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Gewerkschaften in Europa Zwischen Resignation und Widerstand | APuZ 51-52/1984 | bpb.de

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APuZ 51-52/1984 Artikel 1 Artikel 2 Bedingungen und Risiken ihrer Bewältigung Internationale Schuldenkrise Internationale Sozialpolitik Gewerkschaften in Europa Zwischen Resignation und Widerstand

Gewerkschaften in Europa Zwischen Resignation und Widerstand

Wolfgang Lecher

/ 43 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Nach einer Phase der Stagnation, Resignation und Paralyse Ende der siebziger/Anfang der achtziger Jahre mehren sich nun die Zeichen einer Aktivierung des gewerkschaftlichen Handlungspotentials. Die Rückbesinnung auf die eigene tarifpolitische Stärke, zunehmende Diskussion und beginnende Praxis alternativer Technologie-und Produktionskonzeptionen, die Arbeitszeitdiskussion und die allmähliche Öffnung gegenüber Umwelt-und Rüstungsproblemen könnten trotz restriktiver wirtschafts-und sozialpolitischer Regierungspolitik in den meisten europäischen Ländern eine Restrukturierung gewerkschaftlichen Durchsetzungspotentials ermöglichen. Der europäische Überblick zeigt, daß trotz tendenziell ähnlicher Rahmenbedingungen von staatlicher Austeritätspolitik, Massenarbeitslosigkeit, Wachstumsschwäche und rückläufigen Organisationsquoten erhebliche nationale Unterschiede bestehen. Der Bogen spannt sich von relativen tarifpolitischen Erfolgen bei der Arbeitszeitverkürzung in der Bundesrepublik Deutschland über ein verstärktes Widerstands-und Alternativpotential in Großbritannien, die mit großen internen Schwierigkeiten kämpfenden Gewerkschaften Italiens und Frankreichs, dem Niedergang kooperativer Gewerkschaftspolitik in Belgien, den Niederlanden und Dänemarks bis hin zu der enormen Stabilität korporativer Einbindung der Gewerkschaften in Österreich und Schweden. Es ergibt sich ein differenziertes Bild gewerkschaftlicher Handlungsmöglichkeiten im Europa der Krise, das neben Risiken und Gefährdungspotentialen auch Hinweise auf Ansätze einer arbeitnehmer-und zukunftsorientierten Politik bietet

I. Resignation und Defensive — die Anomie der Jahre 1978— 1983

Eine Untersuchung über Stand und Zukunftsaussichten der Gewerkschaftsbewegung, noch dazu unter international vergleichender Fragestellung, befaßt sich offenbar mit „dem Chaos“. Weder kann heute von einem vorherrschenden, strukturierenden theoretischen Erklärungsmuster, wie es etwa in den sechziger Jahren das Pluralismus-Konzept und in den siebziger Jahren die Korporatismus-These war, ausgegangen werden, noch bieten die einzelnen nationalen Gewerkschaftsbewegungen ein wenigstens in Umrissen einheitliches gewerkschaftspolitisches Organisations-und Willensbild. Vielmehr differenzieren sich Struktur und Politik nicht nur der Richtungsgewerkschaften, sondern auch der Einzelgewerkschaften unter einem gemeinsamen Dachverband vielfach immer weiter aus -Schon gar nicht kann auf der internationalen Ebene von einem Angleichungsprozeß gewerkschaftlicher Politik-und Tarifstrategien gesprochen werden.

Auf den ersten Blick also das Bild einer Zerrüttung des traditionellen Monolithen, einer Auflösungstendenz unter Rückzugsgefechten, einer Plan-und Perspektivlosigkeit der Gewerkschaftsbewegungen auf allen Ebenen und weltweit. Dieses pessimistische Szenario — und „pessimistisch" gilt nicht nur für die Arbeitnehmerbewegung, sondern durchaus auch für ihren Tarifkontrahenten und den bürgerlichen Staat, die ein zumindest langfristiges Eigeninteresse an einer stabilen Gewerkschaftsbewegung haben sollten — galt aber allenfalls nur für einen relativ kurzen Zeitraum. Diese Spanne der Anomie von etwa 1978/79 bis 1982/83 wurde extern ausgelöst durch den zweiten Olpreisschock, den rapiden Verfall der Weltkonjunktur und in vielen industrialisierten Ländern durch den Wechsel der Regierungen hin zu politischen und ökonomischen Konzepten der Neoklassik bzw.des Monetarismus, des Abbaus des Sozialstaates und des offenen Kampfes gegen die Arbeitnehmerinteressen und die Gewerkschaften. Intern standen die Gewerkschaften vor der Erkenntnis, daß die Krise ab Mitte der siebziger Jahre keinesfalls konjunkturell erklärt und entsprechend kuriert werden konnte, sondern daß strukturelle Gründe und Mechanismen vorlagen, auf die ihr ökonomisch-keynesianischer Rezeptkasten oft keine schlüssige Antwort bot. Des weiteren wurde ihr Anspruch, für die gesamte lohnabhängige Arbeitnehmerschaft zu sprechen und ihre Interessen quasimonopolistisch zu vertreten, in vielen Ländern durch den Aufschwung von Ökologie-und Friedensbewegung erschüttert, der sich zumeist an den Gewerkschaften vorbei vollzog. Und drittens brachte die rasche Einführung neuer Technologien in Produktion und Verwaltung mit ihren immer noch unabsehbaren Folgen für Qualifikation, Arbeitsorganisation und -bedingungen, Arbeitslosigkeit und Arbeitnehmerbewußtsein den jahrzehntelang gepflegten selbstbewußten „Technischen-Fortschritt-Optimismus“ ins Wanken.

Die großen nationalen Gewerkschaftsbewegungen in Europa waren in dieser Zeit offenbar paralysiert. Dies gilt sowohl für die Bundesrepublik Deutschland, wo kein einziger flächendeckender, zukunftsweisender Tarifvertrag verabschiedet werden konnte und die politische Regierung sich zuungunsten der Gewerkschaften nach rechts verschob; dies gilt auch für Italien, wo ein letztlich unproduktiver Abwehrkampf um Teile der Lohngleitskala die Gewerkschaftskräfte so erschöpfte, daß für eine zukunftsorientierte Tarif-und Sozialpolitik wenig übrigblieb; dies gilt selbst für Frankreich, wo ein zwischenzeitlicher Fortschritt in den beiden ersten Jahren der Linksregierung vor allem auf der politischen Ebene, und damit den Gewerkschaften in der öffentlichen Meinung nicht ohne weiteres zurechenbar, erreicht wurde, während die Austeritätswende von den Gewerkschaften relativ diszipliniert mitgetragen wurde (eine eingehende Analyse der möglicherweise abweichenden Politik der französischen KPF und in ihrem Gefolge auch des größten Gewerkschaftsdachverbandes CGT nach dem Bruch der Volksfront im Sommer 1984 ist zur Zeit noch nicht leistbar); und schließlich gilt dies besonders für die britische Gewerkschaftsbewegung, der von der Regierung kaum verhüllt der Kampf bis aufs Messer angesagt wurde und die bis zur Auseinandersetzung um die Schließung der Kohlenminen Einfluß und Widerstandskraft wie keine andere westliche Gewerkschaftsbewegung einbüßte.

Auch ein Überblick über kleinere Gewerkschaften in den Niederlanden, Belgien und Dänemark zeigt ein deutliches Zurückweichen vor den Krisenfolgen und eine Bereitschaft zur Übernahme von Krisenopfern wie Lohnabbau, Sozialstaatsabbau und letztlich die Akzeptanz verminderten politischen Gewichts. Lediglich in den traditionell extrem sozialpartnerschaftlichen Systemen Österreichs und Schwedens konnten gewerkschaftspolitische Zentralpositionen wie beschäftigungsorientierte Wirtschafts-bzw. Arbeitspolitik in nationaler Isolation behauptet werden, ohne daß davon ein nennenswerter Sog auf andere Länder und Gewerkschaftsbewegungen ausgegangen wäre.

Die Situation der Gewerkschaften bis 1983 stellte sich weltweit als ein Gemisch aus Resignation und Anpassungsbereitschaft an die krisenhaften Rahmenbedingungen dar, wesentlich geprägt durch theoretische Analyse-defizite, praktische Handlungsohnmacht, vage Hoffnung auf den mittelfristigen Erfolg von Modernisierungsstrategien, rückläufige Organisationsquoten bzw. Mitgliederzahlen und dem Versuch, wenigstens die Kernmitgliedschaft der Facharbeiter zu halten. Dieses ist am deutlichsten bei den im folgenden nicht näher behandelten US-amerikanischen und japanischen Gewerkschaften zu beobachten, trifft aber in der Tendenz auch auf die meisten europäischen Gewerkschaften zu.

II. Das analytische Interesse — die Frage nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den nationalen Gewerkschaftsbewegungen

Die Gewerkschaftsperspektive Ende der siebziger/Anfang der achtziger Jahre war trotz vereinzelter verbaler oder punktuell programmatischer Ansätze (qualitatives Wachstum, Umweltinvestitionen, Vollbeschäftitungskonzepte traditionell keynesianischer Prägung) faktisch eher durch ein „Einigeln" und „überwintern" als durch eine aktive, umsetzungs-und durchsetzungsbezogene, autonome Zukunftsorientierung und der neuen weltwirtschaftlichen Situation entsprechende alternative Vorschläge auf den Gebieten der Wirtschafts-und Sozialpolitik gekennzeichnet. Dies lag nicht nur am Wechsel der Regierungen und ihrer Wirtschaftskonzeptionen, sondern auch am Unvermögen der Gewerkschaften, von einer kooperationsorientierten, integrativen Politik bis Ende der siebziger Jahre unter sich schnell weiter verschlechternden ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen Anfang der achtziger Jahre auf eine eigenständige und die kritischen gesellschaftlichen Anstöße (Friedenspolitik, Rüstungsdiskussion, Technikkritik, Wachstums-kritik, Umweltsensibilität, Zukunft der Arbeit) assimilierende Politik umzuschalten.

Das Jahr 1984 könnte aber — und das ist die Generalthese der folgenden nationalen Einzelanalysen — in einem Orwell entgegengesetzten Sinn nicht zum „Jahr Eins" der totalen Resignation der Gewerkschaften vor einer unbeeinflußbaren, sachgesetzlichen technoökonomischen Entwicklung, sondern zum lange überfälligen Beginn einer Restrukturierung der gewerkschaftlichen Handlungsmacht und damit zum Beginn des Widerstandes gegen die bisher vorherrschenden Krisenbewältigungsstrategien werden Dies wird nicht nur anhand der offenen Auseinandersetzungen in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch aus dem eher verborgenen Potential grundsätzlich anpassungsorientierter Gewerkschaften sozial-partnerschaftlicher Herkunft (relativer Erfolg einer aktiven Beschäftigungspolitik, deutliche Ansätze zu einer Struktur-und Investitionslenkung, Entwicklung bisher vernachlässigter gewerkschaftlicher Handlungsebenen) und den verschiedensten unkoordinierten Einzel-formen des Widerstandes in vielen nationa-len Gewerkschaften (z. B. Streiks in Belgien, Auseinandersetzungen in Staatsbetrieben in Frankreich) geschlossen. Die zentralen, spektakulären Widerstandsaktionen innerhalb oder außerhalb des geltenden Ordnungsrahmens stellen nur die Spitze des Eisberges dar. Die genauere Untersuchung zeigt darüber hinaus ein breites Spektrum von zwar vereinzelten, zumeist noch unkoordinierten, aber trotzdem oft recht wirkungsvollen Widerstandsaktionen gegen die Verschlechterung von Arbeits-und Lebensbedingungen, die jederzeit zum Ausgangspunkt einer systematischen Offensive der Gewerkschaften werden Ausgehend von dieser Lagebeurteilung ergibt sich die analytische Vorgehensweise. Daten zum gewerkschaftlichen Organisationsgrad, zur Arbeitslosigkeit, zur gesamtwirtschaftlichen Preisentwicklung und den Wachstumsraten belegen in einem ersten Schritt für die großen Länder Europas gemeinsame Tendenzen der Nationalstaaten, zeigen aber auch die jeweils relative Position des Landes und damit den Handlungsrahmen der Gewerkschaften im Vergleich zueinander auf. In einem zweiten Schritt werden Grundzüge der gewerkschaftlichen Struktur und des gewerkschaftlichen Selbstverständnisses genannt, um auf diesem Hintergrund dann drittens die Veränderungen der Beziehungen zwischen den Gewerkschaften und den Unternehmer-verbänden und besonders des Staates (Korporatismusdiskussion) unter den verengten Rahmenbedingungen zu behandeln. Viertens werden im Hauptteil der nationalen Analysen die aktuellen Gewerkschaftspolitiken und ihre Veränderungstendenzen geschildert, interpretiert und auf wahrscheinliche Zukunftsperspektiven untersucht. Im abschließenden übergreifenden Teil werden die aus dem nationalen Vergleich gewonnenen Erkenntnisse systematisiert und die besonderen gewerkschaftlichen Problemstellungen und Gefährdungspotentiale herausgefiltert. Aus der Gesamtanalyse der Entwicklung seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre über den potentiellen Wendepunkt 1984 werden in europäischer Perspektive die wichtigsten Handlungserfordernisse der Gewerkschaften für die nächsten Jahre festgestellt

III. Bundesrepublik Deutschland -Besinnung auf die eigene Kraft

Mit einer gewerkschaftlichen Organisationsquote von etwas über 40% nimmt die Bundesrepublik im internationalen Vergleich einen Mittelplatz ein, die Arbeitslosenquote von 8, 5% ist im europäischen Vergleich noch relativ günstig, ebenso die Preisentwicklung sowie die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts von 1984 jeweils schätzungsweise 2 bis 3%. Mit Ausnahme der Inflationsrate zeigen aber diese Daten im Zeitreihenvergleich analog zu den übrigen hochindustrialisierten Staaten ein deutliche Verschlechterungstendenz. Die Wirtschafts-und Gesellschaftskrise trifft die Bundesrepublik also nur marginal schwächer. Allerdings sind die Gewerkschaften strukturell vergleichsweise gut zur Verteidigung der Arbeitnehmerinteressen gerüstet. Drei Strukturprinzipien der dominierenden DGB-Gewerkschaften garantieren eine zumindest formal relativ hohe Durchsetzungskraft: — das Prinzip der Einheitsgewerkschaft, das trotz kleiner konkurrierender Organisationen im internationalen Vergleich relativ weitgehend realisiert ist;

— das Prinzip der Industriegewerkschaften, d. h. die betriebseinheitliche gewerkschaftliche Organisierung;

— eine zentrale Orientierung bei der Gewichtung der kollektiven und auch politischen Verhandlungsebenen der Gewerkschaften, die institutionell und informell einen sicheren und engen Kontakt in den gewerkschaftlichen Außenbeziehungen zu Unternehmerverbänden, Parteien und Staat erlaubt.

Trotzdem hätte noch zu Beginn der achtziger Jahre niemand zu prognostizieren gewagt, daß es ausgerechnet die deutschen Gewerkschaften sein würden, die 1984 mit klassischer Tarifautonomie das Ziel einer wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden mit vollem Lohnausgleich propagierten und damit die Dominanz der Arbeitgeber bei den Nutzungsbedingungen der Arbeitskraft unter den verschlechterten ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen in Frage stellten. Ähnlich wie in vielen anderen Ländern war eine liberal-sozialdemokratische Regierungsära zu Ende gegangen, die Massenarbeitslosigkeit stieg in Schüben immer weiter an, der sukzessive Abbau der sozialen Errungenschaften des Wohlfahrtsstaates intensivierte sich, die Gewerkschaften mußten erhebliche Verluste bei der Mitgliederzahl hinnehmen und die im internationalen Vergleich einma-lige Mäßigung in tariflichen Lohnabschlüssen (mehrere Jahre hintereinander Reallohnverluste) wurde keineswegs durch eine wenigstens informelle Bereitschaft zur Kooperation zwischen Staat und Gewerkschaftsspitzen honoriert. Die Regierung nahm im Gegenteil in den Tarifkonflikten offen zugunsten der Arbeitgeberposition Partei, stellte öffentliche Überlegungen zu einem Verbändegesetz an und versuchte, die prekär gespaltene, interne Situation der Gewerkschaften durch die gesetzliche Favorisierung der Vorruhestandsregelung gegenüber der Wochenarbeitszeitverkürzung noch zu verschärfen. Die Situation stellte sich für die deutschen Gewerkschaften seit Ende der siebziger Jahre folgendermaßen dar:

— Die Krisenanalyse zeigte nun klar die Dominanz von epochalen strukturellen Brüchen und langfristiger Wachstumsschwäche an und damit den Abschied von der gerade in den Gewerkschaften lange gehegten Wunschvorstellung einer wenn auch vertieften, so doch letztlich nur konjunkturell bedingten Krise.

— Die traditionelle gewerkschaftliche Basis der qualifizierten Industriearbeiterschaft schmolz mit dem Schrumpfen der von der Strukturkrise besonders betroffenen Schlüsselbranchen Eisen und Stahl, Bergbau, Maschinenbau, Druckindustrie und Textilindustrie, während es den Gewerkschaften nur sehr unzureichend gelang, Beschäftigungsgruppen wie Angestellte, Beamte, aber auch Frauen, Jugendliche und generell die Randarbeitnehmergruppen von der Notwendigkeit gewerkschaftlicher Organisation zu überzeugen. — Die Massenarbeitslosigkeit und der Druck der Reservearmee von Arbeitssuchenden auf den Arbeitsmarkt verschlechterte die Verhandlungsposition der Gewerkschaften bei den Verteilungsauseinandersetzungen und spaltete tendenziell den von ihr vertretenen „Faktor Arbeit“ in Arbeitsplatzbesitzende und Arbeitssuchende auf.

— Der Versuch der Gewerkschaften, in dieser kritischen Lage einen stärkeren Bezug zwischen Apparat und Mitgliedschaft durch die Regionalisierung der Tarifverhandlungen, die Erprobung einer neuen Beweglichkeit bei Tarifkämpfen, die Ausweitung der Mitbestimmung auch auf Arbeitsplatzebene und eine arbeitsrechtliche Offensive herzustellen, wurde von den Arbeitgebern mit offener oder kaschierter Unterstützung des Staates/der Regierung bekämpft. Diese setzten auf die Zentralisierung der Tarifverhandlungen, blockten erfolgreich Initiativen zur Mitbestimmung ab, erreichten eine extensive Auslegung des Aussperrungsrechtes und höhlten die Verbindlichkeit kooperativer Absprachen aus.

Als 1984 einige wichtige Manteltarifvereinbarungen zur Arbeitszeit ausliefen, entschlossen sich zunächst fünf Mitgliedsgewerkschaften im DGB, darunter die dann streikaktiven IG Metall und IG Druck und Papier, um die Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich zu kämpfen. In diesem anspruchsvollen Ziel vereinigten sich ganz unterschiedliche Reaktionen auf und Perspektiven über die aktuelle Wirtschafts-und Gesellschaftskrise hinaus

— Ein weiteres Ansteigen der Massenarbeitslosigkeit sollte über die Umverteilung der Arbeit verhindert werden. Damit würde die Entsolidarisierung von Beschäftigten und Arbeitslosen unterbunden.

— Ein weiteres Absinken der Massenkaufkraft sollte über die Stabilisierung des Reallohnniveaus vermieden werden.

— Eine bessere Vereinbarkeit der unterschiedlichen Anforderungen von Beruf und Familie bzw. Arbeit und Freizeit sollte über die tägliche Verkürzung der Arbeitszeit erreicht werden.

— Eine weitere Gefährdung der Arbeitskraft und der Gesundheit durch wachsende Arbeitsbelastungen infolge ungünstiger Dauer und Lage der Arbeitszeit sollte vermieden werden.

— Der betriebliche Widerstand gegen steigende Leistungsanforderungen und umfassende Rationalisierungsmaßnahmen sollte gestärkt werden.

— Die individuelle Flexibilisierung der Arbeitszeit allein nach Betriebserfordernissen sollte vermieden werden.

Generell ging es also darum, der Ausweitung der unternehmerischen Verfügungsgewalt über die Anwendungsbedingungen der menschlichen Arbeitskraft bezüglich Preis, Arbeitszeit und Arbeitsorganisation auch unter den restriktiven Rahmenbedingungen der Krise Einhalt zu gebieten. Die Gewerkschaften versuchten, im Vertrauen auf die eigene Kraft die zunehmende Asymmetrie der gesellschaftlichen Machtverteilung zu ihren Ungunsten zu stoppen und ihre Handlungsfähigkeit nach außen gegenüber dem Tarifkontra-henten und den staatlichen Institutionen, aber auch nach innen gegenüber ihrer verunsicherten Mitgliedschaft zu beweisen. Dies gelang mit dem Abschluß der 38, 5-Stunden-Woche — bei der IG Metall allerdings mit dem Flexibilitätszusatz, daß die neue Wochenarbeitszeit nur einen Durchschnittswert darstellen sollte — bei vollem Lohnausgleich und einer relativ kurzen Laufzeit bis Ende 1986 nur ansatzweise

Doch wurde das Arbeitszeittabu der Unantastbarkeit der 40-Stunden-Woche nach mehrwöchigem harten Streik und extensiver Aussperrungspraxis durchbrochen und in der nun anlaufenden betrieblichen Nachverhandlungsrunde besteht die Möglichkeit, Uber-Stundenregelungen, wichtige Arbeitsbedingungen und Belastungsgrenzen sowie Kontrollrechte des Betriebsrates in Betriebsver-einbarungen festzuschreiben. Welch hohen Stellenwert dieser Abschlußkompromiß in den Augen der ausländischen Gewerkschaften hat, zeigt beispielhaft die Reaktion der italienischen CGIL: „In der Bundesrepublik Deutschland ist der härteste Arbeitskampf seit einem halben Jahrhundert zu Ende gegangen. (Es) wurde eine Mauer durchbrochen: die 40-Stunden-Woche. Und das in einem Land, dessen Wirtschaft immer noch die stärkste des Kontinents ist und dessen Gewerkschaften in den vergangenen Jahren als wenig kampfbereit erschienen. Mit dieser Errungenschaft gehört die Gewerkschaftsbewegung der Bundesrepublik Deutschland zur Vorhut der Arbeiterbewegung in Europa beim Einsatz für die Rechte der Arbeiterschaft, für eine menschliche Arbeitswelt und besonders für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit."

IV. Italien der lange Abschied vom Heißen Herbst

Mit einer rückläufigen Organisationsquote von offiziell noch 43% einer Arbeitslosenquote von 10, 6% (dazu der höchsten Jugend-arbeitslosigkeit in Europa), einer Inflationsrate von über 15% und einer Bruttosozialprodukts-Wachstumsrate von 2, 9% stellt sich die Krisensituation für die Gewerkschaften in Italien schärfer als in der Bundesrepublik. Zudem sind sie organisatorisch schlechter gerüstet, obwohl sich in den siebziger Jahren erhebliche Veränderungen ihrer Struktur und ihres Selbstverständnisses ergaben Der Organisationsgrad stieg von rund 30% Ende der siebziger Jahre an, wobei allerdings die traditionelle Schere zwischen relativ hohem Organisationsgrad im industrialisierten Norden — und hier besonders im Metallbereich (über 60%) — und dem unterindustrialisierten, halb feudal-landwirtschaftlich strukturierten Süden nicht überwunden werden konnte.

Die scharfe ideologische Trennung zwischen den großen Richtungsgewerkschaften CGIL (kommunistisch-sozialistisch orientiert), CISL (christlich-linkskatholisch-sozialistisch orientiert) und UIL (sozialdemokratisch-republikanisch orientiert), welche die gewerkschaftsinternen Auseinandersetzungen bis Mitte der sechziger Jahre prägte, wurde infolge der auf Betriebsebene einheitlich geführten Arbeitskämpfe im „Heißen Herbst“ 1969 abgeschwächt; es wurden neue Formen der Zusammenarbeit gefunden. So besteht seit 1972 eine paritätische Dachföderation der drei großen Bünde, und die Metallgewerkschaften haben sich bereits 1970 zur einheitlichen Einzel-gewerkschaft FLM zusammengeschlossen und dadurch zusätzliches Gewicht in der Gewerkschaftsbewegung und in den Auseinandersetzungen mit den privaten und staatlichen Metallarbeitgebern erreicht. Kaum berührt von dieser Entwicklung wurde allerdings die unterschiedliche sektorale Verankerung der Bünde. Nach wie vor ist der überwiegende Teil der CGIL-Mitglieder (55%) in der Industrie beschäftigt, während CISL und UIL mit jeweils 30% einen überproportional hohen Anteil der im öffentlichen Bereich Beschäftigten organisieren.

Seit dem Ende der siebziger Jahre lassen sich drei Phasen der Entwicklung gewerkschaftlicher Politik unterscheiden Von 1977 bis 1979 wurde auf der Grundlage des sogenannten EUR-Kompromisses (eine Art informeller Sozialvertrag) auf eine aktive, expansive Lohnpolitik zugunsten von staatlichen/unternehmensabhängigen Zusagen einer qualitativ orientierten Politik in den Bereichen Beschäftigung und Arbeitsmarkt, Entwicklung des Südens und einer Steuer-und Gesundheitsreform verzichtet. Ganz ähnlich wie beim etwas früher eingeleiteten „Social Contract" in Großbritannien konnten die Gewerkschaften zwar intern — wenn auch mit Mühe — ihre Politik des Lohnverzichts durchsetzen und realisieren, erhielten aber nur höchst unzureichende und enttäuschende Gegenleistungen in Form von nicht realisierten Gesetzentwürfen oder einer völlig unzulänglichen Ausführungspraxis. Letztlich führte auch in Italien der Versuch, eine tragfähige konzertierte Aktion unter den restriktiven Rahmenbedingungen der Krise einzurichten, nur zu einer gefährlichen zusätzlichen Schwächung der Gewerkschaftsbewegung, die auf der zentralen Ebene durch den Mißerfolg an Glaubwürdigkeit verlor und auf der dezentralen Ebene den Ablösungsprozeß der Basisdelegierten und die Entwicklung autonomer Betriebs-und Professionsgewerkschaften beschleunigte.

Vor dem Hintergrund einer weiter verschlechterten ökonomischen Situation, der Drohung von Staat und Unternehmerverbänden, einseitige Entscheidungen im Fall von „mangelnder Verhandlungsbereitschaft" der Gewerkschaften zu treffen, und der geschwächten Position dieser Gewerkschaften selbst, akzeptierten diese schließlich in der zweiten Phase im Januar 1983 ein zentrales Rahmenabkommen zur Bekämpfung der Inflation, in dem sie zum ersten Mal eine Kürzung der „Scala mobile" hinnehmen mußten und dafür lediglich einige Vorteile bzw. Sicherungen der stabilen Facharbeiter-Kerngruppen in den noch gesicherten Wirtschaftsbereichen erreichten. Damit war zum ersten Mal seit den Herbstunruhen 1968 das geheiligte Prinzip der Egalitätsklausel gewerkschaftlicher Vertretungspolitik — wie sie etwa ganz deutlich noch den Sozialvertrags-Verhandlungen zugrunde lag — entscheidend durchbrochen.

Es erstaunt daher auch nicht, daß genau diese Bruchstelle ein Jahr später die dritte, bisher kritischste Phase der Entwicklung einleitete, als von der Regierung nach ergebnislosen Verhandlungen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften ein Anti-Inflations-Pakt mit einer weiteren Reduzierung des egalitär wirkenden Lohnausgleichs per Gesetzesdekret durchgedrückt wurde. Obwohl die komplizierte innen-, partei-und regierungspolitische Situation die praktische Umsetzung bisher verhinderte, wurde die in .der Dachkonföderation vereinheitlichte Gewerkschaftsbewegung Italiens an den Rand der Spaltung geführt. Die den Regierungsparteien näherstehenden Bünde CISL und UIL akzeptierten die Aushöhlung der Lohnindexierung und wurden darin vom sozialistischen Flügel des größten Gewerkschaftsbundes CGIL unterstützt. Dagegen lehnte der kommunistisch orientierte Flügel dieses Bundes, auf die Stimmen der radikalisierten Fabrikräte gestützt, unter dem Eindruck massiver Abwanderungen der Mitgliederschaft in autonom-partikuläre Interessenvertretungen jede Veränderung der Lohnanpassungsmechanik ab.

In dieser sehr gefährlichen Situation scheint der Tarifabschluß einer verkürzten Arbeitszeit in der Bundesrepublik Deutschland von den italienischen Gewerkschaften als Chance erkannt zu werden, aus der Sackgasse der von der Regierung diktierten Lohnanpassungsund Inflationsproblematik herauszukommen, sich auf die Formel der Wochenarbeitszeitverkürzung (wahrscheinlich 35 Stunden ohne vollen Lohnausgleich) zu konzentrieren und sich damit wieder enger zusammenzuschließen. Es ist also zu erwarten, daß die italienische Gewerkschaftsbewegung im nächsten Jahr — 1985 mit auslaufenden Manteltarifen — das erste Mal nach den letzten tarifpolitischen Erfolgen Mitte der siebziger Jahre unabhängig vom Einfluß der den Richtungsgewerkschaften zugeordneten politischen Parteien und einheitlich eine progressive, zukunftsorientierte und den Problemen der neuen Technologien und der Arbeitslosigkeit angemessene Tarifstrategie entwickelt.

V. Großbritannien — Ansätze eines zukunftsorientierten Abwehrkampfes

Die noch relativ hohe gewerkschaftliche Organisationsquote von über 50% ist seit Ende der siebziger Jahre sehr stark rückläufig die Arbeitslosenquote ist unter den großen europäischen Industriestaaten mit knapp 12% die höchste, die Wachstumsrate bewegt sich im Durchschnitt, allein die Inflationsrate ist in den letzten beiden Jahren — wohl auf Kosten der anderen hier vorgestellten Indikatoren — drastisch zurückgegangen. Zudem hat die britische Gewerkschaftsbewegung mit massiven organisatorisch-internen Problemen zu kämpfen Auf dezentraler Ebene werden zwischen Betriebsführung (Management) und Shop Stewards und ihren Komitees oft Abkommen geschlossen, die zentral vereinbarten Richtlinien nicht entsprechen und zudem die Perspektive auf betrieblicher Ebene auf den quantitativen Tarifaspekt konzentrieren. So kommt es zu der doppelt gespaltenen Situation, daß auf betrieblicher Ebene Fragen der Löhne und Gehälter progressiver behandelt werden, während auf zentraler Ebene der quantitative Aspekt restriktiv, dafür aber qualitative Bestandteile der Tarifpolitik mit dem Schwerpunkt bei den verschiedenen Möglichkeiten der Arbeitszeitverkürzung vergleichsweise intensiv diskutiert werden. Die Diskrepanz innerhalb der britischen Gewerkschaftsorganisation zwischen Dachverband und von ihm ausgehenden Organisationsprinzip und betrieblicher Gewerkschaftsvertretung durch die Shop Stewards und darauf aufgebauter Organisationsstruktur bestimmt die britische Gewerkschaftspolitik in ihrer Widersprüchlichkeit, aber auch Widerstandsfähigkeit gegenüber den immer massiveren, inzwischen permanenten Versuchen der Einschränkung gewerkschaftlicher Autonomie. Diese Doppelstruktur hat Gründe, die vor allem in der historischen Entwicklung der Gewerkschaften, aber auch in den anderen ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu suchen sind.

Herausragende Kennzeichen, die die britische Gewerkschaftsbewegung von den kontinentaleuropäischen unterscheiden, sind das Multigewerkschaftsprinzip und die daraus resultierende Zersplitterung in viele Einzelgewerkschaften, die sehr enge, halb institutioneile Verbindung der Gewerkschaft mit der Labour-Partei, closed-shop-Regelungen (vollständige Organisierung eines Betriebs in nur einer Gewerkschaft) verschiedener Abstufung und ein auf individuellen Schutz abgestelltes Arbeitsrecht mit entsprechend freizügiger Arbeitskampfregelung. Jedes dieser vier wesentlichen Konstitutionsmerkmale beinhaltet Erklärungsmomente für die dualistische Struktur der britischen Gewerkschaftsorganisation und deren Pole TUC und Shop Stewards: — Das Multigewerkschaftsprinzip schafft sowohl Abgrenzungskonflikte zwischen den einzelnen im Betrieb vertretenen Gewerkschaften als auch Konflikte in der Interessenvertretung gegenüber dem betrieblichen Management. Der objektive Druck, sich auf betrieblicher Ebene in Komitees, denen Shop Stewards verschiedener Gewerkschaftszugehörigkeit angehören, zusammenzuschließen, konterkariert aber die einzelgewerkschaftliche Zersplitterung und stärkt die betriebliche Eigenständigkeit der Stewards.

— Die enge Verbindung der Gewerkschaften mit der Labour-Partei besonders auf Dachverbandsebene und die Tendenz zur Übernahme parteipolitischer Programmatik in die Gewerkschaftsbewegung ohne die Ausformulierung eigener Vorstellungen trägt zum gewerkschaftlichen Pragmatismus und der Tendenz bei, vor allem unter Labour-Regierungen eine starke Einbindung in staatliches Krisenmanagement zu akzeptieren, was aber von der betrieblichen Tarifpolitik der Shop Stewards oft nicht toleriert wird.

— Closed-shop-Regelungen stärken die Verhandlungsposition der Shop Stewards, indem sie die Gewerkschaftsvielfalt im Betrieb reduzieren und die quantitative Organisationsbasis vergrößern, implizieren aber zugleich eine erhöhte Unabhängigkeit von der offiziellen Gewerkschaftsorganisation und werden daher auch von vielen Betriebsführungen unterstützt. — Da das Arbeitsrecht zwar (noch) keine formalen Rechtsregelungen kennt, die ein Streikrecht positiv als Grundrecht definieren, aber Rechtsvorschriften existieren, die den Streikenden Rechte gewähren, zudem Tarifverträge in der Regel unverbindliche Absichtserklärungen, nicht einklagbar und nicht an eine Friedenspflicht gebunden sind, ist eine ständige Konfliktbereitschaft der Arbeitnehmer und ihrer betrieblichen Gewerkschaftsvertreter nötig, um einmal erreichte Errungenschaften zu sichern. Die britische Gewerkschaftsbewegung ist existentiell auf ein hohes, latentes betriebliches Konfliktniveau angewiesen.

Dies war die organisatorisch-strukturelle Ausgangslage, als mit dem Erfolg der konservativen Partei bei den Wahlen 1979 auch der politische Versuch beendet wurde, im Rahmen eines „Sozialkontrakts" zwischen Labour und den Gewerkschaftsspitzen der Wirtschaftskrise ihre gesellschaftspolitische Sprengkraft zu nehmen. Dabei waren die ökonomischen Probleme des Landes aufgrund seiner industriellen Überalterung, seiner geringen Produktivität und dem Zerfall des kolonialen Erbes schon zu Beginn der siebziger Jahre größer als in vielen anderen hochindustrialisierten Ländern, und die Arbeiterbewegung befand sich mit ihrem traditionellen keynesianisch-nachfrageorientierten Ansatz bei mangelhafter internationaler Wettbewerbsfähigkeit in der Defensive.

Aber erst die mit beispielloser Rigorosität durchgeführte Roßkur des neoklassisch-monetaristischen Wirtschaftskonzepts, ergänzt durch ihm konforme Maßnahmen wie Abbau der Sozialleistungen, Erlaß gewerkschaftsfeindlicher Gesetze, Privatisierungsmaßnahmen und Druck auf die Arbeitnehmer durch gezielte Inkaufnahme von Massenarbeitslosigkeit zeigten die ersten Schwächen von Labour und den Gewerkschaften auf. Erstens schadete die Identifikation von beiden in weiten Teilen der Öffentlichkeit einer jeweils eigenständigen, abgrenzbaren und glaubwürdigen Positionsfindung. Zweitens fiel in die Zeit der Labour-Regierung und ihres Sozialpakts mit den Gewerkschaften Mitte der siebziger Jahre die erste Krisenphase, und es zeigte sich, daß die damalige Wirtschaftspolitik versagte. Drittens griffen die alten Mechanismen und die breite Solidarität der „Arbeiterkultur" angesichts neuer Medien, einer immer stärkeren Individualisierung von Arbeit und Leben und dem Rückgang des Anteils der Massenfabrikation mit ihrer typischen Arbeitsorganisation nicht mehr im bisher gewohnten Maß. Auch die Praxis des „closed shop" erzeugte unter diesen Bedingungen eher Karteileichen, als daß sie die bei dezentralisierten, betriebsorientierten Arbeitsbeziehungen so nötige Motivation und Engagement der Beschäftigten stärkte und sicherte.

Die konservative Regierung sagte den Gewerkschaften gleichzeitig offen den Kampf an, indem sie in zwei „Employment-Acts" 1980 und 1982 das Streikposten-Recht einschränkte, bei inoffiziellen Streiks Schadensersatzklagen ermöglichte, politische Streiks untersagte und darüber hinaus plant, die Tariffreiheit der Gewerkschaft im öffentlichen Dienst zu beschneiden, dagegen aber einen „Kampf-Fonds“ für bestreikte Arbeitgeber einzurichten Darüber hinaus brach sie die Kontakte zu den Gewerkschaften in den zentralen, meist drittelparitätischen Besprechungs-und Kontrollinstitutionen ab und griff statt dessen direktiv — offen oder verdeckt — in die Tarifbeziehungen besonders des öffentlichen Industrie-und Dienstleistungsbereichs ein.

Diese Frontalangriffe, die rapide Erhöhung der Massenarbeitslosigkeit, der relative Er-12) folg der Regierung in der Währungs-und Inflationspolitik, die Dauerpropaganda des Gesundschrumpfens zugunsten des später angeblich sicheren Aufschwungs und die jahrelange konzeptionelle und personelle Handlungsunfähigkeit der Labour-Regierung steuerten die britischen Gewerkschaften in die vielleicht schlimmste Krise ihrer Geschichte. Die Mitgliederzahlen gingen drastisch zurück, die strukturell sowieso schon schwache Handlungseinheit im TUC zerfiel weiter, die Flügelbildung zwischen linken, kampforientierten Gewerkschaften wie Druckern und Bergarbeitern und kooperationswilligen Gewerkschaften nahm zu, die Gegensätze zwisehen betrieblichen Shop-Stewards und offiziellen Gewerkschaftsfunktionären auf der regionalen und nationalen Ebene verschärften sich, und bis 1983 demonstrierte das britische Beispiel einer staunenden Weltöffentlichkeit den zügigen Verfall einer der ältesten, kämpferischsten und selbstbewußtesten Gewerkschaftsbewegungen, bedingt durch innere Reformunfähigkeit und vielfältigen äußeren Druck. Gleichwohl scheint seit 1984 diese Tendenz in Frage gestellt . und damit auch die Macht derjenigen moderaten Gewerkschaftsführer, die bereit waren, die Verrechtlichung der Gewerkschaft zu akzeptieren, sie auf die neuen Realitäten einzustimmen und den Dialog mit der Regierung aus einer geschwächten Position wieder aufzunehmen. Drei Bewegungen, die sich zum Teil über Jahre im Schatten der konservativen Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik entwickelten, kommen jetzt zur Entscheidung und schaffen ein noch vor kurzem nicht für möglich gehaltenes Mobilisierungspotential für die Arbeitnehmerbewegung und ganz besonders für die Gewerkschaften:

— Der Existenzkampf der Kohlearbeiter und die offene, totale Konfrontation zwischen der Bergarbeitergewerkschaft und dem staatlichen Kohledirektorium schufen eine politische Situation, die derjenigen des Heath-Sturzes 1974 nicht unähnlich ist.

— Durch die beharrliche, praktisch-konkrete und beispielhafte Entwicklung und Verbreiterung einer humanen Technikkonzeption im Rahmen der Rüstungs-Konversionsdebatte (Lucas-Aerospace, CAITS, Ökologie-und Friedensbewegung und ihre Kontakte zu kritischen Gewerkschaftern) wurde ansatzweise ein öffentliches Bewußtsein über die Steuerbarkeit des technischen, ökonomischen und sozialen Wandels geschaffen. Dieses widerspricht offen der laizistischen Marktkonzeption der herrschenden Politik.

— Der auch unter ihren Anhängern sehr un-36 populäre Versuch der Thatcher-Regierung die erfolgreichen kreativen und innovativen Ansätze zu einer Verbindung von Arbeitsplatzbeschaffung und Kontrolle und Humanisierung von Arbeitsbedingungen in den Großstädten über die Auflösung der Bezirksregierungen zu zerstören, schädigt massiv das Ansehen der Regierung und ihrer Politik.

Vor dem Hintergrund des ständigen Zurückweichens und einer zunehmenden Paralyse der Arbeiterbewegung seit 1979 ist diese zukunftsorientierte Regeneration wichtiger Teile der Gewerkschaften auch aus der Perspektive der internationalen Gewerkschaftsbewegung sehr instruktiv, weil sie eine ernst zu nehmende und vielleicht die entscheidende Herausforderung des restriktiven Wirtschaftskurses darstellt, wie eine knappe Analyse des GLEB (Greater London Enterprise Board) -Konzepts zeigt Ausgehend von den Produktkonversionsvorschlägen (Rüstungs-versus sozial nützliche Güter), wie sie von einem Gewerkschaftskomitee bei Lucas-Aerospace und nachfolgend von CAITS (Centre for Alternative Industrial and Technological Systems) diskutiert und entwickelt wurden, übernahm die Labour-orientierte Londoner Bezirksregierung GLC (Greater London Council) 1981 die Idee, auf der Grundlage von regionalen Branchenanalysen ein alternatives regionales Wirtschaftskonzept zur Schaffung von qualifizierten und zukunftsorientierten Arbeitsplätzen aufzustellen. Allein 1983 wurden über 30 Millionen Pfund in die Rettung und Neugründung von Betrieben investiert und zwischen Mai und Oktober des Jahres 2000 Arbeitsplätze in 71 Betrieben erhalten oder neu geschaffen. GLEB — eine selbständige Organisation mit 71 Beschäftigten, einem vom GLC gewählten Aufsichtsrat, dessen Vorsitzender ein hoher Gewerkschaftsfunktionär ist, und einem Jahresetat von z. Z. 140 Millionen Pfund — interveniert bei drohenden Betriebsstillegungen, saniert durch Um-stellungen auf neue Produkte und besteht auf der Einführung von Mitentscheidungsrechten der Arbeitnehmer. Das Erfahrungswissen der Industriearbeiter und wissenschaftliche Er-13) kenntnisse werden in Form von dezentralisierten Technologie-Netzwerken — ähnlich den niederländischen Wissenschaftsläden — mit regionalen und/oder fachlichen Schwerpunkten zusammengebracht. In diesen Werkstätten wird mit Unterstützung aus den Universitäten und Forschungsinstituten versucht, Produktvorschläge anwendungsreif zu machen. Gelingt die Produktion, fließt zunächst ein Teil der Gewinne an „Netzwerk“ zurück, später können sich diese Betriebe selbständig machen. Beispiele für erfolgreiche Arbeit sind — Erstellung eines Prototyps eines windgetriebenen Generators für die Dritte Welt; — Entwicklung einer eisernen Lunge für den Heimgebrauch;

— Spiel-und Sportgeräte für räumlich beengte Kindergärten;

— automatische Zusatztreppe für Behinderte in den Londoner Bussen;

— aber auch ein „Energienetzwerk", wo sich Mietergruppen gemeinsam über Einsparungsmöglichkeiten bei den Energiekosten informieren und damit selbst experimentieren.

Mit diesen praktisch-konkreten Beispielen sozial sinnvoller Produkt-und Verfahrensinnovationen ist eine präzise politische Philosophie verbunden: Die Befriedigung bisher unbefriedigter, aber latent vorhandener Bedarfe wird durch die gezielte Entwicklung sozial-nützlicher Produkte erreicht; eine Förderung alternativer Eigentumsformen als Kooperativen oder Besitzbeteiligung der Beschäftigten, sowie neue Formen der Arbeitsorganisation werden angestrebt und mit dem Ausbau von Informations-und Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmer verbunden. Dies ist eine Strategie, die sowohl quer zur bisherigen, ziemlich wirkungslosen Arbeiterkontrollideologie der traditionellen Linken wie zum Produktivitätsfetischismus der neuen Rechten liegt. Die konservative Regierung hat diese Bedrohung erkannt und versucht konsequent, über die politische Eliminierung des GLC den alternativen Ansatz des von ihm finanziell getragenen GLEB zu zerstören. Zusammen mit dem Kampf der Bergarbeiter könnte sich aber der von der Bevölkerung unterstützte Kampf um die Erhaltung dieser lokalen und regionalen politökonomischen Alternativen zu einer entscheidenden Bar-riere gegen weitere Einbrüche der konservativen Regierung in die Lebens-und Arbeitswelt entwickeln und zum Ausgangspunkt für eine zukunftsweisende Restrukturierung der britischen gewerkschaftlichen und politischen Arbeitnehmerbewegung werden.

VI. Frankreich — das Trauerspiel einer gegängelten Gewerkschaftsbewegung

Im hier vorgenommenen europäischen Vergleich weist Frankreich mit rund 22 % die niedrigste Organisationsquote auf, liegt mit einer Arbeitslosenquote von 10, 3 % trotz einer zwischenzeitlich nachfrageorientierten Politik allenfalls im Durchschnitt und hat mit einer relativ hohen Inflationsrate von über 10% und weit unterdurchschnittlichen Wachstumsraten zu kämpfen. Trotz der Existenz einer Linksregierung mit klarer Mehrheit seit 1981 befinden sich die französische Gewerkschaftsbewegung und vor allem die beiden größten antikapitalistisch eingestellten Bünde CGT (Confödöration gnrale du travail) und CFDT (Confödöration francaise dömocratique du travail) in einer äußerst ernsten Krise. Der Niedergang dieser Gewerkschaften datiert zurück bis zur Mitte der siebziger Jahre, d. h. bis zum Beginn der Strukturkrise in den Branchen Stahl, Kohle und Textil. Weder Massendemonstrationen in den am härtesten betroffenen Regionen, die von der CGT favorisiert wurden und mehrmals die Form von politischen Generalstreiks annahmen, noch der von der CFDT unterstützte Versuch, im Rahmen von Arbeiterproduktionskooperativen (autogestion) exemplarisch neue betriebs-und gesellschaftsrelevante Modelle zu schaffen und zu testen, waren auf die Dauer erfolgreich. Die von der damaligen liberal-konservativen Regierung verfolgte Austeritäts-und Modernisierungspolitik führte unmittelbar zu Massenarbeitslosigkeit. Entlassungen und Unsicherheit bei den Beschäftigten schärften das Arbeitnehmerbewußtsein über die Diskrepanz von verbalen Attacken und praktischer Ohnmacht gerade gegenüber den beiden aktivsten Gewerkschaftsbünden. Die CFDT und in noch stärkerem Maße die CGT verloren Mitglieder, büßten deutlich an Stimmen bei den Wahlen (Gewerkschaftssektionen, Betriebsratswahlen, Sozialwahlen) ein und waren immer weniger in der Lage, dem sehr konservativen französischen Unternehmertum, aber auch den technokratischen Strategien der politischen Parteien einen autonomen Widerstand entgegenzusetzen. Parallel dazu nahmen die drei reformistischen Gewerkschaftsbünde CGT-FO (Force ouvrire), CGC (Confödöration gnrale des cadres) und die kleine katholische CFTC in der Wählergunst zu. Auch die arbeitnehmerorientierte Politik im ersten Jahr der Linksregierung wurde im Bewußtsein der Öffentlichkeit und großer Teile der Arbeitnehmerschaft weit eher den regierenden Parteien und weniger den Gewerkschaften zugeschrieben. Als im Juni 1982 ein halbjähriger Lohn-und Preisstopp die von der hohen Inflationsrate und dem wachsenden Außenhandelsdefizit als Folge des nachfrageorientierten nationalen Alleingangs Frankreichs erzwungene Sparpolitik — zunächst mitgetragen von den Gewerkschaften — einläutete, potenzierten sich die Probleme. Selbst das erneuerte Arbeitsrecht, das die Stellung der Gewerkschaften im Betrieb absichern hilft und langfristig auf die institutionelle Verankerung einer echten Verhandlungsbereitschaft beider Seiten abzielt kann in der gegebenen kritischen Situation durch die Forderung nach „Verantwortungsbereitschaft“ und der Vorrangstellung des . Ausdrucksrechts“ des Individuums und kleiner Arbeitsgruppen den kollektiven und systemkritischen Ansatz der beiden großen Linksgewerkschaften unterminieren und damit zu ihrer weiteren Schwächung beitragen. Es ist nicht auszuschließen, daß die auch von ihrer eigenen Wahlklientel hart kritisierten regierenden Linksparteien die ihnen zugerechneten beiden Linksgewerkschaften quasi als Kugelfang für ihre unter den Arbeitnehmern sehr unpopuläre Austeritätspolitik benutzen. Neben diesem politischen Kalkül kann aber zusammenfassend eine ganze Reihe ökonomischer und sozialer Gründe für die enormen Schwierigkeiten der französischen Gewerkschaften genannt werden — Die besonders starken Rückschläge der CGT sind wohl der engen Anlehnung dieser Partei an die KPF und deren unpopuläre Politik der Aufkündigung des „Gemeinsamen Programms" 1978, ihrer starken Verankerung in den am meisten von Entlassungen betroffenen Branchen und ihrer Konzentration auf die abnehmende Gruppe der qualifizierten Facharbeiter zuzurechnen.

— Ab Ende der siebziger Jahre beschränkte sich die Gewerkschaftspolitik faktisch auf die Verteidigung der ab Mai 1968 durchgesetzten Errungenschaften, die aber voll nur der — abnehmenden — Kernarbeiterschaft zugute kam. Eine Politik für die Arbeitslosen, Unqualifizierten und vor allem für die Ausländer wurde nicht systematisch betrieben.

— Eine tiefe und noch zunehmende Segmentierung der französischen Arbeitnehmerschaft und damit eine epochale Krise einer klassenbewußten Arbeiterkultur durch die Aufspaltung in Qualifikationsgruppen, Rassengruppen, Geschlechtsgruppen usw., deren privilegierter, stabiler Teil eher der „rationalen" evolutionären Politik des „Machbaren" der reformistischen Gewerkschaftsgruppen zuneigt, während der unterprivilegierte, verunsicherte Teil traditionell von den Gewerkschaften zu wenig angesprochen und vertreten wird.

— Die Tendenz zum Abschluß von generalisierten Tarifverträgen in der Abstimmung mit den jeweiligen Regierungen auf zentraler, nationaler Ebene und damit tendenziell das Aussparen von Randgruppen und Randproblemen vor allem im Bereich der sozial Schwachen. In der Krise nehmen diese von gewerkschaftlicher Tarifpolitik vernachlässigten Gruppen und ihre spezifischen Probleme aber zu.

— Schließlich vielfältige Ansätze der Unternehmen vor allem in der Privatwirtschaft, aber auch bereits im verstaatlichten Bereich, mit Hilfe von neuen Managementtechniken, Sozialtechnologien und Formen des Qualitätszirkelwesens den gewerkschaftlichen Einfluß auf betrieblicher und Abteilungsebene auszuhebeln und traditionell „linken“ Forderungen nach Abbau der Hierarchien, Problematisierung der Fließarbeit, mehr Mitbestimmung in den Produktions-und Verwaltungsprozessen unter Beibehaltung des Profit-und Produktivitätspostulats scheinbar entgegen-zukommen. Angesichts dieser mehrfachen Krise der Gewerkschaftsbewegung in Frankreich — und es wäre ein schwerwiegender Fehler zu glauben, der desolate Zustand der Linksgewerkschaften würde durch den Aufschwung der reformistischen Gewerkschaften kompensiert, denn in der Vergangenheit war ein informelles Zusammenspiel der beiden Lager mit klarer Rollenverteilung von aggressiv-antikapitalistischen Forderungen und moderat-systembezogenen Übereinkommen die Voraussetzung gewerkschaftlicher Erfolge — ist die Prognose düster. Ob der Austritt der KPF aus der Regierung der CGT einen größeren Spielraum und vor allem mehr Innovation und Kreativität bei der Diskussion der zukunftsorientierten Fragen der Technologie, Rationalisierung, Flexibilisierung und der Erschließung neuen Organisations-und Handlungspotentials ermöglicht, erscheint fraglich. Dasselbe gilt andererseits für die traditionell trade-unionistische Politik der CGT-FO. Es muß befürchtet werden, daß die spontanen, gewaltsamen und z. T. blutigen Eruptionen in den absehbar nach den Regierungsplänen von Stillegung und umfangreichen Rationalisierungsmaßnahmen betroffenen Unternehmen des Automobil-, Stahl-und Kohlesektors die Tagesordnung im Frankreich der nächsten Jahre bestimmen. Dann wird sich erweisen, ob die im internationalen Vergleich beachtlichen sozialpolitischen, arbeitsrechtlichen und arbeitsmarktpolitischen Reformen der Regierung das Modernisierungskonzept gesellschaftspolitisch absichern und abfedern können. Die rechte Alternative einer solchen Politik — Modernisierung bei gleichzeitigem Abbau des Sozialstaats — formiert sich mit guten Chancen. Eine linke Alternative ist in Frankreich zur Zeit nicht in Sicht.

VII. Belgien, Niederlande und Dänemark — Rückzug aus dem Korporatismus

Wenn im folgenden die Gewerkschaftsprobleme dieser drei Länder unter einem gemeinsamen Blickwinkel — der Auflösung korporativer Beziehungsmuster und die Schwierigkeiten, neue Arbeit-/Kapitalbeziehungen zu entwickeln — behandelt werden, soll doch keinesfalls der Eindruck entstehen, daß sich die gewerkschaftlichen Institutionen und Strukturen dieser Länder ebenfalls angleichen. Neben den Regierungswechseln zu Rechts-Mitte-Koalitionen, zuletzt in Dänemark 1982, dem damit implizierten wirtschafts-und sozialpolitischen Schwenk zu einer neoklassischen Austeritätspolitik, den sehr hohen Arbeitslosenraten im EG-Vergleich und einer differenzierten Tradition korporativer Beziehungsmuster zwischen Staat, Unternehmerverbänden und Gewerkschaften besteht nach wie vor eine Reihe wichtiger Unterschiede, deren Bedeutung für die konkreten Probleme der Gewerkschaften in diesen Ländern hoch einzuschätzen ist:

— den Richtungsgewerkschaften in Belgien und den Niederlanden steht eine einheitliche, sozialdemokratisch orientierte Gewerkschaftsbewegung in Dänemark gegenüber; — den starken regionalen Differenzen in Belgien steht eine homogene Nationalstruktur in den Niederlanden und Dänemark gegenüber; — während die gewerkschaftlichen Organisationsquoten in Belgien und Dänemark mit 70 bis 80 % die höchsten Europas sind — vor allem aufgrund der von den Gewerkschaften verwalteten Arbeitslosenunterstützung —, liegt sie in den Niederlanden mit abnehmender Tendenz bei knapp 40 %.

— Während in den Niederlanden seit längerer Zeit eine Dezentralisierung der Tarifpolitik auf Branchen-und vor allem Unternehmensebene zu beobachten ist, teils bewußt von den Gewerkschaften zur stärkeren Einbeziehung der Mitgliedschaft eingeleitet, teils aber auch von den Unternehmen im eigenen Durchsetzungsinteresse erzwungen, spielen in Belgien und Dänemark die zentralen, nationalen Spitzen der Einzelgewerkschaften bzw.des Dachverbandes die wichtigste tarifpolitische Rolle.

Entscheidend aber für die Veränderung derArbeitsbeziehungen in diesen Ländern und daher auch für neue Formen gewerkschaftlicher Aktion und gewerkschaftlichen Widerstandes unter Krisenbedingungen in den achtziger Jahren ist die abnehmende Bedeutung zentral-korporativer Institutionen von Staats-bzw. Regierungsvertretern, Unternehmerverbänden und Gewerkschaften für die Lösung von Konflikten

Es handelt sich dabei in Belgien um den Zentralwirtschaftsrat und den Nationalrat der Arbeit, die zwar paritätisch von Unternehmens-verbänden und proportional von den Richtungsgewerkschaften beschickt, doch von der Regierung ernannt werden und in engster Abstimmung mit ihr arbeiten, indem so Regierung und Parlament über Wirtschaftsprobleme „beraten“. Der Nationalrat kann darüber hinaus branchenübergreifende Tarifverträge abschließen und stellt somit eine Art Sozialparlament dar, das quasi Gesetzesfunktion für die gesamte Privatwirtschaft wahrnimmt. In den Niederlanden spielten bis in die siebziger Jahre hinein die paritätisch von Spitzen-funktionären der Arbeitgeber-und Gewerkschaftsseite besetzte Stiftung der Arbeit und der drittelparitätisch aus Vertretern der Regierung, der Unternehmerverbände und der Gewerkschaften Zusammengesetze Wirtschafts-und Sozialrat bei der Regierungsberatung in allen wirtschaftlichen und sozialen Fragen eine bedeutende Rolle. Letztere hat nach dem niederländischen Betriebsrätegesetz sogar Mitbestimmungsfunktion bei der Einrichtung von Betriebsräten in Kleinbetrieben. In Dänemark beobachtet und koordiniert der Wirtschaftsrat — bestehend aus einem Vorstand von drei Wirtschaftswissenschaftlern, dem vom Wirtschaftsminister ernannten Vorsitzenden und bis zu 24 weiteren Mitgliedern aus der Wirtschaftslobby, darunter auch vier Gewerkschaftsvertreter — die „wirtschaftlichen Interessen des Landes“, d. h. er soll korporativ für einen Ausgleich im Allgemeininteresse sorgen, u. U. auch gegen die „speziellen“ Interessen der Arbeitnehmer. Zusätzlich existieren Zentralräte für Arbeitsumwelt, für Lehrlingswesen und für Berufsbildungswesen, die in unterschiedlicher Zusammensetzung von Gewerkschafts-, Arbeitgeber-, Handwerks-und fachlich zuständigen Amtsvertretern die jeweiligen Fachministerien beraten und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften überwachen.

Der Funktionsverlust dieser Institutionen ist am deutlichsten in den Niederlanden, wo die Tarifkompetenz immer stärker auf Branchen-und Unternehmensebene übergeht, etwas weniger ausgeprägt in Belgien, wo zwar die zentral-nationalen Ebenen ihre Kompetenz verteidigen konnten, doch der Einfluß der Regierung in den dafür vorgesehenen Institutionen und damit auf die Entscheidungen der Tarif-parteien, d. h. besonders der Gewerkschaften, rasch zurückgeht Am schwächsten, aber immer noch deutlich wahrnehmbar, ist der Rückzug der Gewerkschaften aus der Einbindung in die korporativen Institutionen in Dänemark Zwar dürfte die Existenz von bürgerlich-konservativen Regierungen in den drei Ländern eine gewisse Rolle bei der gewerkschaftlichen Verweigerungshaltung spielen, doch entscheidend ist, daß die Austeritätspolitiken vor allem über eine restriktive Einkommenspolitik, d. h. Lohnverzichte, durchgesetzt werden sollen, daß die Gewerkschaftsführungen unter den Druck ihrer Mitglieder geraten und daß die Regierungen zunehmend den schnelleren, direkten Weg von Gesetzesverordnungen und damit von massiven Eingriffen in die in diesen Ländern traditionell nur relative Tarifautonomie gegenüber dem mühsamen, antizipativen, korporativen Aushandeln von Kompromissen bevorzugen. Auch die Unternehmer bevorzugen zunehmend gesetzliche Eingriffe, weil sie sich davon größere Autorität und längere Ruhe in den Problembereichen von Wirtschaft und Arbeitsmarkt versprechen. Die Gewerkschaften müssen sich angesichts dieser veränderten Konstellation auf ihre eigene Kraft besinnen. Streiks, informelle Warnstreiks und Demonstrationen nehmen vor allem in Belgien und in den Niederlanden zu, wobei die Auslöser in beiden Ländern in den Regierungsplänen zur Kürzung der Lohnindexierung, Reallohnverzichten und nur vagen Versprechungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen liegen. — In den Niederlanden haben der jahrelange Lohnverzicht und Reallohnverluste der Arbeitnehmer — allein bei den Beamten um 20% seit 1979 — die Steigerung der Arbeitslosenrate auf rund 17 % nicht verhindern kön-nen. Streiks, z. T. auch gegen die teilweise Akzeptanz des Arbeitszeit-Flexibilisierungskonzeptes durch die niederländischen Gewerkschaften, fanden bei den Hafenarbeitern, den Druckern und im öffentlichen Dienst statt — In Belgien scheiterte ein von der Regierung avisierter „Lohnpakt" — sinkende Real-kaufkraft bei einer Reduzierung der Wochen-arbeitszeit um 5 % ohne Lohnausgleich und dem „Versprechen“ der Unternehmen, ihre Belegschaft um 3 % zu erhöhen — am Widerstand der Gewerkschaften. Die Regierung ließ sich vom Parlament Vollmachten zur gesetzlichen Notverordnung dieser Maßnahmen geben, wogegen sich wiederum die beiden großen sozialistischen und christlichen Gewerkschaftsbünde in Generalstreiks wandten. — In Dänemark streikten Druckarbeiter, Ärzte, Fluglotsen und die Schlachthofangestellten gegen die Sparmaßnahmen der sozialdemokratischen Regierung schon im Jahr 1981. Nachdem die Rechtskoalition mit einem sofortigen Lohnstopp, der Aussetzung des Indexierungssystems, einer Kürzung des Arbeitslosengeldes und tiefen Einschnitten in soziale Leistungen ihre Perspektiven sofort nach ihrem Antritt 1982 offenlegte, wichen die Gewerkschaften auf alternative Vorschläge im Bereich der Investitions-, Vermögens-und Technologiepolitik aus. Sie wollen eigene Gelder in einer Investitionsgesellschaft zur Schaffung neuer Arbeitsplätze anlegen, um aktiv in die Steuerung und Kontrolle des Kapitalsystems einzugreifen fordern eine obligatorische Gewinnbeteiligung von 10 % des Unternehmensgewinns zur Speisung eines Unternehmensfonds im jeweiligen Unternehmen — nur bei Nichteinigung der beiden Parteien sollen die Mittel an einen Zentralfonds, etwa analog zum schwedischen Modell, abgeführt werden — und bemühen sich um eine Umsetzung des Technologie-Rahmenvertrages, nach dem Betriebsräte erweiterte Rechte bei der Einführung der neuen Technologien erhalten

VIII. Österreich und Schweden — Beispiele einer nachfrageorientierten Wirtschafts-und Beschäftigungspolitik

Letztlich bleiben von den hochindustrialisierten Ländern nach über zehnjähriger Wirtschaftskrise nur zwei Beispiele eines konse-quenten Durchhaltens keynesianischer bzw. post-keynesianischer Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik bestehen. Sowohl in Österreich als auch in Schweden waren und sind* dafür günstige Voraussetzungen gegeben. Die Existenz starker sozialdemokratischer Parteien, starker sozialdemokratisch orientierter Gewerkschaften, ein informeller Konsens des weit überwiegenden Teils der Gesellschaft über die Priorität einer Vollbeschäftigungspolitik, korporativ-institutionelle Verklammerung der Hauptakteure Staat, Unternehmer-verbände und Gewerkschaften die ökonomische „Blockfreiheit" (beide sind nicht Mitglied der EG) und die relativ geringe Größe des Landes (Nischenexistenzen) ermöglichen den beiden Ländern ihre abweichende Politik.

Dabei setzt Österreich mit seinem erheblichen Anteil verstaatlichter Industrien mehr auf den klassischen Weg einer nachfrage-orientierten Wirtschaftspolitik zur Sicherung und zum Ausbau von Arbeitsplätzen, während Schweden mit seiner starken Privatindustrie eher auf den staatlichen Ausbau einer aktiven Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik baut Die Arbeitslosenquoten liegen 1984 mit geschätzten 4, 5 % (Österreich) und 3, 0 % (Schweden) deutlich unter der OECD-und auch EG-Durchschnittsarbeitslosigkeit, die Inflationsrate ist nicht überdurchschnittlich hoch und das konjunkturelle Wachstum 1984 setzt sich in diesen Staaten analog zur Weltwirtschaft durch.

Allerdings liegt in beiden Fällen die Staatsverschuldung infolge der Deficit-spending-Politik überproportional hoch; in Schweden entspricht das jährliche Haushaltsdefizit z. Z. etwa 12, 5 % des Bruttosozialprodukts, in Österreich immerhin noch 6, 5 % des Bruttoinlandsprodukts (zum Vergleich: Bundesrepublik geschätzt 1984: unter 1, 6 %), d. h. das Nettobudgetdefizit ist im Vergleich zu anderen Hartwährungsländern gefährlich hoch. Während Schweden nach einer 16%igen Abwertung einen regelrechten Exportboom erreichen konnte, ist in Österreich die Export-struktur und -Situation nach wie vor kritisch. Gegenüber Schweden mit 1, 5 % Anteil liegt die warenmäßige Exportquote Österreichs bei nur 0, 8 % der Weltexporte, die Zuwachsraten fallen niedriger aus als bei den Hauptkonkurrenten auf dem Weltmarkt, die Bilanz bei den Industriewaren ist nach wie vor negativ und stark grundstofflastig

Dies deutet zumindest für Österreich auf eine mangelhafte Strukturpolitik hin, die auf Kosten einer beschäftigungssichernden, subventionierenden Wirtschaftspolitik besonders im verstaatlichten Bereich den Anschluß an den raschen weltweiten Wandel zu verpassen droht. Schwierigkeiten bei der Strukturanpassung und überhohe Staatsverschuldung sind die beiden Hauptargumente der neoklassischen Vertreter gegen die beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik bzw. aktive Arbeitsmarktpolitik. Im einzelnen werden zur Zeit folgende Maßnahmen zur Vermeidung eines Anstiegs der Arbeitslosigkeit, einer Reduzierung der Staatsverschuldung und einer Forcierung der Strukturanpassung an den Weltmarkt praktiziert:

In Österreich wird seit Beginn der Wirtschaftskrise sehr konsequent die nachfrage-orientierte Wirtschaftspolitik mit dem Hauptziel der Erhaltung der Vollbeschäftigung, eingebettet in eine Politik des qualitativen Wachstums und gekoppelt mit differenzierten Maßnahmen der Arbeitszeitverkürzung, verfolgt Allerdings wurde mit der Regierungseinführung der sozialliberalen Koalition im Sommer 1983 ein Haushaltsfinanzierungsund Sparprogramm in Höhe von 2, 6 Milliarden DM verabschiedet Es handelt sich um Erhöhungen der vier Mehrwertsteuersätze bis zu 32 % bei Luxusartikeln, Einführung einer Steuer auf Zinsen von 7, 5 %, einer Anhebung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge und verschiedener Versicherungssteuern. Zugleich wurden staatliche Subventionen im Sozialleistungsbereich, wie z. B. Geburtenhilfe, Lernmittelhilfe, Wohnungshilfe, um 15 % gekürzt. Neu sind auch die zum ersten Mal gewährten Erleichterungen für Unternehmerkapital in Form von Steuerabschaffung auf Gewerbekapital, Reduktion der Vermögenssteuer von Unternehmen und Erhöhung der Steuerfreiheit für nichtentnommene Gewinne. Zur Lösung der Strukturprobleme der verstaatlichten Industrie wurden 2, 6 Milliarden DM zur Verfügung gestellt. Im einzelnen will die Re-gierung einen Umweltfonds einrichten, ein Konzept zur Reinhaltung der Flüsse vorlegen, den Ausbau des Fernwärmenetzes fördern, eine Recycling-Agentur für gefährliche Stoffe und eine Innovationsagentur mit Koordinierungsaufgaben in der Forschungs-und Technologieentwicklung errichten.

Mit dem Steyr-Puch-Modell hat aber auch die neue sozialliberale Regierung die Priorität der Sicherung von Arbeitsplätzen und womöglich auch ihre Zukunftsperspektiven in der Arbeitsmarktpolitik deutlich gemacht. Die beabsichtigten 895 Kündigungen in zwei Werken des mehrheitlich staatseigenen Automobilkonzerns konnten auf zwei Drittel reduziert werden, dafür arbeiten bis zu 90% der Arbeiter und 35 % der Angestellten für ein Jahr nur 35 Wochenstunden, wobei sie für 38, 5 Stunden bezahlt werden, d. h. die Arbeitnehmer tragen etwa ein Drittel der Kosten der Wochenarbeitszeitverkürzung. Zusätzlich sorgt die Regierung dafür, daß 100 Arbeiter einen neuen Arbeitsplatz bei Steyr-BMW erhalten und die öffentliche Hand durch vorgezogene Aufträge für Lkw's die Arbeitsplätze von weiteren 100 Arbeitnehmern sichert.

In Schweden beherrscht die aktive Beschäftigungspolitik die wirtschafts-und sozialpolitische Diskussion und Praxis Die im internationalen Vergleich niedrige offene Arbeitslosigkeit muß allerdings ergänzt werden um Arbeitssuchende, die in perspektivlosen staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogrammen „gehortet” werden und insgesamt wohl die Zahl der offiziell Arbeitslosen noch übertreffen. Um aus dieser gefährlichen, weil nur die Probleme kurzfristig kaschierenden Sackgasse herauszukommen, geht die sozialdemokratische Regierung Schwedens mit einem industriefreundlichen Wirtschaftsprogramm und innovativen Konzepten der Arbeitsvermittlung, der Arbeitsmarktausbildung und der Förderung der Mobilität neue Wege. Das Wirtschaftsprogramm baut auf den privaten, aber auch auf den im Verhältnis etwa zu Österreich, Frankreich und Italien kleinen öffentlichen Sektor. Vor allem die Abwertung verhalf Schweden 1983 und 1984 zu einem Exportboom, während ein öffentliches Bauprogramm mit zukunftsorientierten Infrastrukturinvestitionen auch in Großprojekten ganz analog zu Österreich besonders im Brücken-, Straßen-und Kraftwerksbau die Binnenkonjunktur beleben soll.

Für die eigentliche Beschäftigungspolitik gibt Schweden mit rund fünf Milliarden DM das Dreifache der Arbeitslosenunterstützung aus. Es besteht in der schwedischen Gesellschaft ein sehr weitgehender Konsens über den humanen, individuellen und sozialen Eigenwert von Arbeit und die Abhängigkeit einer modernen Wirtschaft von gut ausgebildeter und qualifizierter Arbeitskraft. Daher nimmt den entscheidenden Platz im System der Beschäftigungspolitik die Arbeitsmarkt-Ausbildung in eigens dafür geschaffenen Zentralen, aber auch Schulen und Betrieben ein, wo Arbeitslose, von Arbeitslosigkeit Bedrohte und Angehörige von dem Strukturwandel unterliegenden Branchen ihre Berufskenntnisse erweitern oder sich für (neue) Mangelberufe bei Weiterbezahlung eines der Wirtschaft angepaßten Durchschnittsverdienstes ausbilden lassen können. Die geographische Mobilität wird durch großzügige, vielfältige finanzielle Hilfen gefördert, und der Staat zahlt Arbeitgebern, die neue Arbeitsplätze für bisher Langzeitarbeitslose und Jugendliche schaffen, ein halbes Jahr lang den halben Lohn. Schließlich faßte ein gleich zu Regierungsantritt der sozialdemokratischen Regierung Palme im Herbst 1982 erlassenes Gesetz die bisher zerstreuten Arbeitszeitregelungen, besonders für den Bereich der Überstundenkontrolle und der Teilzeitbeschäftigung zusammen, verbesserte die Stellung der Teilzeitbeschäftigten bei der Ableistung von Überstunden und erweiterte die Rechte der Tarifparteien, auf allen tarifpolitischen Ebenen weitergehende Regelungen vereinbaren zu können. Auch der unter großen Spannungen (Demonstration von mehreren tausend Unternehmern) befristet bis 1990 eingeführte regionalisierte . Arbeitnehmerfonds" der aus Gewinnüberschüssen der Unternehmen und Beiträgen der Beschäftigten gespeist wird, eröffnet einen neuen beschäftigungspolitischen Handlungsspielraum. Mittel daraus sollen vor allem an regional und sektoral strukturgefährdete Unternehmen — unter Beachtung strenger Rentabilitätsauflagen der mehrheitlich von den Gewerkschaften kontrollierten Fondsverwaltungen — gegeben werden. Womöglich wird dieser Teilaspekt angesichts der eher als gering einzuschätzenden strategischen Bedeutung der Fonds zukünftig ein noch stärkeres Gewicht erhalten. Zweifellos sind die Erfolge Österreichs und Schwedens bei der Erhaltung von Arbeitsplätzen und damit bei entscheidenden Kernproblemen der Gewerkschaften im Vergleich mit den übrigen hier vorgestellten Ländern beeindruckend. Unstrittig ist auch, daß in beiden Ländern die historisch gewachsene, starke und korporativ angelegte Stellung der Gewerkschaften mitentscheidend für die aktive Beschäftigungspolitik ist Doch neben den oben behandelten ökonomischen Schwierigkeiten einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik unter den aktuellen weltwirtschaftlichen Bedingungen und der weitgehend fehlenden oder sehr eng geführten technologiepolitischen Alternativdiskussion ergeben sich auch für die Gewerkschaften selbst Struktur-und Selbstverständnisprobleme aus ihrer korporativen Einbindung und der daraus resultierenden eingeschränkten Handlungsfähigkeit. Das korporative schwedische bzw. österreichische Modell hat besondere Voraussetzungen und zeitigt besondere Konsequenzen: — die Zentralisation innerhalb der Gewerkschaften, d. h. größere Kompetenzen beim Dachverband als bei den sektoralen Mitgliedsgewerkschaften; — die erfolgreiche Integration von Arbeiter-und Angestellteninteressen, sowie von parteipolitischen und/oder religiösen Fraktionen;

— die Konzentration der Entscheidungen bei einer relativ kleinen Gruppe von Spitzen-funktionären, die auch in den korporativen Institutionen vertreten sind;

— die starke Einbindung von Betriebsräten bzw. von Vertrauensleuten in die Gewerkschaftsorganisation; — die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz der Funktionsverteilung von Staat und Sozial-partnern und eine gewerkschaftsnahe Regierung.

Problematisch wird eine solch zentralisierte Gewerkschaftspolitik dann, wenn der korporative Verbund und damit die Gewerkschaften für Krisenerscheinungen, wie sie auch in Österreich und Schweden an der Tagesordnung sind, mitverantwortlich gemacht werden können, da sie ja für jedermann einsichtig auch mitentscheiden. Andererseits läuft eine solche Gewerkschaftsbewegung Gefahr, daß wirtschaftspolitische und vor allem beschäftigungspolitische Erfolge nicht mehr ihr, sondern tendenziell nur noch der direkt handelnden Regierung/Regierungspartei zugeschrieben werden. Des weiteren riskiert eine hohe Zentralisierung immer, in den Betrieben und lokalen Einheiten Apathie und Desinteresse der organisierten Arbeitnehmer zu erzeugen, da diese von den entscheidenden Ebenen der Weichenstellung am weitesten entfernt sind. Auch bei stabiler Organisationsquote bzw. sogar weiter ansteigender Mitgliedschaft kann eine solche Gewerkschaftsbewegung innerlich ausgehöhlt werden und Handlungsfähigkeit einbüßen. Dies könnte sich gerade in einer Zeit sehr raschen technischen Wandels, erheblicher Struktur-brüche und dauerhafter Wachstumsschwäche verheerend auswirken. Da ein Ende dieser restriktiven Rahmenbedingungen heute nicht abzusehen ist, steht der letztendliche Erfolg des schwedischen bzw. österreichischen Modells in der Beschäftigungspolitik, der Sicherung gewerkschaftlicher Potenz und der aktiven Beeinflussung der Technikgestaltung noch aus.

IX. Schlußfolgerungen für die gewerkschaftliche Zukunftsperspektive nach 1984

Nach einer Phase der Lähmung gewerkschaftlichen Aktionspotentials und der systematischen Zurückdrängung gewerkschaftlichen Einflusses auf gesamtgesellschaftlicher und tarifpolitischer Ebene — allenfalls punktuell durchbrochen wie z. B. durch landesweite De-monstrationen in Belgien, dezentrale Aktionen in den Niederlanden, einen unerwarteten Arbeitskampf in Schweden und gescheiterte Ansätze zu einem tripartistischen Sozialpakt in Italien — verfestigt sich in einigen wichti-gen hochindustrialisierten Ländern der Widerstand der Gewerkschaften gegen die neoklassische Laissez-faire-Wirtschaftspolitik mit ihren negativen Beschäftigungseffekten und dem zügigen Abbau sozialpolitischer Errungenschaften. Dies gilt vor allem für die Gewerkschaften in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland, während in Frankreich und Italien, wo vom Selbstverständnis, von der Struktur und der Geschichte der Gewerkschaften her eigentlich eine aktive, kämpferische Bewegung existiert, aus unterschiedlichen Gründen immer noch defensiv und zurückhaltend agiert wird.

Mit Ausnahme weniger kleinerer Länder wie Schweden und Österreich verfolgen die Nationalstaaten einen neoklassisch-monetaristischen Wirtschaftskurs, wenn auch z. T. mit beachtlichen Einsprengseln einer keynesianisch orientierten Politik besonders in den Bereichen Rüstung und Subventionen bzw. Protektion, kombiniert mit einer Modernisierungspolitik der Volkswirtschaft nach Maßgabe neuer Technologien von der Mikroelektronik bis hin zur Biogenetik (Zukunftsindustrien). Wachstumsschwäche und der großflächige Einsatz neuer arbeitssparender Technologien führten in allen Ländern zur Massenarbeitslosigkeit. Die beim Staat anfallenden Kosten dieser Entwicklung — Zukunftsinvestitionsfinanzierung und Arbeitslosenunterstützung — bei gleichzeitigem Einnahmerückgang werden durch einen raschen und drastischen Abbau sozialer Leistungen bezahlt. Von dieser Tendenz machen auch sozialistisch bzw. sozialdemokratisch geführte Regierungen keine grundsätzliche Ausnahme. Der spektakuläre ökonomische Umschwung der französischen Volksfront 1982 wurde beispielsweise weniger dramatisch und öffentlichkeitswirksam auch von den Linksregierungen in Spanien und Griechenland nachvollzogen. Die Gewerkschaften müssen es in einer derart restriktiven ökonomischen, sozialen und politischen Situation offenbar mit einem ganzen Bündel von Gefahren zugleich aufnehmen:

— der Verteilungsspielraum wird sehr eng, der Verteilungskampf sehr hart:

— die hohe Arbeitslosigkeit reduziert die gewerkschaftliche Organisationsquote bzw.

die Mitgliederzahlen;

— die neuen Probleme und ihr umfassend prägender Einfluß auf den Zustand der Gesamtgesellschaft (Zukunftstechnologien, Ökologie, Rüstung und Frieden, Arbeitslosigkeit, Wertewandel) verlangen neue Ziel-und Strategiediskussionen gerade in den Gewerkschaften; — es besteht die Gefahr der Aufspaltung der Gewerkschaftsklientel und ihrer Funktionäre nach aufgabenbezogenen Kriterien (Arten der Arbeitszeitverkürzung bzw.

quantitativer versus qualitativer Tarifpolitik) und nach institutionell-gruppenbezogenen Kriterien (Arbeitsplatzbesitzer versus Arbeitsloser, Stammarbeitnehmer versus Randarbeitnehmer);

— die Dreierkonstellation in den Arbeitsbeziehungen zwischen Staat, Unternehmer-verbänden und Gewerkschaften wird so stark zuungunsten letzterer belastet, daß ein offizielles oder informelles Ausscheren der Gewerkschaften aus diesem (qua, si) korporativen Verbund oft unvermeidlich wird;

— trotz weitgehend ähnlicher Ausgangslagen der meisten nationalen Gewerkschaftsbewegungen ist eine internationale Abstimmung oder gar Solidarität gerade aufgrund des nationalen Wettlaufs um die beste Ausgangsposition in die „Computergesellschaft“ und die Überbelastung der Gewerkschaften mit schwierigen und neuen Aufgaben eher unwahrscheinlich.

Gleichwohl liegt im internationalen Erfahrungsaustausch eine große Chance zur differenzierten und angemessenen Struktur-analyse der Kapitalkrise und auch zum produktiven Lernen aus erfolgreichen und durchaus auch gescheiterten Widerstandsformen. Trotz dieser nach wie vor kritischen Gesamtsituation gibt es Anzeichen dafür, daß womöglich schon kurzfristig mit einem Wiederaufbau gewerkschaftlichen Widerstandes gegen das Konzept und die Folgen neoklassischer Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik gerechnet werden kann.

In Frankreich ist die Volksfrontregierung durch den Austritt der kommunistischen Partei zerbrochen — und damit steht auch die Einbindung der größten Gewerkschaft CGT in die Regierungspolitik zur Disposition.

In Italien erscheint mit der Abwendung von der Fixierung auf den Kampf um die „Scala Mobile“ und der damit verbundenen Gefahr der Gewerkschaftsspaltung eine neue einheitliche Stoßrichtung in der Frage der Arbeitszeitverkürzung nicht unwahrscheinlich.

Auch in Belgien, Dänemark und den Niederlanden belegen sporadische, meist dezentral-betrieblich oder bei entsprechenden strukturellen Problemen auch regional und demonstrativ-nationale Widerstandsaktionen, daß trotz restriktiver Wirtschaftspolitik, der Existenz von nicht gewerkschaftsfreundlichen Regierungen und der Lockerung des korporativen Gesellschaftsverständnisses Macht und Einfluß der Gewerkschaften keineswegs gebrochen sind. Allerdings reagieren diese Gewerkschaftsbewegungen in weit defensiverer Weise in der Form von Arbeitszeitverkürzungen ohne klare Pirorität und ohne Lohnausgleich oder in neuen Formen von stärkerer Einbindung in die klassischen Kapitalfunktionen auf die Krise. Ansätze zu einer vorausschauenden Technologiepolitik oder einer umfassenden, langfristig angelegten gesellschaftspolitisch begründeten Alternativstrategie der Arbeitszeitverkürzung, wie sie in Großbritannien und der Bundesrepublik diskutiert und praktiziert werden, sind (noch) nicht umsetzungs-und durchsetzungsfähig.

Die Beispiele Österreichs und Schwedens zeigen dagegen, daß der Druck monetaristischneoklassischer Politikmuster selbst unter den international verschlechterten Bedingungen nachlassender Wachstumsraten, sektoraler und regionaler Strukturkrisen, der Einführung neuer Technologien besonders in Verfahrensbereichen, wachsender Überkapazitäten und kapitalfreundlicher Regierungen nicht aüsreicht, institutionell und informell stabile und historisch verankerte korporative Beziehungen zwischen den Spitzen von Staat, Gewerkschaft und Unternehmerverbänden auszuhebeln. Die beiden gewerkschaftszentrierten Prioritäten einer nachfrageorientierten keynesianischen Wirtschaftspolitik und einer beschäftigungsorientierten Arbeitsmarktpolitik haben in diesen Ländern bei durchaus noch akzeptablen Verletzungen des Inflations-und Staatsverschuldungsziels nunmehr schon im 11. Jahr der Wirtschaftskrise Bestand. Andererseits fällt gerade dort die kritische Diskussion (und Praxis) über Sinn und Perspektive von Arbeit, Technologie und Humanisierung der Lebensbedingungen auch in den Gewerkschaften vor allem auf der Makroebene sehr dünn aus. Die Protagonisten der gesellschaftlichen Macht in beiden Ländern, d. h.der korporative Dreibund von Regierung, Gewerkschaften und Unternehmer-verbänden, setzt auf eine zukunftsorientierte technologische Struktur-und Modernisierungspolitik sozialdemokratischen Zu-schnitts. In dieser Hinsicht sind viele Gewerkschaften in Ländern mit schlechteren sozioökonomischen und organisationsbezogenen Voraussetzungen und dementsprechend geringeren Vertretungspotentialen in politischen Entscheidungs-und Steuerungszentralen gegenüber den neuen Entwicklungen stärker sensibilisiert und innovativer.

Trotz der Parallelität von Wirtschafts-und Gewerkschaftskrise differieren offenbar die nationalen Aktions-und Reaktionsmuster der Gewerkschaften auf diese Krisen sehr stark. Sowohl bezüglich den klassischen Themen der Forschung über „industrielle Beziehungen" wie Zentralisierung und Dezentralisierung, Verrechtlichungsproblematik, jeweilige Grade autonomer Tarifpolitik und Pluralismus- gegenüber Korporatismus-Konzept, weisen die hier behandelten Länder erhebliche Unterschiede und z. T. sogar offene Gegensätze auf, die sich in einigen Fällen bis in die innere Struktur nationaler Gewerkschaftsbewegungen hinein fortsetzen. Dies gilt auch für die in der Krise zunehmenden Schwierigkeiten der nationalen Gewerkschaften, sich international stärker zu koordinieren und den Strukturen des international agierenden Kapitals eine eigene Informations-und Solidaritätspolitik entgegenzusetzen Doch die für die Zukunft der Gewerkschaften in den hochindustrialisierten Ländern entscheidende Tatsache dürfte sein, daß sich im Jahr 1984 — einem Jahr mit einer den realen Rahmenbedingungen durchaus entsprechenden düsteren Assoziationsaura — bei aller gebotenen Skepsis doch eine Aktivierung gewerkschaftlichen Widerstands auf den entscheidenden Ebenen der Tarif-und Technologiepolitik feststellen läßt. Wird dieser Ansatz mit einer gezielten, langfristig angelegten Arbeitszeitpolitik, einer stärkeren Einbeziehung vor allem der Frauen, der Angestellten und der naturwissenschaftlich-technischen Intelligenz in die aktive Gewerkschaftsarbeit und einer ausgewogenen und intensiven Beziehung und Rückbeziehung von betrieblicher, lokaler und zentraler Handlungsebene angereichert sowie um die Berücksichtigung externer Anstöße der Umwelt-und Rüstungsdiskussion ergänzt, dann könnten sich die Gewerkschaften aus der Agonie der letzten Jahre befreien und sich zu einem wichtigen, vielleicht entscheidenden Handlungsträger der gesellschaftlichen Zukunftsgestaltung regenerieren.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Aktuelle Beispiele sind u. a. die Brüche unter den italienischen Richtungsgewerkschaften in der Frage des Abbaus der „Scala Mobile" und die unterschiedliche Marschrichtung der deutschen Gewerkschaften in der Frage der Wochenarbeitszeitverkürzung bzw.des vorgezogenen Altersruhestandes.

  2. Diese These widerspricht damit direkt der pauschalen Generalthese des Prokla-Bandes 54, Gewerkschaftsbewegung am Ende?, Berlin 1984. Vergleiche dazu besonders das Editorial: JEs ist) um so erstaunlicher, wenn in einer Reihe von Beiträgen dieses Heftes Abschied genommen wird von Hoffnungen und Erwartungen in die Gewerkschaften als Akteure progressiver sozialer Veränderungen und des Klassenkampfes, wenn die Gewerkschaften im wesentlichen als konservative soziale Kraft dargestellt werden“ (S. 3).

  3. 14 der 17 Mitgliedsgewerkschaften verloren auch 1983 Mitglieder, insgesamt über 100 000 (— 1, 3%), davon war die IG Metall mit über 40 000 Verlusten am stärksten betroffen. Gleichwohl stieg die Organisationsquote aufgrund der noch stärker rückläufigen Zahl der Erwerbstätigen (— 1, 8%) leicht an, und der Rückgang war etwas geringer als im Vorjahr; vgl. Die Quelle, (1983) 5, S. 312 ff.

  4. Vgl. dazu G. Bäcker/R. Bispinck, 35-Stunden-Woche, Argumente zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und für mehr Zeit zum Leben, Berlin 1984.

  5. Eine erste umfangreiche und detaillierte Analyse und Einschätzung von Chancen und Risiken dieses Abschlusses gibt J. Kurz-Scherf, Arbeitszeit im Umbruch — Analyse und Dokumentation der neuen tariflichen Arbeitszeitbestimmungen, WSI-Arbeitsmaterial, (1984) 4.

  6. Vgl. Südtiroler Arbeiterzeitung (Monatszeitschrift des AGB/CGIL), (1984) 7/8, S. 1.

  7. Allein die CGIL hat seit 1978 rund eine halbe Million Arbeitnehmer an Mitgliedern verloren. Numerisch werden diese Verluste durch die Aufnahme von Pensionären ausgeglichen, die heute schon über 25% der insgesamt ca. 8 Millionen italienischen Gewerkschaftsmitglieder stellen und natürlich keinerlei Einfluß auf die Entscheidungen haben.

  8. Vgl. dazu zusammenfassend W. Lecher, Gewerkschaften im Europa der Krise — Zur Zentralisierung und Dezentralisierung gewerkschaftlicher Organisation und Politik in sechs Ländern der Europäischen Gemeinschaft, Köln 1981, S. 131 ff.

  9. Zu den Erfolgen der italienischen Gewerkschaftsbewegung in der Tarifpolitik und den Einheitsbestrebungen in den Betrieben (Delegierten-bewegung) und auf nationaler Ebene zu Dachkonföderation vgl. W. Lecher, Gewerkschaftsstruktur und Tarifpolitik in Italien, in: WSI-Mitteilungen, (1977) 1, und ebd.: Der nationale 3-Jahres-Tarifver-trag der italienischen Metallgewerkschaften (FLM) vom 1. Mai 1976.

  10. Allein von 1979 bis 1983 verlor der TUC unge-

  11. Vgl. dazu im Überblick W. Lecher, Gewerkschaften im Europa ... (Anm. 8), S. 108 ff.

  12. Vgl. Handelsblatt vom 30. 5. 83 „Geheime Papiere bringen Fernziele an den Tag“.

  13. Einer Meinungsumfrage zufolge hat Frau Thatcher nicht einmal in ihrem eigenen, bürgerlich-konservativen Wahlkreis Finchley in Groß-London eine Mehrheit für diese Politik hinter sich.

  14. Vgl. dazu R. Klüting, Hier saniert die Bevölkerung, in: Wechselwirkung Nr. 20, Februar 1984, und W. Meemken, Produktionsinnovation schafft neue Arbeitsplätze — Alternative Strategien in England, in: Die Mitbestimmung, (1984) 4/5, S. 215 ff., und zum gleichen Thema B. G. Spies, Beschäftigungsund Produktentwicklung — Ausweitung von Mitbestimmungsrechten. Die Kommunalpolitik des Greater London Council (GLC) auf neuen Wegen, ebd., S. 213 ff.

  15. Zum Konzept der . Arbeiterkontrolle“ vgl. D. Albers/W. Goldschmidt/P. Oehlke, Klassenkämpfe in Westeuropa, Reinbek 1971, S. 271 ff., und W. Lecher/U. Sieling-Wendeling, Neue Entwicklung in der europäischen Mitbestimmungsdiskussion, in: Das Mitbestimmungsgespräch (1977) 12, S. 221.

  16. So ging der Anteil von CGT und CFDT bei den Wahlen zu den Arbeitsschiedsgerichten 1982 gegenüber 1979 um 5, 2% zurück und die Zahl der CGT-Mitglieder von 1975— 1980 um 10%. Ähnliche Tendenzen zeigen sich bei den Betriebsausschußwahlen und der Bilanz der betrieblichen Gewerkschaftssektion; vgl. dazu Prokla 54, 1984, S. 128ff.

  17. Vgl. dazu W. Lecher, Frankreich und USA — Wirtschaftliche und soziale Perspektiven und ihre Konsequenzen für die Gewerkschaften, in: WSI-Mitteilungen (1981), 11.

  18. Zu einer ersten Zusammenfassung und Interpretation dieser Gesetze J. C. Javiller, Les Reformes du Droit du Travail depuis le 10. Mai 1981, Paris 1984, und M. Le Friant, Frankreichs erneuertes Arbeitsrecht, in: Arbeit und Leben, (1984) 3, S. 78 ff.

  19. Vgl. dazu G. Groux, Ch. Lvy, Gewerkschaftskrise und Unternehmensoffensive in Frankreich — Das empirische Beispiel einer Industriebranche, in: Prokia 54, S. 109f.

  20. Gerade die am meisten unterprivilegierte Gruppe der unqualifizierten ausländischen Arbeitnehmer trug z. B.den Arbeitskampf — auch gegen die moderaten Gewerkschaftspläne besonders der CGT — im Talbot-Konflikt 1983.

  21. C. Leggewie, Zur Entwicklung der französischen Gewerkschaften, in: Das Argument — Sonderband 85, besonders S. 46 ff.

  22. Siehe dazu im einzelnen W. Lecher, Gewerkschaften im Europa... (Anm. 8), S. 35 ff. und 68 ff.

  23. Gesetzliche Eingriffe in die Arbeitsbeziehungen gehören in den hier behandelten Ländern zur Tagesordnung. So hat die Regierung z. B. in Dänemark seit den 30er Jahren in 19 Fällen direkt und entscheidend in Arbeitskonflikte eingegriffen; vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. 5. 1979.

  24. Vgl. Frankfurter Rundschau vom 15. 8. 1983.

  25. Siehe dazu im einzelnen P. Sörensen, Technologievertrag — Ein weiterer Schritt in Richtung Demokratie am Arbeitsplatz, in: Die Mitbestimmung, (1984) 3, S. 150 ff.

  26. Vgl. dazu W. Lecher, Betriebsratsrecht und Mitbestimmung in Österreich, in: Die Mitbestimmung, (1982) 12 und grundsätzlich F. Traxler, Evolution gewerkschaftlicher Interessenvertretung — Entwicklungslogik und Organisationsdynamik gewerkschaftlichen Handelns am Beispiel Österreichs, Wien/Frankfurt 1982; zu Schweden: L. Forsebäck, Industrial Relations and Employment in Sweden, Uppsala, 1980, und A. Kjellberg, Radikalisierung oder Japanisierung? Die Entwicklung des schwedischen Modells industrieller Beziehungen in den 80er Jahren, in: Prokla 54/84, besonders S. 60 ff.

  27. F. W. Scharpf, Sozial-liberale Beschäftigungspolitik — keine Erfolgsbilanz, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, (1983) 1, besonders S. 22 f.

  28. Vgl. Handelsblatt vom 8. 2. 84,

  29. Vgl. für die erste Phase und für die, dann tatsächlich durchgehaltene, Prognose für die 80er Jahre: G. Chaloupek, Vollbeschäftigung im Alleingang — Gewerkschaftspolitik in Österreich seit der Rezession 1975, in: WSI-Mitteilungen, (1979) 4.

  30. Vgl. im folgenden Handelsblatt vom 19. 9. 1984 und Die Zeit vom 23. 9. 1983.

  31. Vgl. das Verhandlungsergebnis zwischen Betriebsrat, Gewerkschaft, Unternehmensleitung und Sozialministerium, in: OGB-Nachrichtendienst Nr. 2219 vom 2. 2. 1984

  32. Siehe im folgenden Frankfurter Rundschau vom 5. 5. 1984 und Handelsblatt vom 26. 10. 1983

  33. Dazu grundsätzlich: G. Rehn, Kapitalfonds von Arbeitnehmern in Schweden, in: WSI-Mitteilungen, (1983) 7, S. 422 ff.

  34. „Wenn das Projekt im vorgesehenen Ausmaß und Tempo verwirklicht wird, werden die Arbeitnehmerfonds im Jahre 1990 rund 14 Milliarden Schwedenkronen an Aktienkapital verschiedener Unternehmen besitzen. Das wären bloß 8% des Wertes sämtlicher heute an der Börse registrierter Aktien. Das Auslandskapital hat heuer Aktien schwedischer Unternehmen im Wert von sechs bis sieben Milliarden Schwedenkronen erworben". Z. Hejzlar, Viel Lärm um nichts?, in: Wiener Tagebuch, (1983) 12, S. 15.

  35. Daran änderte grundsätzlich auch der vielbeachtete Arbeitskonflikt im Frühjahr 1980 in Schwe-den nichts, als in der Privatindustrie 10 Tage über 100 000 bei der LO organisierte Arbeitnehmer um Lohnerhöhung streikten. Spätestens als die bürgerliche Regierungskoalition 1982 abgelöst -wurde, stellte sich das alte korporative Verhältnis wieder her. Zu den Gründen des Konflikts vgl. N. Elvander, Die Gewerkschaftsbewegung in Schweden, in: H. Rühle/H. J. Veen, Gewerkschaften in den Demokratien Westeuropas, Band 2, Paderborn — München — Wien — Zürich 1983, S. 400 ff.

  36. O. Jacobi, über Gewerkschaften und Krise, in: Leviathan, (1984) 2, S. 258.

  37. Zur Analyse der aktuellen Situation aus gewerkschaftlicher Sicht vgl. W. Lecher, Meinungsspiegel — Mitbestimmung und Rechnungslegung bei internationaler Unternehmenstätigkeit, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, (1984) 4, S. 384 ff.

Weitere Inhalte

Wolfgang Lecher, Dr. rer. pol., geb. 1945; Wissenschaftlicher Referent im Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes; Arbeitsgebiet: internationale Gewerkschafts-und Gesellschaftspolitik. Veröffentlichung u. a.: Japan — Mythos und Wirklichkeit (zus. mit J. Welsch), Köln 1983.