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Vorwort | APuZ 36/1975 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 36/1975 Vorwort Artikel 2 Vorwort Artikel 4 Die Diskussion über den Abschnitt „Die Ziele des demokratischen Sozialismus" Die Diskussion über den Abschnitt „Bedingungen und Bezugsrahmen" Die Diskussion über den Abschnitt „Markt und Lenkung" Die Diskussion über den Abschnitt „Die Durchsetzung einer Politik des demokratischen Sozialismus als Aufgabe der Sozialdemokratischen Partei" Anmerkungen zum Abschnitt „Schwerpunktbereiche"

Vorwort

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Bereits im Mai 1970 hatte der Parteitag der SPD in Saarbrücken ein sogenanntes „Langzeitprogramm" in Auftrag gegeben. In diesem Programm sollten auf der Grundlage des Godesberger Programms die Möglichkeiten und Grenzen sozialdemokratischer Reformpolitik für eine mittlere Frist (bis 1985) dargestellt werden. Der Auftrag des Parteitags ging dahin, daß das Programm quantifiziert und konkretisiert sein solle.

Der Parteivorstand setzte eine Kommission ein, die unter dem Vorsitz von Helmut Schmidt, Hans Apel und Jochen Steffen eine Vorlage erarbeitete, die 1973 als „Entwurf eines ökonomisch-politischen Orientierungsrahmens 1973— 1985" dem Parteitag von Hannover vorgelegt wurde. Bereits vorher war dieser Entwurf in der SPD ausführlich beraten worden und hatte zu zahlreichen Anträgen an den Parteitag geführt. Aufgrund dieser Anträge, die — abgesehen von zahlreichen Verbesserungsvorschlägen im einzelnen — dem Entwurf überwiegend kritisch gegenüberstanden, wurde beschlossen, eine neue Kommission einzusetzen. Diese Kommission war aus 22 Mitgliedern der Bezirke und acht vom Partei-Vorstand benannten Mitgliedern zusammengesetzt.

Die Kritik des Parteitages und der Anträge zum Parteitag hatte sich auf vier Hauptpunkte konzentriert: auf die fehlende Analyse, die unzureichende Beziehung der Einzelforderungen auf die Grundforderungen des demokratischen Sozialismus, die Annahme eines rein quantitativen Wachstums und schließlich das Fehlen einer Strategie zur Verwirklichung der im Programm im einzelnen genannten Maßnahmen.

Diese und zahlreiche andere Kritikpunkte, über deren Berechtigung hier im einzelnen nicht gesprochen werden kann, fanden ihren Niederschlag in einer umfangreichen Resolution des Parteitages, die in der innerparteilichen Diskussion im folgenden als der „Auftrag von Hannover" bezeichnet wurde. Im Mittelpunkt des Auftrags steht die Aufgabe, auf der Grundlage des Godesberger Programms die Grundwerte des demokratischen Sozialismus zu präzisieren und zu konkretisieren, eingetretene und zu erwartende gesellschaftliche Entwicklungen zu analysieren und aufzuzeigen, wie durch Reformen die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland in Richtung auf mehr Freiheit, mehr Ge3 rechtigkeit und mehr Solidarität verändert werden kann.

Die Aufgabe der neuen Kommission war — verglichen mit der der ersten — einerseits einfacher, andererseits schwieriger; einfacher deshalb, weil bereits ein Text vorlag, der in einem ersten Durchgang in der Partei diskutiert worden war, schwieriger deshalb; weil aufgrund dieser Diskussion der Kommission sehr viele und präzise Arbeitsaufträge gegeben wurden, die zeitlich kaum zu bewältigen waren.

Die Kommission hat in 13 Plenarsitzungen, darunter vier mehrtägigen Sitzungen und zahlreichen Sitzungen von Ad-hoc-Gruppen — insgesamt fanden an 54 Tagen Sitzungen statt—, versucht, diese Aufgabe zu bewältigen. Das Ergebnis ist der „Zweite Entwurf eines ökonomisch-politischen Orientierungsrahmens für die Jahre 1975— 1985", der am 14. Januar 1975 dem Parteivorstand der SPD vorgelegt, von diesem am 31. Januar 1975 veröffentlicht und in der Partei und in der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt wurde.

Die Arbeit wäre trotz aller Bemühungen der Kommissionsmitglieder nicht zu bewältigen gewesen, wenn der Kommission nicht ein Planungsbüro mit fünf wissenschaftlichen Mitarbeitern und zwei Sekretärinnen zur Verfügung gestanden hätte.

In der folgenden Darstellung wird durch Mitarbeiter des Planungsbüros versucht, im einzelnen darzulegen, wie der Prozeß der Diskussion und Willensbildung in der zweiten Kommission Orientierungsrahmen abgelaufen ist.

Die Kommission hat neben dem eigentlichen Text — als dem Hauptergebnis ihrer Arbeit — zusätzlich einen Materialband „Basisdaten“ veröffentlicht. Die Kommissionsvorsitzenden haben darüber hinaus einen Band „Thema: Wirtschaftspolitik“ vorgelegt, in dem wesentliche Diskussionsbeiträge und Vorarbeiten zur Kommissionsarbeit zusammengefaßt worden sind. Die hier vorgelegte Schilderung wesentlicher Punkte des Diskussionsablaufes in der Kommission stellt demgegenüber kein offizielles oder auch nur offiziöses Dokument der Kommission dar. Die Beiträge werden inhaltlich allein von den Verfassern verantwortet und geben — noch dazu in einer sehr gerafften Darstellung — deren persönliche Auffassung wieder. Sie haben den Vorsitzenden auch vor ihrer Veröffentlichung nicht vorgelegen.

Die Beiträge erheben keinen Anspruch auf eine wissenschaftlich exakte Ablaufdarstellung eines Prozesses, sondern sind Schilderungen aus der detaillierten Erfahrung der Mitarbeiter des Planungsbüros, die zu allen Sitzungen Protokolle geführt haben und die Diskussion mit einer Intensität verfolgen konnten, wie es diejenigen, die unmittelbar an beteiligt ihr gewesen sind, wahrscheinlich nicht vermochten. Es handelt sich also bei der folgenden Darstellung sicherlich um subjektive Eindrücke, die aber durch eine detaillierte und intensive Erfahrung begründet sind.

Die Vorsitzenden der Kommission Orientierungsrahmen begrüßen diese Veröffentlichung, weil sie eine zusätzliche Information über die Arbeit der Kommission darstellt und weil sie vielleicht darüber hinaus Hinweise geben kann, welche Probleme und Schwierigkeiten, aber auch welche Lösungsmöglichkeiten bestehen, wenn relativ komplizierte Sachverhalte in demokratisch, d. h. durch Wahl zusammengesetzten Gremien diskutiert und durch Beschluß verabschiedet werden sollen.

Die folgende Darstellung bezieht sich nur auf den Allgemeinen Teil des Orientierungsrahmens. Er behandelt die mehr grundsätzlichen Fragen in den Kapiteln: «Die Ziele des demokratischen Sozialismus“, «Bedingungen und Bezugsrahmen“, „Die Durchsetzung einer Politik des demokratischen Sozialismus als Aufgabe der Sozialdemokratischen Partei“ und schließlich die fünf Schwerpunktbereiche:

Modernisierung unserer Wirtschaft, Reform der Berufsausbildung, Humanisierung der Arbeitswelt, , Reform des Gesundheitswesens, Städteplanung und Stadtentwicklung. Dieser erste Teil soll gemäß einem Vorschlag des Parteivorstandes auf dem kommenden Parteitag der Sozialdemokratischen Partei in Mannheim definitiv verabschiedet werden. Den Besonderen Teil hat die Kommission Orientierungsrahmen aufgrund der Vorlage des Ersten Entwurfs nur teilweise überarbeiten können. Sie hat zum Ausdruck gebracht, daß sie diesen Teil insgesamt — insbesondere aber einige Unterkapitel — noch für überarbeitungsbedürftig hält.

Der Parteivorstand hat empfohlen — und wird dem Mannheimer Parteitag einen entsprechenden Beschlußvorschlag unterbreiten—, daß der Besondere Teil zur weiteren Bearbeitung an eine neue, dritte Kommission Orientierungsrahmen überwiesen wird.

Anfang August 1975

Peter von Oertzen Horst Ehmke Herbert Ehrenberg

Fussnoten

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