Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

TikTok und Rechtsextremismus | Rechtsextremismus | bpb.de

Rechtsextremismus Was ist Rechtsextremismus? Rassismus Was ist eigentlich Rassismus? Rassen? Gibt's doch gar nicht! Warum ist es so schwer, von Rassismus zu sprechen? Alltagsrassismus Rassentheorien und Rassismus in Asien im 19. und 20. Jahrhundert Infografik Rassismus Verschwörungstheorien Jüdische Weltverschwörung, UFOs und das NSU-Phantom Die Reichsideologie Die Protokolle der Weisen von Zion Debatte: Extremismustheorie Der Extremismusbegriff Kritische Anmerkungen zum Extremismuskonzept Weiterführende Literatur Ideologie Rechtsextreme Einstellungen Zur Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland Was denkt die NPD? Rechtsextremismus: die internationale Debatte Intellektueller Rechtsextremismus Muslimfeindlichkeit Islamfeindlichkeit, Islamophobie, Islamkritik Interview Hafez Muslimfeindlichkeit als rechtsextremes Einfallstor Virtuelle Kreuzritter Konkurrenz der Leidtragenden Quellentext: Islamfeindlichkeit und Antisemitismus ähneln einander Antisemitismus Antisemitismus im Rechtsextremismus Antisemitismus heute Interview mit Marina Chernivsky Antisemitismuskritische Bildungsarbeit Die AfD und der Antisemitismus Verbreitung des Antisemitismus in Deutschland Ungezählte Opfer Wie organisieren sich Rechtsextreme? Internationale Netzwerke Die Eurasierbewegung und die Neue Rechte Die APF: Europas rechtsextremer Rand Rechtsextreme US-Szene Wie Russland den rechten Rand in Europa inspiriert Globalisierte Anti-Globalisten Die Identitären Neonazis in Russland Hammerskins Kampfsport, Runen, Rassenhass Rechtsextremistische Parteien in Europa Rechtsextremismus in Russland (Miss-)Erfolge der „Identitären“ NPD Mehr als 50 Jahre rechtsextrem Das Parteiprogramm der NPD Frauen in der NPD Radikal besorgte Bürger Wer wählt eigentlich rechtsextrem? NPD-Taktiken Das Potenzial der NPD NPD-Verbot und Parteienfinanzierung Autonome Nationalisten Turnschuhe statt Springerstiefel "Dortmund ist unsere Stadt" Aussteigerinterview Webtalk: Autonome Nationalisten Rechtsextreme Parteien in Europa Rechtsextreme Akteure in Deutschland Rechtsextreme Szenen und Medien Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft Interview mit Eberhard Seibel Heimatliebe, Nationalstolz und Rassismus Graue Wölfe Nationalismus und Autoritarismus auf Türkisch Antisemitismus bei Muslimen Russlanddeutsche GMF bei Polnischstämmigen Debatte: "Deutschenfeindlichkeit" Jugendkulturen Runen gestern, heute, morgen Jugendkulturen im Wandel Codes der rechtsextremen Szene Interview mit Christoph Schulze Tipps für Jugendeinrichtungen Burschenschaften Kameradschaften Neonazis hinter weißen Masken Kameradschaften im Visier Einführung Jugendkultur Kampfsport Was liest der rechte Rand? Geschichte der rechtsextremen Presse Gegenöffentlichkeit von rechtsaußen Der rechte Rand: Verlage Der rechte Rand: Publikationen Audio-Slideshow Männer Männliche Überlegenheitsvorstellungen Homosexualität Rechtsextreme Männerbilder Soldatische Männlichkeit Burschenschafter Audio-Slideshow Musik Die neonazistische Musik-Szene Neue Töne von Rechtsaußen Rechtsrock für's Vaterland Rechtsrock: Millionen mit Hass Verklausulierte Volksverhetzung Interview mit David Begrich Elf rechte Bands im Überblick Frauen Auf die sanfte Tour Feminismus von rechts Rechte Aktivistinnen Frauen in der NPD Rechtsradikale Frauen Rechtsextrem orientierte Frauen und Mädchen Frauen im rechtsextremen Spektrum Aussteigerinnen Nazis im Netz Roots Germania Rechtsextremismus im Internet Das braune Netz Neonazis im Web 2.0 Zocken am rechten Rand TikTok und Rechtsextremismus Das Internet als rechtsextreme Erfolgsgeschichte? Rechtsextremismus und Presse Interview mit Ulrich Wolf Der NSU und die Medienberichterstattung Umgang mit Leserkommentaren Ein kurzer Ratgeber für Journalisten Krimi gegen Rechts Tonangebende rechtsextreme Printmedien Wenn Neonazis Kinder kriegen Die nächste Generation Hass Umgang mit Kindern von Neonazis Eine Mutter und ihre Kinder steigen aus "Mein Kampf" "Wir wollen den Zünder ausbauen" Helfen Gesetze gegen "Mein Kampf"? Gemeinfrei: "Mein Kampf" Hitlers "Mein Kampf" – ein unterschätztes Buch Rechtsextreme Kampagnen-Themen "Gender" und "Genderwahn" Ökologie Grüne Braune Wie grün waren die Nazis? Interview mit Elisabeth Siebert Debatte: Kommunale Flüchtlingspolitik Nach Köln Flüchtlingsunterkünfte Interview mit Oliver Malchow Was kommunale Flüchtlingspolitik leisten kann – und muss Deutsche Asylpolitik, europäischer Kontext Wer erhält welches Asyl? "Ich habe nichts gegen Flüchtlinge, aber …" – Ein Faktencheck Anstoß in der Kreisklasse Handlungsspielraum der Kommunen Meinung: Die Probleme waren schon vor den Flüchtlingen da Meinung: Kommunale Flüchtlingspolitik aus der Sicht des Bundes Meinung: Probleme und Lösungswege in der kommunalen Flüchtlingspolitik Meinung: Flüchtlingsarbeit in den Kommunen – Eine Herausforderung für Politik und Gesellschaft TwitterChat: Kommunale Flüchtlingspolitik Fußball Judenhass im Fußball Film: Rechtsextremismus und Diskriminierung in deutschen Fußballstadien Interaktiver Webtalk: Über den rechten Flügel – Neonazis und Fußball Fußball und Rechtsextremismus Interaktive Grafik: Rechtsextreme Vorfälle in Fußballstadien Angriff von rechtsaußen Rechtsextreme BVB-Fans Audio-Interview: Martin Endemann über Rassismus im deutschen Fußball Audio: Ronny Blaschke über rechte Fangesänge im Stadion Vereine und Verbände Grauzonen Die "Neue Rechte" Interview mit Maren Brandenburger Der rechte Rand des politischen Systems der Bundesrepublik Die völkische Bewegung Die Junge Freiheit Das Institut für Staatspolitik Völkische Jugendbünde Die "Neue Rechte" in der Bundesrepublik Querdenken und Verschwörungserzählungen in Zeiten der Pandemie Rechtsextreme Gewalt Rechtsextreme Gewalt Angriff auf die Lokalpolitik Rechtsterrorismus Der Einzeltäter im Terrorismus Der Weg zum NSU-Urteil NSU-Verfahren Storify des Chats zu #3JahreNSUprozess Der Anschlag auf Henriette Reker Video: Die migrantische Community und der NSU Der NSU-Untersuchungsausschuss Protokolle NSU-Ausschuss Chat: NSU-Untersuchungsausschuss Interaktive Grafik: Die Taten des NSU Der NSU Der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) Die rechtsextreme Szene und der NSU Der Rechtsterrorismus im Verborgenen Chronik des Rechtsterrorismus Rechtsterrorismus in Europa PMK – Methoden und Debatten PMK – Statistiken Opfergruppen und Feindbilder Wo Demokraten gefährlich leben Die Geschichte des Orazio Giamblanco Wohnungslose Menschen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Was ist Sozialdarwinismus? Wer sind die Opfer? Ausstieg Warum und wie aussteigen? Debatte über echten Ausstieg Interview mit Aussteiger Rochow Pädagogische Arbeitsfelder Netzwerke in Norddeutschland Gewalt gegen Geflüchtete Unvollständige Erinnerung Umgang mit Rechtsextremismus Debatte: Soll man mit Neonazis reden? Toralf Staud: Soll man mit Neonazis reden? Cornelius Weiss: Argumentieren auf allen Ebenen Grit Hanneforth: keine Nazis auf Veranstaltungen Stefan Niggemeier: Ablehnung begründen Andreas Hechler: Entscheidend ist der Kontext Klaus-Peter Hufer: Argumente wirken Simone Rafael: Rassismus widersprechen Initiativen und Zivilgesellschaft Debatte: Was tun bei einem rechtsextremen Aufmarsch? Der rechtsextreme "Kampf um die Straße" Wolfgang Thierse: Wir müssen den öffentlichen Raum gegen die Besetzung durch Rechtsextreme verteidigen Hans-Ernst Böttcher: Man muss nur das Recht anwenden … wollen! Anna Spangenberg: Erfolgreich rechtsextreme Aufmärsche verhindern Herbert Trimbach: Versammlungsfreiheit ist ein Menschenrecht Politische Konzepte Wie sag ich Dass Auschwitz sich nie wiederhole... Denkanstöße aus dem Kanzleramt Bildung, Bildung, Bildung NPD trockenlegen? Wie kann Aussteigern geholfen werden? Interview MVP Forderungen von Projekten an die Politik HDJ-Verbot Strategien im Umgang mit der NPD in Parlamenten Noch mehr Vorschläge Schule Hakenkreuze an der Tafel Interview Reinhard Koch Analyse Albert Scherr Aufsatz Scherr / Schäuble Schülerzeitung Martinshorn Neonazis auf SchülerVZ Studie Uni-Seminar Was können Schülerinnen und Schüler tun? Antidemokratische Positionen und Einstellungen in Schulen Strategien Offener Brief an einen Oberbürgermeister Wie man Hakenkreuze kreativ entschärfen kann Gewalt vermeiden, aber wie? Parolen parieren! Was tun als Opfer rechter Gewalt? Engagement – lohnt das denn? Guter Rat, wenn Nazis stören Rezepte gegen Rechtsextremismus Argumente gegen rechte Vorurteile Vom Hass verabschieden Marke gegen Rechtsextremismus Und Du? Podcasts und Audios Glossar und FAQs Videos und Bilderstrecken Angaben zur Redaktion

TikTok und Rechtsextremismus Neue Formen der Propaganda auf einer kind- und jugendaffinen Plattform

Lara Franke Daniel Hajok

/ 8 Minuten zu lesen

Social Media ist für die Verbreitung rechtsextremistischer Ideologie mittlerweile das bevorzugte Mittel. Die App TikTok steht aktuell besonders im Fokus, weil die Propaganda hier schnell in ein modernes Format gebracht und nicht zuletzt an junge Menschen adressiert werden kann.

Rechtsextrem motivierte Videos sind auf TikTok oft nicht auf den ersten Blick erkennbar. (© picture-alliance, ZUMAPRESS.com | Mateusz Slodkowski)

Bis weit in die 2000er-Jahre hinein war die Hauptverbreitungsform für extremistische Inhalte und Orientierungen, die an Heranwachsende adressiert waren, noch an Musik geknüpft: Tonträger mit jugendaffiner Musik und Festivals zur Vernetzung der Szene waren die bevorzugten Mittel. Mit der zunehmenden Bedeutung von Onlinediensten zu Austausch, Vernetzung und Herstellung von Öffentlichkeit wurden von der neuen Rechten in den letzten Jahren immer mehr auch die Möglichkeiten von Social Media genutzt, um die eigenen Strategien anzupassen und die Verbreitung der Interner Link: Ideologien weiter zu optimieren (Hajok 2022).

Radikalisierung in der Social Media Welt

Im Jahr 2022 bildeten Propagandadelikte mit 62 Prozent den größten Teil der rechtsextremistischen Straftaten in Deutschland (BMI 2022). Mittlerweile gelten Online-Plattformen als zentrale Kanäle bei der Verbreitung rechtsextremer Interner Link: Propaganda. YouTube, Instagram und nicht zuletzt TikTok stehen im Fokus des Kinder- und Jugendmedienschutzes. Immerhin 13 Prozent der im Jahr 2022 insgesamt 7.363 im Netz registrierten Jugendschutzverstöße sind dem Bereich des politischen Extremismus zuzuordnen. Trotz Usermeldung oder offiziellem Kontakt werden solch problematische Inhalte keineswegs immer durch die Plattformen gelöscht (Jugendschutz.net 2023).

Jugendliche, bereits Kinder, sind über die Apps gut erreichbar und somit ein begehrtes Objekt der Radikalisierung. Sie sind „permanently online, permanently connected“ und können so immer und überall mit rechtsextremistischen Inhalten konfrontiert werden, ohne gezielt danach zu suchen (Vorderer 2015, S. 260). Ob sie es wollen oder nicht: Heranwachsende sind im Netz längst zu einer sehr wichtigen Zielgruppe rechtsextremistischer Propaganda geworden. Interner Link: Rechtsextremistische Akteur*innen und Gruppierungen nutzen das Social Web aktiv für die eigenen Ziele, verbreiten hier rechtsextremistische Propaganda, rekrutieren potenzielle neue Anhänger*innen, planen und vernetzen sich innerhalb der Szene (Hajok & Wegmann 2016, Neumann et al. 2018).

Die nutzergenerierten Inhalte auf Social Media-Plattformen sind nah an den Rezeptionsgewohnheiten und der Lebenswelt der jungen Nutzer*innen aufbereitet. Dadurch sinkt die Hürde, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen und eine emotionale Verbindung zu ihnen aufzubauen (Manemann 2020). Zudem evozieren die für Social Media typischen Austauschformen sinkende Hemmschwellen für Grenzverletzungen aller Art und befördern seitens der Agierenden auch Radikalisierungsprozesse. Zentraler Hintergrund sind die Besonderheiten digitaler Kommunikation, die von zeitlicher, räumlicher und sozialer Entgrenzung, dem Fehlen eines direkten Gegenübers, der Kanalreduktion eines (nur) mit Text, Bild und Video Ausgetauschten und den (algorithmisierten) inhaltlichen Zuspitzungen von Filterkammern bzw. Echokammern gekennzeichnet sind. In diesem Zusammenhang kann es nicht verwundern, dass laut Verfassungsschutzbericht immer mehr minderjährige Akteur*innen bekannt werden, die innerhalb dieser Interner Link: Echokammern auch extremistisch und gewaltbereit auftreten (BMI 2022).

Da die Heranwachsenden ihre soziale und politische Identität gerade ausbilden, kann der Kontakt zur rechtsextremistischen Szene riskant sein und zur Desorientierung beitragen (Lehmann & Schröder 2021). Niedrigschwellig und lebensweltorientiert bietet die rechtsextremistische Szene jungen Menschen auf Social Media vermeintlich einfache Antworten auf komplizierte Fragen, was in Zeiten der Orientierungssuche eine besondere Attraktivität erhält. Die ‚einfachen‘ Strukturen und Regeln können ein Gefühl von Macht und Überlegenheit stärken (Schmitt et al. 2017, Reinemann et al. 2019, Lehmann & Schröder 2021). Dies kann den eigenen Einstieg in die rechtsextremistische Szene zu einer Zeit erleichtern, in der politische Denkstrukturen gebildet und eigene Informationszugänge etabliert werden, die bis ins Erwachsenenalter reichen (Krieg 2021).

Warum gerade TikTok?

Wie kein anderes mediales Angebot steht TikTok für niedrigschwelliges Ansehen, Aufnehmen, Bearbeiten und Teilen von Kurzvideos und wurde damit eine der neueren Erfolgsgeschichten im Social Web. Auch für Laien sind die Bearbeitungsmöglichkeiten geeignet, was ein zentraler Grund für den Erfolg der App ist (Guddat & Hajok 2020). Rechtsextremistische Akteur*innen können darüber also einfach und gezielt mit ihrer Zielgruppe in einen Austausch kommen. Auch der Aufbau der App spielt dabei eine Rolle. Auf der sogenannten „For You“-Page werden den Nutzer*innen individuelle, Interner Link: algorithmusbasierte Videos eingespielt. Das baut eine besondere Bindung auf und legt ganz nebenbei aber auch einen zunehmend rezeptiven Umgang mit der App nahe, bei dem eine produktive Nutzung mit dem kreativen Erstellen und Teilen eigener Videos immer weiter in den Hintergrund gerät. Welche Videos dann in Endlosschleife auf der „For You“-Page eingespielt werden, hängt unter anderem davon ab, was die Person vorher gelikt oder länger angeschaut hat (TikTok Technology Limited 2021).

Seit Ende 2019 hat die Bedeutung der App vor allem bei jungen Nutzer*innen stark zugenommen. Ende 2021 nutzte mit zehn, elf Jahren bereits gut ein Viertel der Kinder TikTok, mit zwölf, 13 Jahren gut die Hälfte und mit 14, 15 Jahren waren es schon fast zwei Drittel (Rohleder 2022). Im Jahr 2022 war TikTok bei jungen Menschen dann bereits die drittbeliebteste App auf dem Smartphone: Neben WhatsApp haben für Kinder nur YouTube und für Jugendliche nur Instagram einen noch höheren Stellenwert (MPFS 2022a, 2023).

Fake News auf TikTok

Die Plattform dient dabei nicht nur der Unterhaltung: Mit zunehmendem Alter spielt sie auch eine wichtige Rolle als Informationskanal. Jede*r vierte Jugendliche in Deutschland nutzt TikTok regelmäßig, um sich zum aktuellen Tagesgeschehen zu informieren. Damit liegt die Plattform hinter Suchmaschinen und Instagram auf Platz drei der genutzten Informationskanäle im Netz, die klassische Informationsmedien – wie Fernsehnachrichten, Zeitungen/Zeitschrift etc. – längst abgelöst haben. Mit ihren inhaltlichen Interessen sind die Jugendlichen an die großen Themen unserer Zeit gebunden: Im Jahr 2022 zeigten sich die mit Abstand meisten am Ukraine-Krieg und dem Klimawandel, knapp die Hälfte an der Corona-Situation und Vielfalt in der Gesellschaft (sehr) interessiert (MPFS 2022a).

Mit diesen eigenen Zugängen zu Informationen und Orientierung, bei denen Jugendliche nicht zuletzt auf ihre Social Media Kanäle setzen, kommen die meisten regelmäßig auch mit den gezielt dort ausgesteuerten manipulativen und extremen Botschaften in Kontakt. Im Frühsommer 2022 befragt, gab bei der JIM-Studie gut die Hälfte der 12- bis 19-Jährigen an, ihnen seien im letzten Monat Fake News im Internet begegnet. Jeweils gut zwei Fünftel hatten in diesem Zeitraum auch Kontakt mit extremen politischen Ansichten und Verschwörungstheorien, gut ein Drittel mit Hassbotschaften (ebd.). Hass und Hetze wird dabei vor allem beiläufig in Kommentaren und Social Media Posts wahrgenommen. Die Jüngeren, die 12- bis 16-Jährigen, nehmen Hatespeech vor allem auf TikTok wahr, gefolgt von YouTube und Instagram (MPFS 2022b). In diesem Gesamtzusammenhang haben Social Media allgemein und TikTok speziell eine zunehmende Bedeutung für die politische Sozialisation ihrer Nutzer*innen erlangt. Entsprechende Inhalte begegnen ihnen zunächst zwar eher zufällig und nebenbei über unterschiedliche Formate: beispielsweise in Meinungs- und Erklärvideos, Erfahrungsberichten, Videodokumenten. Wecken die Inhalte aber Interesse, werden sie „aktiv angeeignet, gelikt, geteilt oder kommentiert, was wiederum neue Videos zum Thema in die personalisierte Schleife spült und eine (vertiefte) persönliche Auseinandersetzung evozieren kann“ (Hajok & Wiese 2022, S. 20).

Propagandastrategien bei TikTok

Die Strategien von Rechtsextremist*innen auf TikTok sind genauso vielfältig wie die der Influencer*innen selbst. Sie unterscheiden sich in ihrer Reichweite, ihren Themen und ihrer Ästhetik sehr stark. Zusammengenommen erzielen rechte Akteur*innen auf der Plattform eine große Reichweite und wissen die Begebenheiten der App aktiv zu nutzen, um junge Menschen mit ihrer Ideologie zu erreichen (Jugendschutz.net 2023).

In der detaillierten Analyse ausgewählter Kanäle zeigt sich, dass Rechtsextremist*innen bei TikTok zur Vermittlung ihrer Botschaften eher auf positiv besetzte Emotionen (Stolz oder Zusammengehörigkeit) setzen als auf negativ konnotierte (Aggression, Wut oder Ärger). Offensichtliche Hassrede kommt in den geschickt mit jugendkulturellen Elementen wie Jugendsprachen oder Internetkultur verknüpften Clips demgegenüber relativ selten vor (Franke & Hajok 2022). Der teilweise verwendete Humor, wie er schon länger ein wichtiges stilistisches Mittel zur Überdeckung der rechten Propaganda im Netz ist, dient einer Verschleierung der eigentlichen Botschaft (Beyersdörfer et al. 2017).

Die meisten rechtsextremistischen TikToker*innen stellen sich als Teil einer eingeschworenen „deutschen“ In-Group dar. Andere werden als „nicht Deutsche“ abgewertet. „Das etablierte System“ im Sinne der aktuellen politischen Ordnung wird zum Feindbild konstruiert. Einerseits werden offen parteipolitische Verbindungen zur Interner Link: Alternative für Deutschland (AfD) und zum Interner Link: Dritten Weg hergestellt, andererseits werden die „Grünen“ und „Linken“ diffamiert (Franke & Hajok 2022). Bei den AfD-nahen Accounts fällt auf, dass sie sich aktuell nicht an den Sehgewohnheiten von TikTok orientieren. Sie laden beispielsweise Facebook-Videos hoch, die trotz der anderen Ästhetik teilweise eine große Reichweite erzielen (pre:bunk Teil 1 2023). Die meisten rechten TikToker*innen präsentieren sich kämpferisch und rebellisch. Kampfsportler präsentieren sich zudem gewaltbereit. Mit der Darstellung als stark und stereotypisch männlich wird versucht, andere junge Männer für ihre Sache zu gewinnen. Für geschulte Augen sind auch NS-Bezüge zu erkennen, etwa in Gestalt wie „Annika meine Ehre heißt Treue“ als Anlehnung an die Interner Link: Schutzstaffel (SS) (Franke & Hajok 2022). In vielen Accounts werden bildstarke Symbole, wie Wölfe, Adler und Wälder in den Videos verarbeitet (pre:bunk 2023). Auch die Auswahl der für TikTok-Videos typischen Musikuntermalung nutzen die Creator*innen, um rechtsextremistisches Gedankengut zu streuen. Durch die Möglichkeit, Cover-Versionen von Liedern zu erstellen oder zu verwenden oder diese einfach im Hintergrund des Videos laufen zu lassen, kann auch Externer Link: indizierte Musik z. B. von bekannten Rechtsrock-Bands wie Landser für Videos genutzt werden, ohne gleich eine Sperrung hervorzurufen (Franke & Hajok 2022).

Subtile Ansprache junger Nutzer*innen

Neben den rechtsextremistischen Kampfsport-Accounts und den Kanälen mit eindeutigem Parteibezug, gibt es rechte TikToker*innen, die sehr viel subtiler vorgehen. Sie sind jung und medienaffin. Sie orientieren sich an aktuellen Trends, tanzen und singen, präsentieren sich bewusst harmlos – und vermitteln nebenbei ihre Ideologie. Dafür wird sich der ganzen Bandbreite jugendaffiner Elemente der Social Media Welt bedient: GIFs, Memes, jugendaffine Schlagworte und trendige Hashtags dienen dabei auch der Verharmlosung der Inhalte (ebd., Lehmann & Schröder 2021). So gibt es beispielsweise Videos mit dem Hashtag #GRWM (Get ready with me).

Wie viele andere schminken sich auch rechte TikTokerinnen in ihren Videos oder erzählen ganz beiläufig von ihrer rechtsextremistischen Weltanschauung (pre:bunk 2023). Auffällig sind auch hier die stereotypischen Rollenklischees: Männlich gelesene Personen präsentieren sich als stark, soldatisch und muskulös. TikTokerinnen zeigen sich eher gemäß stereotypisierter Weiblichkeit – und werden in Kommentaren vermehrt mit Bezügen zu ihrer Äußerlichkeit bedacht. Relativ neu in der Szene ist die Bewegung der „Tradwifes“ – Frauen, die sich auf ihren Accounts für den Erhalt des traditionellen Frauenbilds stark machen (Rösch 2023).

Codes im rechtsextremistischen TikTok

Um einer Sperrung wegen Hassrede zu entgehen, wie sie laut „Community Richtlinien“ (TikTok 2023) verboten ist, werden meist rechtsextremistische Begriffe und eindeutige Codes und Emojis vermieden. Häufig werden Emojis in den Farben der Reichsflagge (Abfolge von schwarzen, weißen, roten geometrischen Formen) verwendet. Auch Adler oder Deutschlandfahnen deuten auf eine Verbindung zum Rechtsextremismus hin. Kommt es dennoch zu einer Sperrung der Accounts, erstellen die Creator*innen zur Verbreitung ihrer Ideologie neue Accounts oder es gibt Kanäle von Dritten, die ihre Inhalte erneut posten.

Viele rechte TikTok-Accounts verweisen außerdem direkt auf andere Plattformen und Dienste. Das deutet darauf hin, dass TikTok oft nur als Erstkontakt bzw. Erstzugang zu den überwiegend jungen Nutzer*innen der Plattform genutzt wird, um gerade sie in die geschlosseneren Kommunikationsräume etwa von Discord und Telegram zu locken. Der Öffentlichkeit entzogen lassen sich hier rechtsextremistische Einstellungen (noch) offener äußern und der Kontakt zu den jungen Nutzer*innen intensivieren (Franke & Hajok 2022). Mögliche Radikalisierungsprozesse entziehen sich dann auch weitestgehend einer angemessenen Intervention.

Hohes Potenzial zur Radikalisierung

Vor dem Hintergrund einer „Participatory Culture“ (Jenkins 2016) sind es gerade die auf kreativen Austausch basierenden, über den bloßen Online- bzw. Hashtagaktivismus („Slacktivism“ oder „Clicktivism“) hinausgehenden niederschwelligen Interaktionsformen, die bestimmten politischen Botschaften mehr Reichweite verschaffen. Dies führt dazu, dass sich auch rechtsextremistische Akteur*innen gezielt der anbieterseitig angelegten Möglichkeiten wie den Videobearbeitungswerkzeugen bedienen, um ihre TikToks zu erstellen und – orientiert an den Aneignungsweisen der jungen Nutzer*innen – aktiv zur Verbreitung ihrer Propaganda nutzen.

Gerade im Hinblick auf eine jugendaffine Verbreitung rechtsextremistischer Ideologie wird der App schon länger ein hohes Potenzial an Desinformation und Radikalisierung zugesprochen, dem mit offiziellen Hinweisen an die Plattform alleine nicht beizukommen ist (Jugendschutz.net 2021). Für eine frühzeitige präventive Arbeit mit den jungen TikTok-Nutzer*innen ist es unerlässlich, die neuen Strategien in den kritischen Blick zu nehmen, sowohl was die Bild-, Ton- und Textebene an sich als auch die Bildunterschriften und Kommentare anbetrifft.

Weitere Inhalte

Weitere Inhalte

Lara Franke ist Absolventin des Master- Studiengangs Kinder- und Jugendmedien der Universität Erfurt und arbeitet als freie Redakteurin und Autorin.

Daniel Hajok ist Honorarprofessor und Lehrbeauftragter im Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt. Hajok forscht mit einem besonderen Fokus auf Sozialen Netzwerken und Rechtsextremismus.