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Aufgabe und Funktion des Bundesverfassungsgerichts | APuZ 6/1965 | bpb.de

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APuZ 6/1965 Artikel 1 Aufgabe und Funktion des Bundesverfassungsgerichts Zur Geschichte der deutschen Gemeinde-Selbstverwaltung

Aufgabe und Funktion des Bundesverfassungsgerichts

Ernst Friesenhahn

I. Die Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts

Die Frage, was eigentlich Verfassungsgerichtsbarkeit ist, ist umstritten. Nicht alle Gerichtsbarkeit, die irgend etwas mit der Verfassung zu tun hat, ist Verfassungsgerichtsbarkeit im spezifischen Sinne. Doch können wir diese theoretische Streitfrage hier beiseite lassen. Wir haben in dem vom Grundgesetz eingesetzten Bundesverfassungsgericht eine Institution vor uns, die nicht nur Gericht ist, sondern zugleich Verfassungsorgan, und dieses Gericht wird in einer Anzahl von Verfahren ganz verschiedener Art zum Schutze der Verfassung tätig. Wenn wir die Funktion des Bundesverfassungsgerichtes im System unserer Verfassung erkennen wollen, müssen wir zunächst seine Zuständigkeiten beschreiben Das Bonner Grundgesetz hat in Art. 92 die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut. Es hat den Funktionsbereich dieser rechtsprechenden Gewalt in einer bisher einzigartigen Weise ausgeweitet.

1. Im Rechtskreis zwischen den einzelnen Privatleuten darf der A, der gegen den B eine Forderung von 1 000, — DM hat, nicht einfach hingehen und im Hause des B nachsehen, wie er sich zufriedenstellen könnte, sondern er muß zunächst das Zivilgericht anrufen, damit der Richter prüfen und entscheiden kann, ob die von A behauptete Forderung gegen B besteht; erst auf Grund des rechtskräftigen Urteils kann dann der A den Gerichtsvollzieher zu B hinschicken.

2. Die staatlichen Strafvollstreckungsbehörden dürfen das Übel der Strafe, sei es Geld-oder Freiheitsstrafe, nicht eher an einem Rechts brecher vollziehen, als bis der Strafrichter in einem mit allen Garantien für den Angeklagten umgebenen Prozeßverfahren durch Urteil festgestellt hat, daß der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat und ihn zu einer bestimmten Strafe verurteilt hat. 3. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Gesetzgebung die im Namen des Rechtsstaates vorgetragene Forderung auf, den unabhängig urteilenden Richter auch zwischen den einzelnen und den verwaltenden Staat zu stellen. Aus dem Grundsatz, daß die Gesetze, welche die Sphäre der Freiheit des einzelnen umgrenzen und den Verwaltungsbehörden die Ermächtigung geben, in gewissem Umfang in diesen Rechts-und Freiheitsbereich des einzelnen einzugreifen, zweiseitig bindend sind, der Staat also seine an den einzelnen gerichteten speziellen Gebote und Verbote auf ein Gesetz stützen muß, wurde die Folgerung gezogen, daß dann der einzelne auch die Möglichkeit haben müsse, durch einen anderen als die Verwaltung selbst nachprüfen zu lassen, ob die Verwaltung sich an diese ihr gezogenen rechtlichen Schranken gehalten hat. Die Möglichkeit dazu ergab sich aus der Teilung der Gewalten, die als Organisationsprinzip der rechtsstaatlichen Verfassung zugrunde liegt: Die einheitliche Staatsgewalt wird ausgeübt durch besondere, voneinander unabhängige Organe der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung (vgl. Art. 20 Abs. 2 GG). So konnte der Richter, obwohl selbst auch Organ des Staates, zu einem neutralen Dritten im Rechtsstreit des Bürgers gegen den verwaltenden Staat werden, weil er an Weisungen der Exekutive und der Legislative nicht gebunden ist und nur nach Maßgabe der im Gesetz verkörperten allgemeinen Regel entscheidet, was im konkreten Falle rechtens ist. Erst nur zögernd und auf einzelne speziell bezeichnete Verfügungen der Verwaltungsbehörden begrenzt, entstand so die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie hat ihren vollen Ausbau erst nach dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Alle Rechtsstreitigkeiten aus dem Verwaltungsrechtskreis können heute einer gerichtlichen Entscheidung zugeführt werden. 4. Diese drei Arten der Gerichtsbarkeit, die Zivil-, Strafund Verwaltungsgerichtsbarkeit finden wir in jedem modernen Staat. Schwingen wir uns nun aber eine Stufe höher und fassen wir den Verfassungsrechtskreis ins Auge, so versteht sich die Einrichtung einer Gerichtsbarkeit zur Entscheidung von Rechts-fragen, die in diesem Bereich streitig werden, keineswegs von selbst, ja ihre Konstruktion macht sogar gewisse Schwierigkeiten. Durch die Verfassung wird der Staat mit Organen versehen, die den Willen des Staates bilden. Es werden ihnen ihre Funktionen zugeteilt, und ihr Zusammenspiel wird geordnet. So kommt etwa im Zusammenwirken von Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und Bundespräsident ein Bundesgesetz zustande. Nun kann sich ein Streit erheben zwischen dem Bundestag und dem Bundesrat, ob ein bestimmtes Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf oder nicht. Zwischen Bundestag und Bundespräsident kann streitig werden, ob der Bundespräsident befugt war, die Verkündung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit zu unterlassen. Der Bundespräsident könnte der Meinung des Bundeskanzlers, daß der Bundespräsident die Ernennung und Entlassung der Bundesminister nach dem Willen des Bundeskanzlers zu vollziehen habe, die Meinung entgegensetzen, daß er eine eigene Entscheidung in die Waagschale werfen dürfe. Die Lösung solcher Differenzen zwischen Verfassungsorganen überlassen die Verfassungen in der Regel dem politischen Ausgleich zwischen ihnen. Weder die Bismarcksche noch die Weimarer Reichsverfassung kannten eine Gerichtsbarkeit in diesem Bereich. Bis auf Ansätze im neuen italienischen Verfassungsrecht ist sie auch im Ausland unbekannt. Das Bonner Grundgesetz aber verselbständigt quasi die Verfassungsorgane, betrachtet ihre Zuständigkeit als eigene Rechte und behandelt ihre gegenseitigen Beziehungen als Rechtsbeziehungen wie zwischen selbständigen Rechtssubjekten, die einander im Prozeß vor einem Richter gegenüberstehen können. Es verweist nämlich in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 die Streitigkeiten über den Umfang der „Rechte und Pflichten" eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch das Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit „eigenen Rechten" ausgestattet sind, vor das Bundesverfassungsgericht. Hier haben wir den ersten zentralen Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit vor uns, die sogenannten Organstreitigkeilen.

Der einzige klassische Fall eines Organstreites, der bisher vor das Bundesverfassungsgericht gebracht worden ist — eine Klage des Bundesrates gegen den Bundespräsidenten wegen der Verkündung des Gesetzes über die Stiftung „Preußischer Kulturbesitz", dem die vom Bundesrat für notwendig gehaltene Zustimmung nicht erteilt worden war —, ist nicht zur Entscheidung gekommen, weil dieselbe Streitfrage dem Bundesverfassungsgericht auch im Gewände einer abstrakten Normenkontrolle vorgelegt worden war. Das Bundesverfassungsgericht hielt in diesem Fall das objektive Verfahren der Normenkontrolle für die gemäße Form der Ausübung von Verfassungsgerichtsbarkeit und hat es der Entscheidung im Streitverfahren zwischen Verfassungsorganen vorgezogen. Weiter wären hier aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch zu erwähnen die Klage von Abgeordneten des Bundestages gegen den Bundestag wegen Beschränkung der Redezeit und die Klage der SPD-Fraktion gegen den Bundestag wegen einer Geschäftsordnungsbestimmung, die im Bereiche der Finanzvorlagen das Initiativrecht beschränkte. Im übrigen ist der Bereich der Organstreitigkeiten dadurch erweitert worden, daß das Bundesverfassungsgerichtsgesetz auch den mit eigenen Rechten ausgestatteten Teilen von Verfassungsorganen die Befugnis zuerkannt hat, die Verletzung von verfassungsmäßigen Rechten oder Pflichten des Organs selbst durch andere Verfassungsorgane zu rügen. So hat etwa die SPD-Fraktion des Bundestages mehrfach die Bundesregierung verklagt mit der Behauptung, die Regierung habe bei dem Abschluß völkerrechtlicher Abkommen das im Art. 59 Abs. 2 GG vorgesehene Mitwirkungsrecht des Bundestages verletzt. Endlich hat das Bundesverfassungsgericht in einer schöpferischen Rechtsprechung aus der verfassungsmäßigen Anerkennung der politischen Parteien als tragender Glieder unseres demokratischen Staates (Art. 21 GG) die Konsequenz gezogen, daß die politischen Parteien die Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte im Wahlverfahren durch Wahlgesetze im Wege des Organstreites geltend machen können. Das Bundesverfassungsgericht ist bereits mit einer ganzen Anzahl derartiger Streitigkeiten befaßt worden. 5. Das Grundgesetz hat einen Staat besonderer Art verfaßt. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Bundesstaat, d. h. ein aus Staaten zusammengesetzter Staat. Das Grundgesetz muß darum zwei Normen-Komplexe umfassen, einmal die Verfassung des Bundes als des Gesamtstaates, die den Bund mit seinen Staatsorganen versieht und ihr Zusammenwirken regelt, und zum andern die Ordnung des hündischen Gefüges, d. h. die Verteilung der staatlichen Funktionen auf den Bund und die Länder, die Festlegung der Rechte und Pflichten des Bundes gegen die Länder, der Länder gegen den Bund und der Länder untereinander. In diesem zweiten Bereich bietet sich die gerichtliche Entscheidung von Streitigkeiten, die sich insbesondere aus der Kompetenzverteilung ergeben können, schon eher an, da wir es mit selbständigen Rechtsgebilden zu tun haben. Hier stehen sich Staaten gegenüber, für die wir auch im internationalen Bereich eine Gerichtsbarkeit kennen. In diesem föderalen Bereich finden wir darum die Verfassungsgerichtsbarkeit nicht nur schon in der Weimarer Reichsverfassung, sondern auch in ausländischen Bundesstaaten. Nach dem Grundgesetz ist das Bundesverfassungsgericht zuständig zur Entscheidung von verfassungsrechtlichen Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern und zwischen Ländern (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 und 4 GG).

Einige politisch besonders interessante Verfahren, die die breitere Öffentlichkeit bewegt haben, gehören in diesen Bereich, so etwa der Streit zwischen Baden und dem Bund um die Neugliederungsgesetze im Südwestraum, der Streit zwischen dem Bund und Niedersachsen wegen der Vereinbarkeit des niedersächsischen Schulgesetzes mit dem Reichskonkordat, der Streit zwischen dem Bund und Hessen betreffend die Volksbefragung über Atomwaffen in den hessischen Gemeinden, der große Fernsehprozeß zwischen Hamburg und Hessen auf der einen Seite und dem Bund auf der anderen Seite, und endlich der Streit zwischen Hessen und der Bundesrepublik wegen der Nichteinbringung des Gesetzentwurfes für das Neugliederungsgesetz nach Art. 29 GG.

Der einzige Fall einer Streitigkeit zwischen den Ländern, der sich nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erhoben hat, wurde voi Einrichtung des Bundesverfassungsgerichtes durch ein Schiedsgericht erledigt 6. Für einen Bundesstaat ist es nicht gleichgültig, wie es um die politische Ordnung in den Gliedstaaten steht. Die innere Befriedung ist ein Hauptanliegen eines jeden Bundes. Der Bund als solcher muß also ein Interesse an Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Gliedstaates nehmen. Die Intervention kann auf politischem Wege geschehen. Wo aber ein Bundesstaat über ein Verfassungsgericht verfügt, da werden konsequenterweise auch die Organstreitigkeiten innerhalb eines Glied-staates diesem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung zugewiesen, soweit das Land nicht selbst durch Einrichtung eines Landesverfassungsgerichtes Vorsorge für einen gerichtlichen Austrag solcher Streitigkeiten getroffen hat. Diesem Vorbild der Weimarer Reichsverfassung folgt auch das Grundgesetz (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4).

Die komplizierten Fragen des Verhältnisses von Landesverfassungsgerichtsbarkeit zur Bundesverfassungsgerichtsbarkeit möchte ich hier nicht eingehender erörtern, sondern nur festhalten, daß alle deutschen Länder ein eigenes Verfassungsgericht besitzen außer Schleswig-Holstein, das gemäß Art. 99 GG das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung von Landesverfassungsstreitigkeiten zuständig gemacht hat. Grundsätzlich gelangen darum nur Organstreitigkeiten aus Schleswig-Holstein an das Bundesverfassungsgericht. Wenn allerdings das Landesverfassungsrecht — und sei es auch nur durch die Interpretation, die das Landesverfassungsgericht einer Zuständigkeitsklausel gibt — eine Lücke in dem bundesverfassungsrechtlich vorausgesetzten verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz läßt, so tritt das Bundesverfassungsgericht in diese Lücke ein. So wurde etwa das Bundesverfassungsgericht für Organstreitigkeiten politischer Parteien gegen den Landtag wegen Wahlrechtsbestimmungen für Baden-Württemberg zuständig, weil der Staats-gerichtshof für Baden-Württemberg die politischen Parteien nicht zum Organstreit zuließ. Daraufhin hat dann allerdings der Staats-gerichtshof seine Rechtsprechung geändert. 7. Die Fälle, die ich bisher aus der Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichtes vorgeführt habe, zeichnen sich dadurch aus, daß streitende Parteien — Glieder eines Bundes-staates oder Faktoren des Verfassungslebens — einander gegenüberstehen und geltend ma-chen, daß sie durch das Verhalten des anderen Teils in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt seien; sie erstreben in einem kontradiktorischen Streitverfahren ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und müssen darum auch ein besonderes Rechtsschutzinteresse daran geltend machen. Anders ist die Funktion des Bundesverfassungsgerichtes bei den objektiven Verfahren, die zwar auch des Anstoßes durch einen in der Verfassung oder in einem Gesetz bestimmten Antragsteller bedürfen, deren Gegenstand aber nicht Rechte — bzw. verfassungsmäßige Zuständigkeiten — des Antragstellers sind, sondern vor allem die Prüfung der Geltung oder der Qualität einer Norm.

a) Wenn irgendein Richter im Rahmen seiner Zuständigkeit eine Entscheidung fällen soll, so muß er auf den von ihm festgestellten Sachverhalt das diesen Fall betreffende Gesetz anwenden. Nun gibt es Staaten, wie etwa Frankreich, die das für sakrosankt erklären, was der Gesetzgeber beschlossen hat: Der Richter muß jedes Gesetz als geltendes Recht anwenden, das ordnungsmäßig verkündet ist. Andere Verfassungen gestatten dem Richter die Prüfung, ob das Gesetz, das sich ihm als das Recht, nach dem der konkrete Fall zu entscheiden ist, darbietet, auch wirklich geltendes Recht ist oder ob es mit einer höherrangigen Norm der Verfassung im Widerspruch steht und darum ungültig ist. Eine solche Prüfung stellt der Richter dann aus Anlaß eines konkreten Prozesses an. Es sind inzidente Überlegungen, die er anstellen muß, um das Recht zu finden, nach dem er den vor sein Forum gebrachten Fall entscheiden muß.

Kommt er zu dem Ergebnis, daß das zunächst in Betracht kommende Gesetz wegen Widerspruchs zur Verfassung ungültig ist, so läßt er es bei der Entscheidung des Falles außer acht. Er entscheidet nicht ausdrücklich über die Gültigkeit oder Ungültigkeit des Gesetzes, sondern aus den Gründen seines Urteils über einen anderen Streitgegenstand ergibt sich, daß er ein Gesetz für ungültig gehalten und darum nicht angewandt hat. So war die Situation in Deutschland unter der Herrschaft der Weimarer Reichsverfassung, nachdem das Reichsgericht in einer Entscheidung vom November 1925 dieses richterliche Prüfungsrecht in Anspruch genommen hatte. Bei diesem System richterlicher Normenprüfung wird das für ungültig gehaltene Gesetz nicht förmlich beseitigt; ein anderer Richter könnte es für gültig halten und anwenden.

Die Vereinigten Staaten von Amerika kennen nur diese Art von Verfassungsgerichtsbarkeit. Wenn berichtet wird, daß der Oberste Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten ein Gesetz für ungültig erklärt habe, so handelt es sich nicht um eine Entscheidung über Gültigkeit oder Ungültigkeit des Gesetzes als solche; dem Gerichtshof war vielmehr ein Rechtsstreit unterbreitet und aus Anlaß der Entscheidung dieses Rechtsstreites wurde inzidenter über die Gültigkeit des Gesetzes befunden, was nicht in der Urteilsformel, sondern nur in den Gründen des Urteils Ausdruck findet. Natürlich hat aber eine solche inzidente Prüfung und Verwerfung eines Gesetzes durch einen obersten Gerichtshof faktisch die gleiche Wirkung, als wenn das Gesetz förmlich aufgehoben würde, besonders wenn es sich um einen Gerichtshof von dem Ansehen des Obersten Bundesgerichtshofes der Vereinigten Staaten handelt, der weitgehend eben nur dann tätig wird, wenn schwierige verfassungsrechtliche Fragen im Hintergrund der Sach-Entscheidung stehen.

Das Mißliche bei solcher Ordnung ist, daß verschiedene Gerichte dasselbe Gesetz verschieden beurteilen, die einen es für gültig halten und anwenden, die anderen es für ungültig halten und außer acht lassen können. Um diesem Mißstand zu begegnen, ordnet das Grundgesetz an, daß der Richter, der ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei seiner Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des Verfassungsgerichtes einholen muß, und zwar des Bundesverfassungsgerichtes, wenn er das Gesetz für grundgesetzwidrig hält, des Landesverfassungsgerichts, wenn er einen Verstoß gegen die Landesverfassung annimmt (Art. 100 Abs. 1 GG). Der Richter ist nicht genötigt, das Verfassungsgericht anzurufen, wenn er das Gesetz für gültig hält, mag die Gültigkeit in der Literatur noch so sehr umstritten sein, und mag er von einer der Prozeßparteien noch so sehr bedrängt werden, die Frage dem Verfassungsgericht vorzulegen. Hält er dagegen das Gesetz für verfassungswidrig, so wird der Prozeß unterbrochen, und die abstrakte Rechtsfrage der Gültigkeit des Gesetzes wird aus dem Prozeß herausgelöst und dem Verfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Verfassungsgericht entscheidet dann mit Gesetzeskraft. Kommt es zu dem Ergebnis, daß das Gesetz der Verfassung widerspricht, so erklärt es das Gesetz für nichtig, wodurch das Gesetz endgültig ver-nichtet ist und von keinem Richter mehr angewandt werden darf.

Das Prüfungsrecht des Richters bleibt also bestehen, aber an die Stelle der gelegentlichen, von jedem Richter aus Anlaß irgendeines Rechtsstreites geübten Verwerfung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit mit Wirkung nur für diesen Rechtsstreit ist die Konzentration des Verwerfungsrechtes als ausdrücklicher Ausspruch mit Gesetzeskraft beim Bundesverfassungsgericht getreten. Der Sinn dieser Regelung ist, daß nicht jedes Gericht sich über den Willen des in unserer heutigen Verfassung etablierten Gesetzgebers soll hinwegsetzen können. Nur dieses besondere Verfassungsgericht ist berufen, das Parlament als Gesetzgeber zu kontrollieren. Handelt es sich dagegen um Gesetze aus der Zeit vor dem Erlaß des Grundgesetzes — die nach Art.

123 GG fortgelten, soweit sie dem Grundgesetz nicht widersprechen —, so bedeutet die Feststellung eines Widerspruchs nicht, daß der Gesetzgeber die Verfassung mißachtet hat, sondern daß eine spätere Norm (Grundgesetz) die frühere Norm (vorkonstitutionelles Gesetz) außer Kraft gesetzt hat. Wie immer in solchen Fällen der lex posterior kann darum jeder Richter auch ein vorkonstitutionelles Gesetz mit dem Grundgesetz vergleichen und bei seiner Entscheidung außer acht lassen, wenn er einen Widerspruch für gegeben erachtet. Aus den gleichen grundsätzlichen Erwägungen — die Autorität des Parlamentes als Gesetzgeber ist nicht im Spiel — hat das Bundesverfassungsgericht weiter entschieden, daß jeder Richter eine Rechtsnorm, die nicht vom Gesetzgeber erlassen worden ist — Verordnung der Regierung oder Satzung der Gemeinde —, nicht nur wegen Gesetzwidrigkeit, sondern auch wegen Verfassungswidrigkeit bei seiner Entscheidung außer acht lassen darf.

Die Nichtigerklärung von Gesetzen wird vielfach als gesetzgeberische Funktion bezeichnet, die an sich dem Richter nicht zukomme. Ich halte das nicht für richtig. Das Gericht bleibt auch hier im Rahmen der Rechtsprechungs-Funktion: Das zu prüfende Gesetz ist der Tatbestand, der unter die Verfassung subsumiert wird. Das Gericht untersucht, ob der Gesetzgeber beim Erlaß des Gesetzes gegen Normen der Verfassung verstoßen hat und zieht im Bejahungsfall daraus in seinem Urteil die Rechtsfolge der Nichtigkeit. Die Technik des Richterspruches muß sich der Technik der richterlich zu kontrollierenden Staatstätigkeit anpassen. So wenig der Verwaltungsrichter verwaltet, wenn er einen Verwaltungsakt wegen Gesetzwidrigkeit aufhebt (statt die Verwaltungsbehörde zu verurteilen, den Verwaltungsakt aufzuheben), so wenig wird der Verfassungsrichter als Gesetzgeber tätig, wenn er ein Gesetz für nichtig erklärt (statt den Gesetzgeber zu verurteilen, das Gesetz seinerseits rückwirkend zu beseitigen). Formal gesehen wirkt zwar die mit Gesetzeskraft versehene und im Gesetzblatt zu verkündende Feststellung (!) der Nichtigkeit wie ein gesetzgeberischer Akt, der Sache nach ist es aber ein normativ gebundener richterlicher Akt, nicht (im Rahmen der Verfassung)

freie Gestaltung der Rechtsordnung, wie es die Funktion des Gesetzgebers ist.

Bedeutungsvoll allerdings sind die politischen Folgen der Nichtigerklärung eines Gesetzes für den Gesetzgeber. Ich erinnere etwa daran, welche Verwirrung und welcher lang dauernde Stillstand im Veranlagungsgeschäft der Finanzämter entstand, als das Bundesverfassungsgericht die Bestimmung des Einkommensteuergesetzes über die Zusammenveranlagung der Ehegatten für nichtig erklärt hatte. Hier hat das österreichische Recht eine praktikablere Lösung gefunden: Der österreichische Verfassungsgerichtshof hebt das Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit pro futuro auf und kann sogar seine Fortgeltung bis zur Dauer eines Jahres bestimmen, um dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu geben, in Ruhe für Ersatz zu sorgen.

b) Ein Rangverhältnis der Normen besteht nicht nur zwischen dem einfachen Gesetz und dem Verfassungsrecht, sondern im Bundesstaat auch zwischen dem Landesrecht und dem Bundesrecht. Nach Art. 31 GG bricht Bundesrecht Landesrecht. Jeder Richter muß darum auch dann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einholen, wenn er Landesrecht für ungültig hält wegen Widerspruchs zum Bundesrecht (Art. 100 Abs. 1 GG). c) Das Bundesverfassungsgericht wird in sehr vielen Fällen von Gerichten angerufen, die ein Gesetz für nichtig halten. Nicht alle solche Vorlagen sind sehr sinnvoll. Man könnte darum fragen, ob es überhaupt berechtigt ist, jedem Richter — auch der untersten Instanz — diese Möglichkeit zu eröffnen. Es könnte abgewartet werden, wie die höheren Instanzen entscheiden, etwa gar nur den obersten Gerichten der verschiedenen Rechtsprechungszweige das Vorlagerecht vorbehalten werden. Aber die geltende Regelung entspricht eben doch der hohen Würde des Richleramtes: Kein Richter soll genötigt werden, ein Gesetz anzuwenden, das er für ungültig hält.

d) Normenkontrolle übt das Bundesverfassungsgericht nicht nur auf Vorlage eines Gerichtes (sog. konkrete Normenkontrolle) aus, sondern auch als sogenannte abstrakte Normenkontrolle auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Bundestages (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG). In diesem Verfahren kann auch die Vereinbarkeit eines vorkonstitutionellen Gesetzes oder einer Verordnung mit der Verfassung zur Entscheidung gestellt werden.

e) Für die Funktion des Bundesverfassungsgerichtes dürfte es nun sehr aufschlußreich sein, daß weitaus die Mehrzahl der Gesetze, die ihm zur Normenkontrolle vorgelegt werden, für gültig erachtet wurden. Das Gericht übt eine gewisse Zurückhaltung und geht von einer Art Vermutung der Gültigkeit der Gesetze aus. Nur wenn das Gesetz evident gegen die Verfassung verstößt, wird es für nichtig erklärt. Das hat insbesondere Bedeutung bei der Prüfung an Hand des Gleichheitssatzes: Findet sich auch nur ein irgendwie gearteter Rechtfertigungsgrund für die Differenzierung, die der Gesetzgeber vorgenommen hat, so wird das Gesetz aufrechterhalten. Das Bundesverfassungsgericht versucht überdies, ein Gesetz selbst dann noch zu retten, wenn es in der Auslegung, die ihm vom vorlegenden Gericht gegeben worden ist, in der Tat verfassungswidrig sein würde, indem es dem Gesetz eine andere — verfassungskonforme — Auslegung gibt.

An dieser Stelle möchte ich einmal ein konkretes Beispiel aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes herausgreifen und an dem Beispiel eines kürzlich ergangenen Beschlusses demonstrieren, wie wichtig dieses Prüfungsrecht des Bundesverfassungsgerichtes ist. Der Fall hat vor allem deswegen grundsätzliche Bedeutung, weil der Maßstab, an dem das Gesetz gemessen wurde, nicht eine scharf umrissene, präzis formulierte Norm unseres Verfassungsgesetzes war, sondern ein Grundprinzip unserer Verfassungsordnung:

die Rechtstaatlichkeit. Dieses Beispiel hat vor allem auch Bedeutung für das Problem der Auslegung der Verfassung und des Verhältnisses von Verfassungsrecht und Politik, das in Kapitel III erörtert wird.

Es handelt sich um den Beschluß vom 7. April 1964 (1 BvR 12/63), der aus Anlaß der Prüfung einer Bestimmung des Personenbeförderungsgesetzes die Anforderungen an die rechtsstaatliche Gestaltung der Gesetze präzisiert. Nach dem Personenbeförderungsgesetz bedarf einer besonderen Genehmigung der zuständigen Verwaltungsbehörde, wer Personen entgeltlich oder geschäftsmäßig mit Kraftfahrzeugen befördern will. Dabei werden der Linienverkehr und der Gelegenheitsverkehr unterschieden und als Formen des Gelegenheitsverkehrs nur zugelassen der Verkehr mit Taxen, die Ausflugsfahrten und der Verkehr mit Mietomnibussen und Mietwagen. Der Verkehr mit Mietwagen wird dahin definiert, daß bei ihm der Mieter Zweck, Ziel und Ablauf der Fahrt bestimmt. Nun hatten sich sog. Mitfahrerzentralen gebildet, die Fahrgäste vermitteln, wenn jemand vorhat, mit seinem Personenkraftwagen nach einem bestimmten Ziel zu fahren und bereit ist, Fahrgäste gegen Erstattung eines anteilmäßigen Betrages der Betriebskosten mitzunehmen. § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Personenbeförderungsgesetzes bestimmt dazu:

„Diesem Gesetz unterliegen nicht 1. Beförderungen mit Personenkraftwagen, 'wenn das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt und Fahrer und Mitfahrer weder durch öffentliche Vermittlung noch durch Werbung zusammengeführt worden sind."

Daraus ergibt sich also, daß die Beförderung gegen Beteiligung an den Betriebskosten dem Gesetz unterliegt und mithin genehmigungspflichtig ist, wenn Fahrer und Mitfahrer durch Mitfahrerzentralen zusammengebracht werden. Für einen solchen Verkehr sieht aber das Gesetz eine Genehmigung nicht vor; Mietwagenverkehr liegt per definitionem nicht vor, weil in diesen Fällen nicht ein Mieter des Wagens Ziel und Ablauf der Fahrt bestimmt. Faktisch läuft also die zitierte Bestimmung auf ein Verbot der Mitfahrerzentralen hinaus.

Nach § 60 des Gesetzes wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig Personen mit Kraftfahrzeugen ohne Genehmigung befördert. Täter dieser Straftat ist also der Fahrer; der Vermittler (Mitfahrerzentrale) macht sich nur als Gehilfe strafbar. Nun hatte der Geschäftsführer einer Mitfahrerzentrale nach dem Inkrafttreten des Personenbeförderungsgesetzes in mindestens 2000 Fällen Fahrgelegenheiten gegen Kostenbeteiligung an Kraftfahrer ver8 mittelt, die keine Genehmigung nach dem Gesetz hatten. Die Staatsanwaltschaft verfolgte nicht diese zweitausend Täter, sondern klagte den Geschäftsführer der Mitfahrerzentrale wegen Beihilfe an. Das Landgericht verurteilte ihn auch wegen fortgesetzter Beihilfe zur unerlaubten Personenbeförderung zu einer Geldstrafe. Der mit der Revision angerufene Strafsenat des Bundesgerichtshofs aber hielt die oben wiedergegebene Bestimmung des Gesetzes für verfassungswidrig und legte die Frage der Gültigkeit des Gesetzes dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung nach Art. 100 Abs. 1 GG vor.

Bei seiner Prüfung geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, daß das Grundrecht der Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG nur durch ein Gesetz eingeschränkt werden darf, das der verfassungsmäßigen Ordnung entspricht, das also mit den formellen und materiellen Vorschriften des Grundgesetzes im Einklang steht. Die bezüglich der „Mitfahrer" im Personenbeförderungsgesetz getroffene Regelung verstößt aber, wie das Bundesverfassungsgericht überzeugend darlegt, gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit als einem tragenden Grundprinzip unserer Verfassung. In Verbindung mit dem vom Grundgesetz gewährleisteten grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers verlangt das Rechtsstaatsprinzip, daß der einzelne vor unnötigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt bewahrt bleibt, daß aber die Voraussetzungen möglichst klar und für den Bürger erkennbar umschrieben werden müssen, wenn ein solcher Eingriff in Gestalt eines gesetzlichen Gebots oder Verbots unerläßlich ist. Dabei müssen dann die Mittel des Eingriffs zur Erreichung des gesetzgeberischen Zieles geeignet sein und dürfen den einzelnen nicht übermäßig belasten.

Unter all diesen Gesichtspunkten war die zur Prüfung gestellte Bestimmung des Personenbeförderungsgesetzes zu beanstanden. Zunächst darf ein Gesetzesinhalt nicht so offensichtlich widersprüchlich und unklar sein, daß auf der einen Seite die öffentlich vermittelten Mitnahmefahrten genehmigungspflichtig gemacht werden und auf der anderen Seite über Voraussetzungen, Verfahren und Form dieser Genehmigung nichts bestimmt wird. Sodann ist nicht zu erkennen, welche Grunde des öffentlichen Wohles das Verbot rec t fertigen sollen. Die Bundesregierung, die ent gegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes, der Literatur und der Rechtsprechung die it nahmefahrten für genehmigungsfähig hält, gab vor, im Genehmigungsverfahren würden Fahrer und Fahrzeug überprüft; das brächte erhöhte Sicherheit des Straßenverkehrs und erhöhten Schutz des einzelnen Mitfahrers. Demgegenüber hatte sie noch in der Begründung zu dem Gesetzentwurf, der die einschlägige Bestimmung noch nicht enthielt, mit Recht betont, daß die Interessen des öffentlichen Verkehrs durch die hier in Rede stehenden Verkehrsvorgänge nicht wesentlich berührt würden. Und es ist ja wirklich nicht zu verstehen, warum von allen Mitnahme-fahrten gegen Kostenbeteiligung nur die „öffentlich" vermittelten verboten, alle anderen aber (privat vermittelter oder durch „Anhalten" zustandegekommener Mitnahmeverkehr) unbeschränkt zulässig sein sollen. Das Bundesverfassungsgericht weist auch noch darauf hin, daß umgekehrt das Verbot zu größerer Gefährdung der bisher von den Mitfahrerzentralen vermittelten Fahrgäste führen könnte, weil die Mitfahrerzentralen im Rahmen ihrer gewerblichen Pflichten gehalten sind, darauf zu achten, daß die Beförderer im Besitz der Fahrerlaubnis sind und daß die verwendeten Fahrzeuge den Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung entsprechen. Das Verbot der öffentlich vermittelten Mitnahmefahrten ist also ein objektiv ungeeignetes Mittel zur Erreichung des angeblichen gesetzgeberischen Zieles. Schließlich aber ist mit Händen zu greifen, daß das Verbot in Wahrheit erlassen worden ist, um die öffentlichen Verkehrsträger, insbesondere die Bundesbahn, zu schützen. Dann hätte aber der Gesetzgeber seine Gebote und Verbote unmittelbar an die Mitfahrerzentralen richten müssen — und dabei hätte er die Grenzen der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG achten müssen, also kaum diesen Beruf vollständig verbieten dürfen, sondern die Berufsausübung gewerbepolizeilich regeln müssen. Da dieser gerade Weg nicht gangbar war, wählte der Bundestag den Umweg, um die Mitfahrerzentralen faktisch lahmzulegen. In einem offensichtlichen Mißbrauch strafrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten stellte er in dem strafrechtlichen Tatbestand das Täter-Gehilfen-Verhältnis geradezu auf den Kopf: das nach dem Verbotsziel allenfalls als Beihilfe zu wertende Handeln des Kraftfahrers wird zur Haupttat, der eigentlich gemeinte Täter, der Vermittler, wird in die Rolle des Gehilfen gedrängt. In der Praxis wurden dann die Tausende von angeblichen Tätern nicht verfolgt, während die Inhaber der Mitfahrerzentralen wegen strafbarer Beihilfe zur Rechenschaft gezogen wurden! Eine solche, der Sachlage zuwiderlaufende Gesetzesgestaltung, die die wahren Absichten des Gesetzgebers verschleiert, verstößt eindeutig gegen das Rechtsstaatsprinzip.

Ich möchte glauben, daß die Begründung, mit der das Bundesverfassungsgericht die zur Prüfung gestellte Norm des Personenbeförderungsgesetzes für nichtig erklärt hat, absolut überzeugend ist. So mag dieses Beispiel lehren, wie wichtig es ist, daß der Gesetzgeber vom Verfassungsgericht kontrolliert wird — nicht nur, um die Freiheit des Bürgers zu sichern, sondern auch, um ihn zu sorgsamer Arbeit anzuhalten. Zugleich mag dieser Fall aber auch zeigen, wie wenig das vom Bundespräsidenten unter Beifall der herrschenden Lehre in Anspruch genommene materielle Prüfungsrecht die Verkündung evident verfassungswidriger Gesetze verhindern kann. Da nur das Bundesverfassungsgericht nach unserer Verfassungsordnung mit Verbindlichkeit darüber entscheiden kann, ob ein Gesetz mit der Verfassung vereinbar ist oder nicht, sollte sich die Prüfung des Bundespräsidenten auf die formelle Seite der Einhaltung des Weges der Gesetzgebung beschränken. Doch kann ich diese These hier nicht weiter begründen. Zur politischen Seite dieses Problems möchte ich aber noch auf das erstaunliche Phänomen aufmerksam ma-chen, daß das Belegschaftshandelsgesetz, bei dem es um subtilste und umstrittenste Fragen der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG ging, vom Bundespräsidenten nicht ausgefertigt und verkündet worden ist während eine so evident verfassungswidrige Norm wie § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Personenbeförderungsgesetzes anstandslos diese Barriere passiert hat.

8. Weitere objektive Verfahren, die die Geltung oder die Qualität von Normen zum Gegenstand haben, sind das Verfahren, in dem festgestellt wird, ob ein Gesetz aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes als Bundesrecht oder als Landesrecht weiter gilt (Art. 126 GG), und das Verfahren, in dem auf Antrag eines Gerichtes klargestellt werden soll, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechtes besteht, die nach Art. 25 GG zu einem Bestandteil des Bundesrechtes geworden ist (Art. 100 Abs. 2 GG).

9. Neben den Organstreitigkeiten, den Streitigkeiten aus dem föderalen Bereich und der Normenkontrolle haben wir schließlich als weiteren zentralen Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit noch die Verfassungsbeschwerde zu erwähnen. Sie ist allerdings nicht im Grundgesetz selbst vorgesehen, sondern erst durch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12. 1951 § 90) eingeführt worden. An der Spitze unserer Verfassung findet sich das Bekenntnis zur Würde des Menschen und zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Nach einer Periode, in der Freiheit, Würde und Leben des Menschen in unerhörter Weise mißachtet worden sind, werden im ersten Abschnitt unserer Verfassung die Grundrechte des einzelnen in ganz besonderer Weise gesichert. Damit ihre Achtung stets sichergestellt ist und Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz die Grundrechte einheitlich auslegen, ist die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht geschaffen worden. Jedermann kann das Bundesverfassungsgericht anrufen mit der Behauptung, daß er durch die Öffentliche Ge-walt — sei es durch die Verwaltung, sei es durch ein Gesetz, sei es durch das Urteil eines Gerichtes — in seinen Grundrechten verletzt sei 3). Soweit ein Rechtsweg gegeben ist — wie etwa gegen einen Verwaltungsakt die Möglichkeit, das Verwaltungsgericht anzurufen —, muß jedoch zunächst dieser Rechtsweg erschöpft werden. Die Grundrechtswidrigkeit eines Gesetzes kann daher in der Regel mit der Verfassungsbeschwerde erst geltend gemacht werden, wenn ein Gericht seinem Urteil das Gesetz zugrunde gelegt hat, das der Beschwerdeführer als grundrechtsverletzend ansieht. Die Verfassungsbeschwerde ist dann unmittelbar gegen das Urteil gerichtet, mittelbar aber geht sie gegen das Gesetz, das eigentlich angefochten wird. Beschränkt aufden Grundrechtsbereich ergibt sich also hier auf Initiative einer Prozeßpartei doch noch die Möglichkeit, die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zur Kontrolle des Bundesverfassungsgerichtes zu stellen, wenn der Prozeßrichter das Gesetz nicht nach Art. 100 GG vorgelegt hat, weil er es für verfassungsmäßig hielt. Ausnahmsweise kann der einzelne jedoch auch sofort gegen ein Gesetz die Verfassungsbeschwerde einlegen, wenn er unmittelbar durch das Gesetz in seinen Rechten betroffen wird und es nicht der Zwischenschaltung eines Vollziehungsaktes bedarf. Ja, der einzelne kann sogar geltend machen, daß der Gesetzgeber eines seiner Grundrechte, vor allen Dingen das Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz, durch die Unterlassung eines Gesetzgebungaktes verletzt habe. Die sehr schwierigen Probleme der Verfassungsbeschwerde wegen Unterlassung des Gesetz-gebers möchte ich hier nicht weiter erörtern. Aber das Faktum, daß der einzelne in gewissen Grenzen vom Bundesverfassungsgericht ein Urteil erreichen kann, daß der Gesetzgeber durch ein Unterlassen sein Grundrecht verletzt hat, ist ein für die Struktur unserer Verfassung außerordentlich wichtiger Punkt. Das Bundesverfassungsgericht kann zwar nicht den Bundestag verurteilen, ein Gesetz zu erlassen, aber die Feststellung, daß der Gesetzgeber durch Unterlassen ein Grundrecht verletzt hat, hat doch praktisch zur Folge, daß der Gesetzgeber nunmehr die Konsequenzen zieht und die beanstandete Lücke ausfüllt.

Von der Verfassungsbeschwerde wird außerordentlich stark Gebrauch gemacht. Man kann wohl sagen, daß oft Mißbrauch damit getrieben wird. Es gehen monatlich etwa 100 Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht ein. Von den Tausenden dieser Verfassungsbeschwerden kommen nur ganz wenige überhaupt zur Erörterung vor einen der beiden Senate. Sicher 9O°/o scheitern bereits im Vorverfahren, in dem sie durch drei Richter geprüft und als unzulässig oder offenbar unbegründet verworfen werden bzw. nac der letzten Änderung des Gesetzes nicht zur Entscheidung angenommen werden. Von den Verfassungsbeschwerden, die dann vom e richt selbst behandelt werden, haben nur relativ wenige Erfolg gehabt, etwa 1, 5 o. s muß aber hervorgehoben werden, daß aut Verfassungsbeschwerde hin grundlegend wie tige Entscheidungen getroffen worden sind (z. B. richterliches Gehör in gerichtlichen er fahren, Kommunalwahlrecht, Friedensgerichte, Kassenarztzulassung, Grundrecht der ei nungsfreiheit, Überbesetzung der Gerichte, § 90 a Strafgesetzbuch, zwangsweise Unterbringung in geschlossenen Anstalten, Gewerbesteuer, Straßenverkehrsordnung).

Es sind mannigfache Erwägungen darüber angestellt worden, wie man der Flut unnützer Verfassungsbeschwerden Einhalt gebieten könnte, die das Bundesverfassungsgericht hindert, die einer Sachentscheidung würdigen Verfahren schneller zu erledigen. Aber es ist bisher noch kein Heilmittel gefunden worden. Man wird die Verfassungsbeschwerde nicht abschaffen können, da sie zu einer wesentlichen rechtsstaatlichen Institution unserer Verfassungsordnung geworden ist. Rudolf Smend hat in seinem Festvortrag zum zehnjährigen Bestehen des Bundesverfassungsgerichtes darauf hingewiesen, daß gerade die Verfassungsbeschwerde dazu beigetragen hat, daß das Grundgesetz viel stärker im Volke verwurzelt und bekannt ist, als es etwa bei der Weimarer Reichsverfassung der Fall war.

10. Nur um das Bild zu vervollständigen, zähle ich nunmehr noch die übrigen Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichtes auf, die sich um die erwähnten zentralen Zustän-dichkeitsbereiche herumgruppieren:

a) Auf Anklage des Bundestages oder Bundesrates entscheidet das Bundesverfassungsgericht darüber, ob der Bundespräsident das Grundgesetz oder ein Bundesgesetz vorsätzlich verletzt hat — eine Bestimmung, die sicherlich niemals angewandt werden wird (Art. 61 GG). Eine Ministeranklage kennt das Grundgesetz nicht.

b) Das Bundesverfassungsgericht ist weiter zuständig, auf Anklage des Bundestages oder des Landtages darüber zu entscheiden, ob ein Bundes-oder Landesrichter innerhalb oder außerhalb des Amtes gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung eines Landes verstoßen hat (Art. 98 Abs. 2, 5 GG). Eine solche Richteranklage hat es bisher noch nicht gegeben, und es wird sie hoffentlich auch niemals geben.

c) Im Parteienstaat, der die politischen Parteien als wesentliche Faktoren des Verfassungslebens anerkennt, die bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken, ist konsequenterweise auch ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vorgesehen, durch das eine Partei von dieser Mitwirkung ausgeschlossen werden kann, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden (Art. 21 Abs. 2 GG). Bisher haben zwei derartige Verfahren stattgefunden und mit dem Verbot der SRP und KPD geendet.

d) Es entspricht dem Typ der wehrhaften Demokratie, wie ihn das Grundgesetz verwirklicht, daß die verfassungsmäßig verbürgten Freiheitsrechte nicht zum Kampfe gegen die verfassungsmäßige Ordnung mißbraucht werden dürfen. Art. 18 GG sieht darum vor, daß bestimmte Grundrechte wegen eines solchen Mißbrauchs verwirkt und daß die Verwirkung von Grundrechten und ihr Ausmaß durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden. Bisher ist keine Entscheidung dieser Art getroffen worden

e) Bei der Wahlprüfung (Art. 41 Abs. 2 GG) und bei der Entscheidung über den Mandatsverlust eines Abgeordneten ist Objekt der verfassungsgerichtlichen Kontrolle die ordnungsgemäße Zusammensetzung des zur Gesetzgebung berufenen Staatsorgans. Diese Wahlprüfung ist zunächst dem Bundestag selbst zugewiesen, der sie in einem justizförmigen Verfahren durch einen Wahlprüfungsausschuß vorbereiten läßt; gegen die Entscheidung des Bundestages ist eine Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht gegeben. Im Gegensatz zum Bundestag prüft dann das Bundesverfassungsgericht auch, ob das Wahlgesetz, auf Grund dessen die Wahl durchgeführt wurde, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Im Rahmen einer solchen Beschwerde war nach der letzten Bundestagswahl geltend gemacht worden, die Bundestagswahl sei deshalb ungültig, weil die Wahlkreiseinteilung mit dem Grundsatz der Gleichheit des Wahlrechtes nicht mehr im Einklang stünde. Die Wahlkreiseinteilung beruhte immer noch auf der Bevölkerungsverteilung im Jahre 1949, so daß etwa das Land Schleswig-Holstein zu viele Wahlkreise hatte, die in anderen Ländern fehlten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hat die Bedenklichkeit der Wahlkreiseinteilung herausgehoben, ist aber gerade noch an der Ungültigkeitserklärung der Wahl vorbeigekommen Der Bundesgesetzgeber ist inzwischen dem Hinweis des Gerichts gefolgt, daß die Wahlkreiseinteilung geändert werden müßte.

II. Das Bundesverfassungsgericht als Institution

1. Das Grundgesetz hat sich nicht mit der Art von Verfassungsgerichtsbarkeit begnügt, die im richterlichen Prüfungsrecht liegt, es hat ihren Bereich auch nicht auf Streitigkeiten im bundesstaatlichen Gefüge begrenzt, sondern es hat Vorsorge getroffen, daß verfassungsrechtliche Streitfragen aus einem ganz umfassenden Bereich zur richterlichen Entscheidung gebracht werden können. Diese umfassende Aufgabe konnte nicht einem anderen Gericht als zusätzliche Aufgabe zugewiesen werden. Das Verfassungsgericht ist auch nicht, wie es die Weimarer Reichsverfassung tat, an ein anderes Gericht angelehnt worden, sondern unsere Verfassung hat eine besondere, sehr umfangreiche Gerichtsbehörde geschaffen, die aus der Sphäre der normalen Gerichtsbarkeiten herausgehoben und unter die Verfassungsorgane eingereiht ist. § 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes bestimmt: „Das Bundesverfassungsgericht ist ein allen übrigen Verfassungsorganen gegenüber selbständiger und unabhängiger Gerichtshof des Bundes". Kraft seiner besonderen Funktion ist es also nicht nur ein Gericht, sondern zugleich ein unmittelbar in der Verfassung eingesetztes oberstes Staatsorgan, das von der Verfassung als notwendig erachtete Funktionen im Verfassungsleben zu erfüllen hat („Verfassungsorgan"). Nach seinem verfassungsrechtlichen Status steht das Bundesverfassungsgericht ebenbürtig neben dem Parlament und neben der Regierung. Indem es Recht spricht und in diesen Grenzen richterlicher Gewalt, übt es zugleich als eine Art pouvoir neutre eine verfassungsintegrierende Funktion aus. Diesem Status entspricht es, daß das Verfassungsgericht als selbständige Behörde und nicht, wie der Staatsgerichtshof der Weimarer Reichsverfassung, bei einem oberen Bundesgericht errichtet worden ist. Dem Verfassungsgericht kommt auch insofern Selbständigkeit zu, als es hinsichtlich seiner Behördeneigenschaft nicht der obersten Leitung eines Ministeriums untersteht und einen selbständigen Einzelplan im Haushaltsplan des Bundes hat

Besondere Verfassungsgerichtshöfe haben auch die Staaten Italien und Österreich. Aber die dortigen Verfassungsgerichtshöfe haben nicht jene umfassende Kompetenz des Bundesverfassungsgerichtes.

Das Bundesverfassungsgericht ist eine in der ganzen Welt einzigartige Institution.

2. Das Grundgesetz kennt nur das Bundesverfassungsgericht.

Das vom Ersten Bundestag erlassene Ausführungsgesetz über das Bundesverfassungsgericht, das also jederzeit mit einfacher Mehrheit geändert werden kann, hat dagegen die Konstruktion des Zwillingsgerichtes gebracht. Es sind zwei Senate gebildet worden, die ursprünglich 12, dann 10 Mitglieder hatten und heute aus 8 Richtern bestehen.

Die Richter werden in einen bestimmten Senat gewählt und können sich gegenseitig nicht vertreten. Die Zuständigkeit der beiden Senate ist im Prinzip gesetzlich festgelegt.

Sie war ursprünglich so falsch verteilt, daß die Hauptlast beim Ersten Senat lag, während der Zweite Senat verhältnismäßig wenig Sachen erhielt. Das ist dann später geändert worden; insbesondere hat das Gesetz auch die Möglichkeit eröffnet, daß das Gericht selbst durch einen Beschluß die Zuständigkeit zwischen dem Ersten und Zweiten Se-nat anders aufteilt, wenn dies infolge einer nicht nur vorübergehenden Überlastung eines Senates unabweislich geworden ist. Nach einem solchen Beschluß des Gerichtes hat sich jetzt die Belastung der beiden Senate gleichmäßig ausgependelt.

Während die ursprüngliche Zuständigkeitsregelung die Möglichkeit eröffnete, die Zuständigkeit der beiden Senate zu manipulieren, indem dieselbe Streitfrage je nach dem Gewand, in das sie gekleidet wurde (Organstreit, Normenkontrolle, Verfassungsbeschwerde), vor den einen oder den anderen Senat gebracht werden konnte ist diese Möglichkeit nunmehr ausgeschlossen.

Einzel6a) heiten der Zuständigkeitsverteilung tun hier nichts zur Sache.

3. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts werden je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Je drei Richter in jedem Senat werden aus dem Kreis der Richter an den oberen Bundesgerichten genommen und gehören dem Gericht auf Lebenszeit, d. h. bis zur Erreichung der Altersgrenze an. Die übrigen Richter werden auf 8 Jahre gewählt;

für sie gibt es keine Altersgrenze. Diese Wahl auf Zeit ist höchst bedenklich; es wäre besser, wenn alle Richter des Bundesverfassungsgerichts auf Lebenszeit bestellt würden, wobei ihnen der jederzeitige Rücktritt mit Anspruch auf Versorgung nach entsprechend langer Amtszeit eingeräumt sein müßte. Alle Richter müssen die Befähigung zum Richteramt haben.

Sie sind hauptamtlich tätig; nur die Professoren dürfen ihre Professur als zweites Hauptamt beibehalten, wobei allerdings die Pflichten aus dem Richteramt vorgehen. Der Bundesrat wählt im Plenum mit Zweidrittelmehrheit, während der Bundestag einen Richter-Wahlausschuß von zwölf Mitgliedern bestellt, der seinerseits die Richter mit Zweidrittelmehrheit wählt.

Die Wahl der Richter durch die parlamentarischen Körperschaften ist sehr umstritten. Ich halte sie grundsätzlich für gerechtfertigt. Die Bestellung der Richter eines Verfassungsgerichtes läßt sich nun einmal nicht „entpolitisieren".

Es kommt nur darauf an, daß sie nicht zu stark in die Zone reiner Parteipolitik gerät und daß die Parteien sich bemühen, die für diese Aufgabe am besten qualifizierten Persönlichkeiten in das Gericht zu wählen. Autorität wird ein solches Gericht aber nur erwerben können, wenn über die Auswahl der Richter nicht nur die in Parlament und Regierung herrschenden Mehrheitsparteien bestimmen, sondern auch die Opposition beteiligt wird. Darum ist die qualifizierte Mehrheit bei der Wahl unbedingt erforderlich. Als im Jahre 1956 die Regierungspartei versuchte, die qualifizierte Mehrheit zu beseitigen, ist dieser Anschlag auf die Integrität des Bundesverfassungsgerichts nicht zuletzt an der einhelligen Ablehnung durch die öffentliche Meinung gescheitert, wie sie vor allem in der Presse aller Schattierungen sichtbar wurde.

Die bisherigen Richterwahlen haben gezeigt, daß ein Gericht zustande kommt, das keineswegs parteipolitisch zerklüftet ist. Natürlich bringen die Verfassungsrichter als geformte Persönlichkeiten ihre rechtlichen und politiB sehen Vorstellungen mit in das Amt, die durch ihre soziale Herkunft, ihren Bildungsgang, ihre Weltanschauung usw. beeinflußt sind. Jeder Jurist hat eine Affinität zu bestimmten Argumenten, die durch seine persönlichen Wertvorstellungen erzeugt wird; darum erscheint es mir durchaus legitim, bei der Auswahl der Verfassungsrichter auch nach den Leitbildern ihrer persönlichen Wertvorstellungen zu fragen. Dabei darf nicht verkannt werden, daß die Richter ihre hohe Aufgabe nicht in individueller Vereinzelung, sondern in der Zusammenfassung zu einem Rechtsprechungskörper erfüllen. Wie einerseits die Qualität eines Gerichtes durch die Persönlichkeiten der ihm angehörenden Richter bestimmt wird, so hat andererseits die Institution des Gerichtes, in die sie eingefügt sind, prägende Kraft für die Persönlichkeit der Richter. Man kann auch sagen, daß das Amt den Richter macht, und schon manchesmal hat es sich in der Welt gezeigt, daß gezielte „politische" Richter-Ernennungen nicht den „gewünschten" Erfolg hatten. Jeder wahre Richter bemüht sich nach Kräften, von seinen subjektiven Meinungen und Strebungen fortzukommen und in der Auseinandersetzung mit allen nur denkbaren Argumenten, die ihm vor allem auch aus der Beratung mit seinen Mit-Richtern zukommen, einen objektiven Standpunkt zu gewinnen. Die Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts dürfte beweisen, daß die Bundesverfassungsrichter sich nach Kräften bemühen, den Grad objektiver Rechtsfindung zu erreichen, den zu erreichen einem fehlsamen Menschen immer möglich ist. Bei aller Kritik, der manche Entscheidungen ausgesetzt waren, hat doch wohl kein Kritiker, der Anspruch auf Gehör verdiente, zu behaupten gewagt, daß die Entscheidungen auf subjektiv-politischer Voreingenommenheit der Richter und nicht auf wohlerwogenen — wenn vielleicht auch bestreitbaren — rechtlichen Argumenten beruhten. Ich bedauere es außerordentlich, daß die deutsche Tradition in der Auslegung des Beratungsgeheimnisses dazu führt, daß die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts anonym als Entscheidungen des Gerichts ergehen und nicht persönlich von den Richtern verantwortet werden, die dafür eingetreten sind, während die anderen ihre abweichende Meinung in einem Sondervotum öffentlich bekanntgeben dürfen, wie es angelsächsischer Praxis entspricht. Ich meine, daß die Möglichkeit der Bekanntgabe abweichender Meinungen das Gewissen der Richter sowohl schärft wie entlastet und daß die Offenlegung der Gegenargumente die verfassungsrechtliche Diskussion beleben und die weitere Entwicklung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung heilsam beeinflussen könnte. Und ich vermag nicht einzusehen, daß darunter die Autorität des Spruches leiden würde und daß das deutsche Volk für eine solche Praxis nicht reif sei. Auch bei der gegenwärtigen Praxis wird kein Mensch annehmen, daß in schwierigen und höchstumstrittenen verfassungsrechtlichen Fragen einstimmige Entscheidungen gefällt werden. Beim Bayerischen und Bremischen Landesverfassungsgericht zeigen sich übrigens Ansätze zu einer Bekanntgabe der Sondervoten, die sonst nur zu den Akten gegeben werden können und im Panzerschrank verborgen bleiben

III. Die Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit im Gesamtgefüge der Verfassung

Die Problematik der Verfassungsgerichtsbarkeit liegt darin, daß die Ausübung der in der Verfassung begründeten Zuständigkeiten und die Einhaltung der von der Verfassung gezogenen inhaltlichen Schranken durch die am Verfassungsleben beteiligten politischen Faktoren der Kontrolle unabhängiger Richter unterworfen werden. In gerichtsförmiger Weise soll der Verfassung Bestand und Gewähr verschafft werden. Dies setzt voraus, daß die Verfassung Grundlage richterlicher Erkenntnis sein kann, daß sie als die normative Grundordnung des Staates anerkannt ist. Durch richterliche Reprobierung verfassungswidrigen Verhaltens und richterliche Vernichtung verfassungswidriger Staatsakte soll die volle Rechtsverbindlichkeit der Verfassung garantiert werden. Verfassungsgerichtsbarkeit widerstreitet also dem Dezisionismus, der die Entscheidungen der politischen Staatsorgane als solche für Recht hält. Sie wird auch von denen für entbehrlich erachtet, die die Achtung der Verfassung im Staate durch die politischen Garantien hinreichend gesichert finden.

Ein deutscher Ministerpräsident, der sich zu anderen Zeiten durchaus in der Lage fand, das Bundesverfassungsgericht im Streit mit dem Bund zu bemühen oder einen Spruch des Gerichts mit Lob zu bedenken, hat einmal unsere gesamte Verfassungsgerichtsbarkeit verdammt und die Funktion des Bundesverfassungsgerichtes mit folgenden Worten charakterisiert: „Ein als Gericht bezeichnetes Gremium treibt Politik." Ich könnte weiter einen ganzen Stoß von Invektiven von hohen Regierungsstellen oder Parteipolitikern gegen das Bundesverfassungsgericht anführen. Charakteristisch ist, daß die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes als Ausdruck des wahren Rechtes gefeiert oder als Unrecht gebrandmarkt werden je nach dem, ob die Entscheidung in das Konzept der eigenen Politik paßt oder nicht.

In der grundsätzlichen Diskussion über die Verfassungsgerichtsbarkeit wird auch heute noch das berühmte Verfahren des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich in Sachen Preußen . /. Reich nach Absetzung der preußischen Staatsregierung durch die Reichsregierung v. Papen herangezogen. Auch damals 1932 schieden sich die Geister an der Stellungnahme zu diesem Urteil. Carl Schmitt tadelte es als Vollendung und Krönung des von ihm perhorreszierten bürgerlichen Verfassungsgedankens; der „folgerichtig zu Ende gedachte bürgerliche Konstitutionalismus" des 19. Jahrhunderts habe „seinen Gipfelpunkt eben dort" gefunden, „wo der Nullpunkt des Willens zur politischen Führung lag" Nun, wohin uns der von Carl Schmitt so sehr gefeierte Wille zur politischen Führung, der auf die Normen des Verfassungsrechtes keine Rücksicht nimmt, gebracht hat, haben wir alle schaudernd erlebt. Heinrich Triepel aber, einer der Altmeister der deutschen Staatsrechtslehre — ein Mann durchaus konservativer Prägung —, bekannte sich trotz scharfer Kritik an dem Urteil damals ausdrücklich zum „Rechtsstaat" und wies darauf hin, daß die Länder völlig schutzlos wären, wenn man die gerichtliche Kontrolle der Diktatur des Reichspräsidenten — also fürwahr ein hochpolitischer Bereich — streiche

Ein Verfassungsgericht „treibt" nicht „Politik", sondern es entscheidet Rechtsstreitigkeiten, die im politischen Bereich des Verfassungslebens entstanden sind. „Politik treiben" bedeutet, das Gemeinschaftsleben des Volkes schöpferisch gestalten. Das ist die legitime Aufgabe der Legislative und Exekutive. Das Verfassungsgericht hingegen prüft immer nur einen Akt der öffentlichen Gewalt oder das Verhalten eines Staatsorgans am Maßstab der Verfassung als der normativen Grundordnung des Staates. Es sichert nur die politischen Grundentscheidungen, die das Volk in seiner Verfassung ein für alle Mal getroffen hat, dagegen, daß sie von der jeweils herrschenden Mehrheit verletzt werden. Niemals kommt es ihm zu, eine politische Willensentscheidung zu treffen, in Freiheit zu gestalten, neues Verfassungsrecht zu schaffen. Immer bleibt es gebunden, dem Verfassungsrecht unterworfen, das ihm von außen gesetzt ist. Selbst da, wo es unmittelbar in den Bestand eines Staatsaktes eingreift, kann dies doch immer nur die Aufhebung sein, die die Folge aus der Erkenntnis zieht, daß dem Akt nach dem geltenden Recht keine Bestandskraft zukommt. Die Feststellung der Nichtigkeit eines Gesetzes wegen Verstoßes gegen Verfassungsrecht ist etwas ganz anderes als die vom Parlament vollzogene Aufhebung eines Gesetzes aus politischem Willen, etwa weil es sich als unzweckmäßig erwiesen hat. Das Gericht hat nur die negative, abwehrende Funktion der Kontrolle darüber, ob sich die übrigen Verfassungsorgane in den ihnen vom Verfassungsrecht gezogenen Schranken gehalten haben. Bleiben sie innerhalb dieser Schranken, so entziehen sich die politischen Wertungen der handelnden Staatsorgane jeder Beurteilung durch das Gericht.

Diese Schranke hat das Bundesverfassungsgericht stets peinlichst eingehalten. Es hat zum Beispiel weit mehr Gesetze aufrechterhalten als für ungültig erklärt. Es geht geradezu von einer Vermutung für die Gültigkeit der Gesetze und das verfassungsmäßige Handeln der Staatsorgane aus. In der Entscheidung über das Saar-Abkommen etwa hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „Es muß grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß die politischen Organe der Bundesrepublik Deutschland, die am Zustandekommen eines völkerrechtlichen Vertrages beteiligt waren, nicht grundgesetzwidrige Bindungen haben eingehen wollen, daß sie vielmehr die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz geprüft haben und auch weiter auf eine grundgesetzmäßige Auslegung und Anwendung des Vertrages achten werden. So lange und so weit die Auslegung offen ist, muß deshalb unter verschiedenen in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten derjenigen der Vorzug gegeben werden, bei der der Vertrag vor dem Grundgesetz bestehen kann." Und in anderen Entscheidungen ist als Grundsatz aufgestellt, es sei davon auszugehen, daß die Staatsorgane rechtmäßig handeln

Der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen hat in manchen Fällen zur Aufrechterhaltung eines Gesetzes geführt, in denen man zweifeln konnte, ob nicht mindestens eine Teilnichtigerklärung eher am Platze gewesen wäre.

Von der Befugnis, eine einstweilige Anordnung zu erlassen, macht das Gericht nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch, weil „der Erlaß einer einstweiligen Anordnung im Verfassungsrechtsstreit einen Eingriff des Gerichts in die Regierungsfunktionen (Legislative und Exekutive) bedeutet, bevor die mit dem Antrag zur Hauptsache anhängig gemachte Rechtsfrage entschieden ist"

Verfassungsgerichtsbarkeit beruht auf der Einsicht, daß der politische Bereich nicht dem Recht entgegengesetzt oder entzogen ist, daß er vielmehr rechtlich geordnet sein kann und damit der richterlichen Kontrolle zugänglich wird. Natürlich gibt es auch im Verfassungsstaat politische Machtkämpfe, aber sie sind in den Rahmen einer verfassungsrechtlichen Ordnung gebannt. Es ist sicher richtig, daß politische Auseinandersetzungen Machtkämpfe sind und keine Rechtsstreitigkeiten und daß ihre Entscheidung nicht einem Gericht übertragen werden kann. Aber das geschieht auch nicht in der Verfassungsgerichtsbarkeit. Das Gericht ist nur aufgerufen, den rechtlichen Rahmen abzustecken, innerhalb dessen die politischen Machtfaktoren um die „richtige" Gestaltung ringen sollen und dürfen. Denn für eine normative Betrachtungsweise steht fest: Ein Staatsorgan, das die durch die Verfassung gezogenen Schranken überschreitet, verletzt das Recht und nimmt seinen Maßnahmen die Verbindlichkeit. Ist dem aber so, so ist nicht einzusehen, warum es nicht eine Rechtsentscheidung sein soll, wenn ein Gericht dies feststellt. Mit Recht sagt der Schweizer Staatsrechtslehrer Werner Kägi: „Sage mir Deine Einstellung zur Verfassungsgerichtsbarkeit, und ich sage Dir, was für einen Verfassungsbegriff Du hast" Deshalb, weil Verfassungsrecht politisches Recht ist, weil es, um die Smendsche Formel zu gebrauchen den Bereich ordnet, in dem der Staat sich und sein Wesen bestimmt und durchsetzt, hört es nicht auf, Recht zu sein. Seine Eigenart besteht darin, daß es mit weitgefaßten Generalklauseln und auslegungsbedürftigen Wertbegriffen ausgestattet ist. Streitigkeiten über politisches Recht bleiben aber Rechtsstreitigkeiten. Ein Urteil über eine politische Rechtsstreitigkeit bleibt eine Rechtsentscheidung, auch wenn es Folgen im politischen Raum hat.

Die grundsätzlichen Gegner der Verfassungsgerichtsbarkeit müssen davon ausgehen, daß jedes politische Verfassungsorgan in seiner Maßnahme zugleich die diese Maßnahme beherrschende verfassungsrechtliche Norm maßgebend auslegt, durch seine politische Entscheidung gleichzeitig unwiderleglich und für alle übrigen Staatsorgane und die Bürger bindend die Verfassungsmäßigkeit seiner Hand-lung selbst bezeugt. Sicher eine geschlossene und imponierende Staatskonzeption, es fragt sich nur, ob ein Volk seine Gemeinschaftsordnung so gestalten will. Das Grundgesetz jedenfalls beruht auf einer anderen Konzeption: Das politische Gemeinschaftsleben unseres Volkes soll sich nicht nach dem Willen der jeweiligen Parlamentsmehrheit und der von ihr abhängigen Regierung, sondern nach den Normen der Verfassung richten. Nicht das ist die Verfassung, was die politischen Staatsorgane in ihren Aktionen als zweckmäßig wollen, sondern was das Grundgesetz als unverrückbare Grundordnung, als Norm der Normen fixiert hat, was also auch mit den Methoden richterlicher Rechtsfindung erkannt werden kann. Es ist letzten Endes eine irrationale Frage des Vertrauens oder Mißtrauens in die politischen Staatsorgane, besonders in den Gesetzgeber, ob die politischen Garantien der Verfassungsmäßigkeit, insbesondere die Selbstverantwortung des Parlaments, für ausreichend angesehen oder ob und in welchem Ausmaße gerichtliche Garantien in eine Verfassung eingebaut werden. Die Übertragung der Entscheidung verfassungsrechtlicher Streitfragen auf unabhängige Richter entspringt einem Mißtrauen gegenüber den politischen Staatsorganen, insbesondere gegenüber der Parlamentsmehrheit; Antrags-rechte werden darum insbesondere auch parlamentarischen Minderheiten eingeräumt. Sie setzt andererseits ein besonderes Vertrauen in die Objektivität der Richter als der machtlosen Repräsentanten des Rechtes voraus. Das Bedürfnis nach einer umfassenden Verfassungsgerichtsbarkeit hatte der Deutsche Juristentag schon im Jahre 1926 bejaht Im Parlamentarischen Rat gab es keine Zweifel: die umfassende Verfassungsgerichtsbarkeit wurde einmütig und aus freier Entscheidung, ohne die geringste Einflußnahme der Besatzungsmächte beschlossen Damit sind die Väter des Grundgesetzes nicht etwa einer Schock-reaktion gegenüber der Willkürherrschaft der nationalsozialistischen Diktatur erlegen, sondern sie folgten einem Zuge der Zeit

Das Ausmaß der Verfassungsgerichtsbarkeit beeinflußt die Struktur einer Verfassungsordnung; durch ein Verfassungsgericht mit der umfassenden Kompetenz des Bundesverfassungsgerichtes wird ein neuer Integrationsfaktor in die politische Ordnung eingefügt. Darum ist es wesentlich, daß das Verfassungsgericht immer nur auf Antrag tätig werden kann. Es bedarf des Anstoßes von außen; durch den Antrag wird die verfassungsrechtliche Streitigkeit präzisiert, über die allein entschieden werden kann. Das Wort von dem Bundesverfassungsgericht als dem „Hüter der Verfassung" ist also nur cum grano salis zu verstehen. Der wahre Hüter der Verfassung muß auch von sich aus eingreifen können, wenn er die Verfassung in Gefahr sieht. Verfassungsgerichte aber können immer nur auf Antrag die Verfassungsrechtslage klären; sie wirken nur kontrollierend und hemmend, nicht führend und richtungweisend im Staats-leben. Sie urteilen nur über die rechtliche Zulässigkeit einer Maßnahme, nicht über die politische Zweckmäßigkeit; sie tragen darum auch keine politische Verantwortung für die Durchführung der von ihnen als verfassungsmäßig einwandfrei erklärten Maßnahmen

Richtig verstanden und in bezug gesetzt zu der schwierigen Aufgabe, Verfassungsrecht zu interpretieren, stehen die manchmal gegeneinander ausgespielten Äußerungen des Präsidenten des Staatsgerichtshofes für das Deutsche Reich, Simons, und des ersten Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Höpker-Aschoff, nicht im Widerspruch zueinander. Simons hatte gemeint: „Wenn immer wieder dem Staatsgerichtshof empfohlen wird, bei der Entscheidung verfassungsmäßiger Streitigkeiten die politischen Folgen zu bedenken, so legt man die Axt an die Wurzel seiner Autorität." Höpker-Aschoff sagte bei der feierlichen Eröffnung des Bundesverfassungsgerichts: „Das Bundesverfassungsgericht muß sich bei seinen Entscheidungen der politischen Folgen seiner Entscheidungen bewußt bleiben." Simons wollte nichts anderes ausdrücken als die Selbstverständlichkeit, die auch für Höpker-Aschoff und das Bundesverfassungsgericht nie streitig war, daß nämlich das Gericht nicht nach politischen Zweckmäßigkeitserwägungen urteilen dürfe. Und Höpker-Aschoff wollte nur auf jene eigentümliche Wechselwirkung zwischen Verfassungsrecht und politischer Wirklichkeit hinweisen, die bei der Anwendung des Verfassungsrechts nicht unberücksichtigt bleiben darf. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht in einer Denkschrift ausgeführt: „Ein Verfassungsgericht darf der politischen Lebensordnung, auf die sich die Verfassungsnorm bezieht und in die seine Entscheidung regulierend eingreifen soll, nicht unbeteiligt gegenüberstehen. Es wäre eine Illusion und ein unzulässiger formalistischer Positivismus, zu meinen, daß es im Bereich des Verfassungsrechts möglich wäre, eine Norm wie den Gleichheitssatz oder eine institutionelle Garantie wie die der Selbstverwaltung oder ein Verfassungsprinzip wie das des Föderalismus aus sich heraus auszulegen, ohne daß man gleichzeitig versuchte, diese Verfassungssätze, institutionelle Garantien, politischen Rechtsprinzipien zu der politischen Wirklichkeit in sinnvolle Beziehung zu setzen." Wenn sich das Bundesverfassungsgericht in diesem Sinne bemüht, die Verfassung zur Wirklichkeit des politischen Lebens zu machen, so erfüllt es seine Pflicht als Diener und Hüter der Verfassung und wirft sich nicht zu deren Herrn auf. Es stellt fest, was Rechtens ist, trifft aber nicht politische Willensentscheidungen im Hinblick auf „wünschenswerte" oder „unerträgliche" politische Folgen seiner Urteile.

Die Klärung des rechtlichen Rahmens für die politischen Streitigkeiten zwischen Verfassungsfaktoren oder zwischen Gliedern eines Bundesstaates sowie die Kassation einwandfrei verfassungswidriger Gesetze begründet nicht eine Suprematie des Verfassungsgerichtes im Staat. Zwar kommt dem Verfassungsgericht die maßgebende Auslegung der Verfassung zu; und Verfassungsrecht ist politisches Recht, das in seiner zum Teil weitmaschigen Formulierung der Interpretation besonders viel Raum läßt. Immer aber muß das Verfassungsgericht sich darauf beschränken, bestehendes Recht anzuwenden; es mag es entfalten, nicht aber kann es neues Verfassungsrecht schaffen. Insbesondere muß das Verfassungsgericht den Raum freier Entscheidung des Parlaments und der Regierung achten, der diesen politischen Staatsorganen der Natur der Sache nach zukommt und ihnen auch durch das Verfassungsrecht eingeräumt wird. Das Verfassungsgericht darf nicht seine Auffassungen über politische Zweckmäßigkeit oder Gerechtigkeit an die Stelle derer der verantwortlichen politischen Staatsorgane setzen. Diese Selbstbeschränkung ist besonders da zu üben, wo auch der Gesetzgeber in der Gestaltung der Rechtsnormen durch den Gleichheitssatz gebunden ist und das Verfassungsgericht berufen ist, die Einhaltung dieser Grenze zu kontrollieren. Die Grenze der Verfassungsgerichtsbarkeit liegt da, wo es an Rechtsnormen fehlt, die einer richterlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden können (justiziabel sind). Die Frage aber, ob und inwieweit das staatliche Handeln verfassungsrechtlich gebunden ist, ist eine Rechtsfrage, auch dann, wenn die Grenzen durch auslegungsbedürftige Wert-begriffe gezogen sind, wie Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat, Freiheit, Gleichheit usw. Indem das Grundgesetz das Bundesverfassungsgericht zur Kontrolle und Auslegung der Verfassung berufen hat, hat es die Ausfüllung dieser Wertbegriffe unter Berücksichtigung der in unserem Volke herrschenden politischen Vorstellungen in die Hand von Richtern gelegt, die zwar den Ermessensbereich der politischen Organe achten sollen, denen aber insoweit die maßgebende Entscheidung zugewiesen ist. Dem Bundesverfassungsgericht steht dabei nicht die Möglichkeit zu Gebote, die dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten eröffnet ist: dieser kann sich unangenehme Angelegenheiten vom Halse halten, indem er erklärt, es handle sich um eine „political question", zu deren Entscheidung er nicht zuständig sei.

IV. Justiz und Politik

Die immer wieder hervorgeholte, gegen die Verfassungsgerichtsbarkeit gerichtete Formel von Carl Schmitt, daß die Politik juridifiziert und die Justiz politisiert werde und daß dabei die Politik nichts zu gewinnen und die Justiz alles zu verlieren habe dürfte denn doch all zu billig sein, als daß sie das überaus komplexe Problem der gerichtlichen Garantie der Verfassung umgreifen könnte, das ich versucht habe, in seinen wesentlichen Zügen darzulegen. Dabei konnte ich in dem gesetzten Rahmen nicht alle Aspekte dieses Problems berühren.

Sicher ist für das Wohl eines Volkes die Ordnung, die vor aller Formung durch eine Verfassung besteht und die hinter ihr lebendig wirkt, wichtiger als die Institution eines Verfassungsgerichtes. Und wir haben etwa in England das Beispiel eines Staates, in dem kraft dieser Ordnung ohne geschriebene Verfassung und ohne Verfassungsgerichtsbarkeit das Zusammenwirken der Verfassungsorgane und die Rechte des einzelnen vielleicht besser gesichert sind als in manchen Staaten mit starren geschriebenen Verfassungen und Gerichten zu ihrem Schutz. Aber uns geht nun einmal die politische Tradition und der common sense des britischen Volkes ab, und wir müssen mit unseren politischen Gegebenheiten rechnen. In diesem Rahmen erscheint es mir als Gewinn der ausgebildeten Verfassungsgerichtsbarkeit, daß das Sicherheitsgefühl des Bürgers, nach Recht und Gesetz behandelt zu werden, gestärkt wird. Weiter kann das Volk auf die Bewahrung der Grundordnung besser vertrauen, wenn sie dem Spruch unabhängiger, objektiv urteilender, dem poitischen Tages-geschehen entrückter Richter anvertraut ist, als wenn sie dem subjektiven Machtspruch des politisch Stärkeren anheimgegeben wird. Verfassungsgerichte können keine Revolution verhindern, und bei echten Staatskrisen sind ihrem Wirken sicher Grenzen gezogen. Aber vielleicht können sie dazu beitragen, Staats-krisen zu verhüten. Jener schleichende, über die wahren Vorgänge täuschende, pseudolegale Übergang von der parlamentarischen Demokratie zur Nazi-Diktatur, den wir 1933 erlebt haben, dürfte sich heute kaum wiederholen können.

Die Verfassungsgerichtsbarkeit eröffnet dem Widerstandsrecht des Bürgers einen legalen Kanal. Sie wirkt weiter als Katalysator der politischen Atmosphäre, indem sie die Parteien eines Verfassungsrechtsstreites zwingt, in der kühlen Luft des gerichtlichen Verfahrens ihren Standpunkt zu präzisieren und rechtlich zu argumentieren. So können sich unter Umständen auch verhärtete Fronten auflockern, und es könnte über diesen Umweg auch eine Verständigung im politischen Bereich angebahnt werden. Das bloße Vorhandensein des Verfassungsgerichtes hat schließlich einen unübersehbaren Erziehungseffekt für den ganzen Bereich des Staatsapparates.

Von der Wirkungsweise einer so umfassenden Verfassungsgerichtsbarkeit im Gesamt-gefüge der Verfassung aus betrachtet, mag es berechtigt sein, vom Bundesverfassungsgericht als einem Machtfaktor zu sprechen was aber die subjektive Seite angeht, so darf ich wohl als ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts erklären, daß die Bundesverfassungsrichter keine machthungrigen Politiker sind, die darauf aus wären, die politischen Entscheidungen der Regierung oder des Parlaments aufzuheben oder zu ändern, um selbst über das Schicksal des deutschen Volkes zu bestimmen. Sie fühlen sich als Diener des Rechts und tragen schwer an der Verantwortung, die sie zwingt, unter Umständen auch in Schicksalsfragen der Nation ihre Antwort darauf zu geben, welches der Weg ist, den die Verfassung vorschreibt. Diese Antwort kann nicht immer den Beifall aller Beteiligten finden. Aber man sollte nicht gleich eine rechtlich wohlbegründete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die mit der eigenen Rechts-auffassung nicht übereinstimmt, als „politisch“ brandmarken. Ich möchte wünschen, daß diese Ausführungen zur Verbreitung der Überzeugung beitragen, daß die Justiz auch im politischen Raum des Verfassungslebens ihren legitimen Platz hat und daß auch eine Institution wie das Bundesverfassungsgericht zum Wohle von Volk und Staat zu wirken vermag, „independent of parties, independent of power, independent of popularity", um einen berühmten Toast auf den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten aus dem Jahre 1801 zu zitieren.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Hinweise auf die Literatur und Nachweise aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerc. i finden sich in dem ausführlichen Bericht, en Verfasser für ein internationales rechtsvergem chendes Colloquium erstattet hat, der un er Titel Die Verfassungsgerichtsbarkeit in er desrepublik Deutschland, Köln 1963, erschien Hingewiesen sei weiter auf die vom Bundesverssungsgericht aus Anlaß seines zehnja rige f hens herausgegebene Schrift Das Bundesye 4s, sungsgericht. Karlsruhe 1964. -Dem Charakte dieser Darstellung entsprechend werden hier nur einige wenige Anmerkungen beigege en.

  2. Es handelte sich um eine in den Bereich des Finanzausgleichs fallende Streitigkeit zwischen Niedersachsen auf der einen Seite und den Ländern Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg auf der anderen Seite wegen Durchführung der Niedersachsen-Klausel in § 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Kriegsfolgelasten im Rechnungsjahr 1949 vom 6. 8. 1949. Der Streit wurde durch den Schiedsspruch eines durch Erlaß des Bundesfinanzministers gebildeten Schiedsgericht vom 29. August 1951 zugunsten Niedersachsens entschieden.

  3. Vgl. dazu Anders, Zum Prüfungsrecht des Bundespräsidenten, in: Die öffentliche Verwaltung, 1963, S. 653, der allerdings die herrschende Lehre vertritt.

  4. Mit der Verfassungsbeschwerde kann also nicht jede Verfassungswidrigkeit gerügt werden, sondern nur die Verletzung eines Grundrechtes des Antragstellers, wozu außer den formellen Grundrechten des 1. Abschnittes des Grund-Gesetzes auch die materiellen Grundrechte gehören, die in den Artikeln 33, 38, 101, 103 und 104 GG verbürgt sind. Da das in Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Grundrecht der Handlungsfreiheit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber immer verletzt ist, wenn ein die Handlungsfreiheit einschränkendes Gesetz irgendeine (auch organisatorische oder Zuständigkeits-) Vorschrift der Verfassung verletzt (Definition der „verfassungsmäßigen Ordnung" in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts — BVerfGE. — Bd. 6 S. 32 ff), ist in diesem Umfang das Rügerecht erweitert worden.

  5. Abgedruckt in der in Anm. 1 erwähnten Schrift Das Bundesverfassungsgericht, S. 23 ff.

  6. Dazu mag die Handhabung unseres politischen Strafrechts beigetragen haben; vgl. Copic, Juristenzeitung 1963, S. 494.

  7. BVerfGE. Bd. 16 S. 130.

  8. Vgl dazu: Der Status des Bundesverfassungsgerichts. Material-Gutachten, Denkschriften und Stellungnahmen mit einer Einleitung von Gerhard Leibholz, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Neue Folge Bd. 6 (1957), S. 109 ff.

  9. Vgl.den Streit um EVG. -und Deutschlandvertrag: BVerfGE. Bd. 1 S. 396; Bd. 2 S. 79 Bd. 2 S. 143.

  10. Vgl. zu diesem Problem die Bonner Dissertation (1964) von Wolfgang Heyde, Das Minderheitsvotum des überstimmten Richters.

  11. Franz Meyers, damals Innenminister des Lan-des Nordrhein-Westfalen, in seinem Vortrag „Uber Politik und Staatsgerichtsbarkeit" (Politische Bil-dung, Heft 29, München 1952), einem der scharts en grundsätzlichen Angriffe gegen die Verfassungs gerichtsbarkeit (vgl. bes. S. 293 ff.). In einem rap-panten Gegensatz dazu steht seine Würdigung Fernseh-Urteils in dem Mainzer Referat von 19012 Die föderalistische Struktur der Bundesrepu i Deutschland, in: Föderalistische Ordnung, rsg-Vo Adolf Süsterhenn, Koblenz 1961, S. 43 . (9 • bes. S. 60 ff.).

  12. Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches, 1934, S. 49.

  13. Deutsche Juristenzeitung 1932 Sp. 1501.

  14. BVerfGE. Bd. 4 S. 168.

  15. z. B. BVerfGE. Bd. 1 S. 149.

  16. BVerfGE. Bd. 3 S. 52.

  17. Die Verfassung als rechtliche Grundordnung des Staates, Zürich 1945, S. 147.

  18. Rudolf Smend, Die politische Gewalt im Verfassungsstaat und das Problem der Staatsform, 1923, wiederabgedruckt in: Staatsrechtliche Abhandlungen, 1955, S. 68 ff. (S. 79).

  19. Verhandlungen des vierunddreißigsten Deutschen Juristentags zu Köln 1926, Zweiter Band (Stenographischer Bericht), Berlin 1927, S. 19 (Referate von Anschütz und Mende), S. 288 (e Schluß).

  20. Die Entstehungsgeschichte der Artikel 93 und 94 GG ist im Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Neue Folge Bd. 1, 1951, S. 669 ff. ver zeichnet. Vgl. weiter den Schriftlichen Beric t zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen des Pari. Rates Nr. 850, 854) S. 44 ff. (Bericht des Abg. Dr. Zinn).

  21. Vgl. dazu: Verfassungsgerichtsbarkeit inder Gegenwart. Internationales Kolloquium im,. Max Planck-Institut für ausländ. -öfftl. Recht und Völke 'recht, Heidelberg 1961 (Beiträge zum ausländ: öfftl. Recht und Völkerrecht, Bd. 36, Köln 1 1962) mit 17 Länderberichten, Vergleichenden Sachberichten und dem Protokoll der Diskussion.

  22. Vgl. dazu die Erklärung, die der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes bei der Verkündung des Urteils im KPD-Prozeß am 17. 8. 1956 abgegeben hat (KPD-Prozeß, Dokumentarwerk, Bd. 3, Karlsruhe 1956, S. 583), in der es u. a. heißt: „Das Verfassungsgericht kann ein Verfahren nicht von sich aus einleiten. Es bedarf dazu immer des Begehrens eines Antragstellers. Den Antrag, eine Partei zu verbieten, kann die Bundesregierung stellen. Es steht in ihrem politischen Ermessen und unter ihrer ausschließlichen politischen Verantwortung, ob sie den Antrag stellen will und soll. Ist der Antrag gestellt, dann ist das Gericht verpflichtet, darüber zu entscheiden. Das Gericht hat seine Entscheidung nach rein rechtlichen Gesichtspunkten zu treffen; daher sind ihm politische Zweckmäßigkeitserwägungen versagt. “

  23. Im Geleitwort zu Bd. IV der Entscheidungssammlung von Lammers und Simons, Die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich, Berlin 1932, S. VII.

  24. Abgedruckt in der Anm. 1 erwähnten Schrift: Das Bundesverfassungsgericht, S. 1 ff. (S. 3/4).

  25. Vgl. Jahrbuch des öfftl. Rechts, Neue Folge Bd. 6 (1957) S. 200. In dem dort S. 109 ff. mit einer Einleitung von Gerhard Leibholz veröffentlichten Material zum Status des Bundesverfassungsgerichts wird die Problematik der richterlichen Entscheidung politischer Rechtsstreitigkeiten an verschiedenen Stellen grundsätzlich erörtert.

  26. Carl Schmitt unter Bezugnahme auf Guizot in: Das Reichsgericht als Hüter der Verfassung (Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtslebend 1 1929 S 176 ff., wiederabgedruckt in Verias sungsrechtliche Aufsätze, 1958, s. 97ff. undin: Der Hüter der Verfassung, Archiv des öffertlichen Rechts, Neue Folge Bd. 16, 1929, .. 161 S. 173, 185 (erweitert als Buch erschien ) •

  27. Vgl. dazu Otto Bachof, Grundgesetz und Richtermacht, Tübingen 1959.

Weitere Inhalte

Ernst Friesenhahn, Dr. jur., Dr. jur. h. c., Professor für Staats-und Verwaltungsrecht an der Universität Bonn, Bundesverfassungsrichter a. D., geb. 26. Dezember 1901 in Oberhausen. Veröffentlichungen u. a.: Die Staatsgerichtsbarkeit, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. II, Tübingen 1932; Parlament und Regierung im modernen Staat, in: Veröffentlichungen des Vereins deutscher Staatsrechtslehrer, Berlin 1958; Artikel Menschenrechte, Menschenrechtsdeklaration und Menschenrechtskonvention, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. II, Berlin 1961; Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1963.