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Gefährdungen des Prinzips der Gewaltenteilung in der Bundesrepublik Deutschland | APuZ 50/1974 | bpb.de

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APuZ 50/1974 Gefährdungen des Prinzips der Gewaltenteilung in der Bundesrepublik Deutschland Föderalistische Bildungspolitik in Europa

Gefährdungen des Prinzips der Gewaltenteilung in der Bundesrepublik Deutschland

Hans H. Klein

/ 42 Minuten zu lesen

I. Entstehung und Sinn der Gewaltenteilung

Abbildung 1

Die Lehre von der Gewaltenteilung ist entstanden als Reaktion auf die absolute Monarchie, die ihrerseits die ständische Ordnung des Mittelalters und der frühen Neuzeit abgelöst hatte. Bei John Locke wie bei Charles de Montesquieu lag ihr die Erkenntnis zugrunde, daß bei Vereinigung aller in der Gesellschaft vorhandenen Macht in einer Hand die Freiheit des einzelnen auf der Strecke bleiben muß. Als Anknüpfungspunkt für die als notwendig erkannte Aufteilung dieser Macht wählte insbesondere Montesquieu im 6. Kapitel des 11. Buches seines berühmten Werkes De l'Esprit des Lois die schon aus dem Altertum überkommene Unterscheidung der Staatsfunktionen in die gesetzgebende, die vollziehende und die richterliche Gewalt. Allerdings ließ es Montesquieu bei der bloßen Verteilung dieser Funktionen auf verschiedene beliebig organisierte staatliche Funktionsträger nicht bewenden. Ihm kam es ebensosehr darauf an, — erstens die einzelnen Funktionsträger in einer ihrer Funktion adäquaten Weise zu organisieren; — zweitens sie nicht beziehungslos nebeneinander zu stellen, sondern ihr Zusammenwirken sinnvoll zu ordnen, und — drittens schließlich die in der Gesellschaft vorhandenen realen Mächte an der Ausübung der Staatsgewalt zu beteiligen und sie damit, um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen, in den Staat zu integrieren. Nicht nur die Zerteilung, sondern auch die Zusammenordnung und Balancierung der Gewalten war sein Ziel.

Wie Montesquieu dieses Ziel unter den Bedingungen seiner Zeit erreichen zu können glaubte, brauche ich hier im einzelnen nicht darzustellen. Das von ihm erdachte System fand in der zumal für die deutsche Verfassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts charakteristischen Staatsform der konstitutionellen Monarchie seinen treffendsten Ausdruck

Der Verfassungskompromiß zwischen monarchischem Prinzip und Volkssouveränität setzte die beiden maßgeblichen politischen Kräfte der Zeit, Monarchie und Bürgertum, ins Gleichgewicht. Unter Verzicht auf die vollständige Verwirklichung seines demokratischen Anspruchs begnügte sich das Bürgertum mit der Beteiligung an der Gesetzgebung einschließlich des Budgetrechts, die sicherstellte, daß obrigkeitliche Eingriffe in seine Freiheit und sein Eigentum nicht ohne seine eigene in genereller Form erteilte Zustimmung vorgenommen werden konnte. Dem Monarchen blieb die an das Gesetz gebundene vollziehende Gewalt belassen. Die richterliche Gewalt war ohne einen speziellen Träger, sie war in der Auseinandersetzung der politischen Mächte neutral

Mit dem Sturz der Monarchie im Jahre 1918 wurde auch das den Konstitutionalismus prägende dualistische Verfassungselement beseitigt. Nunmehr ging alle Staatsgewalt vom Volke aus, und an die Stelle des in einer doppelten Verantwortlichkeit gegenüber Fürst und Parlament stehenden Kabinetts trat die vom Vertrauen der Repräsentation des Volkes abhängige Regierung, in der Weimarer Republik indessen neben dem mit unmittelbarer demokratischer Legitimation und beträchtlicher eigener Machtfülle versehenen Reichs-präsidenten. Das Volk war der Herr von Legislative und Exekutive, deren Unterscheidung nicht mehr zugleich die dominierenden sozialen Machtfaktoren trennte, mit je eigenen Zuständigkeiten ausstattete und in der Verwirklichung ihres politischen Willens aufeinander verwies, sondern nurmehr als ein die Staatstätigkeit rationalisierendes Organisationsprinzip fortbestand.

Die weitgehende Aufhebung der Trennung von Legislative und Exekutive war freilich nicht die einzige Veränderung, die die Lage von der Ausgangssituation des beginnenden 19. Jahrhunderts unterschied. An die Stelle der durch den modernen Staat ihrer Herrschaftsbefugnisse und Privilegien beraubten Stände hatten sich im Zuge der Entstehung der industriellen Gesellschaft neue Mächte geschoben, welche die Unmittelbarkeit der Beziehung zwischen Staat und Untertan durchbrachen. Im Grenzbereich zwischen Staat und Gesellschaft hatten sich die politischen Parteien gebildet, die in der parlamentarischen Demokratie alsbald das Monopol der staatlichen Willensbildung für sich in Anspruch nahmen. Im Raum der Gesellschaft selbst waren zahlreiche Organisationen entstanden, die die Vertretung der daselbst virulenten Interessen übernahmen und alsbald sowohl in dieser Patronagefunktion als auch als Vermittler von für die individuelle Lebensführung und Daseinsbehauptung wesentlichen Informationen an die von ihnen Vertretenen unentbehrlich wurden. Einige von ihnen wuchsen mit der Zeit in die Rolle realer politischer Machtfaktoren, deren Einfluß auf die staatlichen Entscheidungen zwar von anderer Art, . weil minder direkt, jedoch nicht geringer war als der der politischen Parteien. Das Verfassungsrecht der demokratischen Republik tat nichts, diese Mächte, unter denen auch die Kirchen nicht vergessen werden dürfen, in das System einer die Staatsorganisation übergreifenden Gewaltenteilung einzubeziehen.

Ein weiteres Element des Wandels war die inhaltliche Veränderung der Staatsfunktionen. In dem berühmten Abschnitt des Esprit des Lois über die Gewaltenteilung heißt es: „Vermöge der ersten (gesetzgebenden) Gewalt gibt der Fürst oder Magistrat Gesetze auf Zeit oder für immer, verbessert er die bestehenden oder hebt sie auf. Vermöge der zweiten (vollziehenden) Gewalt schließt er Frieden oder führt er Krieg, schickt oder empfängt er Gesandtschaften, befestigt die Sicherheit, kommt Invasionen zuvor. Vermöge der dritten (richterlichen) Gewalt straft er Verbrechen oder spricht das Urteil in Streitigkeiten der Privatpersonen." Es erhellt ohne weiteres, wie einschneidend die seither eingetretenen Entwicklungen den Charakter von Legislative, Exekutive und Justiz verändert haben. Was die Rechtsetzung angeht, so deutet die jahrelange Diskussion um den Gesetzesbegriff den Vorgang an. Der Gesetzgeber begnügt sich längst nicht mehr mit der Setzung dauerhafter Ordnungen im Sinne von Spielregeln mitmenschlichen Umgangs. Die dem Staat zugefallene Verantwortung für Daseinsvorsorge, wirtschaftliches Wachstum, kulturellen Fortschritt und Chancengleichheit, ebenso aber auch seine ursprüngliche Aufgabe, den einzelnen vor der Unterdrückung durch seinesgleichen zu schützen, zwingen ihn zu einer Fülle dem Leben der Menschen maß-gebender, ihre Entscheidungen steuernder, für ihre Mißgeschikke vorsorgender Regelungen, die nur zum geringen Teil für längere Dauer bestimmt sind, meist als kurzfristige Reaktion auf ein aktuelles Geschehen erlassen, geändert und wieder aufgehoben werden müssen.

Daß der Staat Sozialstaat, also zum Träger und Gestalter der Sozialordnung geworden ist, statt sie, wie in der Regel noch im 19. Jahrhundert, als eine vorausgesetzte Gegebenheit zu betrachten, die sich selbst überlassen blieb, hat naturgemäß auch die vollziehende Gewalt in ihrem Wesen grundlegend verändert Die Funktionen, die von Montesquieu als ihr alleiniger Wirkungskreis beschrieben wurden, auswärtige und militärische Gewalt, sind durch andere nicht weniger bedeutsame ergänzt worden, unter denen die Vollziehung der zahllosen Gesetze und die — vielfach nicht auf gesetzlicher oder doch nur auf haushaltsgesetzlicher Ermächtigungsgrundlage beruhende — Vorsorge für die soziale Infrastruktur im weitesten Sinne des Wortes (Verkehrswege, Bildungseinrichtungen, Einrichtungen der Gesundheits-, Alters-und Sozialfürsorge) obenanstehen, aber auch die gesetzesfreien Agenden der Wirtschaftsund Subventionspolitik nicht übersehen werden dürfen. Gesetzgebende und vollziehende Gewalt sind nicht mehr nach ihren Trägern, auch nicht mehr nach ihren Gegenständen und nur noch begrenzt nach ihren Handlungsformen voneinander unterscheidbar.

Von dem erwähnten Funktionswandel ist aber auch und insbesondere die richterliche Gewalt betroffen worden. Für Montesquieu war sie bekanntlich „en quelque faon invisible et nulle', was nicht nur ein Ausdruck der Verlegenheit dafür gewesen ist, daß es für diese Gewalt einen eigenen Prätendenten nicht gab — wie den Monarchen und die Stände (Adel und Volk = Bürgertum) für die vollziehende und gesetzgebende Gewalt —, sondern auch dafür, daß die gestaltende Kraft des Ausspruchs einer gesetzlich vorgeschriebenen Strafe für eine in einem gesetzlichen Tatbestand umschriebene Tat und einer im Privat-recht vorgesehenen Rechtsfolge bei Vorliegen ebenfalls gesetzlich fixierter Voraussetzungen gering und daher politisch ohne Interesse war. Dem war ganz anders, nachdem die Justiz mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit (einschließlich der Finanz-und Sozialgerichtsbarkeit) die Kontrolle der Exekutive und mit der Verfassungsgerichtsbarkeit endlich auch die der Legislative übernommen hatte und nachdem deutlich geworden war, daß die Vielfalt des Lebens ungleich produktiver ist als die Phantasie des Gesetzgebers, so daß die Rolle des Richters sich mitnichten darauf beschränkt, die Worte des Gesetzes zu wiederholen obwohl seine Bindung an, ja seine Unterworfenheit unter Gesetz und Recht bestehenbleiben. In dem Maße, in dem die richterliche Gewalt an politischer Bedeutung gewinnt, muß auch das Interesse der sozialen Mächte an ihr wachsen, wofür die Arbeitsgerichtsbarkeit ein nicht eben nachahmenswertes Beispiel ist.

Ehe ich nun dazu übergehe, Elemente wirksamer Gewaltenteilung in der Ordnung des geltenden Verfassungsrechts darzustellen, seien ihre Zwecke noch einmal zusammenfassend angeführt. Gewaltentrennung dient der Aufteilung von Macht auf verschiedene Träger, ihrer Balancierung zu einem Gleichgewicht, aus dem eine dem ganzen Gemeinwesen förderliche Zusammenarbeit, insonderheit die allgemeine Beachtung des Rechts, erwächst das dem einzelnen und seinen Vereinigungen einen Raum von Freiheit, d. h. eigener Daseinsverantwortung beläßt, sie zugleich aber auch zur Aktivität für die Gemeinschaft stimuliert. Mit Recht hat W. Steffan! die Gewaltenteilung als ein »Grundprinzip politischer Herrschaftsgestaltung“ bezeichnet, das sowohl im Dienste von »Kompetenzaufgliederung und Machtkontrolle'als auch von . Gemeinschaftsaktivierung zur Ganzheit hin" steht. Wie jedes Kompetenzverteilungssystem bewirkt auch Gewaltenteilung Verantwortungsklarheit und Transparenz gegebener Machtstrukturen, welche wiederum Vertrauen in die Korrektheit der Machtausübung zu erzeugen vermögen

II. Elemente der Gewaltenteilung in der freiheitlichen demokratischen Ordnung des Grundgesetzes

1. Die bleibende Bedeutung der klassischen Funktionentrennung Das Bundesverfassungsgericht und mit ihm die herrschende Meinung im staatsrechtlichen Schrifttum entnehmen Art. 20 GG, namentlich dessen zweitem Absatz, die Entscheidung des Verfassunggebers für das Ge-waltenteilungsprinzip als grundlegendes Prinzip der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und als tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes. Allerdings wird stets hervorgehoben, daß das Prinzip im Grundgesetz sowenig wie in anderen Verfassungsordnungen streng durchgeführt sei. Das Grundgesetz enthalte vielmehr zahlreiche Gewaltenverschränkungen und -balancierungen. Ihm entspreche nicht eine absolute Trennung der Gewalten, sondern ihre gegenseitige Kontrolle und Mäßigung. Die Bedeutung des Prinzips 8 liege im Ineinandergreifen der drei Gewalten, der politischen Machtverteilung und der daraus resultierenden Mäßigung der Staatsherrschaft und in dem Schutz der Freiheit des einzelnen. Das Bundesverfassungsgericht hat daraus den Grundsatz abgeleitet, daß keine Gewalt ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über die andere Gewalt erhalten und der für die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden darf.

Die These, daß der Grundsatz der Gewaltenteilung ein tragendes Organisationsprinzip des geltenden Verfassungsrechts sei, ist nicht selten kritisiert worden Sehr zu Recht hat man darauf hingewiesen, daß Exekutive und Legislative weder nach ihren Funktionen noch nach den in ihnen verkörperten politischen Mächten noch realiter unterscheidbar sind Dennoch behält die Unterscheidung von Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung und deren Zuweisung an je besondere staatliche Organe grundlegende Bedeutung im Sinne der oben angegebenen Zwecke der Gewaltenteilung, wenngleich nicht weniger wichtige Aspekte mit dem gleichen Effekt hinzutreten und den Grundsatz der Gewaltenteilung über den Rang eines bloß dem Bereich der Staatsorganisation zugehörigen Prinzips weit hinausheben.

Von bleibendem Gewicht ist namentlich die Tatsache, daß wer immer seinen politischen Willen in staatliches Wollen und Handeln transformieren, insbesondere allgemeinverbindlich machen möchte, sich der dafür verfassungsrechtlich vorgegebenen Formen und Verfahren zu bedienen hat Daß dies in aller Regel nicht reibungslos geschieht, daß vielmehr ein politischer Wille, ehe er in die Verbindlichkeit eines staatlichen Hoheitsaktes erwächst, zahlreiche Filter, nicht zuletzt denjenigen der öffentlichen Kritik, durchlaufen muß, stellt eine gar nicht abzuschätzende Gewähr individueller Freiheit dar. Wesentliche Bedeutung behält neben dieser medialen Funktion die Gewaltentrennung als Instrument der Kontrolle und Balancierung, aber auch als Mittel zur Herstellung von Verantwortungsklarheit. Hier ist vor allem an die richterliche Rechtskontrolle von Legislative und Exekutive durch Verfassungs-und Verwaltungsgerichtsbarkeit zu denken, denen maßgeblich die Gewähr der Richtigkeit im Sinne der Rechtmäßigkeit staatlichen Organ-handelns obliegt. Das große Gewicht der „ 3. Gewalt" im politischen Kräftespiel, auch als des einzigen Orts nicht nur intakter, sondern noch gewachsener staatlicher Autorität, bedarf an dieser Stelle keiner besonderen Erläuterung. Es sei nur vermerkt, daß diese Autorität ebenso aus der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der Richter wie aus ihrer Bindung an das Gesetz erwächst und daß ein diese Bindung abstreifendes, eigene politische Konzeptionen verfolgendes Richtertum ihrer schnell verlustig ginge Gleiches droht freilich auch dann, wenn die Flucht des Gesetzgebers aus der Verantwortung dem Richter Entscheidungen zuschiebt, die über die Anwendung des geltenden Rechts vermittels der „hergebrachte(n), in der juristischen Ausbildung vermittelte(n) Gedankenoperationen" hinausgehen Sodann tritt die Rechnungskontrolle ins Blickfeld, vom Verfassungsrecht mit den gleichen Garantien richterlicher Unabhängigkeit ausgestattet, aber ohne die Befugnis, an den eigenen Spruch rechtsverbindliche Konsequenzen zu knüpfen. Elemente der Kontrolle finden sich naturgemäß auch im Verhältnis von Parlament und Regierung einschließlich der ihr unterstellten Verwaltung. Es „ist allseits erkannt und anerkannt, daß der konstitutionelle Dualismus zwischen Parlament und Exekutive durch den Wandel der Verfassungsstruktur in den demokratischen Dualismus zwischen regierender Mehrheit und Opposition umgeformt worden ist" Dieser also obliegen in erster Li-nie die parlamentarischen Kontrollaufgaben, und wenn es ihr auch in aller Regel nicht gelingen wird, ihr sei es auch begründetes Mißfallen am Verhalten der Regierung zum parlamentarischen Beschluß zu erheben, so ist es doch ihre Sache, dieses Verhalten unablässig iur öffentlichen Diskussion zu stellen und damit die Verantwortlichkeit der Regierung und der sie tragenden parlamentarischen Mehrheit zu manifestieren. Daraus aber folgt, daß die volle Aufrechterhaltung der Kontrollrechte des Parlaments, oder umgekehrt: der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Exekutive, speziell der Regierung, eine notwendige Bedingung für das Funktionieren der Opposition ist, deren Rechte im übrigen weiterer Stärkung fähig und bedürftig sind 18). Es kommt schließlich aber hinzu, daß es das Kind mit dem Bade ausschütten hieße, wollte man das Vorhandensein einer Spannungslage zwischen dem Parlament in seiner Gesamtheit einerseits und der Regierung andererseits gänzlich leugnen — die Erfahrungen in der großen Koalition, während der die Regierung über eine überwältigende Mehrheit im Bundestag verfügte, lehren nach den übereinstimmenden Berichten der Beteiligten, daß (cum grano salis die Stärke einer Regierung umgekehrt proportional ist der Breite ihrer parlamentarischen Basis — und aus solcher Verkennung der Realität gar die Verzichtbarkeit parlamentarischer Kontrollrechte und -möglichkeiten folgern. — Nur am Rande kann ich darauf hinweisen, daß gewisse Elemente gewaltenteiliger Kontrolle sich auch in der umgekehrten Richtung, von der Exekutive zur Legislative hin, finden. 2. Das bundesstaatliche Element Die gewaltenteilende Funktion des bundesstaatlichen Elements unserer Verfassungsordnung ist oft hervorgehoben worden Ich kann deshalb auf ihre nähere Darlegung verzichten und beschränke mich auf die Erörterung eines in diesen Zusammenhang gehörenden Sonderproblems, das die öffentliche Diskussion zur Zeit laufend beschäftigt. Ich meine die Rolle des Bundesrates Die Wahlen zum 6. Deutschen Bundestag und die darauf folgende Bildung der Koalition aus SPD und FDP haben dazu geführt, daß die im Bundestag in die Opposition verwiesene CDU/CSU im Bundesrat über die — wenn auch knappe — Mehrheit der Stimmen verfügt. Der Bundesrat hat sich seither — wie übrigens auch vor 1969 und ebenso wie seine Vorgänger, der Reichsrat der Weimarer Zeit und der Bundesrat unter der Reichsverfassung von 1871 — in Wahrnehmung seiner Kompetenzen nicht darauf beschränkt, spezifische Länderinteressen geltend zu machen oder die Verwaltungserfahrung der Länderbürokratien für die Bundesgesetzgebung fruchtbar zu machen. Seine Mehrheit wie auch seine Minderheit haben vielmehr ihr Abstimmungsverhalten — zumal in Angelegenheiten, die weder spezifische Länderinteressen berührten und deren Entscheidung auch keine besondere Verwaltungserfahrung erforderte — stets auch politisch, und das kann im demokratischen Parteienstaat nur heißen: parteipolitisch, motiviert. Der Mehrheit hat man das gelegentlich verübelt und ihr einen Mißbrauch des Bundesrates vorgeworfen. Zu Unrechtl Der Bundesrat ist der Ort der Ausübung der mitgliedschaftllchen Rechte der Länder im Bund. Die umfassenden Zuständigkeiten des Bundesrates — im Gesetzgebungsverfahren, bei der Bestellung der Richter des Bundesverfassungsgerichts, bei der Feststellung des Verteidigungsfalles, als Legalitätsreserve im Gesetzgebungsnotstand, im Bereich der Verwaltung des Bundes und der Regierungskontrolle — zeigen, daß der Bundesrat nicht als eine bloße Clearingstelle der Interessen von Bund und Gliedstaaten betrachtet werden kann, sondern umfassenden Anteil hat an der Verantwortung für die Gesamtpolitik des Bundes. Der Verfassunggeber wußte, daß in Bund und Ländern, wennschon u. U. in unterschiedlichen Kombinationen, die gleichen politischen Kräfte wirksam sein würden. Es hieße seinen Realitätssinn unterschätzen, wollte man ihm die Erwartung unterstellen, die Parteien würden, wo sie Machtpositionen in den Ländern erringen, ihre bundespolitischen Ambitionen vergessen oder jene nicht zur Förderung dieser zu nutzen versuchen, und behaupten, er habe eine so wirklichkeitsfremde Erwartung zur Verfassungsnorm erheben wollen. Nur politischer Eifer, nicht nüchterne juristische Erwägung kann zu einem solchen Fehlschluß verleiten. Dagegen verfängt auch nicht der Einwand, die demokratische Legitimation des Bundesrates sei mangelhaft, weil in ihm Vertreter der Exekutive säßen, die als solche nicht direkt vom Volke gewählt seien. Denn nicht die demokratische Legitimation der Mitglieder des Bundesrates ist die Frage, auf die es ankommt, sondern die Tatsache, daß nach dem Willen des Grundgesetzes — zum Zwecke einer Beschränkung der Macht des Bundestages bzw.seiner Mehrheit! — ohne gegenständliche oder inhaltliche Einschränkungen das Ergebnis des staatlichen Willensbildungsprozesses in den Ländern in die Bundespolitik einzubringen ist. Daß dieser gewollte Beschränkungseffekt im Falle einer politisch konträren Mehrheitsbildung in Bundestag und Bundesrat verstärkt wirksam wird, liegt in der Natur der Sache und ohne jede Einschränkung im Rahmen des geltenden Verfassungsrechts

Ergänzend sei in diesem Zusammenhang bemerkt, daß sich auch die Verlagerung von Zuständigkeiten auf supranationale Einrichtungen (Art. 24 GG) und die kommunale wie andere Formen der Selbstverw GG) und die kommunale wie andere Formen der Selbstverwaltung 23) unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung betrachten lassen, wobei allerdings, wie sich zeigen wird, die Betrachtung eine überaus kritische zu sein hat. 3. Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft Ich habe schon darauf hingewiesen, daß der Grundsatz der Gewaltenteilung zu eng verstanden würde, erblickte man in ihm lediglich ein Prinzip für die Organisation staatlicher Einrichtungen. Er wird in seiner verfassungsrechtlichen Reichweite vielmehr nur zutreffend erfaßt, wenn man ebenso auch die grundgesetzliche Ordnung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft und der Struktur der Gesellschaft selbst in die Betrachtung einbezieht. Wenden wir uns zunächst dem ersten dieser beiden Aspekte zu.

In jüngster Zeit hat namentlich Ernst-Wolfgang Böckenförde 24) die gängige These einer Identität von Staat und Gesellschaft in zwei grundlegenden Abhandlungen glänzend widerlegt und ihren totalitären Charakter enthüllt Am Rande mag es gestattet sein, Erstaunen und Bestürzung darüber zum Ausdruck zu bringen, daß es heute solcher Widerlegung und Enthüllung angesichts der Tatsache bedarf, daß die Überwindung der Trennung von Staat und Gesellschaft sowohl vom Nationalsozialismus wie vom Kommunismus als wesentliche Bausteine in ihrer Verfassungstheorie verstanden wurden und werden. Nun ist im sozialen und demokratischen Rechtsstaat das Verhältnis von Staat und Gesellschaft allerdings nicht als das eines beziehungslosen Nebeneinander, sondern als ein solches der Wechselbezüglichkeit, der funktionalen Unterschiedenheit bei selbstverständlicher Identität des personellen Substrats zu bestimmen. Von einer Monopolisierung des Politischen im staatlich-institutionellen Bereich kann sowenig die Rede sein wie von einem Fortbestand der im „Nachtwächterstaat“ des 19. Jahrhunderts weithin vorhandenen Autonomie der Gesellschaft gegenüber dem Staat.

Der organisatorischen Verselbständigung des Staates gegenüber der Gesellschaft entspricht seine funktionale Bezogenheit auf sie Der Staat ist nicht mehr nur für die physische Sicherheit der Bürger, sondern auch für den Wohlstand, die soziale Geborgenheit, den Fortschritt der Gesellschaft verantwortlich; die Verfassung verpflichtet ihn zu aktiver Gesellschafts-und Wirtschaftspolitik, einschließlich einer langfristigen Aufgabenplanung, die nicht nur auf die soziale Sicherheit des einzelnen, sondern ebenso auch auf die für alle notwendigen Voraussetzungen eines guten Zusammenlebens (technische, kulturelle und soziale Infrastruktur; Umwelt) Bedacht nimmt Eben weil die industrielle Gesellschaft kein Selbstregulierungssystem ist, das man bei Vermeidung extremer sozialer Ungerechtigkeit sich selbst überlassen könnte, bedarf sie des Staates als einer übergeordneten, „von außen“ auf sie einwirkenden Instanz. Umgekehrt ist der Staat, zumal der demokratische Staat, als „organisierte Wirkeinheit" nur kraft bürgerschaftlicher, notwen-dig zum Teil bis zu beruflicher Hingabe gesteigerter Aktivität „aus der Gesellschaft heraus" und ihrer zusammenfassenden Organisation in ständigen Institutionen existent

Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im dargelegten Sinn verwirklicht die elementaren Zwecke der Gewaltenteilung — Aufteilung der Macht zum Zwecke ihrer Kontrolle im Dienste individueller Freiheit — geradezu exemplarisch

— Zunächst durch die Konzentration verbindlicher Entscheidungsmacht beim Staat und seinen Organen. Die Verantwortung für das Maß der um des friedlichen Zusammenlebens aller willen notwendigen Freiheitsbeschränkung wird lokalisierbar, damit auch greifbar und Sanktionen zugänglich.

— Die organisatorische Verselbständigung des Staates zwingt die gesellschaftlichen Mächte, sich dieses Apparates zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele zu bedienen. Soziale Macht wird mediatisiert. Darauf ist schon früher hingewiesen worden.

— Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft ermöglicht ferner die Aufteilung der in einem Gemeinwesen anfallenden Funktionen auf verschiedene Träger und damit eine Einschränkung staatlicher Entscheidungsmacht, die den einzelnen vor der umfassenden Einbeziehung in den politischen Herrschaftsprozeß wirksam schützt Dies ist die wesentliche Funktion der Grundrechte im demokratischen Staat: Neben der politischen Freiheit zur Mitwirkung an der staatlichen Willensbildung auch die bürgerliche Freiheit subjektiven Entscheidungsbeliebens zu gewährleisten, wie ich es an anderer Stelle ausgedrückt habe: dem „Reich der Sonderinteressen" im Sinne Hegels und Lorenz von Steins die grundsätzliche Möglichkeit autonomer Entwicklung zu verschaffen. Daraus ergibt sich freilich zweierlei: Zum einen, daß das demokratische Prinzip in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes nicht ungehemmt zum Durchbruch gekommen ist. Zum anderen, daß Staat und Gesellschaft im demokratischen Rechtsstaat auf verschiedenen Rechtsprinzipien beruhen — mit Isensee zu reden: „Das Rechtsprinzip des demokratischen Staates bildet die Gleichheit, das Rechtsprinzip der Gesellschaft die Freiheit. Die Folge der rechtlichen Freiheit in der sozialen Wirklichkeit ist aber die faktische Ungleichheit, die damit die soziologische Struktur der Gesellschaft in dem Maße prägt, wie die Freiheit die juristische bestimmt" — oder mit Goethe „Gesetzgeber oder Revolutionärs, die Gleichsein und Freiheit zugleich versprechen, sind Phantasten oder Scharlatans.“

Schließlich kann der Staat aber auch allein durch seine (relative) Verselbständigung gegenüber der Gesellschaft zu derjenigen Instanz werden, die, weil sie über der Gesellschaft steht, verbindlich in ihre Abläufe eingreift und — bei prinzipieller Wahrung ihrer Freiheit — für ein Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit Sorge trägt. 4. Die pluralistische Struktur der Gesellschaft Mit der funktionalen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft in engem Zusammenhang steht die puralistische Struktur der letztgenannten. Pluralismus ist dabei nicht nur als „jener Zustand einer Gesellschaft ... (zu verstehen), in dem der Mensch ... in Gruppen auftritt und diese Gruppen im ganzen ...der-Gesellschaft die eigentlich relevanten Größen darstellen" Mit Recht hat vielmehr Zacher auf die Gefahr einer Mediatisierung des einzelnen durch eine einseitige Betonung des Gruppenpluralismus aufmerksam gemacht und deshalb den Pluralismus als ein „System des Geltenlassens und der Selbstverwirklichung möglichst vieler" definiert. Das darf den Blick dafür nicht verstellen, daß der Staat der industriellen Gesellschaft nicht im Sinne des klassischen Liberalismus „mit einer unüberschaubaren Vielzahl von autonomen, in robinsonartiger Vereinzelung lebenden Individuen" konfrontiert ist. Aber so sicher es ist, daß der einzelne zu seiner Selbstverwirklichung heute in mannigfacher Hinsicht des Zusammenschlusses mit anderen bedarf, der Vereine und Verbände, und so gewiß diesen mithin — neben anderem — eine gerade auch im Interesse der individuellen Freiheit gelegene Aufgabe zufällt, die diese „intermediären Gewalten" zu unentbehrlichen Erscheinungen unseres sozialen Lebens macht, so notwendig ist es doch auch um der gleichen Freiheit aller willen, daß die gruppenpiuralistische Ordnung sich nicht zu einer ständischen zurückbildet, in welcher die staatsbürgerliche Gesellschaft und die sie auszeichnende unmittelbare Staat-Bürger-Beziehung nicht mehr bestünde. In diesem Sinn hat Emst Fraenkel in seinem bedeutenden Vortrag vor dem 45. Deutschen Juristentag den Pluralismus als essentielles Merkmal einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie geschildert; er ist das freiheitliche Element des Gemeinwesens, „das den Unterschied zu allen totalitären Staatsformen schafft"

Zum Wesen der pluralistischen Ordnung gehört es damit aber auch, daß eine möglichst große Zahl voneinander unabhängiger gesellschaftlicher Organisationen zur Verfügung steht, die untereinander in Wettbewerb nicht nur um den Einfluß auf der staatlichen Ebene, sondern auch um die Vertretung der Interessen der einzelnen stehen. Nur l Deutschen Juristentag den Pluralismus als essentielles Merkmal einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie geschildert; er ist das freiheitliche Element des Gemeinwesens, „das den Unterschied zu allen totalitären Staatsformen schafft" 38).

Zum Wesen der pluralistischen Ordnung gehört es damit aber auch, daß eine möglichst große Zahl voneinander unabhängiger gesellschaftlicher Organisationen zur Verfügung steht, die untereinander in Wettbewerb nicht nur um den Einfluß auf der staatlichen Ebene, sondern auch um die Vertretung der Interessen der einzelnen stehen. Nur letzterenfalls besteht die Möglichkeit eines Wechsels des Patrons, die die zwangsläufige Abhängigkeit des einzelnen von seinem Verband mildert. Die Zahl der miteinander konkurrierenden Gruppen darf nicht geschlossen, muß also dem Wechsel unterworfen sein 39). Das verleiht dem „Balancesystem des Pluralismus der oligarchischen Machtträger" 40) seinen so überaus labilen Charakter. Gleichwohl ist ihr Gleichgewicht „der handfeste, der eigentliche reale Grund der Freiheit in unserer Zeit“ 41).

„Der Pluralismus", schreibt Ernst Fraenkel42), „beruht auf der Vorstellung, daß die Entscheidung über die Grundfrage einer jeden Politik, was jeweils als das bonum commune anzusehen sei, in einer Demokratie nur autonom und in dem notwendigerweise heterogenen Staat einer zugleich freien und differenzierten Gesellschaft lediglich unter aktiver Mitwirkung der autonomen Gruppen zustande kommen kann.“ Die Konkurrenz mehrerer, mindestens zweier politischer Parteien, die Freiheit der Parteigründung und die Gleichheit ihrer Chancen; die Freiheit der Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften; die Vereinigungs-und Koalitionsfreiheit, namentlich die in ihr enthaltene Garantie der Gleich-gewichtigkeit der Tarifpartner; die Freiheit der Meinung 43), der Presse, des Rundfunks und des Films und schließlich die Tatsache daß sowohl die Individuen wie ihre Organisationen Träger dieser Freiheiten sind, sind die Konsequenz dieser Einsicht, ihre grundgesetzliche Gewährleistung zugleich der Beweis daß die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland den Pluralismus in der geschilderten Form voraussetzt.

Helmut Schelskyhat 44) den gewaltenteilenden Effekt der pluralistischen Ordnung am Beispiel des — in mehrerlei Hinsicht allerdings besonders heiklen — Verhältnisses von Staat und Wirtschaft jüngst noch einmal besonders deutlich gemacht. Ihre Trennung, d. h. im wesentlichen „die eigentumsbedingte Dezentralisierung ökonomischer Entscheidungen“ 45) und die Überlassung der Entscheidung über die Verteilung von Lohn und Gewinn bzw. zwischen Verbrauch und Investition an die Gesellschaft in Gestalt der Sozial-partner, hindere die Vereinigung der ökonomischen mit der politischen Macht, die das Fortbestehen des Verfassungsstaates in Frage stellen könnte. Die pluralistische Ordnung aber biete Gewähr für das Entstehen und Bestehen der unterschiedlichsten, ihren jeweiligen Aufgaben entsprechend organisierter, deren „Sachgesetzlichkeit“ und einem auf sie ausgerichteten „Sachverstand“ entsprechend handelnder Organisationen. Sie zeichne sich dadurch aus, daß ihre vielfältigen Gliederungen gerade nicht nach einem einheitlichen, dem politischen Handlungsprinzip verführen, womit sie der Tatsache gerecht werde, daß die Lebensinteressen der Menschen sich in ihrem politischen Engagement nicht erschöpfen

Die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes setzt die pluralistische Struktur der Gesellschaft also voraus. Daß sie möglich bleibt, unterliegt verfassungsrechtlicher Gewährleistung. Daß sie auch realiter existiert, vermag die Verfassung freilich um so weniger zu garantieren, als ihre labile Equilibristik entscheidend auf dem guten Willen der Beteiligten, d. h.der Anerkennung des Pluralismus durch die oligarchi-schen Machtträger selbst beruht Immerhin muß es dem Staat versagt sein, dem System des Pluralismus von sich aus die Grundlage zu entziehen.

III. Aktuelle Gefährdungen des Systems der Gewaltenteilung

Schon die Darlegung seiner Elemente hat die Instabilität des verfassungsrechtlichen Systems der Gewaltenteilung sichtbar und damit auch deutlich werden lassen, daß diesem System mannigfache Gefährdungen immanent sind. Es kommt jedoch hinzu, daß weitere Gefährdungen an das labile Konstruktionsprinzip unserer Freiheit sozusagen mutwillig herangetragen werden. 1. Gewichtsverschiebungen im parlamentarischen System Nachdem, wie gezeigt, Legislative und Exekutive weder mehr nach ihren Funktionen noch nach ihren Trägern unterschieden werden können, hängt das Funktionieren der Gewaltenteilung insoweit entschieden davon ab, daß sie in etwa gleiches Gewicht haben. Die Gewaltenteilung ist von einer qualitativen zu einer quantitativen geworden Gewichtsverlagerungen vom Parlament zur Regierung müssen also die Wirkung der Gewaltenteilung schmälern. Das parlamentarische Regierungssystem, das der Exekutive lediglich die Opposition als vollwirksames kontradiktorisches Element entgegenstellt, hat zu . einem Gewichtsverlust des Parlaments geführt. Die zunehmende Bedeutung des Sachverstandes bei der Vorbereitung der Gesetzgebung hat das Parlament gegenüber der Ministerialbürokratie weiter ins Hintertreffen geraten lassen (wobei nicht übersehen werden darf, daß diese Abhängigkeit des Parlaments in kaum geringerem Grade auch eine solche seiner in die Regierung entsandten Mitglieder ist!). Schließlich hat sich die Regierung des Instruments der Planung in einem Ausmaß bemächtigt, daß verschiedene Beobachter der tatsächlichen Entwicklung zu der normativ gemeinten Aussage gelangt sind, die Planung gehöre aus „sachlogischen“ Gründen in die gouvernementale Sphäre. Tatsache ist, daß die präjudizierende Wirkung der Planung desto größer ist, je komplexer der Planungsvor-gang sich darstellt, d. h. je mehr Kompetenz-träger an ihr beteiligt sind. Daraus resultiert die unterdessen im Schrifttum ziemlich einmütig erhobene Forderung, das Parlament so frühzeitig in den Planungsprozeß einzuschalten, daß es nicht auf den unselbständigen Planvollzug beschränkt bleibt, sondern ihn selbst (mit) determiniert Wie das zu geschehen hat, ist einstweilen noch Gegenstand einer lebhaften Diskussion Die Forderung selbst hat jedoch den Rang eines verfassungsrechtlichen Postulats, insofern und insoweit die Planung den Charakter eines staatsleitenden Aktes hat, der im Sinne eines allgemeinen Parlamentsvorbehalts für die grundlegenden Entscheidungen des Gemeinwesens nicht ohne Mitwirkung des Parlaments erlassen werden darf 2. Parteipolitisierung von Exekutive und Justiz Eine weitere Gefährdung des Gewaltenteilungssystems ergibt sich aus den in den letzten Jahren verstärkt zu beobachtenden Bestrebungen der politischen Parteien zur (Partei-) Politisierung der Personalpolitik, und zwar sowohl im Bereich der vollziehenden Gewalt wie der Rechtsprechung. Die parteipolitische Homogenität der Machtstrukturen in Bund, Ländern und Kommunen beeinträchtigt ohnehin die gewaltenteilenden Effekte der bundesstaatlichen Struktur und der kommunalen Selbstverwaltung. Um so wichtiger ist es, daß der öffentliche Dienst, namentlich das Berufsbeamtentum, seine sachverständige Neutralität grundsätzlich bewahrt, vermöge deren allein er das loyale Vollzugsinstrument jeder politisch wie immer gefärbten Regierung sein kann, als welches ihn das Grundgesetz vorgesehen hat. Was die Rechtsprechung angeht, so kann es nicht wundernehmen, daß ihr gewachsenes politisches Gewicht sie auch für die um politischen Einfluß ringenden Gruppen hat zunehmend interessanter werden lassen. Die Arbeitsgerichtsbarkeit hat das als erste schon früh zu spüren bekommen. Aber gerade die richterliche Autorität ist wesentlich davon abhängig, daß der Verdacht einseitiger Interessenbindung gar nicht erst aufkommt. Die Verfassungswidrigkeit der gegenwärtig vielfach geübten Praxis ist evident (Art. 33 Abs. 2 GG). 3. Demokratisierung Weit gefährlicher noch für das System der Gewaltenteilung und ihre Zwecke sind die Bemühungen um eine falsch verstandene Demokratisierung, die auf eine Auflösung — die „Vergesellschaftung" — des Staates, mithin auch auf eine Eliminierung seiner Freiheitsfunktion hinauslaufen Demokratisierung ist insoweit eine sinnvolle Forderung, als sie auf eine notwendige „Öffnung und Vitalisierung des demokratischen Prozesses" d. h.des staatlichen wie des -— ihm im Raum der Gesellschaft vorgelagerten — politischen Willensbildungsvorgangs, abzielt; auch insoweit, als sie geeignet ist, private Machtkonzentrationen unter die Kontrolle der Betroffenen oder auch des Staates zu bringen Demokratisierung im Sinne einer Autonomisierung staatlicher oder gesellschaftlicher Teilbereiche beinhaltet jedoch den Verfall lokalisierbarer Verantwortlichkeit, staatlicher, das ist zugleich gesamtgesellschaftlicher Kontrollmöglichkeiten und damit eine Gefährdung des für die Demokratie wie für den Rechtsstaat gleich wesentlichen Prinzips der Legalität. Hinzu kommt, daß es in allen autonomen Bereichen die gleichen gesellschaftlichen Gruppenmächte sind, die sich der durch das Zurückweichen des Staates vakant gewordenen Machtpositionen bemächtigen und ihnen das Gesetz ihres Handelns aufzwingen mit der Folge, daß sie zugunsten allgemeiner Politisierung und Polarisierung der Interessen und ideologischen Positionen der Beteiligten und zum Schaden ihrer spezifischen Aufgaben ihrer eigenen „Sachgesetzlichkeit" verlustig gehen Demokratisierung in diesem mißverstandenen Sinne bedeutet aber nach der erklärten Absicht ihrer Befürworter auch die totale Inpflichtnahme aller Betroffenen für die Angelegenheiten der Gemeinschaft — eine In-pflichtnahme ohne Aktualisierungsmöglichkeit freilich, die ja auch nur geeignet wäre, den machtbesessenen engagierten und organisierten Minderheiten das Spiel zu verderben

Die Entwicklung der Hochschulen in der Bundesrepublik während der letzten Jahre hat für all dies den Beweis geliefert. Einer abermaligen Darstellung dieser bekannten Vorgänge bedarf es nicht, zumal Helmut Schelsky den mit der Aufhebung des ausgewogenen und differenzierten, zwischen autonomer Selbstverwaltung und staatlicher Verantwortung angesiedelten Organisationsprinzips der Universität (das der Anpassung an moderne Anforderungen sowohl fähig als auch bedürftig gewesen wäre) verbundenen Verlust an Freiheit und Effizienz vor kurzem so beredt wie treffend geschildert hat

Aber dies ist nicht das einzige Beispiel, die gruppenparitätische Struktur der Rundfunkanstalten ist ein anderes. Mit Recht hat Roman Schnur bemerkt, daß eine totale Politisierung, die von naiven Beobachtern unserer Zeit als demokratischer Erfolg angesehen wird, diese Art interessengerichteter Einflußteilung mühelos unterlaufen kann und, wie man hinzufügen muß, unterdessen unterlaufen hat. Die weitgehende Emanzipation des Rund-und Fernsehfunks von ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung zu einem „Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung“ — ein Gebot, das sich, recht verstanden, nicht etwa nur auf die Gesamtheit der Sendungen einer Anstalt, sondern grundsätzlich auf jede einzelne Sendung bezieht — ist die unausbleibliche Folge. Die Versuche, besserenfalls innerhalb der einzelnen Anstalten „Ausgewogenheit“ durch gleichmäßige Berücksichtigung aller politischen Gruppen bei der Auswahl von Redakteuren und Sendungen, schlimmerenfalls durch eine Aufrechnung „Löwenthal gegen Merseburger“ herzustellen, können nicht verdecken, daß das dem Rundfunk aufgegebene Prinzip gruppenneutraler Sachlichkeit längst preisgegeben worden ist. Eine gesetzliche Reglementierung der soge-nannten inneren Pressefreiheit, mit anderen Worten also die Ersetzung des bisherigen gewaltenteiligen Systems zwischen Verleger, Chefredakteur und Redaktion, das auch dem Leser das notwendige Maß an Kontrollmöglichkeiten einräumt durch ein Regime der Redaktionsräte würde über kurz oder lang auch in der Zeitung zu einer Machtübernahme der „relevanten" gesellschaftlichen Gruppen, namentlich der politischen Parteien führen, bei der die unabhängige, auf sachliche Information und Meinungsbildung bedachte Presse auf der Strecke bliebe. Das Beispiel macht besonders deutlich, daß der durch „Demokratisierung" herbeigeführte Verlust der Heterogenität gesellschaftlicher Strukturen einen Verlust an Freiheit, in diesem Fall an Informationsfreiheit, bedingt.

Die bereits zu beträchtlichen Erfolgen gediehenen Bemühungen um Erweiterung der eine Mitbestimmung im öffentlichen Dienst liegen, was ihre Motive und ihre Ziele betrifft, auf der gleichen Ebene wie die weitgehende Verselbständigung bisher vom Staat verantworteter Aufgabenbereiche und ihre Ausantwortung an die Macht der jeweils präsenten -ge sellschaftlichen Gruppen. W. Zeidler, der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, hat zutreffend unter anderem darauf aufmerksam gemacht, daß ein mit Mitbestimmungsrechten in der öffentlichen Verwaltung ausgestatteter Staatsdiener einen über die Befugnisse des ihm anvertrauten Amtes hinausgehenden Einfluß auf die Staatstätigkeit erhalte, der ihn vor allen anderen Bürgern privilegiere „Die Bindung an die von den zentralen übergeordneten Organen, die demokratisch im Sinne des Repräsentativsystems legitimiert sind, getroffenen Entscheidungen läßt keine mitbestimmenden Meinungsbildungsprozesse zu, die demgegenüber eine autonome Gegenkraft entwickeln könnten."

Die sog. Demokratisierung der Verwaltung bildet einen Ausschnitt aus dem Programm der Zertrümmerung vertikaler Herrschaftsstrukturen, dessen Verwirklichung keineswegs, wie seine Verkünder meinen, mehr Freiheit bringen, sondern die die Bürgerfreiheit gewährleistende parlamentarische Kontrolle der Verwaltung ausschalten, die „unkontollierte Umsetzung sozialer Zwänge in politische Herrschaft" ermöglichen und die Strukturen verantwortlicher Herrschaft auflösen würde Das Parlament, das die von seinem Vertrauen abhängige Regierung für Tun und Lassen der Verwaltung nicht mehr verantwortlich machen kann, weil diese sich ihren Weisungen nicht mehr fügt, kann nach Hause gehen. Denn es wird keine Gewähr mehr dafür haben, daß seine Gesetze ausgeführt werden, noch dafür, daß die Exekutive in ihren proteushaften Subdivisionen ihre Macht gegenüber dem einzelnen nicht mißbraucht. Die Demokratie wäre am Ende und „im unübersichtlichen Dschungel geteilter Macht würde der Rechtsstaat in einen Urzustand persönlicher Gewalt zurückfallen" Gewaltenteilung kann im Sinne ihrer Ziele nur funktionieren als „Kontakt in Trennung" d. h. wenn sie neben der Trennung der Funktionen doch ihre Erledigung aufeinander bezieht und zuordnet und nicht bloß eine Fülle atomisierter, sich selbst überlassener Machteinheiten bildet, worauf eine „Gewaltenteilung innerhalb der Gewalten“ regelmäßig hinausläuft. 4. Gewerkschaftliche Mitbestimmung in Unternehmen Den Bestrebungen zur Zertrümmerung der durch die Gewaltenteilung als Kontrollzusammenhang organisierten einheitlichen Staatsgewalt laufen Konzentrationsprozesse im Raum der Gesellschaft parallel, die die pluralistische Ordnung aufzulösen drohen. Mit der Schwäche des Staates wächst die Macht weniger gesellschaftlicher Gruppen. Das Parteiensystem der Bundesrepublik scheint seit langem zum Immobilismus erstarrt. Die damit erreichte Geschlossenheit des demokratischen Systems bietet den Vorteil politisch-parlamentarischer Stabilität, verfehlt aber, wie Ernst Forsthoif zu Recht bemerkt hat, „ei-* nen wesentlichen Sinn der parlamentarischen Demokratie, den Staat durch Öffnung für die im Volke wirksamen politischen Kräfte lebendig und im Einklang mit ihnen zu erhalten." Besonders deutlich zeichnen sich die Folgen der hier zu betrachtenden Kräfteverschiebunden im Verhältnis von Staat und Wirtschaft ab.

Dieses ist im sozialen Rechtsstaat ohnehin durch einen inneren Widerspruch charakterisiert Der wachsenden, inzwischen auch verfassungsrechtlich (Art. 109 Abs. 2 GG) und gesetzlich (Stabilitätsgesetz) konkretisierten Verantwortlichkeit des Staates für die Produktivität der Wirtschaft und die übrigen Größen des magischen Vierecks, welche das sog. gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ausmachen, kontrastiert die gleichfalls verfassungsrechtlich gewährleistete weitgehende Delegation und Dezentralisation wirtschaftspolitisch relevanter Entscheidungen auf nicht-staatliche Machtträger. Der Widerspruch ist gewollt und liegt als ein wesentliches Element der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft bis zu einem gewissen Grade auch im Interesse individueller Freiheit. Diese aber gerät andererseits immer dann in Gefahr, wenn der Staat seine Souveränität über die Gesellschaft zu verlieren droht. Vor dieser Lage befinden wir uns. Eine Reihe von Vorgängen der jüngsten Zeit haben uns dafür die Augen geöffnet. Wir waren Zeugen der Ohnmacht des Staates gegenüber der seiner Kontrolle entzogenen Willkür multinationaler Konzerne wie gegenüber dem ungehemmten Machtwillen einer Gewerkschaft oder den Erpressungsmanövern der Fluglotsen. Der Staat erwies sich als unfähig, das Gemeinwohl gegenüber den Gruppeninteressen durchzusetzen.

Schon vor Jahren ist die Verlegenheit gegenüber der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit staatlicher Verantwortung für die Wirtschaft in Gestalt der sog. konzertierten Aktion Institution geworden. Die gelegentlich, insbesondere von Gewerkschaftsseite, geäußerten Vorschläge zur Errichtung eines Bundeswirtschaftsrates sind der Plan einer anderen. Der Grundgedanke der konzertierten Aktion ist es, die wirtschaftspolitisch relevanten gesellschaftlichen Gruppen um den Preis der Legitimierung ihres Einflusses auf die staatliche Wirtschaftspolitik auf die Einhaltung gemeinsam getroffener Abreden zu verpflichten und so für die ökonomischen Makrodezisionen eine feste Basis zu gewinnen. Daß der ständische Ansatz dieses Experi63) ments der parlamentarischen Demokratie an die Wurzel ging, ist oftmals dargelegt worden sein Scheitern ist deshalb nicht sehr zu bedauern wenngleich das diesen Versuch auslösende Problem nach wie vor existiert. Die Überlegungen, wie dem Dilemma zu begegnen sei, verlaufen in unterschiedlichen Richtungen. Neben Bemühungen um eine energischere staatliche Wettbewerbspolitik zur Verbindung von Konzentrationsbewegungen, Erwägungen, wie der Macht multinationaler Unternehmen zu begegnen sei, stehen Forderungen nach staatlicher Investitionslenkung bzw. gar der Verstaatlichung der Wirtschaft überhaupt, aber auch — in Korrespondenz dazu — nach einer Einschränkung bzw. Aufhebung der Tarifautonomie. Auch die Absicht, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Unternehmen zu verstärken, gehört in diesen Zusammenhang. Bekanntlich ist diese Absicht als solche unter den politischen Kräften kaum noch bestritten. Umkämpft ist nur die Frage, wie sie in die Wirklichkeit umgesetzt werden soll. Die Bundesregierung hat dazu beim Parlament einen Gesetzentwurf eingebracht, der abschließend unsere Aufmerksamkeit finden muß.

Die mit diesem Entwurf angestrebte Form der Mitbestimmung überträgt die Disposition über die betroffenen Unternehmen unter weitgehender Umgehung der Belegschaften auf die Gewerkschaften und ist deshalb als gewerkschaftliche Mitbestimmung zu qualifizieren. Das folgt nicht nur aus dem Entsendungsrecht der Gewerkschaften für drei der sieben Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat des Unternehmens (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 Mitbestimmungsgesetzentwurf), sondern auch und vor allem aus der Gestaltung des Wahlverfahrens für die restlichen vier, die zwar der Belegschaft angehören müssen, auf deren Auswahl aber die Gewerkschaft in aller Regel bestimmenden Einfluß nehmen kann und wird. Das ergibt sich daraus, daß die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmerseite nicht direkt von der Belegschaft, sondern von Wahlmännern gewählt werden (§ 9 Mitbestimmungsgesetzentwurf) und daß die Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl erfolgt (§ 15), wobei es lediglich im ersten Wahlgang einer absoluten Stimmenmehrheit bedarf.

Es geht mir nun nicht darum, die verfassungsrechtlichen Bedenken vorzutragen, die sich gegen die gewerkschaftliche Mitbestimmung — nicht notwendig auch gegen andere Formen der paritätischen Mitbestimmung! — namentlich aus Art. 9 Abs. 3 und 14 GG ergeben Ich verzichte auch darauf, im einzelnen zu begründen, warum die regelmäßig für die Mitbestimmung angeführten Gründe — Demokratisierung der Wirtschaft, Behinderung ihrer Konzentration, Gleichgewicht von Kapital und Arbeit, institutionelle Gewährleistung einer den Interessen auch der Arbeitnehmer dienlichen Unternehmenspolitik, Neutralisierung gefährlicher wirtschaftlicher Macht — eine gewerkschaftliche Mitbestimmung, zumindest des im Mitbestimmungsgesetzentwurf vorgesehenen Ausmaßes, entweder nicht rechtfertigen oder doch nicht erfordern, ja ihr zum Teil sogar widerstreiten. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es vielmehr nur darauf an, ein Bild der Machtverschiebungen zu entwerfen, die zwischen Staat und Gesellschaft und innerhalb der Gesellschaft als Folge der gewerkschaftlichen Mitbestimmung eintreten werden bzw. mit deren Eintritt mindestens gerechnet werden muß.

Eine realistische Einschätzung der Entwicklung setzt eine Kenntnis der gegenwärtigen Lage voraus. Sie zeigt schon jetzt eine besorgniserregende „Minderung des Maßes vitaler Pluralität in dieser Gesellschaft“ und zwar speziell unter dem Aspekt eines ständigen Wachstums der Gewerkschaftsmacht, das sich auch in einem wachsenden und ganz unbefangen zur Schau getragenen Machtbewußtsein äußert. Es mag genügen, an das Wort des DGB-Vorsitzenden Heinz-Oskar Vetter zu erinnern, wonach die Gewerkschaften notfalls an den Parteien, d. h. aber an den demokratischen Institutionen des Staates, vorbei ihren Willen durchsetzen müßten. Dahinter steht die angemaßte Vorstellung, einzig den Gewerkschaften sei die verbindliche Interpretation der Arbeitnehmerinteressen aufgegeben, zu deren Gleichsetzung mit dem Wohl der Allgemeinheit angesichts der Entwicklung zur Arbeitnehmergesellschaft nur-mehr ein kleiner Schritt ist. Die Vorstellung ist eine angemaßte, weil die Gewerkschaften wie jede auf der Grundlage der Freiwilligkeit des Beitritts organisierte Vereinigung lediglich zur Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder befugt sind und weil die Interessen der Arbeitnehmer durchaus heterogener, mitunter gegensätzlicher Stuktur sind, wie z. B. das Interesse der Arbeitnehmer als Lohnempfänger und Verbraucher, das Interesse der deutschen Arbeitnehmer und der Gastarbeiter. Allerdings wäre es falsch anzunehmen, der gewerkschaftliche Machtanspruch sei deshalb weniger ernst zu nehmen. Dagegen spricht zweierlei. Erstens ist die öffentliche Meinung durch die Diskreditierung aller staatlichen Autorität durch den Nationalsozialismus, das in Deutschland traditionell geringe Ansehen der politischen Parteien und das verbreitete Mißtrauen gegen die Unternehmer gewissermaßen disponiert, ein sozialpolitisches Mandat einer historisch unbelasteten, a priori weder eines Mangels an sozialer Einstellung noch des Machtmißbrauchs verdächtigen Organisation wie der Gewerkschaften anzuerkennen. Zweitens aber stützt sich der Anspruch auf reale Machtpositionen, unter denen die Tarifmacht einschließlich des Streikrechts weit voransteht, und zwar um so mehr, je geringeres Gewicht der gewerkschaftlichen Beschäftigungsverantwortung als dem natürlichen Korrektiv ihrer Lohnverantwortung infolge der staatlichen Arbeitsplatzgarantie beizumessen ist. Das geltende Betriebsverfassungsrecht verschafft ferner den Gewerkschaften schon heute auf der Ebene des Betriebs wie des Unternehmens wesentliche Mitspracherechte.

Der Umfang des eigenen kapitalistischen Engagements der Gewerkschaften ist zwar nicht genau bekannt, aber jedenfalls beträchtlich. Ihr Einfluß auf den Staat ist vielfältig: Weit über die Hälfte der Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind Gewerkschaftsmitglieder; in den Personalvertretungen des öffentlichen Dienstes behaupten sie ebenso wie im Bereich der sozialen Selbstverwaltung und der kommunalen Wirtschaft eine starke Position; an der Arbeits-und Sozialgerichtsbarkeit sind sie unmittelbar beteiligt und im Verfahren sowohl der Gesetzgebung wie der exekutiven Rechtsetzung wirken sie in zahllosen Fällen beratend mit Die Möglichkeit, auf sehr unterschiedliche Weise — durch das eigene Publikationspotential und gezielte Streiks, etwa die Weigerung von Druckern, einen den Gewerkschaften mißliebigen Artikel zu setzen, oder die Lahmlegung der Stromversorgung der Druckerei — auf die öffentliche Meinung einzuwirken, darf nicht übersehen werden. Schließlich ist zu bemerken, daß die momentane parteipolitische Konstellation den gewerkschaftlichen Einfluß auf die staatlichen Entscheidungen besonders begünstigt.

Diese Tatbestandsaufnahme versteht sich keineswegs schon als Kritik. Es ist im Gegenteil zu vermerken, daß die Gewerkschaften, aufs Ganze gesehen und unter Außerachtlassung gelegentlicher Entgleisungen, von denen Klunckers Triumph über den Bundeskanzler Brandt die spektakulärste war, von ihrer Macht einen maßvollen Gebrauch gemacht haben, nicht immer zu ihrem eigenen Vorteil, wenn man an die stets in dem Augenblick aufflackernden sog. wilden Streiks denkt, in dem die Gewerkschaften eine im Sinne der gesamtwirtschaftlichen Vernunft verantwortliche Lohnpolitik betreiben. Die gegenwärtige Lage gibt auch (noch) keinen Anlaß, eine das binnengesellschaftliche Gleichgewicht oder die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft aufhebende Machtverschiebung zugunsten der Gewerkschaften zu konstatieren, wenn sie auch erkennen läßt, daß die Entwicklung auf dem Wege dahin ist und — das ist das hier entscheidend Wichtige — durch die Einführung der gewerkschaftlichen Mitbestimmung eine schlagartige Beschleunigung erführe.

Manfred Wochner hat den möglichen und, wie er mit Recht sagt, nicht völlig unwahrscheinlichen Verlauf dieser Entwicklung folgendermaßen geschildert: Zunächst könnte die Gewerkschaft versuchen, auf die Anteilseignerseite überzugreifen, sei es durch den Erwerb von Kapital, sei es vermöge des Einflusses der von der gewerkschaftseigenen Bank für Gemeinwirtschaft verwalteten Depotstimmen oder der ja dann auch von der Gewerkschaft hälftig mitbestimmten großen Geschäftsbanken Die gewerkschaftliche Einflußnahme wird sich im übrigen auf die unmittelbar mitbestimmten Unternehmen nicht beschränken, sondern sich über deren Beteiligungen auch auf andere erstrecken So kann sich in kurzer Zeit zumindest in bestimmten Branchen ein faktisches Arbeitgebermonopol der Gewerkschaften bilden, das die freie Wahl des Arbeitsplatzes zu Farce macht und die Arbeitnehmer, ob organisiert oder nicht, in eine fatale Abhängigkeit von der Gewerkschaft bringt. Die Gewerkschaften würden dann aber nicht nur die Arbeitsplätze, sondern auch die Investitionen und Gewinne unmittelbar — statt wie bisher nur mittelbar über die Ausübung der Tarifmacht — kontrollieren. Alle Bemühungen, durch Wettbewerbsbeschränkungen Kartellbildungen zu verhindern, wären mit einem Schlage unterlaufen Die soziale Partnerschaft der Tarif-parteien wäre nicht nur, worüber sich reden ließe, von der überbetrieblichen auf die Ebene des einzelnen Unternehmens verlagert, sondern durch die Beseitigung ihres Gleichgewichts im Wege der Aufhebung von Gegner-freiheit und Gegnerunabhängigkeit der Vereinigungen der Anteilseigner elementar gestört. Tarifverträge werden, wie Wochner es ausdrückt, zu Akten einseitiger Rechtsetzung. Die Wirtschaftspolitik läge damit, d. h. mit der Kontrolle über Löhne und Preise, Investitionen und Gewinne, ausschließlich in der Hand der Gewerkschaften. Der Staat, der schon heute auf diesem Felde um seine Selbstbehauptung hart zu ringen hat und sich allenfalls noch als Schiedsrichter über widerstreitende Interessen durchzusetzen vermag, sähe sich auf diesem Gebiet völlig entmachtet, damit aber auch in anderen Bereichen in Abhängigkeit von der Gesellschaft versetzt. Mit dem des Staates schwände der Einfluß des Volkes als des nach dem Willen der Verfassung einzigen Trägers der Staatsgewalt. Angesichts der Überlegenheit der Gewerkschaft über den Staat würde die Gewährung staatlichen Rechtsschutzes und damit die Garantie individueller Freiheit gegenüber dieser gesellschaftlichen Macht zur baren Illusion. Am deutlichsten wird dies am Beispiel der Arbeitgerichtsbarkeit, da nunmehr auch die Bestellung der ehrenamtlichen Richter der Arbeitgeberseite unter gewerkschaftlichen Einfluß geriete.

Es bedarf nur geringer Phantasie, um sich auszumalen, was der Wille, eine solche Macht zu gebrauchen, auszurichten vermöchte. Die Verfügungsmacht über Millionen von Arbeitsplätzen etwa könnte den Zugang zu diesen von beliebigen Bedingungen, etwa bestimmten Ausbildungsvoraussetzungen, abhängig machen und so mittelbar das Bildungssystem beeinflussen und verändern. Sie könnte Zugang und beruflichen Aufstieg an die Bedingung der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft knüpfen und so einen unüberwindlichen Organisationszwang schaffen, auch in dem Sinne übrigens, daß die Gewerkschaft sich in eine elitäre Herrschaftsorganisation verwandelt, die nur ihren Mitgliedern die führenden Positionen in Staat und Gesellschaft vorbehält. Sie könnte auch dem Staat seine Personalpolitik diktieren und sich damit seinen Apparat unterwerfen.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 26. August 1974 schildert Jochen Rudolph im Blick auf Großbritannien die Folgen einer zu starken Ausweitung der Gewerkschaftsmacht so: „Nicht nur die Souveränität des von der Nation gewählten Parlaments, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Rechtsprechung, die Fähigkeit der Regierung, den Willen des Gesetzgebers zu vollziehen, werden untergraben. Auch Grundfreiheiten des einzelnen sind in Gefahr und werden häufig verletzt: die Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes, die Koalitionsfreiheit, jedenfalls in der Form des Rechts, einer Gewerkschaft oder einer bestimmten Gewerkschaft nicht anzugehören. Die Pressefreiheit ist in mindestens einem Falle verletzt worden, als Drucker die Arbeit niederlegten, um die Zurückziehung einer antigewerkschaftlichen Karikatur zu erzwingen: ein einziger derartiger Fall kann genügen, Redakteure, Karikaturisten und Verleger für die Zukunft von solchen kühnen Vorhaben abzuhalten."

Der vorliegende Entwurf eines Mitbestimmungsgesetzes schließt zwar die Erstreckung der gewerkschaftlichen Mitbestimmung auf die sog. Tendenzunternehmen aus (§ 1 Abs. 4).

Würde aber, wie es den Wünschen des DGB entspräche, auch der Tendenzschutz fallen, wäre das wirtschaftliche Machtmonopol durch das Meinungsmonopol der Gewerkschaften ergänzt und vervollständigt. Spätestens dann wäre auch die Chancengleichheit der politischen Parteien endgültig zugunsten der Alleinherrschaft der von der Gewerkschaft bevorzugten, weil von ihr in besonders hohem Grade abhängigen Partei beseitigt.

Diese Gewerkschaftsmacht entbehrte jeder Kontrolle. Weder vermöchte eine gleichgewichtige gesellschaftliche Organisation noch auch der Staat die Macht der Gewerkschaft in Fesseln zu legen. Auch die innergewerkschaftliche Demokratie, also die Kontrolle und Wahl der Führung durch die Mitgliedschaft, obzwar sie im Falle einer Ausdehnung der Gewerkschaftsmacht durch Einführung der gewerkschaftlichen Mitbestimmung zu annähernder Omnipotenz die fehlende Kontrolle der zum Staat verfaßten Allgemeinheit keineswegs ersetzen könnte, ist nichts weniger als befriedigend ausgebildet, ja sie bleibt deutlich noch hinter den durch das Parteien-gesetz für die politischen Parteien verbindlich gemachten demokratischen Standards zurück Das mag nach geltendem Recht erträglich sein — die Frage, ob sich dem Grundgesetz analog dem Gebot der innerparteilichen auch ein zumindest die Koalitionen erfassendes Gebot innerverbandlicher Demokratie entnehmen läßt, ist bekanntlich umstritten und mag angesichts der durchaus unterschiedlichen Aufgabenstellung von politischen Parteien und Verbänden einschließlich der Gewerkschaften auch mit Grund be-zweifelt werden. Keinem Zweifel kann es jedoch unterliegen, daß das Prinzip des demokratischen Rechtsstaats es erfordert, im Maße der Steigerung des Machtpotentials einer Organisation die Effektivität der Kontrolle und Verantwortlichkeit ihrer Entscheidungsträger zu erhöhen. Die Einführung der gewerkschaftlichen Mitbestimmung aber wird durch keine in diese Richtung wirkende Maßnahme ergänzt bzw. erträglicher gemacht.

Gegen die Wahrscheinlichkeit, daß die Vision des Gewerkschaftsstaates Realität wird, wird eingewendet der föderalistische Aufbau Möglichkeit der Gewerkschaften schließe die einer zentralen Steuerung der -Unternehmens politik und der Wirtschaftspolitik aus; auch sei ihr Verwaltungsapparat zu klein, um einer solchen Aufgabe gewachsen zu sein. Die Befugnisse des Aufsichtsrates gegenüber der Unternehmensleitung seien begrenzt, seine Mitglieder an Weisungen nicht gebunden. Vor allem hätten die Gewerkschaften selber eine zentrale Steuerung der Wirtschaft mit Hilfe der Mitbestimmung abgelehnt.

Was die Befugnisse des Aufsichtsrates anlangt, so kommt es entscheidend allein darauf an, daß er den Vorstand des Unternehmens bestimmt und Kapitalkraft nebst Depotstimmrecht es den Gewerkschaften ermöglichen, die Majorität im Aufsichtsrat zu erlangen. Die formale Weisungsfreiheit der Aufsichtsratsmitglieder wird durch die Gestaltung des Wahlverfahrens nahezu bedeutungslos Der föderalistische Aufbau der Gewerkschaften steht zu ihrer Disposition, rechtliche Garantien seiner Beibehaltung gibt es nicht. Aber auch wenn er bestehenbliebe, wäre eine etwaige Konkurrenz unterschiedlicher wirtschaftspolitischer Vorstellungen der Gewerkschaften doch nur branchenübergreifend, nicht branchenintern gegeben, so daß beispielsweise niemand die Gewerkschaft Textil und Bekleidung an der Beherrschung der Textil-, die IG Chemie an der der chemischen Industrie zu hindern in der Lage wäre. Und davon abgesehen kann gewiß nicht ernstlich behauptet werden, die Reduzierung des Pluralismus auf mehrere, voneinander relativ unabhängige, aber ja immerhin in einem keineswegs einflußlosen Dachverband zusammengeschlossene und von ihm koordinierte Gewerkschaften stehe mit den Forderungen des Grundgesetzes in Einklang. Der individualistische Ansatz einer rechtsstaatlichen Pluralismustheorie, auf dem namentlich Hans Zacher so eindringlich wie überzeugend besteht, geriete dabei vollends in Vergessenheit. Schließlich widerspricht es den elementarsten Anforderungen einer rechtsstaatlichen Verfassung, sich auf den guten Willen des jeweiligen Machthabers, seine Macht nicht zu mißbrauchen, zu verlassen, statt — wie es das Prinzip der Gewaltenteilung gebietet — Macht durch Teilung und Kontrolle zu mäßigen. Der gewerkschaftliche Kampf gegen die Macht der Unternehmer war von dieser Einsicht getragen. Die Gewerkschaften müssen sie jetzt auch gegen sich selber gelten lassen. Auch wenn man die geschilderten Entwicklungsmöglichkeiten nicht als schlechthin zwangsläufige zu betrachten geneigt ist, sondern beispielsweise auf die Mobilisierung von Gegenreaktionen vertraut wird man einräumen müssen, daß derartige Hoffnungen auf wenig reale Anhaltspunkte gegründet werden können und daß mit Einführung der gewerkschaftlichen Mitbestimmung institutioneile Sicherungen des Pluralismus und der Aufrechterhaltung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft entfallen. Sie würde die rechtlichen Stützen des labilen Balancesystems des Pluralismus der oligarchischen Machtträger, deren Gleichgewicht nach Werner Weber der reale Grund unserer Freiheit ist, beseitigen und den Staat in die Hand einer oder doch mehrerer, in sich homogener, organisatorisch verbundener gesellschaftlicher Gruppen geben. Insbesondere wäre die gewerkschaftliche Mitbestimmung nichts weniger als geeignet, der wachsenden Identifikation von Staat und Wirtschaft entgegenzuwirken, sie würde sie im Gegenteil vervollständigen. Wir haben gesehen, daß den Möglichkeiten des Staates, die gesellschaftliche Entwicklung im Sinne einer Erhaltung des pluralistischen Systems zu steuern, Grenzen gesetzt sind. Es zu zerstören oder doch die Voraussetzungen seiner wahrscheinlichen Selbstzerstörung zu schaffen, ist ihm verwehrt. Die gewerkschaftliche Mitbestimmung ist die bisher ernsteste Bedrohnung der Gewaltenteilung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dazu bes. W. Weber, Die Teilung der Gewalten als Gegenwartsproblem, in: Rausch (Hrsg.), Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung, 1969, S. 185 ff., 187 ff.

  2. Im einzelnen vgl. W. Weber, a. a. O , S. 189 ff.

  3. Vgl. E. -W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1957.

  4. Vgl. dazu E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, Allg. Teil, 1973*«, S. 59 ff.

  5. Vgl. W. Weber, a. a. O„ S. 189.

  6. Was keineswegs bedeutet, daß der Richter die Freiheit des Gesetzgebers genießt — dazu H. H. Klein, Richterrecht und Gesetzesrecht, in: DRiZ 1972, S. 333 ff.

  7. Insoweit ist Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1964, S. 869 f., zuzustimmen, wenn er schreibt: „Indem die mehreren Gewalten sich gegenseitig in den Bahnen des Richtigen festhalten, halten sie sich auch in einer Einheit beieinander", wenn er die Funktion des Gewaltenteilungsschemas als Richtigkeitsgewähr betont und hervorhebt, daß das trennende Element der Gewaltenteilung als Vehikel der Einigung begriffen werden muß.

  8. Gewaltenteilung im demokratisch-pluralistischen Rechtsstaat, in: Rausch, a. a. O., S. 313 ff., 316.

  9. O. Küster, Das Gewaltenproblem im modernen Staat in: Rausch, a. a. O., S. 1 ff., 7.

  10. Vgl. die Nachw. bei Leibholz-Rinck, Grundgesetz, 19714, Art. 20 Rdnr. 16.

  11. Als Beispiel für viele sei verwiesen auf Maunz-Dürig, in: Maunz-Dürig-Herzog, Das Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 76 ff.

  12. BVerfGE 9, 268 ff., 279.

  13. Etwa H. Peters, Gewaltentrennung in moderner Sicht, in: Rausch a. a. O., S. 78 ff.

  14. W. Weber, a. a. O., S. 194.

  15. Dazu W. Weber, a. a. O., S. 198; ebenso Hugo J. Hahn, über die Gewaltenteilung in der Wertwelt des Grundgesetzes, in: Rausch, a. a. O., S. 438 ff., 459.,

  16. Allerdings droht nicht nur die Gefahr, daß der Richter sich ihm auferlegten Bindungen infolge eines Mißverständnisses seiner politischen Rolle entledigt, sondern auch die, daß ihm durch eine entsprechende Norminterpretation Entscheidungen zugeschoben werden, die zu treffen er nicht legitimiert ist. So beschwört, wie E. -W. Böckenförde, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW 1974, S. 1529 ff., 1536, gezeigt hat, eine Auslegung der Grundrechte als Leistungsansprüche die Möglichkeit herauf, daß die politischen Entscheidungen über den Einsatz der öffentlichen Ressourcen aus Fragen bloßer Zweckmäßigkeit zu rechtlich determinierten Fragen der Grundrechtserfüllung werden, mithin - in letzter Instanz - vom Haushaltsgesetzgeber zur Rechtsprechung, namentlich des Bundesverfassungsgerichts, auswandern.

  17. Vgl. zum Problem zuletzt U. Diederichsen, Die Flucht des Gesetzgebers aus der politischen Verantwortung im Zivilrecht, 1974, passim (das Zitat S. 64).

  18. F. Ossenbühl, Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaates an die planende staatliche Tätigkeit, dargestellt am Beispiel der Entwicklungsplanung? Gutachten B zum 50. Deutschen Juristen-tag, 1974, S. B 111.

  19. Umfassend N. Gehrig, Parlament — Regierung -Opposition, 1969, S. 251 ff., 276 ff.

  20. Z. B. von H. Peters, a. a. O., S. 101 f.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1974’, S. 93 f.; ders., Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 1 ff., 12.

  21. Zum Folgenden ausführlich H. H. Klein, ParteiPolitik im Bundesrat? DOV 1971, S. 325; zustimmend Th. Oppermann, Bundesrat und auswärtige Gewalt, in: Der Bundesrat als Verfassungsorgan

  22. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juni 1974 hat diese Erkenntnis völlig unberührt gelassen — dazu meine Kommentierung der Entscheidung in: ZParl 5 (1974).

  23. Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, in: Festgabe für W. Hefermehl, 1972, S. 11 ff.; ferner: Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973. Siehe ferner: R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, 1971, S. 38 ff., 145 ff., 237 f.; J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968, S. 149 ff.; H. H. Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat, 1972, S. 34 f., (unveränderter Neudruck als Urban-Taschenbudi Nr. 208, 1974).

  24. Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung, a. a. O., S. 27.

  25. R. Wahl, Notwendigkeit und Grenzen langfristiger Aufgabenplanung, in: Der Staat 11 (1972), S. 459 ff., 472 ff.

  26. H. Heller, Staatslehre, 1934, S. 228 ff.

  27. Näher Böckenförde, a. a. O., S. 26.

  28. Vgl. Böckenförde, a. a. O., S. 28 ff.

  29. S. auch Böckenförde, a. a. O., S. 31 ff.

  30. A. a. O. (Anm. 24), S. 48 f.

  31. A. a. O„ S. 152.

  32. Maximen und Reflexionen (Goethes Werke, Hamburger Ausgabe, Bd. 12, S. 380).

  33. R. Herzog, Art. „Pluralismus“, in: Evangelisches Staatslexikon, 1966, Sp. 1541.

  34. Pluralität der Gesellschaft als rechtspolitische Aufgabe, in: Der Staat 9 (1970), S. 161 ff. (161); s. auch ders., Freiheitliche Demokratie, 1969, S. 125 ff.

  35. Herzog, a. a. O.

  36. Der Pluralismus als Strukturelement der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie, 1964.

  37. Isensee, a. a. O ., S. 151.

  38. P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, Verhandlungen des 49. Deutschen Juristentages, 1972, S. T 24.

  39. Dazu auch H. H. Klein, Demokratie und Selbstverwaltung, in: Festschrift f. E. Forsthoff, 1972, S. 165 ff., 168 f.

  40. Vgl. auch Herbert Krüger, Verfassungsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen, in: Festschrift f. U. Scheuner, 1973, S. 285 ff. (293).

  41. W. Leisner, Die quantitative Gewaltenteilung, DOV 1969, 405 ff.

  42. Ossenbühl, a. a. O., S. B 74; s. auch die zusammenfassende Darstellung von W. P. Becker, Möglichkeiten einer Beteiligung der Parlamente an der staatlichen Planung, ZParl 5 (1974), S. 167 ff., 184 ff.

  43. Vgl. etwa den Zwischenbericht der Enquetekommission für die Verfassungsreform des Deutschen Bundestages.

  44. Zur Begründung vgl. Ossenbühl, a. a. O., S. B 75 ff. mit zahlr. Nachw.

  45. Dazu neuestens besonders aufschlußreich M. Zöller, Die Utopie der neuen Intelligenz, 1974.

  46. Zacher, in: Der Staat 9 (1970), S. 179.

  47. Böckenförde, a. a. O., S. 36 f.

  48. Dazu Schelsky, a. a. O., S. 60 ff.

  49. Zu den Schwierigkeiten, auf die die Übertragung demokratischer Strukturen auf den gesellschaftlichen Bereich zum Zwecke einer Verbreiterung der individuellen Partizipationschancen sachlich und rechtlich stößt, vgl. genauer H. H. Klein, Demokratie und Selbstverwaltung (Anm. 46), S. 165 ff.

  50. A. a. O., S. 70 ff.

  51. Zur Autonomie gesellschaftlicher Gruppen, in: Orientierungen heute, Bd. 15 der Veröffentlichungen der Walter Raymond-Stiftung, 1972, S. 109 ff., 119.

  52. BVerfGE 12, 205 ff., 263.

  53. Dazu H. Schelsky, Publizistik und Gewaltenteilung in: Systemüberwindung (Anm. 44), S. 83 ff. Zur verfassungsrechtlichen Seite zusammenfassend H. H. Klein, Medienpolitik und Pressefreiheit, AfP 1973, S. 494 ff. m. w. N.

  54. Der Standort der Verwaltung in der Auseinandersetzung um das Demokratieprinzip, DVB 1. 1973, S. 719 ff., 724. Zeidler spricht von der Gefahr der „überprivileqierunq einer modernen Feudal-elite- (das.).

  55. Zeidler, a. a. O., S. 725. Im einzelnen zur Problematik: W. Leisner, Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, 1970; allgemeiner W. Schmitt-Glaeser, Partizipation an Verwaltungsentscheidungen, VVDStRL 31 (1972), S. 179 ff.

  56. Zacher, in: Der Staat 9 (1970), S. 179 f.

  57. S. W. Leisner, Gewaltenteilung innerhalb der Gewalten in: Festgabe f. Theodor Maunz, 1971, S. 267 ff. Zum Ganzen unter dem Aspekt des sog. ministerialfreien Raumes s. E. Klein, Die verfas-sungsrechtliche Prbblematik des ministerialfreien Raumes, 1974.

  58. Leisner; a. a. O., S. 281.

  59. Leisner, ebenda, S. 278.

  60. Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 89.

  61. Zum Folgenden E. -W. Böckenförde, a. a. O., S. 40 ff., und ders., Festgabe f. Hefermehl, S. 26 ff.

  62. Vgl. nur Biedenkopf, Rechtsfragen der Konzertierten Aktion, BB 1968, S. 1005 ff.; H. H. Rupp. Konzertierte Aktion und freiheitlich-rechtsstaatliche Demokratie, in: E. Hoppmann (Hrsg.), Konzertierte Aktion, 1971, S. 1 ff.

  63. A. M. Herbert Krüger, Die Verfassung als Programm der Nationalen Repräsentation, in: Festschrift f. E. R. Huber, 1973, S. 95 ff., 103 ff., der die konzentrierte Aktion als den (notwendigen) Versuch begreift, „die Verbände von staatsartigem Charakter durch Heranziehung zur konkreten und aktuellen Staatstätigkeit sich selbst zu Repräsentanten der Allgemeinheit steigern zu lassen".

  64. Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz — MitbG), BT-Drucks. VII/2172 v. 20. 4. 1974.

  65. Vgl. insbesondere E. R. Huber, Grundgesetz und wirtschaftliche Mitbestimmung, 1970; P. Pernthaler, Qualifizierte Mitbestimmung und Verfassungsrecht, 1972; G. Schwerdtfeger, Unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer und Grundgesetz, 1972; R. Scholz, Qualifizierte Mitbestimmung unter dem Grundgesetz, in: Der Staat 13 (1974), S. 91 ff.; H. H. Rupp, Grundgesetz und „Wirtschaftsverfassung", 1974, S. 22 ff.; E. Kindermann, Verfassungswidrigkeit des Koalitionsentwurfes zur paritätischen Mitbestimmung, DB 1974, S. 1159 ff.

  66. H. F. Zacher, Aktuelle Probleme der Repräsentationsstruktur der Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland, in: Festschrift f. Friedrich Berber, 1973, S. 549 ff. (549); das. auch zum Folgenden.

  67. Soweit die Einflußnahme der Gewerkschaften auf den Staat eine gesetzliche Regelung erfahren hat, ist allerdings bisher, soweit ersichtlich, die Parität mit den Arbeitgeberverbänden gewahrt; s. dazu W. Weber, Die Sozialpartner in der Verfassungsordnung, in: Göttinger Festschrift für das OLG Celle, 1961, S. 239 ff., 250 ff. m. w. N.

  68. Die monatliche Auflage der Gewerkschaftspresse lag 1971 bei etwa 13, 5 Mio Exemplaren, der jährliche Kapitalaufwand knapp unter 31 Mio DM — die Öffentlichkeitsarbeit durch Verteilung von Werbematerial und Sonderaktionen (wie sie bei Wahlkämpfen üblich geworden sind) nicht ein-gerechnet.

  69. Die Mitbestimmung ändert die Staatsform: in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. 4. 1974.

  70. Die sich durch eine Vermögensbildung mittels von den Gewerkschaften beherrschter Fonds erweiternden Möglichkeiten gewerkschaftlicher Inge: renz von der Bank der Anteilseigner her sind dabei noch nicht berücksichtigt.

  71. Vgl. allerdings § 29 MitbGE, der hier eine gewisse, wenngleich wohl nicht zureichende Bremswirkung entfaltet.

  72. Zu Recht hat W. Engels, Soziale Marktwirtschaft — verschmähte Zukunft? 1972, S. 53, darauf hingewiesen, daß die beiden Sektoren unserer Wirtschaft, in denen die gewerkschaftliche Mitbestimmung schon heute praktiziert wird — Kohle und Stahl —, gleichzeitig die einzig völlig kartellierten Wirtschaftszweige sind.

  73. Das haben Hanau und Stindt in ihrem Beitrag Machtverteilung in deutschen Gewerkschaften, Der Staat 10 (1971), S. 539 ff., am Beispiel der Satzungen der IG Metall und der DPG dargelegt. S. das,, S. 550 f., auch die Wiedergabe des Berichts eines Insiders über den Ablauf des gewerkschaftlichen Willensbildungsprozesses. Mit Recht fragt E. Mestmäcker. Durch Mitbestimmung zum Nachtwächterstaat, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 9. 3. 1974, „in welcher Weise die Gewerkschaftsvertreter gegenüber ihren Mitgliedern für ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat verantwortlich sein sollen, wie sich ihre Sorgfalts-und Treuepflichten im Unternehmen zu ihren Sorgfalts-und Treuepflichten zu ihren Mitgliedern verhalten; . . . welche Rechenschaft die Gewerkschaften der Öffentlichkeit schulden", und er betont die Notwendigkeit, das Verhältnis von Macht und Verantwortung der Gewerkschaft vor bzw. zugleich mit der Einführung der gewerkschaftlichen Mitbestimmung zu regeln; denn: „Kein demokratischer Staat wird in der Lage sein, die Ausübung gewerkschaftlichen Einflusses in den Unternehmen an Rechtsgrundsätze zu binden, nachdem die paritätische Mitbestimmung eingeführt ist.“

  74. Nachweise bei R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 164 Anm. . 17, 176 Anm. 69.

  75. Schwerdtfeger, a. a. O. (Anm. 72), S. 119f., 139 f.; Th. Raiser, Paritätische Mitbestimmung in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, JZ 1974, S. 273 ff., 278. Beide Autoren verteidigen allerdings eine Form der paritätischen Mitbestimmung, die den gewerkschaftlichen Einfluß weit geringer bemißt als der Mitbestimmungsgesetzentwurf,

  76. Das scheint auch Raiser, (a. a. O.), Anm. 46, andeuten zu wollen.

  77. Die Niederlage der Gewerkschaften im DGB bei den Sozialwahlen 1974 könnte in solchem Vertrauen bestärken.

  78. A. a. O. (Anm. 1), S. 200 f.

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