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Vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil | APuZ 40-41/1962 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 40-41/1962 Vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil Uber sein Wesen, seine Arbeit, seinen Auftrag Der ökumenische Rat der Kirchen

Vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil

JOHANNES B. HIRSCHMANN

Die hier vorgelegten Gedanken wurden in den vergangenen Wochen auf Pressekonferenzen vorgetragen und bei der letzten Publizistentagung in Loccum eingehend behandelt.

Der Okomenische Rat der Kirchen (s. Seite 490) Hans Heinrich Harms

In dieser Ausgabe werden zwei Beiträge veröffentlicht, die sich aus evangelischer und katholischer Sicht mit entscheidenden kirchlichen Fragen der Gegenwart befassen. — Die katholische Stimme gibt eine Voraus-schau auf das bevorstehende Konzil; die evangelische eine Übersicht über die Arbeit des Ökumenischen Rates; sie berührt gleichzeitig Probleme, die schon in dem am 25. Juli 1962 veröffentlichten Forschungsbericht „Die Kirche des Moskauer Patriarchats“ behandelt wurden.

Am 25. Januar 1959, wenige Monate nach seinem Amtsantritt, überraschte Papst Johannes XXIII.seine römischen Mitarbeiter, die Christenheit und die Welt mit der Ankündigung eines Allgemeinen Konzils. Nach dem letzten, das 1869/70 im Vatikan stattfand, wird es unter dem Namen des Zweiten Vatikanischen Konzils in die Geschichte eingehen.

Die Überraschung mag da am größten gewesen sein, wo man, im Anschluß an die Primats-und Unfehlbarkeitsdekrete des Ersten Vatikanischen Konzils, mit weiteren Konzilien in der katholischen Kirche überhaupt nicht mehr gerechnet hatte. Die Regelung des Konzilrechts im neuen Kirchlichen Rechtsbuch von 1918 deutete allerdings in eine andere Richtung. Und die Eingeweihten redeten davon, daß sowohl Pius XI. nach dem ersten Weltkrieg wie auch Pius XII. vor dem zweiten die Einberufung eines Konzils ernsthaft überlegten, den Gedanken aber mit Rücksicht auf die ihnen noch nicht reif erscheinende Zeit zurückstellten. Diese Reife hält Johannes XXIII. nun offensichtlich für gekommen.

Die Idee In einer Audienz Anfang Mai dieses Jahres, die er Rompilgern aus seinem früheren Bistum Venedig gewährte, erzählte der Papst, wie er zu seinem Entschluß kam: „Ein so trautes Zusamntenseiu wie dieses gibt U die GelegeMheit, iw Kreis geliebter ms Söhne etwas vertraulich witzuteilen, woraus erhellt, wie wichtig die schlichte und demütige Bereitschaft des Herzeus Gott gegenüber ist, immer auf seine Eingebungen zu horchen und auf seinen heiligen Willen einzugehen.

Nehmt da als Beispiel die Idee des Allgemeinen Konzils. Wie kam es zu ihr? Wie entwickelte sie sich? In einer Weise, die geradezu unwahrscheinlich klingt — so unvorhergesehen war der Gedanke an die Möglichkeit ...

Im Ablauf eines Gesprächs mit Kardinal-staatssekretär Tardini ergab sich eine Frage, der die Feststellung folgte: die Welt von heute versinkt immer wehr in Angst und Unsicherheit; zwar bekennt wan sich iwwer wieder lautstark zu Frieden und Verständigung, aber dabei kowwt es doch iwwer wieder nur zu verschärften Gegensätzen und verstärkten Drohungen. Was soll da die Kirche tun? Soll sich das geheimnisvolle Schifflein Christi von den Wogen auf und ab treiben lassen? Erwartet man von der Kirche nidu wehr als ein bloßes Wort der Mahnung? Erwartet wan nicht vielmehr das Licht eines großen Beispiels? Was könnte das aber sein? Dieser Frage folgte ein langes, ehrfürchtiges inneres Aufhorchen. Mit einem Mal ging Uns innerlich das Licht der großen Idee auf; sie wahrnehmen und — mit einem unbeschreiblichen Vertrauen auf den göttlichen Meister — aufgreifen, war eins.

Auf Unsere Lippen drängte sich, feierlich und verpflichtend zugleich, das Wort, und Unsere Zunge sprach es zum erstenmal aus: ein Konzil! Ehrlich gesagt, es regte sich in Uns auch sofort die Furcht, etwas Bestürzendes und Schockierendes gesagt zu haben.

Sicher würden Wir nun eine Aufzählung ernst zu nehmender Einwände anhören müssen, schon deshalb, weil zu erwarten war, daß diese überraschende Ankündigung natürlicheine lange, gründlich überlegte Stellungnahme auslösen müßte. Die Antwort ließ jedodt nicht lange auf sich warten. Das Antlitz des Kardinals war sichtlich bewegt, als er unmittelbar danach begeistert zustimmte.

Das war für Uns ein erstes, sid-teres Zeichen für den Willen des Herrn! Wer wüßte nicht, mit wieviel, zweifellos notwendiger und begreiflicher Umsicht die Römische Kurie alle großen und kleinen Fragen, mit denen sie zu tun hat, prüft. Hier aber entsprach dem , Ecce adsurn'des Papstes das unmittelbare Edto seines engsten Mitarbeiters.“

Der Papst erzählt dann weiter, wie es ihm kurz darauf ähnlich erging, als er sein Vorhaben in Sankt Paul den Kardinälen ankündigte: Erst überraschtes Schweigen; dann kamen sie, einer nach dem andern, zu ihm, ihm ihre Bereitschaft zur Mitarbeit anzubieten.

Der persönliche, charismatische Anlaß zum Konzil ist vom Papst immer wieder erwähnt worden. Er empfindet es als einen göttlichen Auftrag, dem er sich nicht entziehen darf. Er stellt sich ihm mit einer Tatkraft und Sicherheit, die viele überrascht. Über seinen näheren Inhalt hatte er offensichtlich nicht von vornherein die gleiche Klarheit, und er setzte, wie er selbst offen bekannte, hier in den folgenden Monaten unterschiedliche Akzente. Das große Ziel war ihm deutlich: die innere Erneuerung in der Kirche. Er erwartete von ihr vor allem ein Zweifaches: eine Annäherung der getrennten Christen und eine Verlebendigung der Kirche in der Erfüllung ihres Auftrags gegenüber der Welt der Gegenwart. Wenn diese beiden letzten Hoffnungen gelegentlich so mißverstanden wurden, als plane er — im historischen Sinn dieser Worte — ein „Unionskonzil“ oder ein „Reformkonzil“, so war von vornherein klar, daß damit mehr in seine Worte gelegt wurde, als in ihnen enthalten war. Er hielt die Frage nach dem näheren Inhalt des Konzils vielmehr immer wieder offen, um ihre Lösung dem Konzil selbst zu überlassen. — Nach katholischer Auffassung ist ein Konzil eine Versammlung der Bischöfe des Erdkreises unter dem Papst, um in Fragen des Glaubens und kirchlichen Lebens zu beraten und zu beschließen. Die Bischöfe haben also eine echte Mitverantwortung. Johannes XXIII., der offensichtlich sehr hoch von dieser Eigenverantwortung denkt, beschloß, auch die Bischöfe in die Vorbereitung maßgeblich einzubeziehen. Die entferntere Vorbereitung Pfingsten 1959 berief der Papst eine Kommission für die entferntere Vorbereitung des Konzils ein. Ihr Vorsitzender war sein Staatssekretär, ihre Mitglieder waren aus der Führung der obersten Gremien der kirchlichen Regierung genommen. Sie sollten vorklären, wie das Konzil thematisch und organisatorisch vorbereitet werden solle. Im Unterschied zum Weltrat der Kirchen liegen ja hier keine in Übung erworbenen Erfahrungen vor. Kein Teilnehmer dieses Konzils hat das letzte erlebt. Die große Zahl der Bischöfe, die veränderten Verkehrsverhältnisse, vor allem aber die ungeheure Vielschichtigkeit der Fragestellungen und Situationen erzwingen eine ganz neue Planung und Vorbereitung.

Sie umfaßte etwa ein Jahr und war Ostern 1960 im wesentlichen abgeschlossen.

Zunächst wandte sich die Kommission an alle katholischen Bischöfe und eine große Anzahl von kirchlichen Würdenträgern und Prälaten in bischofsähnlicher Stellung. Sie wurden gebeten, nach Beratung mit ihren Mitarbeitern sich in allem Freimut zu äußern, welche Fragen der Lehrverkündigung, der Gestaltung des Gottesdienstes, der Kirchenzucht und des christlichen Lebens sie für so bedeutsam, so reif und so vordringlich hielten, daß sie Gegenstand des kommenden Konzils sein könnten. Die etwa 2000 Antwortschreiben wurden von der Kommission gesichtet und, geordnet nach Sachbereichen und Absendern, zusammengefaßt — man spricht von 8972 Einzelwünschen! Sie spiegeln gewiß die Fülle der unterschiedlichen Anliegen und Situationen einer Weltkirche in einer sich einenden Welt wider. Sie stellen das Haupt-ausgangsmaterial für die näheren Vorbereitungen dar.

Um eine ähnliche, begründete Stellungnahme wurden auch die theologischen und kanonistischen Fakultäten katholischer Hochschulen gebeten. — Schließlich konnten auch, teilweise bereits in Auseinandersetzungen mit den hier geäußerten Wünschen, die Römischen Kongregationen und Ämter der Kurie sich gutachtlich zu den gleichen Fragen äußern.

Das Ergebnis der Befragungen liegt in den oft erwähnten 16 umfangreichen Quartbänden vor. Päpstliche Initiative und weltweites Echo des Episkopates, unterstützt durch die Sachkenntnis der weitgestreuten Beraterkreise beider, seelsorgliche und administrative Erfahrung, wissenschaftliche Erkenntnisse aus aller Welt, alles in großem Freimut geäußert, treffen in dem Werk zusammen. Eben dieser Freimut verbot indiskrete Veröffentlichungen. Auch unabhängig vom Ergebnis des Konzils selbst hat die Sammlung für die Kirchenführung jetzt schon, für die kirchlichen Wissenschaften später, einen hohen Wert.

Der Papst, der alles persönlich studiert hatte, stand vor der nicht leichten Wahl, ob man einige wenige, besonders wichtige Punkte herausgreifen sollte — wozu mehrere seiner Mitarbeiter geraten haben dürften —, oder ob eine umfassende Überprüfung aller wesentlichen Lebensäußerungen der Kirche auf Grund der konvergierenden Ansichten und Anliegen der Bischöfe angestrebt werden sollte. Er wählte den zweiten Weg.

Dieser Entscheid legte es nahe, den Stoff vor allem im 'Anschluß an die Gutachtergremien der kurialen Stellen aufzugliedern. Die Schwierigkeit, daß sich so ein Übergewicht der kurialen Gesichtspunkte ergäbe, wurde ausgeglichen durch die Berufung von Bischöfen, Theologen und Seelsorgepriestern aus der ganzen Welt und eine entsprechende Arbeitsordnung der Kommissionen, die den nichtkurialen Gliedern weitaus das zahlenmäßige Übergewicht gab.

Die nähere Vorbereitung Pfingsten 1960 konstituierte der Papst zunächst zehn Kommissionen und zwei Sekretariate, in denen von Herbst des gleichen Jahres an die thematische Vorbereitung des Konzils in Angriff genommen wurde. Die Akzente derselben ergaben sich aus der päpstlichen Überprüfung der vorhin genannnten Befragungsergebnisse — im übrigen hatten die Mitglieder dieser Kommission verhältnismäßig viel Freiheit in der genaueren Umschreibung ihrer Themen.

In den 12 Gremien arbeiteten anderthalb Jahre lang rund 700 Geistliche aus über 70 Ländern. Es waren über 200 Bischöfe darunter, so daß auch auf dieser zweiten Stufe der Vorbereitung der Weltepiskopat angemessen beteiligt war. Es wurde bei der Zusammensetzung der Kommissionen Wert darauf gelegt, das Wissenschaft und Praxis, Hierarchie und Fachwissen, Ordens-und Weltklerus gleicherweise zu Wort kamen. In Fragen, die besonders die Laien angingen, hatten die Kommissionsmitglieder die Möglichkeit, diese Fragen mit entsprechenden Laien ihrer Länder zu besprechen.

Die Kommissionen gliederten sich in viele Unterkommissionen, in denen zuerst die Vorlagen für das Konzil entworfen und beraten wurden. Sie wurden dann in den Vollversammlungen ausgiebig durchdiskutiert und zur Abstimmung gebracht. Die so entstandenen Entwürfe (Schemata) von Lehrstücken (Konstitutionen) oder Dekreten gingen an die Zentralkommission, in der der Papst den Vorsitz führte. Sie setzte sich zusammen aus den Kardinälen und (vorwiegend) den Bischöfen, die an der Spitze von Bischofs-konferenzen in den verschiedenen Ländern stehen. Diese Zentralkommission prüfte die Entwürfe und beriet den Papst in der Frage, ob und wie sie an das Konzil weitergegeben werden sollten. Die Tätigkeit dieser Kommission fand im Juni dieses Jahres (1962) ihren Abschluß. Zahlreiche wichtige Ergebnisse wurden 1961/62 im Osservatore Romano veröffentlicht. Die Themen der Vorlage Die erste, die theologische Kowinission, prüfte einen Entwurf für eine neue Formel des Glaubensbekenntnisses, sowie sechs Entwürfe zu Lehrstücken, die das Konzil behandeln und verabschieden sollte. Eines befaßt sich mit den Quellen der Offenbarung (die Heilige Schrift, die dogmatische Überlieferung, das Verhältnis beider zueinander), und hat seine besondere Bedeutung sowohl im Hinblick auf die Bibel-bewegung, die biblischen Studien wie das Verhältnis zu den Protestanten. Ein zweiter Entwurf bandelt von der Reinerhaltung der Glaubenslehre und sichert diese gegen Irrtümer und Gefährdungen im Bereich der religiösen Erkennntnis, der Gotteslehre, des Schöpfungsbegriffes, des Verhältnisses von Natur und Über-natur, des christlichen Menschenbildes, der Lehre von der Gefallenheit des Menschen und von der LIniversalität der Erlösung. Ein dritter Entwurf betrifft das Selbstverständnis der Kirche, die Lehre von ihren Gliederungen und Ständen (das apostolische Amt, der Ordensstand, der Laienstand), wobei auch praktisch so bedeutsame Fragen wie das Verhältnis der Katholiken zu den nichtkatholischen Christen oder das Verhältnis Kirche und Staat zu bedenken waren. Ein vierter Entwurf handelt von Ehe und Familie, unter besonderer Berücksichtigung der ihnen heute anvertrauten ethischen Werte. Ein fünfter behandelt Grundsatzfragen der christlichen Sittenlehre (sittliche Erkenntnis, Gewissen, Situationsbezug der sittlichen Entscheidung, sittliche Schuld, personales Ethos). Ein letztes schließlich Fragen der Mariologie (Maria, Mutter Gottes und Mutter der Menschen).

Dabei ist die Frage, ob es auf dem Konzil zu dogmatischen Definitionen kommen soll, noch vollständig offen: die Meinungen darüber dürften geteilt sein.

Die zweite Kommission, für die Bischöfe und Leitung der Bistümer, legte ebenfalls sechs große Entwürfe für ihren (im Unterschied zur ersten Kommission vorwiegend praktischen) Bereich vor. Ein erster handelt von den Richtlinien für die rechte Abgrenzung der Bistümer (Zusammenlegung zu kleiner, Aufteilung zu großer, Umorganisation bestehender). Ein zweiter beschäftigt sich mit der Neuordnung der Zuständigkeiten zwischen der römischen Zentralgewalt und den Bischöfen (es geht dabei nicht so sehr um die Frage Zentralisation oder Dezentralisation überhaupt, als vielmehr um die Frage: Welche Angelegenheiten sollen angesichts der heutigen Notwendigkeiten der Seelsorge und des christlichen Lebens in Rom, welche in den Bistümern entschieden werden? — Ein Entwurf behandelt die Rechtsstellung der Weihbischöfe und der Coadjutorbischöfe, ein weiterer die Frage der Funktion der Bischofskonferenzen, ein letzter die der Zusammenarbeit in den den Bischöfen zufallenden übernationalen Seelsorgsfragen [Gastarbeiter, Tourismus usw. ]).

In einem Entwurf, der von einem Unterausschuß der Kommission für das Ordenswesen bereitgestellt wurde, werden neue Richtlinien für die Zusammenarbeit der exemten Orden mit den Bischöfen dargeboten.

17 Schemata legte die Seelsorgekommission (Kommission für die Disziplin von Klerus und Volk) vor. Sie betreffen die bessere Verteilung des Klerus in der Kirche; die Verbesserung der seelsorglichen Funktionsfähigkeit der Pfarrei; die Spiritualität des Weltgeistlichen, die kirchlichen Ämter; das kirchliche Vermögen; kirchliche Archive und Bibliotheken; dazu kommen die verschiedensten Fragen der Seelsorge, besonders die Jugend-und Erwachsenenkatechese, die Predigt und das Vereinigungswesen der Gläubigen. Andere Texte überprüfen die positiven Kirchengebote (Feiertagsordnung, kirchliches Bußwesen, Zensur und Bücherverbot). Auch die Frage der Weihen konvertierter evangelischer Pfarrer ist bei den Gegenständen.

Das eine, aber umfassende Schema der Kommission für das Ordenswesen behandelt Sinn und Pflege des Ordensberufes; die Sorge für den genügenden Nachwuchs; seine angemessene religiöse und berufliche Ausbildung; die Pflege der Spiritualität und die Anpassung der Konstitutionen und Bräuche der Orden an die heutigen Erfordernisse des kirchlichen Lebens, die Sonderprobleme der einzelnen Ordensgruppen (Laien-orden, Schwesternorden) und Säkularinstitute; endlich die Zusammenarbeit der Ordensleute mit der Seelsorge.

Die Kommission für die Verwaltung der Sakramente legte neun Entwürfe vor. Sie gruppieren sich um vier Sakramente: die Firmung (Firmalter, Firmspender, Firmpatenschaft); die Buße (Anpassung des umständlichen Beichtrechtes an die heutigen Notwendigkeiten, besonders im Tourismus und bei überregionalen Zusammenkünften der Gläubigen); die Weihe (Frage der Erneuerung des Diakonates; der Beibehaltung der niedern Weihen und ihrer heutigen Gestalt; des Weihealters); vor allem das Ehesakrament (Ehehindernsrecht; Eheschließungsrecht; Eheprozeßrecht; Mischehenrecht).

Umfassend ist auch das eine Schema der Liturgiekommission. In acht Kapiteln legt es Richtlinien für eine umfassende Neugestaltung der Liturgie vor (Entfernung von Veraltetem und Unverständlichem in der Liturgie; stärkere Beachtung ihrer Bedeutung für die Lehrverkündigung; aktive Teilnahme des Kirchenvolkes an ihrer Gestaltung; Überprüfung des Gestaltungsrechtes im Hinblick auf das, was mehr zentralen, was mehr regionalen Instanzen zuzuordnen ist; Frage der Landessprache in der Liturgie); im einzelnen: Erneuerung der Meßliturgie, des kirchlichen Stundengebetes, der Liturgie der Sakramenten-und Sakramentalienspendung; kirchliche Musik und der weite Bereich der kirchlichen Kunst.

Die Kommission für die kirchlichen Studien und Hochschulen behandelt in fünf Entwürfen die Förderung der Priesterberufe, die Seminarausbildung in spiritueller, wissenschaftlicher, pastoralpraktischer und disziplinärer Hinsicht, auch im Hinblick auf den Zölibat; die rechte Einstellung der Gläubigen gegenüber dem kirchlidien Lehramt; die katholischen Universitäten und Hochschulen sowie das katholische Schulwesen überhaupt.

Von der Kommission für die Ostkirchen liegen elf Entwürfe vor. Ihre Themen sind die Stellung “ ler Patriarchen und Bischöfe in den Ostkirchen; die Gestaltung der Sakramentenspendung und Liturgie in der Ostkirche (besonders auch im Hinblick auf das Problem der Liturgiesprache); die katechetische Unterweisung; die Kirchen-gebote und das Kirchenjahr in den Ostkirchen; ökumenisch bedeutsam sind vor allem die Entwürfe über die Beziehungen zu den von Rom getrennten Ostkirchen, etwa im Bereich des Kultes und praktischer Zusammenarbeit.

Die Kommission für die Weltmission legte ihre Ergebnisse in sieben Entwürfen vor. Sie handeln über Schwerpunkte des Missionswesens; den missionierenden Klerus, unter besonderer Berücksichtigung der Zusammenarbeit von Welt-und Ordensklerus, einheimischen und auswärtigen Priestern; über die Seminarien für den einheimischen Klerus; über die Gestaltung der Liturgie (Einbeziehung der einheimischen Kulturformen); die Beobachtung der positiven Kirchengebote in den Missionsgebicten; die Hilfe der Christen für die Missionen in den Missionswerken.

Von der Kommission für das Apostolat der wurde ein Entwurf vorgelegt, der die Laien verantwortliche Mitgestaltung des kirchlichen Lebens und Auftrags durch die Laien in den verschiedenen kirchlichen Bereichen, und in den verschiedenen Formen, besonders den organisierten Formen, zum Gegenstand hat (Katholisches Verbandswesen, Katholische Aktion, Koordinationsprobleme in der Arbeit). Ausführlich wird dabei besonders die katholische Sozial-arbeit und Caritas behandelt. Das Verhältnis von Hierarchie und Laien in seinen unterschiedlichen Formen im innerkirchlichen Bereich und in der Erfüllung des Weltauftrags der Kirche kommt besonders zur Darstellung.

In sechs Teilen handelt das Schema des publizistischen Sekretariats von der Rechtsstellung und den Aufgaben der Kirche in der Publizistik und Nutzung der modernen Massenmedien und von der wirksamen Präsenz der Gläubigen in der Gestaltung dieser Bereiche. Dann ist, entsprechend ihrer Eigengesetzlichkeit, im besonderen von der katholischen Pressearbeit, Filmarbeit, Mitarbeit im Rundfunk und Fernsehwesen die Rede.

Das Sekretariat „für die Einheit der Christen“ endlich hatte allen Kommissionen Anregungen zu geben, die die ökumenischen Aspekte ihrer Zielsetzung bedachten. Hinzu kommen eigene Vorlagen über die Bestrebungen zur Wiedervereinigung der Christen und den katholischen Beitrag dazu, über das jetzt schon Mögliche in der Zusammenarbeit, Begegnung, im Austausch und in der Annäherung; über die Toleranz.

Hatte die Zentralkommission an diesen Vorlagen Änderungen gewünscht, so wurden diese von einer ihrer Unterkommissionen in Zusammenarbeit mit den Kommissionen selbst noch vorbereitet. In einer anderen Unterkommission wurden divergierende Tendenzen der Vorlagen aufeinander abgestimmt. Auch diese Arbeit war im Juli beendet.

Die technische Vorbereitung Zugleich mit dieser thematischen Vorbereitung lief die technisch-organisatorische Hand in Hand: die Vorplanung der Räume, der Unterbringung, die Finanzierung. Vor allem galt es — unter Mitwirkung der Zentralkommission — die Geschäftsordnung des Konzils vorzubereiten. Sie ist am 6. September 1962 erschienen.

Sie umschreibt zunächst den Umkreis der einzuladenden Personen. Da alle Bischöfe und bischofsähnliche Jurisdiktionsträger erscheinen dürfen und müssen, dürfte der Teilnehmerkreis weit über 2 000 liegen, mehr als dreimal soviel als beim letzten Konzil. Europa, wo heute 47 Prozent aller Katholiken der Welt wohnen, wird dabei mit 37 Prozent der Konzilsväter vertreten sein; Amerika, mit seinen 43 Prozent der Katholiken der Welt, mit 3 3 Prozent Konzilsvätern; Afrika (3 Prozent der Katholiken) mit 11 Prozent, Asien und Ozeanien (7 Prozent der Katholiken) mit 8 Prozent der Konzilsväter. Alle Rassen und Kulturen werden vertreten sein, wenn auch unvollständig diejenigen, die im kommunistischen Herrschaftsbereich leben. Außerdem werden dem Konzil vom Papst zu berufende Sachverständige zur Verfügung stehen; auch können die Bischöfe privat entsprechend Berater und Helfer mitbringen.

In diskret und unermüdlich geführten Verhandlungen mit den von Rom getrennten Gruppen der Christenheit konnte die Einladung und damit voraussichtliche Teilnahme von offiziellen Beobachtern derselben vorbereitet werden. Der Versuch, auch eine entsprechende Vertretung jüdischen Glaubens herbeizuführen, gelang leider nicht — im Zusammenhang mit innerjüdischen Problemen (ähnlich wie bei einigen christligen Gruppen, in denen eine einheitliche Stellungsnahme in der Frage der Teilnahme nicht herbeizuführen war). Angesichts der von einer ökumenischen Versammlung des Weltkirchenrats wesentlich verschiedenen innerkirchlichen Funktion eines Konzils gilt der Vergleich dieser Teilnahme von nichtkatholischen Beobachtern mit dem katholischen Beobachter in Neu-Delhi nur mit Einschränkungen.

Große Schwierigkeiten bereitete — wiederum im Hinblick auf die Eigenart des Konzils, vor allem aber auch im Hinblick auf die geringe Tradition — die angemessene Vororientierung und Beteiligung der Presse. Es ist mehrfachem persönlichem Eingreifen des Papstes, aber auch der Initiative katholischer Publizisten und ihrer Verbände zu verdanken, wenn der Informationsund Pressedienst des Konzils pressegerechter wird.

Die Sitzungen, deren erste Reihe am 11. Oktober beginnnen soll, werden sich in Kommissionssitzungen, Zentralsitzungen und öffentlichen Sitzungen gliedern (neben den vielen zu erwartenden Sitzungen der Sachverständigen, der Unterkommissionen und der Redaktionskonferenzen). Zunächst werden in zehn Kommissionen, die den 12 vorbereitenden Körperschaften entsprechen — nur daß das Sekretariat für Publizistik mit der Kommission für das Laienapostolat zusammengelegt wurde — die Vorlagen der vorbereitenden Kommissionen, bereichert um die Anmerkungen der Bischöfe aus aller Welt, noch einmal durchdiskutiert und zur Vorlage an die Generalversammlungen der Bischöfe vorbereitet. Dort kommt es zur Hauptdiskussion, die das, was verabschiedet werden soll, allerdings vorbehaltlich der päpstlichen Zustimmung, festlegt. Dann kommt es in den öffentlichen Versammlungen zur Schlußabstimmung.

Wieviel Sitzungsreihen noch folgen, steht völlig offen.

Die Einstimmung der Gläubigen auf das Konzil Je näher das Konzil heranrückt, desto zahlreicher werden allenthalben in der Welt Hirtenbriefe der Bischöfe und Publikationen, die das katholische Volk über den Sinn von Konzilen im allgemeinen und dieses Konzils im besonderen aufklären. Zugleich erfolgte, unter Führung des Papstes, die Aufforderung, die Konzilsvorbereitung zu begleiten mit Gebet und Buße. In Predigt, Katechese und in den verschiedenen Formen der Erwachsenenbildung wurde das Kirchenvolk teilweise auch schon mit Einzelfragen, um die es vermutlich geht, bekannt gemacht. Eine Reihe von Instituten, Zeitschriften und Organisationen wandten sich an die Katholiken, um von ihnen ihre Meinung zum Konzil zu erfragen, oder sie um Anregungen und Wünsche zu bitten, die noch nach Rom weitergeleitet werden konnten. Wenn man auch annehmen kann, daß die Antworten im wesentlichen in den Wünschen der Bischöfe schon vorweggenommen wur-den, so waren viele Äußerungen für die, auf denen die Hauptverantwortung liegt, doch eine große Hilfe.

In einer Reihe von Veröffentlichungen und Veranstaltungen wurden auch die großen Fragen, die das Konzil aufwirft, lebhaft diskutiert. Es zeigten sich dabei erhebliche Unterschiede in den Erwartungen an das Konzil, gelegentlich Überschwenglichkeiten und Illusionen in den Erwartungen, gelegentlich auch eine müde Skepsis oder relative Uninteressiertheit. Es zeigte sich zugleich ein erheblicher Unterschied auch der theologischen Meinungen in vielen Einzelfragen, und in kirchenpolitischen oder seelsorgerischen Reformwünschen. Nicht selten litt die Darstellung oder Auseinandersetzung unter Mißverständnissen oder mangelnder Kenntnis der tatsächlichen Situation der Kirche, praktischer Möglichkeiten oder mangelnder Rücksicht auf die Weltweite der zu treffenden Entscheidungen.

Der Widerhall in der nichtkatholischen Christenheit Hatte das erste Vatikanische Konzil schon in der Zeit der Vorbereitung das Klima zwischen den Konfessionen eher verschlechtert, so liegt heute unzweifelhaft die Lage unvergleichlich günstiger. Die ökumenische Arbeit in allen christlichen Gruppen in den vergangenen Jahrzehnten trug hier bereits offensichtlich ihre Frucht. Die aufgeschlossene und in bestem Sinn irenische Art des Papstes trug das ihrige dazu bei.

Zunächst kam es allerdings zu einem Mißverständnis, der sich vor allem an den mißverstanden Ausdruck „ökumenisches Konzil“ anschloß, der im katholischen Gebrauch nur die Allgemeine Bischofskonferenz der Weltkirche meint.

Der Versuch, das Konzil als ein „Unionskonzil" zu gestalten, wäre, da dazu die Zeit nach der Auffassung aller, die in der ökumenischen Arbeit stehen, noch nicht reif ist, von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Wohl sind beim Versuch, dem Konzil eine möglichst breite Anteilnahme aller ökumenisch tätigen Kreise zu sichern, infolge mangelnder Erfahrung in dieser Arbeit, oder infolge gewisser Überstiegenheiten in den Erwartungen, oder infolge von Kurzschlüssen in den Reaktionen auf katholischer und nichtkatholischer Seite einige Pannen passiert — sie haben keinen bleibenden Schaden angerichtet.

Im großen und ganzen war das Echo auf die Konzilsankündung und auch die Art, wie in der verantwortlichen Kirchenführung die ökumenisch bedeutsamen Fragen angepackt wurden, positiv, wohlwollend und für Konzil und ökumenische Zusammenarbeit im allgemeinen fruchtbar. In diesem Sinn hat sich bereits die Vorbereitung des Konzils selbst als ein ökumenisch höchst fruchtbares Ereignis erwiesen. Das gilt insbesondere von dem Sekretariat für die Einheit der Christen unter Kardinal Bea. Seine zunächst stille Vorbereitung von Kontakten mit leitenden Persönlichkeiten nichtkatholischer christlicher Gruppen, die großzügige und zugleich diskrete Vorbereitung der Einladungen verhinderten nicht nur die ungute Situation vor dem Ersten Vatikanischen Konzil: sie führten auch zu einem wachsenden Interesse der nicht-katholischen Führungen an den Arbeiten des Konzils, das gelegentlich durch eigene Beobachter schon in diesem Stadium bekundet wurde.

Umfassend orientierte auch die evangelische und orthodoxe Kirchenpresse ihre Gläubigen über das Konzil. An vielen Stellen wurde zum Gebet zu seinem Gelingen aufgefordert. In vielen internen Gesprächen und in Fühlungnahme miteinander klärten diese Gruppen ihr Verhalten zum Konzil und unterrichteten in diesem Sinn ihre Gläubigen.

Daß dabei auch öfters Erwartungen an das Konzil ausgesprochen wurden, die in dieser Form nicht erfüllt werden können, oder für deren Erfüllung das Konzil erst innerkatholisch Voraussetzungen schaffen muß, ist verständlich. Die Schwierigkeit, sich über den Stand des katholischen Lebens in seiner Weltweite klar zu werden, die schon in beträchtlichem Maße für den Katholiken selbst besteht (auch für den in hohe kirchliche Verantwortung gestellten), muß erst recht für den Nichtkatholiken bestehen; vor allem dann, wenn er nicht in ausgedehnter Mitarbeit mit der ökumenischen Bewegung erfahren hat, wie schwer der Prozeß der Einung im christlichen Bewußtsein in einer zusammenwachsenden Welt auch für die Gläubigen ist.

Aber auch dieser Prozeß ist durch das Konzil bedeutend gefördert worden.

Grundsätzliches zu den Erwartungen und Hoffnungen auf das Konzil Nach katholischem Kirchenverständnis ist, wie die Kirche selbst, auch ihr Allgemeines Konzil eine geistliche Angelegenheit. Als solche verfolgt es keine Ziele pomphafter Machtkonzentration, -demonstration oder -expansion in einem dem Evangelium widersprechenden Sinn. Es ist auch keine politische Sammlung oder Festigung prowestlicher oder antikommunistischer Kräfte. Die Haltung der katholischen Kirche gegenüber dem Dialektischen Materialismus und Kommunismus ist klar; sie bedarf wohl auch keiner neuen Geste. Die Kirche wird dabei alles tun, was von ihrer Seite aus möglich ist, um auch den Bischöfen der kommunistisch regierten Länder die Teilnahme am Konzil zu ermöglichen. Ob sie, oder wo sie zustande kommen wird, ist zur Stunde noch nicht abzusehen. Offen ist auch noch die Frage der Teilnahme von orthodoxen Kirchengruppen aus diesem Raum; sie erscheint aber wenig wahrscheinlich, zum wenigsten dort, wo die Gefahr bestünde, daß mit der Annahme der Einladung politische Bedingungen verknüpft würden, die die religiöse Freiheit des Konzils verkürzten; oder dort, wo die katholischen Bischöfe nicht teilnehmen könnten.

Trotz des geistlichen Charakters bleibt das Konzil zugleich eine ntenschlidte Angelegenheit.

Wer Menschlich-Allzumenschliches, das sich bekanntlich auch auf früheren Konzilen oft sehr breitmachte, auf ihm bevorzugt suchen will, dürfte auf seine Rechnung kommen. Die im Zusammenhang mit den Konzilsvorbereitungen in romanischen Ländern oft festzustellende Überschwänglichkeit der Formulierungen darf hier nicht mißverstanden werden: die Weisheit des Konzils bleibt die Weisheit des Kreuzes.

Den wesentlichen Erfolg erwartet darum das Konzil und der katholische Christ weder von der Intelligenz und der Arbeit seiner Theologen, noch von der Regierungs-und Formulierungskunst der kirchlichen Hierarchie, sondern von jenem göttlichen Geist, der, nach dem Glauben der Kirche, im Großen ihr Leben regiert. Über diesen Geist verfügt die Kirche nicht mit menschlichem Ermessen. Alle Erwartungen und Hoffnungen um das Konzil haben darum mit der unberechenbaren Souveränität höheren Wirkens zu rechnen. Das setzt allen positiven und negativen Aprioris in den Prognosen über das Konzil sehr bestimmte Grenzen.

Das Konzil ist ferner eine Lebensäußerung des kirchlichen Amtes. Das Amt lebt in der Kirche, es ist aber nicht das Gesamt der Kirche. Das Amt ist ein Charisma, aber es macht die übrigen Charismen in der Kirche nicht überflüssig; es setzt sie vielmehr voraus, dient ihnen, integriert sie und ordnet ihre Auswirkungen.

Das gilt zunächst von dem Charisma der Lehre. Das Konzil ist vor allem ein Ereignis des kirchlichen Lehramtes. Unter seinen Trägern sind viele Theologen. Aber das Konzil ist kein Welttheologenkongreß der katholischen Kirche. Es wird gewiß theologisches Wissen verwerten; es wird seiner bedürfen und es wird zu ihm und seiner Weiterentwicklung anregen; es wird aber nicht die Pionierarbeit der Theologen überflüssig machen; es wird viele ihrer Diskussionen offenlassen; und es wäre falsch, an allzu vielen Stellen vom Konzil „Theologien“ zu erwarten: eine Theologie der Kirche, eine Theologie der Ehe, eine Theologie der Arbeit oder eine Theologie des Ökumenismus.

Das Konzil lebt von spirituellen Bewegungen in der Kirche; es wertet sie aus, es regt zu ihnen an; aber es ersetzt und vertritt sie nicht. — Es wird auch nicht notwendig große pastorale Initiativen bringen oder gar pastorale Rezepte für die namenlose Vielfalt der Anliegen in der Weltkirche. Aber es wird eine Fülle solcher Initiativen anregen und fördern.

Die Arbeit des Konzils ist darum angewiesen auf die Vorarbeit, Mitarbeit und Nacharbeit einer Fülle nichtkonziliarer Kräfte, nicht unmittelbar beteiligter Personen und Einrichtungen in der Kirche. Sein Erfolg wird wesentlich von dieser Mitarbeit abhängen.

Das Konzil ist ferner eine " Veranstaltung der Gesawtkirdie. Seine Anliegen sind deren weltweite Fragen und Probleme; nicht die praktikulären einer Regional-oder gar Lokalkirche. Vom Konzil kann nicht erwartet werden, was in den gesamtkirchlichen Voraussetzungen, oder was im Gesamtbewußtsein der Weltkirche vorgegeben oder nicht genügend ausgereift ist.

Viele der ausgesprochenen Erwartungen übertragen gewiß drängende Anliegen kleinerer Räume vorschnell auf die Weltkirche. Das wird man auch im Zusammenhang mit manchen ökumenischen Erwartungen an das Konzil sagen müssen.

Kirchengeschichtlich betrachtet ist die ökumenische Bewegung noch verhältnismäßig jung und von kurzer Dauer im Vergleich zu der langen Trennung der christlichen Gruppen. Sie hat auch noch keineswegs die Gesamtheit aller Christen umfaßt und ist in vielen Ländern, auch katholischen Ländern, erst im Anfang. Bei aller nicht genug zu schätzenden Förderung, die sie gerade durch das Konzil und seine Fragestellungen erreicht hat, wird man das nicht übersehen dürfen.

Man nehme einmal zum Beispiel die uns in Deutschland so unzulänglich gelöste Mischehen-frage. Eine Reform des Mischehenrechts wird immer im Zusammenhang mit dem Stand der Ehetheologie gesehen werden müssen: Hier zeigt die katholische Theologie der Gegenwart, wie übrigens auch die nichtkatholische, erhebliche interne Differenzen. — Eine Reform des Mischehenrechtes muß im Zusammenhang mit der Reform des ganzen Eherechtes gesehen werden, und eine solche gehört zu den Themen des Konzils; eine Reform des Mischehenrechtes muß im Zusammenhang mit der gesamten Ehepastoration gesehen werden — und auch an eine Erneuerung dieser ist auf dem Konzil gedacht: wie wird sie sich aber auf das Recht und seine Anwendung auswirken? Eine Erneuerung des Mischehenrechts wird auf die sehr unterschiedliche Situation der Mischehe in den vielen Ländern der Welt Rücksicht nehmen müssen, in denen Katholiken mit Nichtkatholiken zusammen wohnen; aber auch auf die, wo sie mit Nicht-Christen zusammen wohnen. — Eine Erneuerung des Mischehenrechtes muß Rücksicht nehmen auf die Verpflechtung der Ehehindernisfrage mit der unterschiedlichen Haltung der nichtchristlichen Gruppen zum Eheschließungsrecht und Ehescheidungsrecht. Auch auf die von der protestantischen oft erheblich abweichenden Haltung der Ostkirche muß geachtet werden. Es muß Rücksicht genommen werden auf die Probleme, die sich bei einer solchen Reform für das Verhältnis des kirchlichen zum staatlichen Mischehenrecht ergeben. Und es muß Rücksicht darauf genommen werden, daß in einer immer stärker eins werdenden Welt nicht mehr jene Differenzierungen des Eherechts tragbar erscheinen, die frühere Rechtsepochen zur Lösung dieses Problems gewählt haben. Es muß Rücksicht darauf genommen werden, daß, angesichts der demographischen Entwicklungen in der Welt, die Frage in ganzen Kontinenten sich wohl in wenigen Jahrzehnten noch erheblich verschieben wird. Das soll nicht bedeuten, daß die Erwartungen evangelischer Christen in nichts zusammenschrumpfen müßten — oder auch die Erwartungen katholischer Christen. Es bedeutet nur, daß für eine wirklich weltweite und zugleich ökumenische Lösung dieses Problems soviel bedacht werden muß, daß für das Konzil wohl keine volle Lösung, sondern nur Voraussetzungen für die Anbahnung von Lösungen erwartet werden können. Das gilt von vielen andern Fragen der Reform, innerkatholischen und ökumenischen.

Das Konzil ist die Auseinandersetzung der Kirdte mit einer Gestalt der Welt, die offenkundig Übergangsdtarakter hat. Die sich in der Gegenwart, wenigstens im abendländischen Raum, anbahnende gegenseitige Öffnung von Kirche und Welt, die Öffnung der Konfessionen in ihrem Verhältnis zueinander und ihre Gemeinsamkeit gegenüber der Welt, die Krisen der Ersatzreligionen sind in den verschiedenen Ländern und partikularen Kirchen verschieden entwickelt; es besteht darum auch noch in all diesen Fragen kein allgemeines Bewußtsein. Der Integrationsprozeß der Welt mit der gegenseitigen Begegnung, Einwirkung und Einswerdung der Kulturen steht erst in seinen Anfängen. Unverkennbar sind die Übergangserscheinungen in der theologischen Wissenschaft, in den Formen der Pastoration, in den Gestaltungen des christlichen Lebens, in den Methoden der Mission: all dies wird das Konzil mitbestimmen. Manches wird den Charakter des Ansatzes, des Provisorischen, des Transitorischen haben, besonders in den praktischen Entscheidungen.

Ebenso verständlich ist im Zusammenhang damit, daß solchen Entscheidungen schwere innere Auseinandersetzungen vorausgehen. Zwischen den verschiedenen theologischen, pastoralen und missionarischen Richtungen werden sie ebenso bestehen wie zwischen dem konservativeren oder fortschrittlicheren Denken, zwischen kurialern und nationalem Gefühl, ganz abgesehen von den selbstverständlichen Unterschieden der Generationen, der Sprachen und Kulturen in der Kirche. Der Anteil Asiens und Afrikas wird wahrscheinlich noch nicht im Verhältnis zur zukünftigen Bedeutung dieser Kontinente ausfallen. — Vielleicht wird es in manchen Fragen zu Kompromissen kommen. An vielen Stellen wird man den Eindruck haben, daß viel darauf ankommt, nicht den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun.

Das Konzil erstrebt eine universale Erneuerung des Lebens in der Kirche. Dann kann es aber unmöglich alle genannten Fragen in gleicher Intensität angehen. Es wird eine Auswahl treffen müssen; es wird Schwerpunkte schaffen; es wird sich vielfach mit grundsätzlichen Orientierungen begnügen, die deren Durchführung anbahnen und sicherstellen. Unmöglich kann man von ihm schon neue liturgische Bücher oder ein bis in die einzelnen Canones hinein reformiertes Kirchenrecht erwarten. Vieles, sehr vieles wird der ordentlichen kirchlichen Verwaltung, auch der regionalen, zur Exekutive überlassen bleiben.

Schließlich wird man bei der Frage nach seinem Erfolg nicht nur auf die Aussagen und Entschließungen zu achten haben. Die Vollzüge kirchlichen Lebens auf dem Konzil sind nicht minder bedeutsam wie die Inhalte. Es ist bereits hoch-bedeutsam, daß nach dem ersten Vatikanischen Konzil überhaupt ein zweites stattfindet. Seine Vorbereitung führte bereits, wie geschildert, zu einer umfassenden Integration der kirchlichen Hierarchie auf" oberster und mittlerer Ebene, und einer nicht minder bedeutsamen Integration der Hierarchie und ihrer Mitarbeiter sowie der verschiedenen Länder in der Kirche. Viele der dabei sichtbar werdenden Trends und Formen wird das Konzil selbst noch verstärken; vieles wird über das Konzil hinaus zur kommenden Gestalt der Kirche gehören. — Von ganz besonderer Bedeutung ist in dieser Beziehung die Entwicklung des ökumenischen Anliegens im Bewußtsein der ganzen katholischen Welt, und die Schaffung wirksamer Organe des Kontaktes mit den Nichtkatholiken. — Auch die Formen, in denen die kirchlichen Anliegen diskutiert und entschieden werden, entwickeln sich in einem guten Verhältnis zum geläuterten Kirchen-und Weltverständnis, und sie werden für die Geschichte der katholischen Kirche, der Christenheit und ihrer Aufgabe in der Welt bedeutsam sein.

Göttliches und menschliches zusammenfassend, hat das sogenannte Apostelkonzil seine Entscheidungen ausgedrückt in dem Satz: „Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen“. Die Hoffnungen der Christen auf das Konzil sind die Hoffnungen auf ein gleich gesegnetes Zusammenwirken von oben und unten.

Fussnoten

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Anmerkung: Pater Johannes B. Hirschmann, S. J., Dr. phil., geboren am 16. 5. 1908 in Püttlingen/Saar. Prof, für Moral-und Pastoraltheologie, theologischer Berater im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, war Mitglied der vorbereitenden Konzilkommission für das Apostolat der Laien, Mitglied des Ausschusses für politische Bildung bei der Bundesregierung.