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Die Teilung Deutschlands Sowjetische Strategie und Taktik in der SBZ von 1945-1948 | APuZ 35/1961 | bpb.de

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APuZ 35/1961 Die Teilung Deutschlands Sowjetische Strategie und Taktik in der SBZ von 1945-1948

Die Teilung Deutschlands Sowjetische Strategie und Taktik in der SBZ von 1945-1948

Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands ging die öffentliche Gewalt in Deutschland auf die vier Alliierten über. Deutschland wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt; Berlin in vier Sektoren, wofür den Sowjets Teile von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen überlassen wurden. Auf den Konferenzen von Teheran Ende 1943 und Jalta im Februar 1945 hatten Roosevelt, Stalin und Churchill sich bereits grundsätzlich geeinigt, die Zentralgewalt in Deutschland durch eine Zentrallontrollkommission ausüben zu lassen. Auf der Potsdamer Konferenz jedoch wurde diese Zentralgewalt eingeschränkt, indem jedem Oberbefehlshaber in seiner Zone das Recht zugestanden wurde, selbständig Gesetze und Befehle zu erlassen. Nur noch solche Probleme sollten im Kontrollrat entschieden werden, die Deutschland als Ganzes betrafen. In der Folgezeit — den ersten Jahren der Besetzung — begannen sich bereits die einzelnen Besatzungszonen unterschiedlich zu entwickeln. Während die drei westlichen Zonen nur graduelle Entwicklungsunterschiede aufwiesen, wurde in der sowjetischen Besatzungszone von Anfang an ein selbständiger Plan des staatlichen und politischen Aufbaus verfolgt, von dem von vornherein klar war, daß man ihn von langer Hand vorbereitet hatte.

Als Marschall Shukow, der Oberbefehlshaber in der Sowjetzone, am 10. Juni 1945 den Befehl Nr. 1 über die Bildung der sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) erließ, gab es bereits in jedem Ort, jeder Kreis-und Landeshauptstadt Kommandanturen mit zahlreichen Politoffizieren der Sowjetarmee, die genau ausgearbeitete Richtlinien über die erste Phase der Entwicklung der Sowjetzone besaßen. Diese Pläne waren nicht erst nach der Kapitulation Deutschlands ausgearbeitet worden. Ihr Ursprung liegt weitaus früher. Die Anfänge gingen bis in das Jahr 1943 zurück, als das so-genannte „Nationalkomitee Freies Deutschland" in Moskau seine Arbeit aufnahm. Nach den Direktiven Stalins und der kommunistischen Partei der Sowjetunion arbeiteten seit dieser Zeit bereits Sonderkommissionen die künftige Strategie und Taktik für Deutschland aus. In diesen Kommissionen saß neben sowjetischen Experten die Prominenz der KPD-Emigration, an deren Spitze Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht standen.

Die strategische Konzeption der Sowjets hatte die Machtergreifung ganz Deutschlands zum Ziele. Die Sowjetführung mußte deshalb nach Wegen suchen, wie durch verschiedene taktische Konzeptionen, von ihrer Besatzungszone ausgehend, dieses Ziel zu erreichen sei.

Gleichzeitig jedoch war es ein fester Entschluß der Sowjets, das von ihnen zu besetzende Gebiet ökonomisch soweit als möglich zum Wiederaufbau der Kriegsschäden in der Sowjetunion selbst auszubeuten und darüber hinaus noch umfangreiche Kontributionen aus den Westzonen herauszuholen. Es ist offensichtlich, daß sich diese beiden Ziele miteinander schwer vereinbaren ließen. Um die Bevölkerung ganz Deutschlands für die Sowjetunion zu gewinnen, mußte den Deutschen die Furcht vor dem Kommunismus genommen und das von den Sowjets verwaltete Gebiet als Anziehungspunkt für ganz Deutschland aufgebaut werden. Mit Demontagen, Verschleppungen von Arbeitskräften und anderen Rachemaßnahmen war dieses Ziel natürlich nicht zu erreichen. Da die Sowjetführung jedoch auf solche Methoden nicht verzichten wollte, war es erforderlich, eine Ideologie, eine Argumentation zu erfinden, die den Sowjets nach außen hin die Legitimation zu drakonischen Maßnahmen bot, ohne das Recht zu verwirken, sich als Freund des deutschen Volkes aufzuspielen. Gleichzeitig ging es darum, den Kommunismus stalinistischer Prägung einem Volke schmackhaft zu machen, das durch zwölf Jahre Faschismus jede Tradition zur Arbeiterbewegung, gleich welcher Prägung, verloren hatte.

So entstand die Legende der sogenannten antifaschistisch-demokratischen Ordnung, die in der ersten Periode (von 1945— 1948) das Gesicht der Sowjetzone prägte.

Ein fester Plan von Anfang an

Wie gründlich die Sowjets schon vor der Kapitulation Deutschlands ihre Pläne in bezug auf die Gestaltung der Sowjetzone in dieser ersten Phase ausarbeiteten, schildert Wolfgang Leonhard sehr plastisch in seinem Buch „Die Revolution entläßt ihre Kinder“ (Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln u. Berlin). Leonhard, der selbst zur Gruppe Ulbricht gehörte und somit im Gefolge der Sowjetarmee mit den Grundstein dieser sogenannten antifaschistischen-demokratischen Ordnung legte, gehörte auch zu der Gruppe der 150 deutschen Emigranten, die Anfang 1945 im Gebäude des Moskauer Komitees der KPdSU zusammengerufen wurden, um sie mit der von den Sowjets ausgearbeiteten Taktik der ersten Periode in Deutschland vertraut zu machen. Auf den Seiten 324 bis 328 seines Buches schildert Wolfgang Leonhard aus eigenem Erleben, mit welcher Argumentation die Sowjets an den Aufbau ihrer Zone herangehen wollten: „Die Einleitungsrede hielt Wilhelm Pieck: , Wir werden uns einmal in der Woche zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion zusammenfinden, um noch einmal alle politischen Pro-bleme zu besprechen, die für unsere zukünftige politische Arbeit in Deutschland wichtig sind'.

Auf den ersten beiden Schulungsabenden hörten wir Referate von Wilhelm Pieck über die allgemeinen Aufgaben und von Walter Ulbricht über die . Zielsetzung der antifaschistisch-demokratischen Kräfte'. An weiteren Schulungsabenden sprachen Hermann Matern über die Lehren aus dem Kampf der KPD in der Periode der Weimarer Republik, Anton Ackermann über den Kampf gegen den Hitler-Faschismus in den Jahren 1933— 1945 und die sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen. Edwin Hörnle hielt einen Vortrag über Landwirtschaftsprobleme, Rudolf Lindau (der in der Sowjetunion Paul Grätz hieß) sprach über die Lehren aus der November-Revolution 1918, und ein weiterer Vortrag beschäftigte sich mit den zukünftigen Aufgaben der Gewerkschaften.

Der Grundtenor dieser Schulung war folgender: Der Sieg über den Hitlerfaschismus sei nicht durch eine innere Erhebung des deutschen Volkes, sondern durch die Armeen der Anti-Hitler-Koalition errungen worden. Während in den von Hitler okkupierten Ländern mehr oder minder starke Widerstandsbewegungen einen aktiven Kampf geführt hätten, sei dies in Deutschland nicht der Fall gewesen. Das deutsche Volk habe sich, objektiv gesehen, an den Verbrechen Hitler-Deutschlands mitschuldig gemacht. Daraus ergäbe sich nun als logische Konsequenz die Besetzung Deutschlands durch die Mächte der Anti-Hitler-Koalition.

Die antifaschistisch-demokratischen Kräfte hätten die Aufgabe, die Tätigkeit der Besatzungsmächte im Kampf für die Vernichtung des Nazismus und Militarismus, für die Umerziehung des deutschen Volkes und für die Durchführung demokratischer Reformen zu unterstützen. Das Unterpfand des Sieges über Hitler sei die Einheit der Anti-Hitler-Koalition, in erster Linie getragen durch die USA’, Großbritannien und die Sowjetunion.

Die Nazis würden zweifellos versuchen, die Einheit der drei Großmächte zu unterminieren und zwischen ihnen Mißtrauen zu säen. Gegen solche Versuche müßte rücksichtslos vorgegangen werden.

Auf den Sieg würde voraussichtlich eine lange Periode der Besetzung folgen. Es könne unter Umständen sogar Jahre dauern, bis wieder deutsche politische Parteien zugelassen werden. Die Aufgabe der antifaschistisch-demokratischen Kräfte sei es daher, in den örtlichen deutschen Verwaltungen, die dann auf Weisungen der Alliierten ihre Tätigkeit ausübten, aktiv mitzuarbeiten.

Die politische Aufgabe bestehe nicht darin, in Deutschland den Sozialismus zu verwirklichen oder eine sozialistische Entwicklung herbeiführen zu wollen. Dies müsse im Gegenteil als schädliche Tendenz verurteilt oder bekämpft werden. Deutschland stehe vor einer bürgerlich-demokratischen Umgestaltung, die ihrem Inhalt und Wesen nach eine Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848 sei. Es komme darauf an, aktiv für diese Vollendung einzutreten, sich aber jeglichen sozialistischen Losungen zu widersetzen, da diese unter den gegenwärtigen Bedingungen reinste Demagogie seien; unter solchen Umständen würde die Idee des Sozialismus nur diskreditiert.

Interessanterweise wurden wir auf diesem Lehrgang besonders ausführlich unterrichtet, wie wir auf zukünftige Kritiken, die , von links'kämen, zu antworten hätten. In einer Reihe von Ländern habe sich gezeigt, daß solche Stimmungen besonders in der Arbeiterklasse vorhanden seien. Namentlich in Bulgarien sei es zu weitgehenden . linken Abweichungen'gekommen, die erst durch das direkte Eingreifen Dimitroffs überwunden worden seien. Es sei wahrscheinlich, wurde uns erklärt, daß wir auch in Deutschland auf Stimmungen und Auffassungen stoßen würden, wonach man nun . endlich den Sozialismus einführen'solle. Man werde vielleicht auch Vorwürfen begegnen, daß wir im Nationalkomitee mit ehemaligen Nazi-Generalen eine Einheitsfront gebildet hätten. Darauf sei unsere Antwort: , Es kommt nicht darauf an, mit wem man zusammengeht, sondern zu welchem Zweck man zusammengeht. ’

Wenn man uns vorwerfe, unsere Zusammenarbeit sei doch dasselbe wie die Politik der rechten sozialdemokratischen Führer nach 1918, dann müßten wir antworten: , Die rechten sozialdemokratischen Führer haben zusammen mit General von Epp gegen die Arbeiter gekämpft. Wir haben zusammen mit General von Seydlitz gegen Hitler gekämpft. Das ist der Unterschied.'

Die Ansprüche der von Hitler unterdrückten Völker seien durchaus berechtigt. Man müsse den Mut haben, die Tatsachen nüchtern zu betrachten. Nach allem, was geschehen sei, müßten die mißhandelten und unterdrückten Völker Garantien gegen eine Wiederholung solcher Greuel fordern. Es sei daher die Aufgabe der deutschen Antifaschisten und Demokraten, für die von den unterdrückten Völkern geforderten Grenzen, einschließlich der Oder-Neiße-Linie, sowie für die von ihnen geforderten Reparationen einzutreten und diese als Ehrenschuld des deutschen Volkes zu betrachten.

Die Besatzungsmächte kämen nach Deutschland, um den Faschismus und Militarismus auszurotten und die notwendigen Maßnahmen für eine demokratische Wiedergeburt des deutschen Volkes zu treffen. Die zukünftigen Maßnahmen der Besatzungsmächte seien im einzelnen noch nicht bekannt, aber man könne mit Sicherheit annehmen, daß neben der Aburteilung der Kriegsverbrecher auch Maßnahmen gegen den Monopolkapitalismus und eine Boden-und Schulreform geplant seien. Es käme darauf an, unter peinlicher Beachtung der alliierten Vorschriften bei diesen Reformen aktiv mitzuarbeiten und für ihre konsequente Durchführung zu sorgen. Die Bodenreform werde eine der bedeutendsten Aufgaben sein, die wir in Deutschland durchzuführen hätten, aber sie könne frühestens Anfang 1946 beginnen. In diesem Sommer dürften keinerlei strukturelle Veränderungen in der Landwirtschaft durchgeführt werden, da sie die Versorgung der Bevölkerung gefährden könnten. Im Sommer 1945 sei alles zu tun, um die Einbringung der Ernte zu gewährleisten und eine Hungerkatastrophe zu verhindern.

Sobald deutsche politische Organisationen zugelassen würden, wäre es angebracht, eine breite antifaschistisch-demokratische Massenorganisation unter dem Namen . Block der kämpferischen Demokratie'zu schaffen.

Dies war die politische Linie, die wir im Frühjahr 1945 auf diesem letzten Lehrgang vor unserer Abfahrt nach Deutschland erhielten.

Interessant erschien mir besonders, daß die Neugründung der KPD in Deutschland für eine längere Periode nicht ins Auge gefaßt wurde. Es wurde damals stets nur von dem , Block der kämpferischen Demokratie'gesprochen, einer breiten antifaschistisch-demokratischen Massenorganisation. Aber auch dieser Gedanke traf uns nicht unvorbereitet.

Zu jener Zeit hört und las man in Moskau außerordentlich wenig von den kommunistischen Parteien in den osteuropäischen Ländern, dafür aber um so mehr von antifaschistischen , Blödes’: von der . VaterländischenFront'in Bulgarien, dem . Nationaldemokratischen Block'in Rumänien, der . Nationalen Front'in der Tschechoslowakei und dem . Demokratischen Block'in Polen. Die Schaffung eines . Blocks der kämpferischen Demokratie'für das zukünftige Nachkriegsdeutschland schien mir daher eine logische Folge der Ereignisse in den anderen von Hitler befreiten Ländern zu sein.

Immer wieder wurden wir jedoch gleichzeitig auf die Unterschiede gegenüber diesen Ländern aufmerksam gemacht. Während es in anderen Ländern starke Widerstandsbewegungen gegeben habe, wäre dies in Deutschland nicht der Fall gewesen. Daher sei es logisch, daß die po-litische Entwicklung in Deutschland, wie wir uns damals ausdrückten, , nachhinken" würde, eine Kommunistische Partei für absehbare Zeit nicht in Erscheinung treten könne und selbst die Schaffung eines , Blödes der kämpferischen Demokratie'noch nicht unmittelbar bevorstehe.

Der Unterschied zwischen Deutschland und den anderen Ländern kam mir besonders kraß zum Bewußtsein, als ich um jene Zeit in Moskau im Kino , Nowosti dnja'(. Neuigkeiten des Tages'), das etwa einem Aki-Kino in Deutschland entspricht, Kurzfilme über die Befreiung von Sofia, Bukarest und Prag sah. Anschließend folgte ein Film über die Eroberung deutscher Städte. Der Unterschied wirkte auf den Zuschauer frappierend -und das war zweifellos auch beabsichtigt. In Sofia, Bukarest und Prag sah man Jubel, Fahnen, Blumen, begeisterte Menschenmengen, die den Rotarmisten zuwinkten und auf der Straße vor Freude tanzten, Verbrüderungsszenen zwischen Rotarmisten, Partisanen und der Bevölkerung, Glück, Freude und Begeisterung. Dann kam die Wochenschau über Deutschland. Sie war so gezeigt, als ob man in Deutschland um jedes Haus kämpfen müßte, die gesamte Bevölkerung hinter der SS stünde und es keinen einzigen Hitlergegner gebe.

So schienen die Direktiven, die wir im Frühjahr 1945 in Moskau erhielten, logisch und konsequent an die bisherige Politik anzuknüpfen. Um so größer war natürlich mein Erstaunen, als nur einige Wochen später in Berlin Maßnahmen ergriffen wurden, die unseren Direktiven direkt widersprachen.

Mehr und mehr kreisten alle Gespräche um die Rückkehr und die zukünftige Arbeit in Deutschland. Die Vorbereitungsarbeiten wurden beschleunigt. Im Nationalkomitee selbst und in den Antifaschulen wurden Memoranden, vor allem auf dem Gebiet der Volksbildung, fertig-gestellt. Es gab sogar schon völlig fertige Manuskripte für Geschichtslehrbücher, die später in Deutschland nach dem Siege über Hitler gedruckt werden sollten.

Unaufhaltsam ging der Vormarsch weiter . Die täglichen Frontberichte meldeten die Eroberung deutscher Städte, wobei in vielen Fällen die alten slawischen Namen und erst danach die deutschen Städtebezeichnungen bekanntgegeben wurden. Es waren Tage, da die Siegesmeldungen und die jeweils aus diesem Anlaß abgefeuerten Salutschüsse und das Feuerwerk über Moskau einander so schnell ablösten, daß man in wöchentlichen Kommentaren kaum noch nachkommen konnte. Überall spürte man die Hoffnung auf ein nahes Kriegsende. Für die deutschen Emigranten aber waren es die Tage der Hoffnung auf eine baldige Rückkehr nach Deutschland. Für die älteren unter uns bedeutete das eine Rückkehr in die Heimat, die sie vor 13 Jahren verlassen hatten und die in ihren Gedanken, trotz aller inzwischen gelesenen Bücher und gehaltenen Vorträge, wohl noch immer den Erinnerungen entsprach, die sie von Deutschland vor 193 3 hatten. Für uns jüngere aber, die wir Deutschland als Kinder verlassen hatten, waren die Erinnerungen fast völlig verblaßt. Es war die Fahrt in ein Land, zu dem wir gehörten, das für uns aber völlig Neues, Ungeahntes und Unbekanntes in sich barg.“

Die Schilderung von Leonhard zeigt deutlich, wie schon in Moskau großer Wert auf die Propagierung der Schuldfrage als Vorbereitung der Demontagen und Ausplünderungen der Zone gelegt wurde. Wenn auch im Zuge der Entwicklung im ersten Jahre nach der Besetzung bereits Lockerungen dieses Kurses eintraten, weil die Sowjetführung einsehen mußte, daß Bodenreform und andere geplante Maßnahmen nicht völlig ohne Anteilnahme der Deutschen selbst vor sich gehen konnten, so spielte doch bis in die fünfziger Jahre hinein die Oktroyierung der Schuldfrage und damit die permanente Ausbeutung der Zone eine dominierende Rolle.

Trotzdem ist die Schwenkung in der Sowjet-taktik gegenüber Deutschland kurz nach der Kapitulation vom 8. Mai 1945 sehr bedeutsam. Die von der KPdSU gesteuerte Sowjetische Militär-Administration hat auf Anweisung Moskaus entgegen den ursprünglich in Moskau ausgegebenen Direktiven viel früher als die Westmächte mit der Ingangsetzung des politischen und kulturellen Lebens in der Zone begonnen. Die Sowjetführung hatte eingesehen, daß ihre einmalige Chance gegenüber den Westmächten darin bestand, auf dem Sektor der politischen Entwicklung vollendete Tatsachen zu schaffen, die dann auf ganz Deutschland Einfluß nehmen sollten. So verkündete Marschall Shukow am 10. Juni 1945, 32 Tage nach der bedingungslosen Kapitulation, im Befehl Nr. 2 die Gründung demokratischer Parteien und Gewerkschaftsorganisationen. Zwei Tage danach bereits, am 12. Juni 1945, trat die Kommunistische Partei Deutschlands im Berliner Stadthaus mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit, der offiziell die Bezeichnung „Aktionsprogramm" trug. In diesem Aufruf vermied die KPD jede Anspielung auf die Begriffe des Sozialismus oder gar Kommunismus. Im Gegenteil, in diesem Aufruf heißt es u. a. wörtlich: „Wir sind der Auffassung, daß der Weg, Deutschland das Sowjet-Regime aufzuzwingen, falsch wäre, denn dieser Weg entspricht nicht dem gegenwärtigen Entwicklungsstadium in Deutschland. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß die entscheidenden Interessen des deutschen Volkes in der gegenwärtigen Lage einen anderen Weg vorschreiben, und zwar den Weg der Aufrichtung eines antifaschistisch-demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rehten und Freiheiten für das Volk.“

Das Aktionsprogramm beschränkte sich daher nur auf folgende wesentlichen Forderungen:

Liquidierung der Überreste des Hitler-Regimes und der Hitlerpartei, Kampf gegen Hunger, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit, Herstellung der demokratischen Rechte und Freiheiten, Wiederherstellung der Selbstverwaltungsorgane auf demokratischer Grundlage, Schutz der Werktätigen gegen Unternehmer-willkür, Freie Wahlen der Betriebsvertretungen, Enteignung des Vermögens der Naziaktivisten und Kriegsverbrecher und Übergabe des Vermögens in die Hände des Volkes, Liquidierung des junkerlichen Großgrundbesitzes und Übergabe des Bodens sowie toten und lebenden Inventars an die Bauern, Übergabe aller lebenswichtigen Betriebe und der von ihren Besitzern verlassenen Betriebe an die Selbst-bzw. Provinzial-und Landes-verwaltungen, Friedliches und gut nachbarliches Zusammenleben mit anderen Völkern, Anerkennung der Pflicht zur Wiedergutmahung. So begann die Verwirklichung der sowjetishen Taktik in bezug auf Deutschland nah 1945 in der ersten Phase. Bis zum Zusammenshluß von SPD und KPD und der Vorbereitung der ersten Parteikonferenz der SED vom Januar 1949 galt offiziell noh diese taktische Linie, wenn auch bereits Anfang 1948 die neu-gegründete SED innerparteilih die Kursschwenkung zur zweiten Etappe einleitete.

Grundprobleme der Taktik in der ersten Periode

Das Aktionsprogramm der KPD von 1945 war ein wohlüberlegter, in Moskau ausgearbeiteter Schachzug zur Gewinnung einer möglichst breiten Grundlage der Stalinisten innerhalb der sich neu aufbauenden demokratischen Öffentlichkeit. Vor der Sowjettaktik standen damals drei Grundprobleme: 1. Wie konnte es den durch das Dritte Reich dezimierten und kompromittierten Kommunisten gelingen, die Führung aller sozialistischen Kräfte an sich zu reißen, d. h. die sogenannte Aktionseinheit stalinistischer Sicht mit der Sozialdemokratie zu erreichen. Es war den Sowjets klar, daß die tiefe Enttäuschung der Werktätigen über die Herrschaft der extremen Rechte in Form der Nationalsozialisten, die Resignation durch die Kriegsniederlage der KPD kaum große Einflußmöglichkeiten geben würden. Die Sowjets rechneten von vornherein mit der Einbeziehung der Sozialdemokratie in ihre taktische Konzeption in der Absicht, diese so schnell wie möglich dann auszuschalten. Der einzige Weg dazu führte über die sogenannte Aktionseinheit, in der die Stalinisten, gestützt auf den sowjetischen Machtapparat, systematisch die Macht an sich reißen wollten. 2. Das zweite Problem bestand in der Einbeziehung der liberalen und christlichen demokratischen Kräfte in den politischen Aufbau der SBZ. Auf Grund des Vier-Mächte-Abkommens, das eine bürgerlich-demokratische Ordnung für Deutschland vorsah, und der Schwäche der vorhandenen stalinistischen Kader, die eine Diktatur der KPD selbst im Rahmen einer Aktionseinheit mit der SED zu diesem Zeitpunkt ausschloß, waren die Sowjets gezwungen, auch zur Gründung bürgerlicher Parteien ja zu sagen. Trotzdem jedoch waren sie von Anfang an bestrebt, eine Kontrolle über die sich im bürgerlichen Lager entwickelnden Kräfte auszuüben und diese mehr und mehr ins Schlepptau der von den Sowjets gesteuerten stalinistischen Kräfte zu nehmen. Gelöst wurde dann dieses Problem mit der sogenannten Blockpolitik. Unter Block-politik verstehen die Stalinisten die enge Verbindung verschiedener Parteien mit der kommunistischen Partei zu einer Handlungsgemeinschaft, deren Führung selbstverständlich in den Händen der KP liegen muß. Hier handelt es sich nicht einfach um eine Parteienkoalition, wie das etwa in bürgerlich-demokratischen Ländern üblich ist; im Rahmen des antifaschistisch-demokratischen Blocks ist die Zusammenarbeit der Blockpartner wesentlich enger. Sie bedeutet, besonders unter dem Druck sowjetischer Divisionen, praktisch die Aufgabe jeder eigenen politischen Handlungsfreiheit der bürgerlichen Parteien. Als Argumentation für die des Blocks der antifaschistisch-demokratischen Parteien wurde das gemeinsame Anliegen, den Faschismus zu vernichten und eine neue demokratische Ordnung aufzubauen, mißbraucht. In Wirklichkeit jedoch wurde diese Taktik bereits auf dem 7. Weltkongreß der Komintern im August 193 5 und später auf dem Exilparteitag der KPD im Oktober 193 5 in Brüssel formuliert. Damals bereits sagte Anton Ackermann in einer Analyse über die Ursachen, die zur Machtergreifung Hitlers führten, folgendes: „Wir kannten nur einen direkten, unmittelbaren Weg zum Sozialismus und haben nicht verstanden, daß die Entwicklung in den einzelnen Ländern höchst ungleich verläuft. . . . Wir haben den Fehler gemacht, nur den direkten Angriff zu kennen, statt nach Übergangsformen zu suchen.“

Hier spricht Ackermann deutlich aus, daß die sogenannte Blockpolitik nur ein Übergangsstadium sei zur Eliminierung aller antistalinistischen Kräfte, das Endziel jedoch nach wie vor die Diktatur stalinistischer Prägung ist. 3. Das dritte Problem, vor das sich die Sowjetpolitik in den ersten Jahren gestellt sah, war die Schaffung einer arbeitsfähigen Zentral-, Landes-und Gemeindeverwaltung und parlamentarischer Formationen, um wenigstens dem Schein nach parlamentarische Einrichtungen zu bilden, spätere Keimzellen für die Einheitsparlamente unter Führung der Stalinisten.

Auch in dieser Hinsicht bediente sich die Sowjettaktik des sogenannten antifaschistisch-demokratischen Blockes und damit der in dieser Institution erfaßten Parteien. Es ging der UdSSR darum, sowohl für die Weltöffentlichkeit wie besonders für die Westzone den Eindruck zu erwecken, als würde sie sich an den bürgerlich-demokratisch-parlamentarischen Aufbau Deutschlands halten, wie er im Potsdamer Abkommen festgelegt war. In Wirklichkeit jedoch bemühten sich die sowjetischen Vertreter in Deutschland von Anfang an, die personelle Besetzung der Verwaltungen unter dem Aspekt der dominierenden Rolle parteiergebener KPD-Funktionäre durchzuführen.

So entstanden durch den Befehl Nr. 110 der sowjetischen Militär-Administration Landesverwaltungen, denen am 23. 10. 1945 das Recht gegeben wurde, Gesetze und Verordnungen zu erlassen, soweit diese mit den Gesetzen der SMAD übereinstimmten. Schon die Besetzung der 16 deutschen Zentralverwaltungen in ihrer Spitze zeigt, wie sich die Sowjets damals schon den Einfluß der KPD-Funktionäre sicherten. Die Präsidenten von 10 Zentralverwaltungen kamen aus der KPD, 4 Präsidenten kamen aus der SPD und nur ein Präsident aus der CDU, sowie einer aus der LDP. Es erübrigt sich zu sagen, daß die wichtigsten Zentralverwaltungen wie die Verwaltung des Innern, die Zentralverwaltungen für Volksbildung, für Handel und Versorgung, für Interzonen-und Außenhandel, für Finanzen, für Brennstoff, für Arbeit mit KP-Vertretern besetzt waren.

Da für alle in der Zone gegründeten Parteien das Prinzip galt, daß sich ihre Verwaltungsfunktionäre und Parlamentarier den Parteibeschlüssen unterzuordnen haben, wurde auch hier mit den antifaschistischen Blöcken das Ziel erreicht, die Verwaltungsfunktionäre unter ständiger Kontrolle der die Blöcke beherrschenden Stalinisten zu halten.

So erfüllt sich die Sowjettaktik mit der Lösung des Problems der sogenannten Aktionseinheit, der Einführung der Blockpolitik das Hauptziel der sowjetischen Strategie in der Übergangsphase von 1945— 1948: nach außen hin die Schaffung einer demokratischen Fassade in formaler Erfüllung der Potsdamer Beschlüsse, de facto jedoch die Bildung der parteitreuen und der Sowjetpolitik ergebenen Kader innerhalb der politischen Organisationen, der staatlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Verbände.

Die Schaffung der „Aktionseinheit" als vordringlichste Aufgabe

Sofort nach Gründung der KPD und SPD gingen die Sowjets daran, mit Hilfe der deutschen Kommunisten, eine Annäherung zwischen SPD und KPD einzuleiten mit dem Ziel der Verschmelzung beider Parteien. Dabei ist interessant festzustellen, daß die KPD in ihrem erwähnten Aktionsprogramm die Einheit der Arbeiterparteien überhaupt nicht erwähnte, während die SPD in ihrem 1. Aufruf dieser Frage breiten Raum einräumte. Schon auf der Kundgebung der KPD am 12. Juni 1945 im Berliner Stadthaus, als das Aktionsprogramm verkündet wurde, sprach Gustav Dahrendorf vom Zentralausschuß der SPD. Er sagte wörtlich: „Die Sozialdemokratische Partei will die politische und, wenn es sein kann, die organisatorische Einheit der Werktätigen in Stadt und Land. Wir sind rückhaltlos bereit, über die tatsächliche Durchführung einer solchen Einheit aller Werktätigen zu sprechen, nachdem die Vorausset-zungen zur politischen Arbeit auf der Grundlage parlamentarisch-demokratischen Wirkens wiederhergestellt sind. Ich bitte um eine Erklärung, ob und wann ein solches Gespräch möglich ist.“

Es ist kein Zufall, daß der erste Anstoß zur Vereinigung der beiden Arbeiterparteien von der Sozialdemokratie ausging, während sich die KPD vorerst zurückhielt. Die damaligen Führer der sozialdemokratischen Partei in Berlin, insbesondere Otto Grotewohl, hatten effektiv und ehrlich Schlußfolgerungen aus den Niederlagen der Arbeiterparteien 1933 gezogen und waren zu der Auffassung gelangt, daß letztlich der Kampf der Arbeiterparteien gegeneinander die Machtergreifung der Nationalsozialisten erleichtert hat. Otto Grotewohl erklärte in einer Rede am 14. September 1945 wörtlich: „Wir rufen zum Zeugen für die Reinheit des Einigungswillens den Geist und das Blut auf, das in den Gefängnissen, Zuchthäusern, Konzentrationslagern und auf den Schafotten des 3. Reiches zusammenfloß.“

Den Sozialdemokraten war es ernst um die Aktionseinheit, sie gaben sich damals dem trügerischen Glauben hin, die KPD habe sich tatsächlich gewandelt und ihr Bekenntnis zum Parlamentarismus sei ernst zu nehmen. Natürlich dürfen bei dieser Entwicklung der psychologische Druck der Siege der sowjetischen Armeen, die Auflösung der Komintern und die Anwesenheit der geballten sowjetischen Militärmaschine nicht vergessen werden.

Die Führung der KPD dagegen hatte es mit der Vereinigung der Parteien keinesfalls so eilig. Für sie war die Frage des Zusammenschlusses intern zwar eine längst beschlossene Sache, in der Öffentlichkeit jedoch hielt sie sich bewußt zurück und überließ der SPD zuerst die Initiative auf diesem Gebiet. Die Ursache dafür ist klar. Für die KPD war nur eine solche Aktionseinheit von Wert, in der die stalinistischen Kader die uneingeschränkte Führung besaßen und alle wichtigen Schlüsselpositionen besetzt hatten. Für sie war die Aktionseinheit nur ein taktisches Mittel zur Ausschaltung der SPD. Sie wollte in einer Einheitspartei die sozialdemokratischen Mitglieder und Funktionäre aufsaugen, ihren Einfluß eliminieren. Für sie bedeutete der Zusammenschluß der Parteien den ersten wichtigen Schritt zur Aufrichtung ihrer späteren Alleinherrschaft. Dazu jedoch konnten sie einen überstürzten Zusammenschluß keinesfalls gebrauchen. Für die KPD war es viel wichtiger, zuerst einmal mit Hilfe der Sowjets ihren eigenen Parteiapparat aufzubauen und zu stabilisieren, möglichst viele Schlüsselpositionen in dem sich entwickelnden Verwaltungsapparat zu besetzen und vor allem möglichst viele Parteiorganisationen in den Städten, Betrieben und Dörfern der Zone zu gründen. So, glaubte sie, wäre es ihr leichter möglich, nach der Vereinigung die sozialistischen Mitglieder und Funktionäre trotz paritätischer Verpflichtungen mit zweitrangigen Funktionen abspeisen zu können, sie von Anfang an unter ihrer Kontrolle zu halten und die eigentlichen Machtpositionen in ihrer Hand zu konzentrieren.

In der Öffentlichkeit benutzten die Stalinisten natürlich andere Argumente, um die Vereinigung hinauszuschieben. In einer am 19. Juli 1945 stattgefundenen Besprechung zwischen je 5 Vertretern des Zentralkomitees der KPD und des Zentralausschusses der SPD wandte sich Walter Ulbricht mit folgenden Worten gegen eine sofortige organisatorische Vereinigung: „Die Zeit für eine organisatorische Vereinigung ist noch nicht gekommen. Eine verfrühte Vereinigung trägt den Keim neuer Zersplitterungen in sich und diskreditiert dadurch den Gedanken der Einheit.

Der Vereinigung der beiden Parteien muß zunächst für eine längere Zeit ein gemeinsames Zusammengehen vorangehen. In dieser Zeit müssen insbesondere gemeinsame Veranstaltungen beider Parteien und gemeinsame Beratungen zur Klärung ideologischer Fragen stattfinden. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ist die Einheitspartei zur Aktionsunfähigkeit verurteilt und birgt infolgedessen die Gefahr des Auseinanderfallens in sich.“

Auf dieser Tagung wurde ein Aktionsprogramm zwischen SPD und KPD beschlossen, in dem sich beide Partner vei pflichteten, gemeinsam ihre politischen Ziele zu verwirklichen und die Schaffung eines Parteiblockes mit den anderen Parteien herbeizuführen.

Die Stalinisten hatten ihr Ziel erreicht, sie konnten den Ausbau ihrer Positionen fortsetzen und den Termin bestimmen, an dem die Vereinigung durchgeführt werden sollte.

Auch die Sozialdemokraten hatten natürlich Gründe für ihre Forderung nach schnellstmöglichster Vereinigung. Sie sahen einmal ebenfalls, daß die KPD ihre Machtpositionen mit Hilfe der Sowjets ständig erweiterte. Die SPD fürchtete, bei einem späteren Termin in einer bereits festgefügten Organisation aufzugehen. Andererseits spekulierte die SPD auf eine Vereinigung im Reichsmaßstab und glaubte, in einem solchen Falle die stärkeren Positionen zu haben. Die Sozialdemokratie in Berlin vertrat die Auffassung, wenn auch in sowjetischem Machtbereich die KPD durch die Förderung der Sowjetunion die besseren Möglichkeiten habe, so würde die SPD doch durch die zahlenmäßige Überlegenheit in den übrigen Zweidritteln Deutschlands, in denen die KPD von den Westmächten sicher nicht gefördert wurde, in der Gesamtpartei das Übergewicht behalten können. Die sozialdemokratischen Führer begriffen gar nicht, daß den Sowjets eine gesamtdeutsche Sozialistische Partei, die sich ihrer Kontrolle entziehen konnte, durchaus nicht genehm war, — im Gegenteil. Eine gesamtdeutsche Arbeiterpartei mit ihren stärksten Kadern im Westen, in ihrer Mehrheit Sozialdemokraten, bildete die damals größte Gefahr für die sowjetische Strategie und Taktik in Deutschland. So forderte sie zuerst Aktionseinheit und dann erst die Vereinigung beider Parteien.

Der KPD ging es darum, die SPD in möglichst vielen Punkten festzulegen. Deshalb beantwortete sie am 19. Dezember 1945 das Memorandum der SPD-Führung, in dem die schnelle Bildung einheitlicher Arbeiterparteien für das Reichsgebiet gefordert wurde, mit einer Reihe von Forderungen. Aus diesen Forderungen ging klar die Absicht der KPD hervor, die Sozialdemokratische Parteiführung festzulegen. Sie forderte die Aufstellung gemeinsamer Wahl-listen für künftige Wahlen, gemeinsame Veranstaltungen und Mitgliederversammlungen und anderes mehr. Diese Forderung nach gemeinsamen Kandidatenlisten wurde vom Zentralausschuß der SPD abgelehnt und in einem 10-Punkte-Memorandum beantwortet. Die Auseinandersetzungen gingen weiter. Der Druck der Sowjets verstärkte sich. Es kam noch zu mehreren Konferenzen, bis endlich Ende Dezember 1945 die Kommunisten mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht ihre Vorstellungen über die Vereinigung der beiden Parteien durchgesetzt hatten. Grotewohl verzichtete auf Organisationszusammenschluß auf Reichsebene, während die KPD ihre Forderung nach gemeinsamen Kandidatenlisten für Wahlen zurückzog. Damit war eigentlich für die KPD der Weg zur Erfüllung ihres taktischen Etappenzieles, die SPD aufzusaugen und zu eliminieren, freigelegt. Die Spaltung der SPD war vollzogen. Die Sowjets hatten ihr Ziel erreicht: Vorbereitung der Vereinigung in der Sowjetzone, Lösung der Sozialdemokratie in der Sowjetzone von ihren viel stärkeren Organisationen in Westdeutschland.

Das war für die Sowjets das Signal, an Stelle der bisherigen Diskussion als Mittel der Über-zeugung Gewalt und Drohung zu setzen. Selbständige Entschließungen der SPD im sowjetischen Machtbereich wurden unterdrückt, die Kommandanturen in den Ländern und Orten übten einen massiven Druck auf die sozialdemokratischen Funktionäre aus, einzelne Organisationen an der Peripherie, in ihrer Mehrheit Kommunisten, begannen planmäßig die Vereinigung zu fordern. Ein letzter Versuch der SPD, die nun von der KPD forcierte Vereinigung aufzuhalten und durch eine Urabstimmung die Entscheidung der Mitgliederschaft zu übertragen, wurde von den Sowjets verboten. Sie wurde allein in West-Berlin durchgeführt, wobei sich 82 °/o der Mitglieder gegen eine Vereinigung aussprachen. Mit unerhörter Demagogie versuchte die KPD, dieses für sie erschütternde Wahlergebnis zu bagatellisieren. Für die SPD hi der Sowjetzone und Ost-Berlin jedoch war es bereits zu spät. Wie immer, wenn die Sozialdemokratie vor weltgeschichtlichen Entscheidungen steht, ging sie den Weg des Opportunismus, diesmal jedoch — das möge zu ihrer Entlastung gereichen —, unter dem massiven Drude der Sowjets und ihrer Geheimpolizei.

Am 19. und 20. April 1946 fanden in OstBerlin die letzten getrennten Parteitage von KPD und SPD statt, am 21. und 22. April folgte dann der sogenannte Vereinigungsparteitag der SED. Grotewohl hatte kapituliert, das 1. Etappenziel zur Sowjetisierung Mitteldeutschlands war erreicht. Für Zehntausende von Sozialdemokraten, die den Kerkern der Faschisten entronnen waren, begann im sowjetischen Machtbereich eine weitere Periode des Terrors und der Unterdrückung.

Vom Vereinigungsparteitag zur „Partei neuen Typus"

Nachdem der erste taktische Schritt, die 'Gleichschaltung der SPD in der Sowjetzone, geglückt war, stand vor den Stalinisten in der SED weitere die Aufgabe, die unter Drude vollzogene organisatorische Vereinigung durch eine ideologische Einschmelzung der Sozialdemokraten zu untermauern. Wenn auch in den ersten Jahren alle Parteifunktionen paritätisch mit je einem Sozialdemokraten und einem Kommunisten besetzt waren, so waren die Kommunisten auch damals schon die eigentlichen Machthaber, da sie sich in allen Entscheidungen auf die sowjetische Besatzung stützen konnten, während die sozialdemokratischen Funktionäre nicht nur keine Macht besaßen, sondern bei allen eigenständigen Handlungen mit der Verhaftung durch die Sowjets rechnen mußten. Trotzdem wurde nach außen hin immer noch der sogenannte eigene deutsche Weg zum Sozialismus aufrechterhalten. In dieser Periode kam es den Stalinisten in erster Linie darauf an, ihre Macht im eigenen Parteiapparat zu festigen, um die Voraussetzungen zu schaffen, die Mehrheit der sozialdemokratischen Funktionäre jederzeit ersetzen zu können.

Im Juli 1948 wurde das Kommunique des Kominform gegen die Kommunistische Partei Jugoslawiens veröffentlicht. Parallel dazu begannen die Sowjets in allen von ihnen besetzten Ländern jede grundsätzliche Opposition mit allen Mitteln auszuschalten und die Gesellschaftsform dieser Länder dem stalinistischen System der Sowjetunion mehr und mehr anzupassen. Die Auseinandersetzungen mit Jugoslawien waren willkommener Anlaß zur Gleichschaltung der kommunistischen Arbeiterparteien in den besetzten Ländern Osteuropas und der Sowjetzone Deutschlands. Da der Hauptvorwurf, den die Stalinisten den jugoslawischen Kommunisten machten, darin bestand, sie seien eigene Wege zum Aufbau des Sozialismus gegangen, hieß die stalinistische Alternative, es gäbe nur einen Weg zum Sozialismus, den sowjetischen. Das Zentralsekretariat der SED reagierte bereits am 3. Juli 1948 mit einer Entschließung, in der die jugoslawische Entwicklung verurteilt und ein Bekenntnis zur Sowjetunion und zur Partei „Lenins und Stalins" abgelegt wurde. Unmittelbar darauf folgten einschneidende organisatorische und personalpolitische Maßnahmen, die ersten Schritte, um die bisher paritätische Besetzung der Parteileitungen zu liquidieren und den Stalinisten innerhalb der SED die Alleinherrschaft zu sichern. Parteikontrollkommissionen wurden im September 1948 geschaffen. Parteistrafen wurden eingeführt und ein Fragebogen obligatorisch für Mitglieder herausgegeben. Im September 1948 mußte sich Anton Ackermann, der noch im Februar 1946 die These eines besonderen deutschen Weges zum Sozialismus vertreten hatte, von dieser Theorie distanzieren, seine ursprünglichen Auffassungen in der üblichen Selbstkritik als theoretische Entgleisungen hinstellen. Wenige Monate später bereits prägte Walter Ulbricht den Begriff der „Partei neuen Typus“ als Signal für die endgültige Stalinisierung der SED. Im Septemberheft der „Einheit“ 1948 schrieb er zu diesem Thema u. a.: „Die neuen Bedingungen (!) des Klassenkampfes erfordern die Schaffung einer revolutionären Partei der Arbeiterklasse, einer Partei neuen Typus.

Die Vereinigung von SPD und KPD bedeutete nicht den Zusammenschluß auf einer unklaren Linie, sondern die ideologische Grundlage der Partei kann nur die Lehre von Marx, Engels, Lenin und Stalin sein.“

Damit war die für die erste -Linie Parteikon ferenz Ende Januar 1949 gegeben. Das nächste Etappenziel konnte in Angriff genommen werden: Festigung der sogenannten antifaschistisch-demokratischen Ordnung — d. h. systematische Angleichung des Staats-und Wirtschaftsapparates an das Sowjetsystem und Kampf um die Entwicklung der SED zu einer „Partei neuen Typus" — was die restlose Stalinisierung der SED zum Ziele hatte.

Von nun an verlief der Angleichungsprozeß von Partei, Staat und Wirtschaft an das Sowjet-system planmäßig. Die sozialdemokratische Opposition in der SED wurde von ihren letzten Funktionen verdrängt, in die Gefängnisse geworfen oder zur Flucht gezwungen. Teile der Mitgliederschaft der ehemaligen SPD paßten sich den Gegebenheiten an. Die Leitungen wurden umgebaut, die Parität aufgehoben, eine Partei-säuberung durchgeführt, die Planwirtschaft mit Halb-, dann Zwei-und Fünfjahresplänen eingeführt, ein staatliches Gebilde — die SBZ — geschaffen, der volkseigene Sektor systematisch ausgebaut, mit der Kollektivierung der Landwirtschaft Wissenschaft, und begonnen, Kunst Kultur gleichgeschaltet.

Alle diese Maßnahmen wurden unmittelbar nach der ersten Parteikonferenz eingeleitet und waren auf der zweiten Parteikonferenz im Juli 1952 soweit fortgeschritten, daß die SED-Führung nun auch offen den Aufbau des soge-nannten Sozialismus verkünden konnte. Damit war ein weiteres Stadium der strategischen und taktischen Planung der Sowjets erfüllt. Ihr Machtbereich, die Sowjetzone, war politisch, wirtschaftlich und kulturell dem Sowjetsystem endgültig gleichgeschaltet, die SED völlig stalinisiert.

Die SED und der „Aufbau des Sozialismus"

Die Konsequenzen dieses sogenannten Aufbaus des Sozialismus — die nun begonnene strategische und taktische Etappe der Sowjetpolitik in Ostdeutschland — waren folgende:

Liquidierung der restlichen Privatwirtschaft, Ausschaltung des freien Handwerks durch handwerkliche Produktionsgemeinschaften, Liquidierung des privaten Groß-und Kleinhandels, verstärkter Ausbau der Schwerindustrie unter Vernachlässigung der Konsumgüterindustrie, Liquidierung der freien Bauern als selbständige Klasse, Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch Normenerhöhung. Außer diesen wirtschaftlichen Konsequenzen zur endgültigen Anpassung der SBZ an den Status einer Volksdemokratie waren die Schaffung einer Volksarmee, die Umbildung der Kirchen in eine Staatskirche, die restlose Liquidierung selbständiger Einflüsse der bürgerlichen Parteien, die Schaffung eines stalinistischen Straf-, Zivil-und Arbeitsrechtes und die Schaffung des Staatssicherheitsdienstes zur Brechung jedes Widerstandes erforderlich, um die staatliche Form einer Diktatur stalinistischer Prägung zu erreichen. Um diese taktischen Ziele zu erreichen, unternahm die SED gewaltige Anstrengungen, die zu bisher noch nicht dagewesenen Terrormaßnahmen führten. Die Folge war wachsende Verbitterung in der Bevölkerung, was sich unter anderem allein darin ausdrückt, daß von Juli 1952 bis 1953 338 896 Menschen in die Bundesrepublik flüchteten.

Wenn auch der Aufstand der Arbeiter am 17. Juni 195 3 als Ausdruck der Verzweiflung eine vorübergehende Mäßigung und Abschwächung des harten Kurses zur Folge hatte und der so-genannte „Neue Kurs" mit manchen Erleichterungen eingeführt wurde, so hatte sich doch an der alles beherrschenden Machtstellung der SED-Führung nichts geändert. Auch kann man diesen neuen Kurs nicht als neue strategische und taktische Etappe in der Politik der SED im Auftrage der Sowjets ansehen. Es handelt sich dabei vielmehr um ein zweckbedingtes vorübergehendes Zurückweichen vor der Empörung der Bevölkerung mit der Absicht, bei erster Gelegenheit wieder auf den alten Kurs zurückzuschwenken.

Dies geschah bereits auf dem IV. Parteitag der SED vom 30. März bis 6. April 1954. Zu diesem Zeitpunkt wurden mit wenigen Ausnahmen die Schwenkungen nach dem Juni-Aufstand korrigiert und die alte harte strategische und taktische Konzeption fortgesetzt. Im Gegenteil, in bezug auf die SED-Politik gegenüber der Bundesrepublik wurde die taktische Linie noch verschärft und offen vom Sturz des Adenauer-Regimes gesprochen, womit die Angleichung der Bundesrepublik an die Gesellschaftsordnung der SBZ gemeint war.

Auch die Revolutionen in Ungarn und Polen 1956 und der in der Sowjetunion systematisch entwickelte Modernisierungsprozeß des Stalinismus haben die Sowjetstrategie und Taktik gegenüber Deutschland und insbesondere gegenüber der SBZ kaum verändert. Daher gehört die SED auch heute noch im Rahmen des Ostblocks zu den reaktionärsten stalinistischen Parteien, die heute sogar nicht einmal mehr jene Modernisierungsmaßnahmen durchführt, die in der KPdSU bereits selbstverständlich geworden sind. Zur Zeit ist in der SED keinerlei Änderung abzusehen. Nach wie vor beherrscht der vom Politbüro geführte gewaltige Machtapparat der SED das gesamte politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben der SBZ. Gleichzeitig steuert er nach den Richtlinien der Sowjets die Infiltrationspolitik in der Bundesrepublik. Er beherrscht die bürgerlichen Parteien, die Massenorgani-sationen genauso wie die Scheinparlamente und Verwaltungen.

Im Jahre 1960 kann man sagen: in bezug auf das von den Sowjets beherrschte deutsche Gebiet ist das erste große strategische Etappenziel der Sowjets erreicht worden. Die selbständige Arbeiterbewegung in Mitteldeutschland wurde zerschlagen und mit der SED ein Machtinstrument geschaffen, das bedingungslos alle Befehle Moskaus ausführt.

Die bürgerlichen Parteien in Mitteldeutschland

Obwohl die Sowjets von vornherein die Alleinherrschaft der SED und die Umwandlung ihrer Zone in einen volksdemokratischen Staat geplant hatten, wollten sie doch in beschränktem Rahmen bürgerliche Kräfte in der Übergangsphase zur Mitarbeit heranziehen.

Ihnen war die Existenz einer bürgerlichen Opposition gegen das Dritte Reich nicht nur aus den Ereignissen des 20. Juli 1944 bekannt. Im Gegenteil, sie wußten, daß die bürgerlich-demokratischen Politiker der Weimarer Republik unter dem Hitlerregime nicht so dezimiert wurden wie die Arbeiterbewegung. Aus den bereits geschilderten Gründen kam es ihnen darauf an, in der ersten Periode ihrer Deutschland-Strategie nach 1945 möglichst viele bürgerlich-demokratische Politiker zur Mitarbeit heranzuziehen, um die formale Erfüllung der Potsdamer Beschlüsse zu dokumentieren, vor allem aber auch vom fachlichen Standpunkt her das Leben in ihrer Besatzungszone eher zu normalisieren als in den Zonen der Westmächte. Letztlich waren sie sich darüber klar, daß die bürgerlichen Parteien in den Westzonen mehr Unterstützung erfahren würden als für die KPD zu erwarten war. Um sich das Tor nach Westen aufzuhalten und in der Hoffnung, mit ihnen gefügigen bürgerlichen Politikern ihre Konzeption nach Westen voranzutreiben, ließen sie die bürgerlichen Politiker zuerst gewähren. Mehr noch: als die Sowjets nach Einmarsch der Roten Armee mit dem Aufbau der Kommunalen Verwaltung in ihrem Machtbereich begannen, waren sie sogar bemüht, an die Spitze der einzelnen Verwaltungen bürgerliche Fachleute und Politiker zu setzen. Die erste Direktive aus Moskau lautete: An die Spitze bürgerliche Repräsentanten, fachliche Qualifikation vor politische Gesinnung.

Wenn diese Periode auch nur sehr kurz währte und außerdem nur den Zweck verfolgte, das Vertrauen der bürgerlichen Demokraten zu erringen und den westlichen Alliierten gegenüber beschlußtreu zu erscheinen, so genügte sie doch, um die übriggebliebenen Repräsentanten der Weimarer Republik aus dem bürgerlichen Lager zur Mitarbeit zu veranlassen. Sehr schnell formierten sich diese Kräfte. Als nach der Kapitulation die Zuchthäuser und Konzentrationslager geöffnet wurden, bildete sich ein Kreis von Männern und Frauen, die sich von vornherein in zwei größere Gruppen formierten.

Da waren einmal demokratisch gesinnte Bürger, die zuerst nur ihre gemeinsame Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und ihr gemeinsames Bekenntnis zum Christentum verband. Politisch kam dieser Kreis aus den verschiedensten Gruppierungen der Weimarer Republik, sowohl von den Konservativen als auch aus dem Zentrum und aus den Überresten der Demokraten. Neben ihnen entwickelte sich allerdings etwas später und auch nicht in gleicher Stärke eine Gruppe, die sich dann als Liberal-Demokratische Partei (LDP) konstituierte. Diese beiden bürgerlichen Parteien waren, das muß hier betont werden, von ihrer Gründung 1945 bis mindestens 1947 noch keine Satellitenparteien der Sowjets und der Kommunisten. Sie hatten ein profiliertes antimarxistisches Parteiprogramm und betrieben eine mutige und entschlossene Opposition gegenüber den ersten Maßnahmen der Besatzungsmacht und der zwangsvereinigten SED. Diese Parteien wurden erst in den Jahren 1947/1948 restlos gleichgeschaltet und bergen auch heute noch, wenn auch nur unter der Oberfläche, eine antistalinistische Opposition in ihren Reihen. Die sowjetische Taktik, mit der diese Parteien zuerst geduldet, dann bekämpft und zum Schluß gleichgeschaltet wurden, ist typisch für die stalinistische Taktik in bezug auf das bürgerliche Lager in der ganzen Welt schlechthin, auch heute noch. Deshalb ist es von Bedeutung, sich in diesem Zusammenhang ausführlicher mit den verschiedenen taktischen Stufen der Sowjets in bezug auf die bürgerlichen Kräfte zu beschäftigen.

Die Christlich Demokratische Union (CDU) und die Liberale Demokratische Partei Deutschlands (LDPD)

Der Kreis der Gründer der CDU in den ersten Tagen nach der Kapitulation 1945 kam aus verschiedenen politischen Lagern der Weimarer Republik. Hier waren Demokraten, Zentrumsanhänger und Konservative zu finden, deren einzige Gemeinsamkeit zuerst ihre Ablehnung gegenüber der faschistischen Vergangenheit war. Für Deutschland stell. e die Gründung einer soldien politischen Partei etwas völlig Neues dar.

Partei Diese wollte christlich in der Weltanschauung, demokratisch in ihrer politischen Haltung und reichseinheitlich in ihrem Bekenntnis zu einem neuen demokratischen Deutschland sein. Das Besondere an der CDU war eben der Zusammenschluß bürgerlicher Demokraten aus beiden großen konfessionellen Lagern zuzüglich nicht konfessionell gebundener ehemaliger Mitglieder der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und der Konservativen.

Es ist interessant und symptomatisch, daß sich im Ergebnis des gewaltigen Schocks, den die Hitlerherrschaft auf die antifaschistischen Kräfte ausgeübt hatte, im bürgerlichen Lager ähnliche Vereinigungsideen entwickelten wie bei den Arbeiterparteien. Die Erkenntnis der sozialdemokratischen Partei, als Lehre aus der Niederlage von 1933 mit einer — wie fälschlich angenommenen — reformierten kommunistischen Partei zu einer Einheitspartei der Arbeiterbewegung zu kommen, fand ihre Parallele in dem Bemühen der verschiedensten bürgerlich-demokratischen Gruppierungen, zu einer einheitlichen Partei der CDU, im Reichsmaßstab zu gelangen.

Diese aus der Situation von 1945 heraus verständlichen Bemühungen kamen der Sowjetstrategie und Taktik in Deutschland sicher ungewollt entgegen. Den Sowjets war damals keinesfalls an dem Wiederaufleben vieler Parteien, etwa wie in der Weimarer Repubilk, gelegen. Ihr kam es darauf an, einmal die großen politischen Gruppen in übersichtlichen, wenigen Parteien zusammenzufassen, um sie dann zum anderen im Rahmen der Antifablöcke zentralisiert mit Hilfe ihrer deutschen Agentur, der SED, überwachen zu können. Aus dieser zuerst scheinbaren gleichen Vorstellung der Besatzungsmacht und der Bestrebungen im bürgerlich-christlichen und demokratischen Lager kam es relativ schnell zu jener Gründung der CDU, die mit ihrem ersten Gründungsaufruf vom 26. 6. 1945 an die Öffentlichkeit trat. In diesem Aufruf heißt es u. a.: „In der schwersten Katastrophe, die je über ein Land gekommen ist, ruft die Christlich-Demokratische Union Deutschlands aus großer Liebe zum deutschen Volk die christlichen, demokratischen und sozialen Kräfte zur Sammlung, zur Mitarbeit und zum Aufbau einer neuen Heimat.“

Aus dieser Sicht erklärte sich auch die Parteiführung der CDLI zur Mitarbeit mit den Arbeiterparteien innerhalb der Antifablöcke einverstanden. Der erste Schritt zur Erfüllung der Sowjettaktik, das Übergangsstadium auf der Grundlage einer bestimmten Einheitspolitik zu beginnen, war erfolgreich abgeschlossen. Trotzdem entstanden bereits am Anfang Differenzen. Die ersten Parteiführer der CDU, Dr. Hermes und Dr. Schreiber, widersetzten sich zwar nicht der Bodenreform, der Beseitigung der Monopole und der Verstaatlichung der Bodenschätze. Sie wandten sich jedoch gegen die entschädigungslose Enteignung der ehemaligen Besitzer. Die Sowjets setzten daraufhin diese beiden Parteiführer ab, und an ihre Stelle traten Jakob Kaiser und Ernst Lemmer. Die Absetzung von Hermes und Schreiber war für die führenden Politiker der CDU und auch der anderen bürgerlichen Partei ein alarmierendes Signal. Schon damals wurde deutlich, daß die Sowjetführung einen ganz bestimmten taktischen Kurs erstrebt und jede ernst zu nehmende Gegnerschaft mit Gewalt beseitigen würde.

Es ist sicher, daß Jakob Kaiser, der profilierte Führer der CDU, sich dieser Gefahren voll bewußt war. Bezeichnend dafür sind zum Beispiel seine Ausführungen, die er auf dem Parteitag des Landesverbandes der CDU von Berlin im März 1947 machte: „Ich weiß aus der Unbedingtheit meines Kampfes gegen das Hitlersystem um das ehrliche Suchen nach dem richtigen Weg zwischen taktischem Verhalten und kompromißloser Ablehnung.“

Unter diesem Motto stand die Arbeit Jakob Kaisers von Beginn an. Sein Schicksal in der Zone ist typisch für das vieler bürgerlicher, integrer und gradliniger Politiker, die glauben, allein durch ihre Person und lauteren Absichten dem kommunistischen System entgegentreten zu können. Da es solche Kräfte heute mehr denn je gibt, die Sowjettaktik sich aber im Prinzip nicht geändert hat, lohnt es sich hier, auf das Schicksal Jakob Kaisers und der Ost-CDU etwas ausführlicher einzugehen, das außerdem auch stellvertretend für den ersten Vorsitzenden der Liberal-Demokratischen Partei, Dr. Külz, steht.

Die CDU war zuerst eine gesamtdeutsche Partei. Es ist müßig, den alten Streit hier aufzuwärmen, ob nun die CDU zuerst in Berlin oder in Köln gegründet wurde. In Berlin jedenfalls gab es unter Dr. Vockel die zuerst arbeitende „Reichsgeschäftsstelle“.

Im November 1945 bereits reisten Dr. Vockel und Dr. Hermes nach Westdeutschland, um ein Reichstreffen der CDU in Bad Godesberg vorzubereiten. Daß dieses Reichstreffen und damit eine Reichsorganisation nicht zustandekamen, lag an der Haltung aller vier Besatzungsmächte, die an ihren föderativen Vorstellungen festhielten. Die Sowjets, die an einer Verhinderung einer reichseinheitlichen bürgerlichen Partei am ehesten interessiert sein mußten, brauchten sich überhaupt nicht einzuschalten, da die Westmächte aus ihrem Mißtrauen gegenüber allen politischen Kräften in Deutschland das Treffen von sich aus verboten. Trotzdem wirkte weiter der Gedanke einer Reichsorganisation, der vorerst jedoch nur in einer „Arbeitsgemeinschaft CDU/CSU Deutschland“ Ausdruck fand.

In der ersten Zeit ließen die Sowjets die CDU verhältnismäßig frei gewähren, wenn sie auch von Anfang an in technischer und materieller Hinsicht benachteiligt wurde. Bei dieser Benachteiligung stützten sich die sowjetischen Besatzungsoffiziere auf ein sogenanntes Proporz-System. Ihre Argumentation war dema-

gogisch, aber schwer zu widerlegen. Einfach ausgedrückt, sah es folgendermaßen aus: Alle wichtigen, für eine politische Partei lebenswichtigen Materialien wie finanzielle Unterstützung, Zuteilung von Papier für Publikationen, Fahrzeuge und Benzin für die Funktionäre, ohne die der Aufbau der Parteiorganisationen und die mündliche Propaganda unmöglich sind, die Zuteilung von Büroräumen für die Leitungen usw. wurden von der Anzahl der Mitglieder und der bestehenden Organisationen abhängig gemacht. Da die Kommandanturen der Sowjets von Anfang an die Aufgabe hatten, Organisationen der KPD und später der SED bis in den letzten Ort hinein zu gründen und dies auch mit bürokratischster Genauigkeit vollzogen, während die CDU nur allein auf die Aktivität ihrer eigenen wenigen Funktionäre angewiesen war und in den Kreisen und Orten in der Regel noch auf massiven Widerstand der sowjetischen Kommandanten, besonders jedoch der zahlreichen kommunistischen Bürgermeister und Parteifunktionäre stieß, war es verständlich, daß die CDU von Anfang an über wesentlich weniger Organisationen und Mitglieder verfügen konnte. Dies ist nur ein kleiner Teil der Benachteiligungen, die diese Organisation erfuhr. Dementsprechend jedoch verhielt sich die Zuteilung der erwähnten Materialien, ohne die die CDU andererseits natürlich nicht ihren Einfluß verstärken konnte.

Diese Taktik des indirekten Druckes, der Gleichberechtigung nach außen, der faktischen Benachteiligung jedoch ist auch heute noch ein Grundbestandteil der Sowjettaktik, wo immer die SU die Macht dazu besitzt. Diese Taktik wird heute von der SED noch genauso angewandt wie etwa in den Tarnorganisationen der Kommunisten im Westen, wo es darum geht, die Schlüsselpositionen zu besetzen.

Trotzdem konnten die Sowjets nicht — und wollten es wahrscheinlich auch nicht — von 1945 bis 1947 eine relativ eigenständige Politik der CDU unterdrücken. Sie spiegelt sich vor allem in der Presse der CDU und auch der LDP wieder. Das Organ der CDU, die „Neue Zeit“, und das der LDP, „Der Morgen“, hat in dieser ersten Periode bis 1947 offen Kritik sowohl an Maßnahmen der Besatzungspolitik als auch an der SED geübt. Es ist seit 1948 undenkbar, daß ähnliche scharfe Äußerungen gegenüber der strategischen und politischen Konzeption der SED oder der Sowjets in irgend einem offiziellen Organ der SBZ in ähnlicher Form lesbar wären. Die Herausgeber dieser Zeitungen muten heute wie Helden an, wenn man ihre mutigen Artikel nachliest. Hierfür nur zwei Beispiele: So schrieb die „Neue Zeit“ vom 9. 7. 47 über das Bestreben der SED, den ursprünglich neutralen Kultur-bund immer mehr unter die Kontrolle der SED zu bringen: „Die SED versucht, auch den Kulturbund ihrem vielfältigen Vorspann anzuschließen. Wo seine Leiter sich zu diesem Vorspann hergeben, sollten sie sich klar darüber sein, daß sie vor dem Programm und den Absichten des Kultur-bundes eine „trahison des clercs", einen Verrat der Intelligenz, begehen.“

Oder folgende Zeilen aus der „Neuen Zeit“ vom 6. Juli 1947: „Unter den großen Grundsätzen, die uns am Herzen liegen, steht an erster Stelle die Achtung vor dem Recht und der persönlichen Freiheit: der unverfälschten, unantastbaren Freiheit, eine Meinung zu haben und eine Meinung zu äußern, auch wenn sie nicht nach den internen Dienstvorschriften der SED genormt ist. ...“

In dieser Periode bestand die Taktik der Sowjets und der SED darin, die CDU im Rahmen ihres sowieso beschränkten Wirkungskreises gewähren zu lassen und sich lediglich geistig mit ihr auseinanderzusetzen. In dieser Zeit waren häufig Polemiken in der Parteipresse der SED und in dem offiziellen Organ der Sowjets „Tägliche Rundschau" gegen die abweichenden Meinungen der CDU zu lesen. Auf Parteiveranstaltungen fanden Diskussionen statt, zumindest im Zonenmaßstab, und auch in den Antifablöcken und in den Ländern, gab es noch echte ideologische Auseinandersetzungen. Demgegenüber jedoch taten die Kommandanturen in den Orten alles, um mit Schikanen und Drohungen die Tätigkeit der CDU einzuschränken und ihre Funktionäre einzuschüchtern.

Die Sowjets verfolgten dabei eine ganz bestimmte Absicht. Zum damaligen Zeitpunkt war es noch nicht klar, in welcher Breite ihr Einfluß auf Gesamtdeutschland möglich sein würde.

Sie hegten immer noch die Hoffnung, daß sie mit Hilfe dieser bürgerlichen Parteien die Besatzungsmächte im Westen wenigstens zur Durchführung der Bodenreform, der Enteignung der Schwerindustrie, zu größeren Reparationsleistungen verpflichten würden. Auch war am Anfang noch nicht klar, welche Entwicklung der Zusammenschluß der SPD/KPD im Westen nach sich ziehen würde, und den Sowjets war deshalb daran gelegen, ein möglichst demokratisches Bild ihrer Zone zu geben. Außerdem wandten sie, wie so häufig, auch in ihrem eigenen Lande die Taktik des Abwartens an. Ihre relative Freizügigkeit gegenüber den Äußerungen der bürgerlichen Parteien hat in diesem Zusammenhang zwei Gründe: einmal wollten die Sowjets nicht vorher zuschlagen, bevor nicht der Apparat ihrer Satellitenorganisation, der SED, genügend ausgebaut und gefestigt war, um ein administratives Vorgehen gegenüber den bürgerlichen Kräften von dieser Seite aus den nötigen propagandistischen Anstrich zu geben, die dann von den bürgerlichen Kräften geräumten Positionen mit sowjetischen Parteigängern besetzen zu können. Zum anderen jedoch benutzten sie die freien Meinungsäußerungen in der CDU und auch in der LDP dazu, um aus diesen Kreisen der bürgerlichen Opposition jene Politiker herauszufischen, die nach ihrer Haltung und ihren Charakteranlagen geeignet schienen nach Beseitigung der opositionellen Kräfte die Gleichschaltung dieser Parteien vorzunehmen. Prominente Flüchtlinge, die in der damaligen Periode an führender Stelle im Apparat der SED tätig waren, berichten, daß es auch in der SED über diese Frage Auseinandersetzungen gab. Ein Teil der Funktionäre war für die völlige Liquidierung der bürgerlichen Parteien, ihre Auflösung und die Errichtung der so-genannten Diktatur des Proletariats.

Die Sowjetfunktionäre in Deutschland dagegen verurteilten diese Haltung als sektierische linke Abweichung. Ihre taktische Konzeption sah folgendermaßen aus: ein Zerschlagen der bürgerlichen Parteien ist abzulehnen. Die bürgerlichen Parteien müssen nach außen erhalten werden, um den Charakter eines Mehrparteiensystems zu wahren. Es käme vielmehr darauf an, die oppositionellen Kräfte in diesen Parteien zu beseitigen und an ihre Stelle der Sowjetstrategie gefügige Personen zu setzen. Diese Taktik wurde dann auch durchgeführt.

Sie wurde besonders nach den Landtagswahlen im Oktober 1946 systematisch eingeleitet, da diese Wahlen, trotz massiver Behinderung, den erheblichen Einfluß der bürgerlichen Parteien auf die Zonenbevölkerung für die SED alarmierend zum Ausdrude gebracht hatten. Die Angriffe gegen die CDU verschärften sich und fanden ihren zunächst schärfsten Ausdrude in einem Artikel der „Täglichen Rundschau" vom 21. 9. 1947, in dem es wörtlich heißt: „Die Führung der CDN in der sowjetischen Besatzungszone macht sich immer mehr das amerikanische Programm der Entnationalisierung der deutschen Wirtschaft zu eigen (Marshallplan), und wird dadurch, ob sie will oder nicht, zum Agenten des amerikanischen Monopolkapitals.“

Damit war der Startschuß für die konkrete Verfolgung der CDU-Mitglieder und Funktionäre durch das besatzungsamtliche Presseorgan gegeben. Wer amerikanischer Agententätigkeit bezichtigt wurde, steht im Sowjetsystem in der Regel vor physischer Ausschaltung.

Vom 5. bis 8. September 1947 versuchte Jakob Kaiser noch einmal auf dem letzten selbständigen Parteitag der CDU in Berlin die Angriffe der Sowjets und der SED abzuwehren und die unabhängige Position der CDU zu formulieren. Da war es jedoch bereits zu spät. Die CDU war zu einer großen Gefahr für die Verwirklichung der sowjetischen Strategie und Taktik in Deutschland geworden. Während die SED durch die Zwangsvereinigung zu einer Zon-npartei geworden war, war die CDU hingegen immer noch eine gesamtdeutsche Partei, deren Arbeitsgemeinschaft das Ziel hatte, eine Reichspartei zu schaffen. So bestand die Möglichkeit, daß die CDU, gestützt auf ihre westlichen Positionen, zum Zentrum des Widerstandes gegen die sowjetische Strategie und Taktik werden konnte. Damit war das Schicksal der selbständigen CDU in der Zone besiegelt. Am 20. Dezember 1947 wurden Kaiser und Lemmer von den Sowjets abgesetzt, obwohl sie erst drei Monate vorher auf dem Parteitag der CDU wiedergewählt worden waren. Gleichzeitig wurde dem Chefredakteur der „Neuen Zeit" die Lizenz entzogen, eine große Säuberungswelle, begleitet von Verhaftungen, begann in der CDU.

Die erste taktische Etappe der Sowjets in bezug auf die Arbeit in den bürgerlichen Parteien war beendet. Die zweite Periode der Gleichschaltung begann. Etwas später erlitt die LDP unter etwas anderen Bedingungen das gleiche Schicksal. Dem mit Jakob Kaiser vergleichbaren aufrechten Vertreter des liberalen Bürgertums, Dr. Külz, blieb jedoch die Absetzung durch die Sowjets erspart, da er am 10. April 1948 verstarb. Die zweite Periode der sowjetischen Taktik mit den bürgerlichen Parteien führte zur systematischen Angleichung an das Zonensystem. Die Nachfolger von Kaiser und Külz, Otto Nuschke für die CDU und Ernst Bloch für die LDP, mögen zuerst unter illusorischen Vorstellungen die Geschäfte der Parteien nur noch im Zonenmaßstab weitergeführt haben. Sie stimmten der Durchführung des ersten deutschen Volkskongresses zu, obwohl deutlich war, daß sie damit auf jede Selbständigkeit verzichten und sich eindeutig vor den Karren der SED spannen ließen. Sie taten das, weil sie anfangs noch glaubten, ihre zusammengefaßte Stärke von CDU und LDP hätte im Rahmen dieses Vorläufers des späteren Scheinparlaments genügend Gewicht, um der Alleinherrschaft der SED widerstehen zu können. Ihr parlamentarisches Denken wurde ihnen zum Verhängnis. Später jedoch, 1952, als die SED den Aufbau des sogenannten Sozialismus verkündete und sich LDP und CDU in der Zone liebedienerisch in Erklärungen der sogenannten führenden Rolle der Arbeiterklasse und damit der SED unterwarfen und selbst den Aufbau des Sozialismus uneingeschränkt unterstützten, später dann konnte auch für diese Führungen der bürgerlichen Parteien kein Zweifel mehr über ihre völlige Machtlosigkeit bestehen. Die Sowjets haben damals in bezug auf die bürgerlichen Parteien ihr taktisches Ziel formal erreicht. Sie haben die Schaffung von gesamtdeutschen Parteien verhindert und diese Parteien in ihrer Zone völlig gleichgeschaltet. Trotzdem: real gesehen haben sie mit dieser Politik sich selbst kompromittiert, denn jeder Mensch in Westdeutschland weiß um die fiktive Rolle dieser Organisationen in der Zone.

Die Satellitenparteien der SED

Die Auseinandersetzungen zwischen CDU und LDP mit den Sowjets waren nur ein Teil der taktischen Konzeption der UdSSR in bezug auf die bürgerlichen Kräfte in Deutschland. Im Laufe der Jahre mußten die Sowjets feststellen, daß mit diesen beiden Parteien nicht die gesamten bürgerlichen Kräfte ihrer Zone aufgefangen und neutralisiert werden konnten. Einmal handelt es sich bei CDU und LDP um effektiv demokratische Verbände, die einmal die christliche Bevölkerung und zum anderen die liberaldemokratischen Kreise erfaßten. Die zwei Millionen kleiner PG’s standen sowohl den einen wie den anderen fern. Weiterhin brauchten die Sowjets zur Durchführung ihrer Gesamtkonzeption völlig ergebene Kräfte als Gegengewicht gegen CDU und LDP. Daher mußte es sich um bürgerliche Organisationen handeln. Neben der Erfassung der nationalen Gruppen in der Zone stand die Frage der politischen Beeinflussung der mittleren Bauern und Großbauern, die aufgrund ihrer sozialen Position nicht für die SED gewonnen werden konnten.

Aus allen diesen taktischen Gründen schritt die SMAD Mitte 1948 zur Gründung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NDPD) und der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD). Bei beiden Parteien handelt es sich von Anfang an um -Tarnorganisatio nen der SED. Für den Funktionärkader beider Parteien wurden bewährte Altkommunisten ausgewählt, die aus ihrer Partei austraten, um in Gründungsausschüssen die Bildung der neuen Parteien vorzubereiten. Der Vorsitzende der NDP, Lothar Bolz, emigrierte 1933 in die Sowjetunion, war vor 1933 Mitglied der KPD und in der Sowjetunion als Hochschullehrer und Redakteur tätig. Ernst Goldenbaum, der Vorsitzende der Bauernpartei, hat diese Funktion ebenfalls als Auftrag der SED übernommen.

Anfang 1948 entwickelten die Kommandanturen der Sowjets in Verbindung mit den Kader-abteilungen der SED für die Vorbereitung dieser Parteien eine rege Tätigkeit. Aus den Karteien der SED wurden zuverlässige Stalinisten ausgewählt, die nicht so sehr in der Öffentlichkeit als Parteifunktionäre bekannt sein durften. In der Regel wurden sie dann zur Gründung dieser Parteien in andere Bezirke versetzt, wo sie weitgehend unbekannt waren. In einigen Fällen wurden fingierte Ausschlußverfahren aus der SED organisiert, um den Übertritt zu der einen oder anderen zu gründenden Partei glaubwürdig zu gestalten. Es lohnt sich nicht, über diese beiden Organisationen viel Worte zu verlieren. Die Bildung der NDP und DBD ist nur als Charakteristikum des Zynismus bedeutsam, mit dem die Stalinisten selbst unter Zuhilfenahme eindeutiger Betrugsmanöver die Bevölkerung hinter das Licht zu führen bereit sind, wenn es um die Durchsetzung ihrer strategischen und taktischen Zielsetzung geht.

Die Massenorganisationen

Zur weiteren Durchdringung der Sowjetzone schufen die Stalinisten eine große Anzahl von sogenannten Massenorganisationen, denen die Aufgabe zufiel, breite Bevölkerungsschichten, die zuerst noch nicht parteigebunden waren, auf der Grundlage ihrer beruflichen, geistigen oder biologischen Voraussetzungen zu organisieren. Die strategische und taktische Bedeutung der Massenorganisationen liegt darin, daß diese nicht als Parteien deklariert sind. Jeder kann nur Mitglied einer Partei, aber m e h -rerer Massenorganisationen sein. Für die Stalinisten sind die Massenorganisationen soge-nannte Vorbereitungsschulen, in denen die Mitglieder für ihre spätere Mitgliedschaft in der SED vorbereitet werden. Da diese Massenorganisationen alle von der SED beherrscht werden, geben sie der SED gewaltige Einflußmöglichkeiten auf die Massen der nicht organisierten Bevölkerung. Stalin, unter dessen Herrschaft das System der Massenorganisationen perfektioniert wurde, bezeichnete die Massenorganisationen als Transmissionen zwischen der bolschewistischen Partei und den Massen. Die Kommunisten gehen von folgender strategischen Erwägung aus: die Führung des gesamten öffentlichen Lebens liegt in Händen der Partei. Sie kann jedoch nicht allein mit ihrem Apparat sämtliche politischen, wirtschaftlichen und staatlichen Führungsaufgaben lösen. Deswegen schafft sie sich verschiedene Formationen, durch die sie direkt (durch die Parteifunktionäre in den Formationen) und indirekt (durch die Organisationen selbst, die die Parteibeschlüsse durchführen) das gesamte Leben der Gesellschaft leiten.

Diese Formationen sind der Staatsapparat einschließlich Armee und Staatspolizei, die scheinparlamentarischen Körperschaften und die Massenorganisationen. In der Zone gibt es noch die Formationen der bürgerlichen Parteien, die im Einparteiensystem der Sowjetunion nicht existieren. Die Massenorganisationen wurden geschickt für die einzelnen Bevölkerungsschichten geschaffen, an der Spitze die Einheitsgewerkschaften (der FDGB) für die breite Masse der Arbeiter, Angestellten und Geistesschaffenden; die Freie Deutsche Jugend (FDJ) für die Beeinflussung der jungen Generation; der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFB) für die Erfassung der Frauen; der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands für die Kultur-und Geistesschaffenden; der Deutsche Sportausschuß für die Sportler; die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft für die unmittelbare Propagierung des Sowjet-Systems, und einige andere mehr. Alle diese Organisationen sind in ihrem Funktionärskader mit SED-Funktionären von Anfang an durchsetzt gewesen. Sie alle sind in der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands zusammengefaßt, die als Sammelbecken faktisch der Gesamtbevölkerung dient. Die politische Generallinie aller dieser Organisationen ist gleich und identisch mit der politischen Linie der SED, deren Beschlüsse für alle Verbände verbindlich sind. Die Organisationen unterscheiden sich allein methodisch voneinander.

Das heißt: jede Massenorganisation bemüht sich, die SED-Politik unter Ausnutzung der spezifischen Interessen der von ihnen erfaßten Bevölkerungsgruppe zu propagieren.

Die FDJ beispielsweise versucht die Thesen der SED den jungen Menschen mit den Methoden der Jugendarbeit nahezubringen, während der DFD die spezifischen Interessen der Frauen benutzt, um die SED-Politik an sie heranzutragen. In der Sowjetstrategie in bezug auf Deutschland sind im Rahmen der Massenorganisationen zwei Etappen sichtbar. Die erste Etappe von 1945 bis 1948, in der diese Organisationen sämtlich als überparteiliche Verbände deklariert wurden, um möglichst breite Teile außerhalb der SED zu erfassen. In dieser Zeit lagen zwar schon die Schlüsselpositionen in den Händen der SED-Funktionäre, vereinzelte bürgerliche Kräfte arbeiteten jedoch noch mit.

Die zweite Periode verlief analog der Entwicklung der SED zur Partei neuen Typus etwa von 1948 bis 1952. In dieser Zeitspanne wurden die bürgerlichen Vertreter in diesen Organisationen restlos entmachtet, die Organisationsformen denen der sowjetischen Parallel-verbände angeglichen und eine systematische Sowjetisierung dieser Organisationen durchgeführt. Die dritte Periode, die noch in der Gegenwart anhält, wurde mit der zweiten Parteikonferenz eingeleitet, auf der der sogenannte Aufbau des Sozialismus verkündet wurde. Von da an bekannten sich die Massenorganisationen nacheinander jetzt offen zur führenden Rolle der SED, zum „Arbeiter-und Bauernstaat“ und zum sogenannten Sozialismus.

Die Überparteilichkeit wurde endgültig über Bord geworfen. Bei der FDJ ist das am deutlichsten sichtbar, die sich seit einigen Jahren sogar offiziell als „sozialistischer“ Jugendverband bezeichnet.

So haben die Sowjets auch in bezug auf die Bildung dieses enormen Reservoirs der Massenorganisationen ihre taktischen Etappenziele erreicht. Es gelang ihnen, unter anfänglicher Vor-spiegelung des überparteilichen Charakters dieser Verbände, jede Opposition systematisch auszuschalten und reine stalinistische Organisationen, in denen Millionen Menschen erfaßt werden, zu schaffen.

Die Sowjettaktik auf parlamentarischem und staatlichem Sektor

Nachdem die in der Grundkonzeption gleiche Strategie und Taktik der Sowjets in bezug auf Parteien und Massenorganisationen in Mittel-deutschland behandelt wurde, erübrigt es sich, die an sich parallel laufende Konzeption beim Aufbau des Staatsapparates und der Scheinparlamente noch eingehend zu erörtern.

Es kann nur noch interessant sein, anhand dieser beiden Komplexe die Einheitlichkeit der strategischen Konzeption und ihrer taktischen Durchführung nachzuweisen. Wie bei der Umwandlung der Arbeiterparteien zur SED und ihrer endgültigen Stalinisierung, wie bei der Gleichschaltung der bürgerlichen Parteien und der Umwandlung der Massenorganisationen von überparteilichen sowjetisierten Verbänden, vollzog sich auch der Aufbau des Staatsapparates zeitlich und in der Konzeption ähnlich in mehreren Etappen.

Nach der Bildung der Zentralverwaltungen, die bereits zur Mehrheit in den Händen der SED waren, wurde die deutsche Wirtschaftskommission geschaffen, die Keimzelle der künftigen Planwirtschaft. Der Aufbau der Ministerien der SBZ nach Gründung dieses Zonenstaates stellt nichts weiter als die zweite Etappe auf dem Wege der Angleichung des Staatsapparates an das Sowjetsystem dar. In der Mehrheit wurden nicht einmal personelle Veränderungen vollzogen.

Der Aufbau der Zonenparlamente vollzog sich gleichfalls in taktischen Etappen, um von vornherein die Vormachtstellung der SED zu sichern. Nach den einzigen verhältnismäßig freien Wahlen, den Gemeindewahlen im September 1946 und den Kreis-und Landtagswahlen im Oktober 1946, in die die einzelnen Parteien mit eigenen Listen gingen, gab es keine echten Wahlen mehr in Mitteldeutschland.

Die Tatik, die von den Sowjets zur Gleichschaltung der Parlamente angewandt wurde, ging über die Bildung des ersten deutschen Volkskongresses im Dezember 1947. Mit seiner Durchführung schieden die profilierten bürgerlichen Politiker der CDU bereits aus dem öffentlichen Leben aus. Während des ersten deutschen Volkskongresses sicherte sich die SED bereits eine überlegene Stimmenmehrheit, da sie sämtliche von ihnen beherrschten Massenorganisationen mit Mandaten betraute. Diese Volkskongreßbewegung war die Keimzelle sowohl der künftigen Einheitswahlen wie der späteren Volkskammer. Mit dem ersten deutschen Volkskongreß war die erste Etappe der Sowjettaktik erfüllt: es gab eine Körperschaft, die als Parlament ausbaufähig war und in der die SED mit den Massenorganisationen die unbestrittene Führung hatte.

Der zweite deutsche Volkskongreß leitete dann 1948 die nächste Etappe ein. Auf ihm wurde der deutsche Volksrat gebildet, die Keimzelle des späteren Ministerrates. Auch wurden auf dem zweiten Volkskongreß eine Anzahl von Ausschüssen geschaffen, die dann später zum Teil in gleicher personeller Zusammensetzung als Volkskammerausschüsse wieder auftauchten.

Der dritte Volkskongreß vollzog dann 1949 endgültig den Schritt zur Einheitsliste, zur Beseitigung selbständiger Parteifraktionen.

Damit war die nächste Etappe zur Umwandlung der Sowjetzone zu einem selbständigen Staat eingeleitet. Diese Gründung erfolgte dann auch am 7. Oktober 1949 mit der Umwandlung des Volksrates und Volkskongresses zur provisorischen Regierung und zur provisorischen Volkskammer.

Die Wahlen, die am 15. Oktober 1950 durchgeführt wurden, hatten keinen Einfluß mehr auf die Gestaltung des sogenannten Parlamentes, sie wurden auf Einheitslisten durchgeführt, auf denen genau soviel Kandidaten standen, wie gewählt werden mußten. Auch die Sitzverteilung wurde nach vorher festgelegtem Schema durchgeführt. Nach den Wahlen fiel der Begriff „provisorisch“ fort, das strategische Etappenziel der Sowjets, die Konstituierung ihres Zonenstaates mit Regierung und Scheinparlament war erreicht.

So war es der sowjetischen Strategie und Taktik in Deutschland gelungen, innerhalb von fünf Jahren, von 1945 bis 1950, mit taktischen Methoden und Terror jede demokratische Opposition auszuschalten und ein eigenes Staats-gebilde zu errichten. 1949 und 1950 noch gab es Diskussionen selbst im Rahmen der SED-Führung, welcher Weg beschritten werden sollte. Zwei Meinungen standen sich gegenüber. Die eine vertrat die Ansicht, zugunsten der Wiedervereinigung Deutschlands sollte auf Separat-maßnahmen in der Zone verzichtet werden, der Sozialismus sei letztlich nur in ganz Deutschland aufzubauen, die andere Gruppe, unter Führung von Ulbricht, vertrat die Meinung der Sowjets: Aufbau des Sozialismus in einem Teil Deutschlands mit dem Ziel, von dort aus dann auf ganz Deutschland auszustrahlen. Diese Meinung hat sich durchgesetzt, weil sie von den Sowjets gestützt wurde. Für diese war es bereits 1948 klar, daß eine Gewinnung Gesamtdeutschlands unter den gegenwärtigen Bedingungen unmöglich sei. Deshalb haben sie von diesem Zeitpunkt an konsequent den Aufbau des Zonenstaates betrieben.

Fussnoten

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