrechte kämpfen. Zum einen weitet die EU ihre Rechtsetzungskompetenzen kontinuierlich aus, zum anderen ziehen die Regionen in einer Art Abwehrreaktion gegen Brüssel immer mehr Regelungsbefugnisse an sich, wodurch der kommunale Handlungsspielraum weiter eingeengt wird. Die in Art. 28, Abs. 2 des Grundgesetzes niedergelegte kommunale Selbstverwaltungsgarantie erweist sich demgegenüber als nicht „europafest“.

Diese unterschiedliche Interessenlage zeigte sich auch bei der Auswahl der deutschen Ausschußmitglieder. Im Vorfeld der Einsetzung des Ausschusses im Jahre 1994 gab es erheblichen Widerstand seitens der Bundesländer gegen eine kommunale Beteiligung aus Deutschland Die Länder konnten sich damals mit ihrer Maximalforderung allerdings nicht durchsetzen. Im Zusammenhang mit der Regierungskonferenz zur Überarbeitung des Europäischen Vertragswerks, die im März 1996 in Turin ihre Arbeit aufnahm und im Juni 1997 mit dem Amsterdamer Treffen der Staats-und Regierungschefs aus der EU abgeschlossen wurde, wiederholten einige von ihnen jedoch ihren Alleinvertretungsanspruch, scheiterten damit aber schon in den eigenen Reihen

III. Das Benennungsverfahren, Kompetenzen und Arbeitsweise des AdR

Grundlage der Arbeit des Ausschusses der Regionen ist Art. 198a-c des EGV-Vertrages, der mit dem Maastrichter „Vertrag über die Europäische Union“ neu in das europäische Vertragswerk aufgenommen wurde

Die Zahl der Mitglieder pro Mitgliedsland ist ebenfalls in diesem Artikel festgelegt worden. Sie beträgt für Deutschland und die anderen großen Mitgliedsländer Frankreich, Großbritannien und Italien je 24. Luxemburg stellt mit sechs Delegierten die kleinste Delegation. Die Delegationsstärken der anderen Mitgliedsländer der EU liegen zwischen diesen beiden Größen. Zu Beginn seiner Tätigkeit gehörten dem Ausschuß 189 Mitglieder sowie ebenso viele Stellvertreter an. Nach der Aufnahme Österreichs, Finnlands und Schwedens in die EU umfaßt der Ausschuß nunmehr 222 Delegierte und 222 Stellvertreter. Die Delegierten Österreichs, Finnlands und Schwedens nahmen erstmals am 1. und 2. Februar 1995 an einer Sitzung des Ausschusses teil. Die Mitglieder des Ausschusses sowie eine gleiche Anzahl von Stellvertretern werden vom Rat auf Vorschlag des jeweiligen Mitgliedstaates durch einstimmigen Beschluß auf vier Jahre benannt, Wiederernennung ist zulässig. Sie sind an keine Weisungen gebunden und üben ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaft aus (Art. 198 c EGV). In der Bundesrepublik benennt das jeweilige Vorsitzland in der Ministerpräsidentenkonferenz die deutschen AdR-Mitglieder und Stellvertreter. Gemäß § 14 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union regeln die Länder ein Beteiligungsverfahren für die Gemeinden und Gemeindeverbände, das sichert, daß diese auf Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände mit drei gewählten Delegierten im Regionalausschuß vertreten sind Diese müssen laut Abkommen der Ministerpräsidenten über die Entsendung der Mitglieder und Stellvertreter in den Ausschuß der Regionen gewählte Vertreter von Gemeinden und Gemeindeverbänden sein Für die Ländervertreter besteht diese Einschränkung jedoch nicht; viele entsenden daher auch Staatssekretäre nach Brüssel. In diesem Abkommen ist auch geregelt, daß jedes Land zunächst ein Mitglied und einen Stellvertreter benennt und die fünf weiteren der auf die Länder entfallenden Sitze in der Reihenfolge ihrer Einwohnerzahl besetzt werden.

Die in Art. 198 c EGV erwähnte obligatorische Anhörung bezieht sich auf die Bereiche Allgemeine und berufliche Bildung der Jugend (Art. 126, Abs. 4 EGV), Fördermaßnahmen im Bereich der Kulturpolitik (Art. 128, Abs. 5 EGV), Fördermaßnahmen im Bereich des Gesundheitswesens (Art. 129 EGV), Maßnahmen im Bereich Transeuropäische Netze (Art. 129 b + c EGV) und wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt (Art. 130 b EGV). Durch den Vertrag von Amsterdam vom 16. /17. Juni 1997 wurde das obligatorische Anhörungsrecht des AdR auf die Bereiche Beschäftigung (Art. 4 und 5 EGV), Soziale Angelegenheiten (Art. 118, Abs. 2 und 3 EGV), Öffentliche Gesundheit (Art. 129, Abs. 4 EGV), Umwelt (Art. 130s, Abs. 1, 2 und 3 EGV), Europäischer Sozialfonds (Art. 125 EGV), Berufliche Bildung (Art. 127, Abs. 4) sowie Verkehr (Art. 75 EGV) ausgeweitet.

Darüber hinaus kann der AdR von Rat und Kommission um eine Stellungnahme gebeten werden, wenn diese es für zweckmäßig erachten. Dies gilt nach dem Vertrag von Amsterdam insbesondere in Fällen, die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit betreffen. Er kann aber auch von sich aus Stellungnahmen abgeben (Initiativstellungnahme) und sich in den Fällen, in denen laut Vertrag der Wirtschafts-und Sozialausschuß angehört werden muß, zu Wort melden, wenn er der Ansicht ist, daß spezifische regionale Belange berührt sind (fakultative Stellungnahme).

Damit besitzt der AdR die Möglichkeit, über den Anwendungsbereich des obligatorischen Anhörungsrechts hinaus zu allen Themen, insbesondere aber zu den Bereichen Freizügigkeit (Art. 49 EGV), Niederlassungsfreiheit (Art. 54, Abs. 2 EGV), Steuerrecht (Art. 99 EGV), Angleichung von Rechtsvorschriften sowie Verwirklichung des Binnenmarktes (Art. 100, 100 a EGV), Verbraucherschutz (Art. 129 a EGV), Industriepolitik (Art. 130, Abs. 3 EGV) sowie Forschung und Entwicklung (Art. 130 i, 130 o EGV) Stellungnahmen abzugeben.

Während der AdR bislang nur vom Rat und der Kommission gehört wurde, ist dies nach den Bestimmungen des Vertrages von Amsterdam auch dem Europäischen Parlament gestattet. Parallel dazu wurde eine Inkompatibilitätsklausel in den Vertrag aufgenommen, derzufolge Mitglieder des Ausschusses nicht gleichzeitig dem Europäischen Parlament angehören dürfen. Weiterhin erhält der AdR nun eine eigene Verwaltung und kann über seine Geschäftsordnung selbst bestimmen.

Die Arbeit des Ausschusses der Regionen vollzieht sich in den Plenarversammlungen, den Fachkommissionen und dem Präsidium. Grundlage der Arbeit der Plenarversammlungen sind in der Regel Entwürfe für Stellungnahmen der Fachkommissionen, die der Ausschuß eingerichtet hat.

Das Präsidium besteht aus insgesamt 36 Mitgliedern und wird auf die Dauer von zwei Jahren gewählt. Den bevölkerungsstarken Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Italien und Spanien stehen jeweils drei Präsidiumssitze zu, den anderen Mitgliedstaaten jeweils zwei. Das Präsidentenamt wird auf diese nationalen Kontingente nicht angerechnet. Jeder Mitgliedstaat benennt eines seiner Präsidiumsmitglieder zum Vizepräsidenten des AdR. Auf deutscher Seite war dies in der ersten Amtszeit Minister Dammeyer, jetzt wird die Bundesrepublik von Ministerpräsident Teufel als deutschem Vizepräsidenten vertreten. Der erste Präsident des Ausschusses der Regionen war Jacques Blanc, Präsident der französischen Region Languedoc-Roussilon, der der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) angehörte. Ihm folgte 1996 der Oberbürgermeister von Barcelona, Pasqual Maragall, als Vertreter der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) nach.

Nachdem sich die Ausschußmitglieder zunächst eher nach geographischen Gesichtspunkten zusammengefunden hatten herrscht nunmehr die politische Zugehörigkeit als Organisationsprinzip im AdR vor. Die größte Fraktion stellte bislang die Europäische Volkspartei mit insgesamt 166 Mitgliedern, davon 17 aus Deutschland. Danach folgte die SPE-Fraktion, der 157 Delegierte angehörten. Aus Deutschland arbeiteten 24 Mitglieder in dieser Fraktion mit. Die Liberale Fraktion bestand bisher aus 57 Mitgliedern, darunter zwei Deutsche. Die Europäische Allianz stellte in der ersten Amtsperiode des AdR mit 30 Mitgliedern die kleinste Fraktion. Von deutscher Seite gehörten drei Delegierte aus dem Grünen-Spektrum der Europäischen Allianz an.

IV. Bewertung der bisherigen Arbeit

1. Quantität und Qualität der Stellungnahmen Insgesamt wurden in der ersten Amtsperiode des Ausschusses der Regionen 197 Stellungnahmen sowie sonstige Dokumente verabschiedet, wobei 29 Stellungnahmen von deutschen Berichterstattern erstellt wurden Vom Umfang her wurden die meisten Stellungnahmen zu den Themen Umwelt und Landwirtschaft angefertigt, gefolgt von den Bereichen Regionalpolitik, Verkehr, Wirtschafts-und Sozialpolitik. Zu den Themenbereichen Bildung und Raumordnung wurden ebenfalls recht häufig Stellungnahmen verabschiedet. Im Mittelfeld rangierten die Themenblöcke Informationsgesellschaft, Gesundheit und Energie, gefolgt von Stellungnahmen zu den Themen Kultur, Kohäsion und Telekommunikation. Am unteren Ende der Themenskala siedelten sich die Bereiche Bürgerrechte, Jugend und Sport sowie Medien und Tourismus an. Schlußlichter waren Forschungssowie Verbraucherthemen.

Aus der Vielzahl der Stellungnahmen des AdR waren für die deutschen Länder und Kommunen von besonderer Bedeutung die Beschlüsse zur Regierungskonferenz vom 20. /21. April 1995, zum Gipfel der Regionen und Städte vom 15. /16. Mai 1997, zur Wirtschafts-und Währungsunion vom 18. /19. September 1996, zur EU-Beschäftigungspoiitik vom 13. /14. November 1996, zu den finanziellen und administrativen Folgen von EU-Rechtsakten auf die regionalen und lokalen Gebietskörperschften vom 15. /16. November 1995, zum Weißbuch „Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ vom 27. /28. September 1994, zum Kommunalwahlrecht für EU-Bürger vom 27. /28. September 1994, zum Dokument Europa 2000 sowie zum Thema „Stadtentwicklung und die Europäische Union“, beide vom 19. /20. Juli 1995. Auf der letzten Plenartagung des alten AdR am /20. November 1997 wurden u. a. eine Stellungnahme zur Agenda 2000 sowie zu den Ansichten der Regionen und Kommunen zur Gestaltung der europäischen Strukturpolitik nach 1999 verabschiedet.

Trotz der Themenvielfalt lassen sich in den Stellungnahmen einige Übereinstimmungen feststellen. So weist der Ausschuß der Regionen durchgängig auf die Notwendigkeit hin, das Subsidiaritätsprinzip einzuhalten. Gleichzeitig betont er die Rolle der Kommunen und Regionen in dem entsprechenden Politikfeld auf europäischer Ebene und macht seinen Anspruch auf Mitgestaltung geltend. Regelmäßig thematisiert der Ausschuß die finanziellen und verwaltungstechnischen Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Regionen und Kommunen und drängt dabei auf möglichst einfache, unkomplizierte und unbürokratische Regelungen. Der AdR vertritt einen dezentralen Ansatz für alle Politikbereiche. In den Sachpolitiken fühlt sich der Ausschuß vor allem dem Ziel des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der Gemeinschaft (Kohäsion) verpflichtet. Weiterhin gehören die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und die Steigerung der Beschäftigung in der EU sowie ein verbesserter Verbraucherschutz und höhere Umweltstandards zu seinen vordringlichen Anliegen. Die AdR-Mitglieder bekennen sich zur Osterweiterung der EU und plädieren für eine engere Zusammenarbeit mit den Ländern des Mittelmeerraumes. Die Förderung der interregionalen Zusammenarbeit liegt ihnen dabei besonders am Herzen.

Daß die Stellungnahmen des Ausschusses zumindest teilweise von Rat und Kommission berücksichtigt wurden, läßt sich beispielhaft an der Resonanz auf die Stellungnahme zu den finanziellen und verwaltungstechnischen Auswirkungen von EU-Rechtsakten auf die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften belegen. Der AdR hatte in seiner Stellungnahme u. a. die Schaffung eines Bewertungssystems hinsichtlich der Folgen der EU-Gesetzgebung für die Regionen und Kommunen gefordert, mit dessen Hilfe eine größere Transparenz und bessere Umsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten erreicht werden sollte. Die Europäische Kommission hat in ihrem 7. Bericht über die Berücksichtigung der Stellungnahmen des AdR dem vorgeschlagenen System zwar nicht unmittelbar zugestimmt, jedoch in Aussicht gestellt, eventuelle rechtliche und praktische Hindernisse auszuloten 18.

Noch wichtiger aber ist aus deutscher Sicht, daß auf dem Amsterdamer EU-Gipfel in einem Protokoll zu Art. 3 b des EG-Vertrages über die Anwendung der Prinzipien der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit die Interessen der innerstaatlichen Gliederungen ausdrücklich anerkannt wurden. Die Kommission soll deshalb bei ihren Vorschlägen in Zukunft darauf achten, daß die damit verbundenen finanziellen oder administrativen Belastungen für die Gemeinschaft, die Regierungen der Mitgliedstaaten, die lokalen Behörden, die Wirtschaft und die Bürger so gering wie möglich gehalten werden und in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Allerdings entspricht dieses Protokoll nicht der vom Ausschuß sowie der Bundesregierung befürworteten Ausweitung des erst 1992 auf dem Maastrichter EU-Gipfel vor allem auf Drängen der Bundesländer in den EG-Vertrag aufgenommenen Subsidiaritätsprinzips (Art. 3 b EGV) auf die Kommunen und Regionen, um diese besser vor Eingriffen der Europäischen Union zu schützen

Ein Beispiel dafür, wie wichtig eine solche Bestimmung in Zukunft sein könnte, ist die EU-Trinkwasserrichtlinie mit der darin enthaltenen Verpflichtung zum Austausch von bleihaltigen Rohrleitungen bzw. Rohrleitungen aus Blei. Alles in allem sind von dieser Bestimmung europaweit zirka 20 Millionen Wohnungen und vier Millionen Wasserversorgungssysteme betroffen. Die Ausgaben zur Umsetzung dieser Norm belaufen sich auf fast 40 Millionen ECU für die z. B. in Deutschland die Kommunen aufkommen müssen.

2. Beziehungen zu den Gemeinschaftsinstitutionen

Als bislang einziges EU-Organ hat die Kommission ein Verfahren der Zusammenarbeit mit dem AdR formalisiert. Kernpunkte dieses Verfahrens sind die Abstimmung der jährlichen Arbeitsprogramme der Kommission mit dem Ausschuß sowie eine regelmäßige Berichterstattung über die Berücksichtigung der Stellungnahmen des AdR. Durch die häufige Teilnahme von Kommissionsmitgliedern, insbesondere der für Regionalpolitik zuständigen deutschen Kommissarin Monika Wulf-Mathies an Ausschußsitzungen, ist ein Vertrauensverhältnis entstanden. Auch läßt sich beobachten, daß die Kommission bei der Konzeption und Umsetzung ihrer Politiken zunehmend die innerstaatlichen Ebenen einbezieht und dabei gerne auch auf die Expertise von Ausschußmitgliedern zurückgreift. Während das Verhältnis zum Rat anfangs rein formaler Natur war, d. h.der Rat ersuchte den AdR entsprechend den gesetzlichen Grundlagen um Stellungnahme zu einem bestimmten Dokument, zeichneten sich in letzter Zeit einige vielversprechende Ansätze für eine konstruktive Zusammenarbeit ab. So nahmen Ausschußmitglieder an der informellen Konferenz der EU-Raumordnungsminister am 9. und 10. Juni 1997 in Noordwijk teil, und der AdR wurde an den Vorbereitungen des EU-Beschäftigungsgipfels im November 1997 beteiligt. Die vom Ausschuß erhoffte offizielle Teilnahme an diesem Gipfeltreffen der EU-Staats-und Regierungschefs kam allerdings nicht zustande. Dies ist ein Indiz dafür, daß Ausmaß und Inhalt der Kooperation zwischen Rat und AdR eher von der individuellen Entscheidung des jeweiligen Ratsvorsitzes als von einem standardisierten Kooperationsverfahren bestimmt werden. Die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Ausschuß der Regionen waren und sind zum Teil noch immer von einem Konkurrenzverhältnis geprägt. Verantwortlich hierfür ist, daß in beiden Gremien demokratisch legitimierte Vertreter mit politischem Anspruch mitwirken. Im Zusammenhang mit der gemeinsamen Konferenz des Europäischen Parlaments und des Ausschusses der Regionen vom 1. bis 3. Oktober 1996 zur Weiterentwicklung der Europäischen Union und der Strukturpolitik ist es jedoch zu einer deutlichen Annäherung gekommen. Großen Anteil daran haben die politischen Fraktionen des AdR, die sich zum Teil mit ihren Parteifreunden im Europäischen Parlament regelmäßig beraten.

3. Zusammenarbeit zwischen Kommunal-und Regionalvertretern

Die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern und den kommunalen Spitzenverbänden hat sich auf der Arbeitsebene bislang weitgehend unproblemtisch gestaltet. Auf politischer Ebene wurden hin und wieder Interessenunterschiede deutlich, dies zeigte sich insbesondere bei der Verabschiedung der Stellungnahme zum Aktionsprogramm der Gemeinschaft für den Katastrophen-schutz Innerhalb des AdR spielen die Unterschiede zwischen der deutschen kommunalen sowie regionalen Delegation mit den genannten Ausnahmen allerdings keine nennenswerte Rolle. Häufiger kommt es demgegenüber zu Interessen-gegensätzen zwischen den Bundesländern, vor allem aber zwischen Vertretern aus den nördlichen sowie den südlichen Mitgliedstaaten. Dies zeigte sich insbesondere bei landwirtschaftlichen Themen sowie ausgabewirksamen Forderungen z. B. im Zusammenhang mit den Strukturfonds. Eher selten orientierte sich das Abstimmungsverhalten im AdR anhand parteipolitischer Zugehörigkeiten. In der Regel folgt die Mehrheit des Plenums oder der Fachkommission den Vorstellungen der jeweiligen Berichterstatter.

V. Ausblick

Dem AdR wurde in der Vergangenheit oft vorgeworfen, sich insbesondere durch das Intrument der Initiativstellungnahmen politisch zu verzetteln, anstatt sich auf einige aus kommunaler oder regionaler Sicht prioritäre Aspekte zu beschränken. Zu einem größeren Teil lagen seine Probleme aber in einigen „Kinderkrankheiten“ begründet. So mußte sich der Ausschuß der Regionen seine Verwaltung mit dem anderen beratenden Gremium auf EU-Ebene, dem Wirtschafts-und Sozialausschuß, teilen. Dies führte häufig zu praktischen Problemen wie z. B. Verzögerungen bei der Übersetzung von Ausschußdokumenten oder Verspätungen beim Versand von Sitzungsunterlagen. Im Vertrag von Amsterdam wurden diese Hindernisse zwar beseitigt, solange er aber noch nicht von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert und damit in Kraft gesetzt ist, ist noch mit Schwierigkeiten zu rechnen. Aus deutscher Sicht gilt es auf der in der ersten Amtsperiode geschaffenen Grundlage aufzubauen und dabei das politische Potential des Ausschusses noch stärker für die Belange der Länder sowie der Kommunen zu nutzen. Die Voraussetzungen hierfür sind durch den Vertrag von Amsterdam erheblich verbessert worden. Allerdings bleibt noch einiges zu tun: Das von den Mitgliedern des Ausschusses der Regionen geforderte Klagerecht für den AdR vor dem Europäischen Gerichtshof zur Wahrung seiner eigenen Befugnisse findet sich ebenso wenig in dem neuen Vertragstext wie die insbesondere von den deutschen Kommunen und Bundesländern geforderte europaweite Verankerung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts.

Fussnoten

Fußnoten

  1. In Art. 198 a EGV (Vertrag über die Europäische Gemeinschaft) heißt es wörtlich: „Es wird ein beratender Ausschuß aus Vertretern der regionalen und lokalen Gebiets-körperschaften, nachstehend . Ausschuß der Regionen'genannt, errichtet.“ Abgedruckt in: Europäische Union, Textsammlung, Band I, Teil I, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, Luxemburg 1995.

  2. Vgl. Wolfgang Clement, Der Ausschuß der Regionen: Kritik und Ausblick -Eine politische Bewertung, in: Christian Tomuschat (Hrsg.), Mitsprache der dritten Ebene in der europäischen Integration: Der Ausschuß der Regionen, Bonn 1995, S. 97-115. Der von Clement verwendete Begriff „Regionalkammer“ deutet allerdings auf den Alleinvertretungsanspruch der deutschen Länder hin.

  3. Dafür spricht auch, daß sich das Europäische Parlament bei den Beratungen über den Haushalt des AdR bereits mehrfach in die Organisationshoheit des Ausschusses eingemischt hat. Während das Generalsekretariat des AdR zusätzliche Stellen vor allem zur Betreuung der nationalen Delegationen beantragte, verweigerte ihm das Europäische Parlament, das zusammen mit dem Rat die Haushaltsbehörde darstellt, dies mit der Maßgabe, als politisches Organisationsprinzip ausschließlich politische Fraktionen zuzulassen. Dementsprechend wurden dann lediglich Mittel zur Anstellung von Sekretären der politischen Fraktionen bewilligt bzw. darüber hinausgehende Personalwünsche des AdR wurden gänzlich abgelehnt.

  4. Die Entstehungsgeschichte des AdR war allerdings zunächst unabhängig vom Beirat, er ist also nicht direkt aus diesem hervorgegangen. Vgl. hierzu Sigrid Wienhues, Kommunale Selbstverwaltung in einer Europäischen Union. Deutsche Gemeinden und spanische „municipios“ im europäischen Integrationsprozeß, Heidelberg 1996, S. 264 ff.

  5. Das Europäische Parlament hatte bereits 1984 auf seiner ersten Konferenz mit Regionen in der EU die von europäischen Regional-und Kommunalverbänden erhobene Forderung unterstützt und die Kommission dementsprechend aufgefordert, ihre Beziehungen zu lokalen und regionalen Vertretern zu institutionalisieren. Vgl. Europäisches Parlament, Entschließung vom 13. April 1984, abgedruckt in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. C 127 vom 14. 5. 1994, S. 240.

  6. S. Wienhues (Anm. 4), S. 264.

  7. Daß diese Befürchtungen nicht ganz unberechtigt waren, zeigt sich schon daran, daß insbesondere in Irland, Großbritannien, Portugal und Griechenland die Frage der Besetzung des Ausschusses Diskussionen über die regionale Gliederung in Gang gesetzt hat, die z. B. in Großbritannien bereits gewisse Erfolge gezeitigt haben.

  8. Olaf Tauras, Der Ausschuß der Regionen. Institutionalisierte Mitwirkung der Regionen in der EU, Münster 1997, S. 14.

  9. Vgl. ebd., S. 122 ff.

  10. In seiner ersten Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Vertrag über die Europäische Union sprach sich der Bundesrat u. a. dafür aus, daß die 24 der Bundesrepublik Deutschland zustehenden Sitze im Ausschuß der Regionen von Vertretern der Länder eingenommen werden sollen. Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, 646. Sitzung vom 24. 9. 1992, abgedruckt als Anlage 2 der Bundestags-Drucksache 12/334. S. 116 f.

  11. Vgl. Oliver Mietzsch, Was lange währt, wird endlich gut. Forderungen der Bundesländer zu Maastricht II, in: Europa kommunal, 20 (1996) 2, S. 77 f.

  12. Vgl. Europäische Union (Anm. 1).

  13. Vgl. Bundesgesetzblatt, Nr. 9, Jahrgang 1993, Teil 1, Bonn vom 19. 3. 1993.

  14. Abkommen über die Entsendung der Mitglieder und Stellvertreter in den Ausschuß der Regionen der Europäischen Gemeinschaft, als Bekanntmachung des Ministeriums für Bundes-und Europaangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen abgedruckt in MB 1, LSA Nr. 41/1993.

  15. Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Bulletin Nr. 94, S. 1089 ff.

  16. Im AdR-Generalsekretariat betreuten anfangs fünf Hilfskräfte die nach geographischer Nähe zusammengesetzten nationalen Delegationen Benelux und Frankreich, Vereinigtes Königreich und Irland, Skandinavien, Spanien und Portugal sowie Italien und Griechenland. Nur die deutsche und österreichische Delegation lehnten einen solchen nationalen Ansprechpartner von vornherein ab, da sie dem politischen Organisationsprinzip den Vorzug gaben. Neben den nationalen Delegationen existieren noch einige interregionale Gruppen wie z. B. die Gruppen Mittelmeerraum, Ostsee, Alpenbogen, sie haben allerdings keinen offiziellen Status.

  17. An reinen Stellungnahmen verabschiedete der AdR in den ersten vier Jahren seines Bestehens 184.

  18. Vgl. hierzu Oliver Mietzsch. Stellungnahme des Ausschusses der Regionen: Finanzielle und administrative Folgen der EU-Gesetzgebung, in: Europa Kommunal, 20 (1996) 3, S. 124 f.

  19. Vgl. Vertrag von Amsterdam (Anm. 15).

  20. 1 ECU entspricht zur Zeit einem Gegenwert von zirka 1, 97 DM.

  21. Vgl.den Schlußbericht des Europäischen Parlamentes über diese Konferenz: Für ein Demokratisches Europa, Konferenz Europäisches Parlament/Gebietskörperschaften der Europäischen Union, Brüssel 1. -3. 10. 1996.

  22. Vgl. Vorschlag für einen Beschluß des Rates über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft für den Katastrophen-schutz, CdR 300/95.

Weitere Inhalte

Oliver Mietzsch, Dipl. -Pol., geb. 1962; Referent in der Abteilung Europa und Ausland des Deutschen Städtetages in Köln. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Michael R. Lucas) Peaceful Dispute Settlement and the CSCE, in: Michael R. Lucas (Hrsg.), CSCE in the 1990s: Constructing European Security and Cooperation, Baden-Baden 1993.