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Gewalt gegen Geflüchtete

Kira Ayyadi

/ 6 Minuten zu lesen

Werden Geflüchtete als Gruppe abgelehnt, spricht man von Flüchtlingsfeindlichkeit. Besonders rechtsextreme Akteure mobilisieren gegen Geflüchtete und verbreiten Desinformationen. Zuletzt hat die Gewalt gegen geflohene Menschen in Deutschland wieder zugenommen.

Im Oktober 2022 wurde ein Brandanschlag auf eine geplante Asylunterkunft in Bautzen (Sachsen) verübt. (© picture-alliance/dpa, dpa-Zentralbild | Paul Glaser)

Flüchtlingsfeindliche Gewalttaten sind physische oder psychische Übergriffe, Angriffe oder Bedrohungen, die sich gezielt gegen Menschen richten, die nach Deutschland geflohen sind. Diese Gewaltakte können verschiedene Formen annehmen, darunter körperliche Angriffe, verbaler Missbrauch, Diskriminierung oder Angriffe auf ihre Wohnorte. Flüchtlingsfeindliche Gewalt ist oft das Ergebnis von rassistischen und teils rechtsextremen Einstellungen der Täter*innen.

Flüchtlingsfeindliche Einstellungen

Es ist wichtig, zwischen legitimer Kritik an Aspekten der Migrationspolitik und Flüchtlingsfeindlichkeit zu unterscheiden. Kritik an bestimmten politischen Entscheidungen oder Diskussionen über die Integration von geflüchteten Menschen ist ein wichtiger Bestandteil demokratischer Prozesse. Flüchtlingsfeindlichkeit geht jedoch darüber hinaus und beinhaltet eine grundsätzliche Ablehnung von Geflüchteten als Gruppe. Flüchtlingsfeindlichkeit generell ist eine Form der Interner Link: gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) – ein sozialwissenschaftlicher Begriff für eine Summe an abwertenden Einstellungen, die auf der Interner Link: „Ideologie der Ungleichwertigkeit“ fußt. Menschenfeindliche Vorurteile gegen Geflüchtete markieren, wer „die Fremden“ sind. Menschen werden aufgrund ihrer zugeschriebenen sozialen Gruppe als „anders“, „fremd“ oder „unnormal“ stigmatisiert (vgl.: 2023; Mokros, Küpper, Zick S.152).

Um Geflüchtete als Gruppe herabzuwürdigen, verbreiten Personen mit flüchtlingsfeindlicher Einstellung Unwahrheiten und leugnen Fakten. Auch gezielte Desinformations-Kampagnen spielen hier eine zentrale Rolle. So soll die Angst der Menschen vor einer vermeintlichen „Überfremdung“ durch den Zuzug von Geflüchteten geschürt werden. Je mehr die Angst in politischen Diskussionen im Vordergrund steht, desto mehr kann die Vernunft und der Austausch von Argumenten entwertet werden, so der Soziologe Matthias Quent.

GeflüchteteStrukturelle Benachteiligungen

Menschen, die nach Deutschland fliehen, haben oft einen unsicheren oder vorläufigen Aufenthaltsstatus. Geflüchtete leben meist mehrere Monate in Erstaufnahmelagern, die häufig überfüllt sind. Sie haben dort kaum Rückzugsräume oder Privatsphäre und leben oft weitestgehend isoliert von der Außenwelt. Durch die Flucht haben sie größtenteils ihre sozialen Netzwerke verloren. Forschungen zeigen, dass es zu strukturellen Benachteiligungen, Ausgrenzungen und Diskriminierungen kommen kann, die physische Gewalt gegen Geflüchtete begünstigen.

Ausmaß der Gewalt

Flüchtlingsfeindliche Einstellungen können in realer Gewalt münden. 2023 registrierte die Polizei eine deutliche Zunahme von Angriffen auf Geflüchtete. In den ersten neun Monaten erfassten Polizeibehörden des Bundes und der Länder bereits 1.403 Straftaten gegen Geflüchtete. Die meisten dieser Straftaten waren politisch rechts motiviert.

Für das Jahr 2022 dokumentierten das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) und das Bundeskriminalamt (BKA) in ihrer Externer Link: Statistik zur politisch motivierten Kriminalität (PMK) 1.420 politisch motivierte Angriffe auf Asylsuchende und Geflüchtete. Der Externer Link: Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) erfasst höhere Zahlen als der PMK-Bericht. Der Verband warnt, dass rechtsextreme Täter*innen immer hemmungsloser würden. Der VBRG veröffentlicht die Zahlen jedoch nur für zehn der 16 Bundesländer.

Brandanschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte 2015

Einen Höchststand flüchtlingsfeindlicher Gewalt verzeichnete Deutschland im Jahr 2015. Damals stieg die Zahl an Menschen, die Schutz vor Verfolgung, Krieg und Not suchten, nicht nur weltweit, sondern auch in einigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union stark an. In Deutschland wurden rund 890.000 Asylsuchende registriert. Etwa 477.000 Asylanträge wurden in diesem Jahr in Deutschland gestellt – Interner Link: so viele wie bis dahin noch nie.

Doch nicht nur die Zahl der Menschen, die nach Deutschland flohen, stieg sprunghaft an, auch rassistische Gewalt erreichte neue Ausmaße. Auch Straftaten gegen Asylunterkünfte nahmen deutlich zu: 2015 gab es in Deutschland laut Externer Link: Bundesinnenministerium 94 Fälle von Brandstiftung, 2014 waren es noch sechs Fälle gewesen. Die Externer Link: Amadeu Antonio Stiftung und Pro Asyl, die gemeinsam Übergriffe und Demonstrationen gegen Geflüchtete und ihre Unterkünfte dokumentieren, gaben an, dass die Zahl noch höher läge. Sie zählten insgesamt 126 Brandanschläge. Die Zahl der Brandstiftungsdelikte gegen Asylunterkünfte ist seitdem gesunken, nahm aber 2022 wieder zu.

Verantwortung der Politiker*innen und der klassischen Medien

2015 wurde deutlich, was schon in den 1990er-Jahren, während der sogenannten Baseballschlägerjahre, bundesweit zu beobachten war: Zeigen Politiker*innen etablierter Parteien Verständnis für flüchtlingsfeindliche Einstellungen oder stimmten ihnen gar zu, kann das potenzielle Täter*innen bestärken – und Gewalt gegen Geflüchtete begünstigen.

Auch die Berichterstattung in den Medien kann eine Rolle spielen. Nachdem es 2015 und 2016 viel Aufmerksamkeit für das Thema Gewalt gegen Geflüchtete gegeben hatte, sei diese laut einer Externer Link: Langzeiterfassung von der Amadeu Antonio Stiftung und Pro Asyl seit 2018 stark abgeebbt. Zwar ist flüchtlingsfeindliche Gewalt noch immer ein massives Problem, doch Straftaten würden immer mehr bagatellisiert und zur Randnotiz, wie zivilgesellschaftliche Akteur*innen bemängeln: Auch schwere Gewalttaten, Körperverletzungen und gar Mordversuche gegen Geflüchtete fehlten teils in Polizeistatistiken und fänden sich oft nicht in den Medien wieder, wie etwa die Amadeu Antonio Stiftung recherchiert hat (vgl.: Amadeu Antonio Stiftung: Leben in Gefahr. Gewalt gegen Geflüchtete). So blieben Fälle unbekannt, wenn die angegriffenen Menschen sich nicht selbst dazu äußern, was viele aus Angst oder Resignation nicht tun.

Eine von der Mercator Stiftung geförderte Externer Link: Studie des Instituts für Publizistik der Universität Mainz zu „Fünf Jahre Medienberichterstattung über Flucht und Migration“ (2021: Maurer, Jost, Kruschinski, Haßler) kam zu dem Ergebnis, dass bis September 2015 vorwiegend positiv über Flucht berichtet wurde, ab dann jedoch deutlich negativer. Zuwanderung im Allgemeinen wurde im gesamten Untersuchungszeitraum negativ konnotiert. Von 2016 bis 2020 wurde in 13 Prozent der sechs untersuchten deutschen Leitmedien über Kriminalität von Geflüchteten berichtet und nur in drei Prozent über Straftaten gegen Geflüchtete. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Externer Link: Analyse des Mediendienstes Integration von 2022 (2022: Hestermann). Zugleich würden mittlerweile in der Berichterstattung auch die Chancen von Migration stärker hervorgehoben als noch 2015.

Legitimation der Gewalt

Wer sind diejenigen, die Gewalt gegen Geflüchtete ausüben? Wissenschaftler*innen eines Forschungsprojekts zu Radikalisierungsverläufen im Kontext von Anti-Asyl-Agitation schrieben Externer Link: 2020 in ihrem Abschlussbericht, dass die Hassgewalt gegen Geflüchtete bis weit in der „Mitte der Gesellschaft“ verankert sei. Dafür befragten und interviewten sie Straftäter*innen. In vielen Fällen zeige sich, dass die Täter*innen sich in ihrer Selbstbeschreibung von rechtsextremen Positionen abgrenzten und sich selbst als unpolitisch verorteten. Ihre Taten legitimieren und rechtfertigen sie mit verschiedenen Narrativen. Besonders moralisierende Narrative (Überlegenheit), Bedrohungsnarrative (Selbstverteidigung) sowie Ungerechtigkeitsnarrative (Wut) seien hier zentral.

Forschungen wie etwa die Externer Link: „Mitte Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2023 zeigen auf, dass rechtsextreme, antidemokratische, antisemitische, antiziganistische und verschwörungsideologische Einstellungen in der Bevölkerung zugenommen haben (vgl.: 2023; Mokros, Küpper, Zick). Ein Viertel der in der „Mitte Studie“-Befragten glaubt, die „Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“. Weitere 30 Prozent antworteten hier „teils/teils“. Fast 28 Prozent der Befragten glauben, die Bundesrepublik sei „durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“; weitere 22 Prozent gaben bei dieser Aussage „teils/teils“ an.

Rechtsextreme Narrative

Die Flucht vieler Menschen, vor allem aus dem Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika nach Europa, wird von der extremen Rechten als Angriff auf die Interner Link: „weiße Vorherrschaft“ dargestellt. Verbreitet werden diese Narrative durch rechtsextreme Akteur*innen und Medien. Diese erzeugen ein Bild, in dem Deutschland von geflüchteten Menschen übernommen wird und sich der Islam immer weiter ausbreitet. Migrant*innen und besonders Geflüchtete werden dabei als „Invasoren“ und „Eindringlinge“ dargestellt.

Die Täter*innen selbst, die Geflüchtete angreifen, inszenieren sich meist als Verteidiger eines vermeintlich bedrohten Deutschlands. Diese Idee der Bedrohung Deutschlands beziehungsweise Europas durch Immigration ist ein zentrales Thema in der Ideologie der sogenannten Neuen Rechten. Die Verschwörungserzählung um den sogenannten „großen Austausch“, „Bevölkerungsaustausch“ oder „Umvolkung“ ist hier das zentrale Narrativ, welches oft zur Rechtfertigung der Gewalt gegenüber Geflüchteten und weiterer Gruppen herangezogen wird.

Fazit

Geflüchtete wurden im vergangenen Jahr wieder häufiger Opfer von Gewalttaten. Größtenteils waren diese Taten rechtsextrem motiviert. Rechtsextreme Gewalt wirkt nach außen als Signal, dass man „die“ Fremden/ Anderen/ Geflüchteten nicht dahaben will. Jede Erfahrung von Hasskriminalität beschränkt die von Gewalt Betroffenen in ihrem Alltag. Das Sicherheitsempfinden der Opfer verändert sich nach einem Angriff fundamental. Die Tatsache, dass Übergriffe auf Geflüchtete stattfinden, war und ist in erster Linie eine Gefahr für die Menschen, die angegriffen werden. Sie ist aber auch eine Gefahr für die Gesellschaft und den demokratischen Konsens, der besagt, dass alle Menschen das gleiche Recht auf Unversehrtheit und Schutz haben.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Erst seit 2016 wird eine Unterkategorie Flüchtlinge/Asylbewerber in der polizeilichen Kriminalstatistik geführt. Diese erfasst Straftaten außerhalb der Unterkünfte. Unter anderem der VBRG kritisiert die PMK-Zahlen dahingehend, dass hier deutlich weniger Straftaten als rassistisch, antisemitisch, rechtsextrem oder flüchtlingsfeindlich motiviert erfasst würden, als von den Betroffenen wahrgenommen. Die PMK-Statistik stelle laut VBRG daher nicht das genaue Ausmaß rechter Gewalt dar.

  2. In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie in Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, können sich Betroffene rechter Gewalt direkt an die Beratungsstellen des VBRG wenden. Ihre Gewalterfahrungen fließen dann womöglich in die VBRG-Statistik. Die Erhebung deckt jedoch nicht ganz Deutschland abdeckt. Dennoch sind die jährlichen Zahlen stets höher als die vom BMI und BKA.

  3. Hierzu werden in der Studie die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Bild, ARD Tagesschau, ZDF heute, RTL Aktuell gezählt.

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Kira Ayyadi ist freiberufliche Journalistin und seit 2017 Redakteurin bei Belltower.News, der Informationsplattform der Amadeu Antonio Stiftung. Im Zuge ihrer journalistischen Arbeit beschäftigt sich Ayyadi mit Rechtsextremismus und Entwicklungen in der rechten Szene. Einen Schwerpunkt legt sie dabei auf Gewalt gegen Geflüchtete und recherchiert zu den Ursachen.