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Atempause: Die aktuelle Bedeutung der Frauen-bewegung für eine zivile Gesellschaft | APuZ 21-22/1996 | bpb.de

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APuZ 21-22/1996 Atempause: Die aktuelle Bedeutung der Frauen-bewegung für eine zivile Gesellschaft Die Kulturisierung der Politik. „Anti-Political-Correctness" als Deutungskämpfe gegen den Feminismus Politische Partizipation von Frauen im vereinigten Deutschland Ein Ost-West-Vergleich Amerika, hast Du es besser? Zur politischen Partizipation von Frauen in den USA

Atempause: Die aktuelle Bedeutung der Frauen-bewegung für eine zivile Gesellschaft

Ute Gerhard

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In Anbetracht der Unsicherheit, wie die politische Stärke der Frauenbewegung heute zu beurteilen ist, wird zunächst die historische Bedeutung und der soziologische Begriff sozialer Bewegungen und der Frauenbewegungen im besonderen entfaltet. Den theoretischen Rahmen hierfür bildet das Konzept der Zivil-gesellschaft, das im gegenwärtigen Transformationsprozeß ost-und westeuropäischer Gesellschaften einen gemeinsamen Bezugspunkt bildet, jedoch als „bürgerliche“ oder „bourgoise“ Gesellschaft bzw. Zivilgesellschaft oder „civil society“ in Ost und West einen unterschiedlichen Erfahrungshintergrund hat. In drei Schritten werden die Frauenbewegungen des 19. und 20. Jahrhundert zu diesen Gesellschaften, der bürgerlichen Gesellschaft, dem Wohlfahrtsstaat westlicher Prägung und der Frauenpolitik unter staatssozialistischen Verhältnissen, in Beziehung gesetzt. Die Leitfrage bleibt die Bedeutung der Geschlechterverhältnisse und der Frauenfrage in diesen Gesellschaften. Dabei zeigt sich, daß die Familie als Ort und Ordnung der Geschlechterbeziehungen eine maßgebliche Bedeutung hat und über Einschluß und Ausschluß der Frauen aus der zivilgesellschaftlichen Sphäre entscheidet. Auf der Grundlage unterschiedlicher Erfahrungen von Frauen in Ost und West gerade auch im Hinblick auf die Familie begründet der Beitrag die Notwendigkeit einer doppelten Strategie sozialer Bewegungen für politische Einflußnahme und Bündnisse einerseits und andererseits für die Fortsetzung einer gesellschaftlichen Praxis der Selbstbestimmung und kollektiver Lernprozesse, die nicht zuletzt die neue Frauen-bewegung auszeichnet.

I. Geschichte und Begrifflichkeit der Frauenbewegung

Keine weiß heute so recht, ob es sie eigentlich noch gibt, „die“ Frauenbewegung. Je nach politischem, aber auch geographischem Standort, aber auch nach Geschlecht und Alter wird die Antwort unterschiedlich ausfallen. Auffällig ist, daß gerade ihre Gegner die Frauenbewegung vermeintlich im nachhinein zu einem „Wesen“ oder monströsen Faktum stilisieren, dessen Ableben nun endlich erwiesen sei. Aber auch Aktivistinnen der neuen Frauenbewegung neigen heute vielfach dazu, ihre Enttäuschung über Nicht-Erreichtes zum Maßstab ihres Mißerfolgs zu machen und damit -wie Christel Eckart in der von den Medien breit unterstützten Diskussion über einen „Backlash", Rückschlag, der Frauenbewegung auch in der Bundesrepublik Deutschland kritisch anmerkte -eben die Maßstäbe zur Beurteilung des Politischen anzulegen, die „die feministische Bewegung gründlich zu kritisieren angetreten war“ Das hieße aber, nach wie vor nur das Handeln als politisch bedeutsam und effizient anzuerkennen, das im Bereich institutionalisierter Politik oder auf dem formellen Arbeitsmarkt repräsentiert ist und damit den herkömmlichen Bewertungen von öffentlichen und privaten Interessen folgt. Was die Frauenbewegung jedoch allein seit den siebziger Jahren an Veränderungen im Geschlechterverhältnis, zumindest im Hinblick auf die Orientierungen und Lebensentwürfe von Frauen, bewirkt hat, ist an scheinbaren Selbstverständlichkeiten abzulesen, nicht zuletzt an der Selbstsicherheit, mit der eine jüngere Frauengeneration inzwischen meint, „den“ Feminismus hinter sich lassen zu können, und sich selbst ä la mode als postfeministisch versteht. In einem anderen Zusammenhang habe ich zur Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes das Bild der „Flaute“ verwendet, in Anlehnung an eine amerikanische Studie über die Frauenbewegung in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Doch inzwischen habe ich gelernt, daß dieses Bild aus der Seemannsprache vorwiegend negativ besetzt ist. Ich meine jedoch einen Schwebezustand, „Flaute“ verstanden als „Windstille“, die nicht unbedingt das Ende einer Bootspartie bedeutet oder gar den Untergang ankündigt, im Gegenteil: Was fehlt ist ein neuer Aufwind, der das Schiff und seine Besatzung in den richtigen Hafen einfahren läßt. Dabei bietet dieser Zustand Gelegenheit zu neuer Ausrüstung der Schiffstakelage und damit zum Atemholen, Kraftschöpfen und zu neuer Orientierung.

Die Zuflucht zu diesen Metaphern und Vergleichen steht für den Versuch, ein wenig Distanz zu politischer Kleinmütigkeit oder Kurzatmigkeit zu gewinnen, und zwar sowohl aus einer historischen als auch sozialwissenschaftlichen Perspektive. Dabei hilft einerseits das Wissen um die ereignisreiche und dramatische Geschichte der Frauenbewegungen seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts in fast allen Ländern Europas und anderswo mit ihren vielfältigen Initiativen, Hoch-Zeiten der Mobilisierung und wiederholten Rückschlägen bzw. Stillständen, die oft genug mit einem völligem Geschichtsverlust verbunden waren. Ohne die unterschiedlichen Initiativen und Mobilisierungsschübe vereinheitlichen oder die verschiedenen gesellschaftlichen Kontexte vernachlässigen zu wollen, begegnen uns in der modernen Geschichte bisher nicht verwirklichter Gleichberechtigung und Emanzipation der Frauen viele strukturelle Gemeinsamkeiten und systematische Widerstände. Deshalb ist es m. E. gerade angesichts gegenwärtiger Ratlosigkeit aufschlußreich, die historischen Phasen nicht nur als alte’ und , neue‘ Frauenbewegung zu denken, sondern -wie im englischenSprachgebrauch mit „first wave“ und „second wave feminism" angedeutet -die Frauenbewegungen über die historischen Epochen hinweg in ihrem Auf und Ab und damit in „langen Wellen“ zu betrachten

Andererseits eröffnet die soziologische Betrachtung der Frauenbewegung als sozialer Bewegung die Möglichkeiten zum Vergleich mit anderen sozialen Bewegungen. Die sozialwissenschaftliche Bewegungsforschung hat inzwischen ein breites Spektrum von Forschungsfragen „mittlerer Reichweite“ entwickelt und bearbeitet, die Auskunft geben über die gesellschaftlichen und sozialstrukturellen Entstehungsbedingungen einer sozialen Bewegung, die Trägerinnen, Kommunikationsstrukturen und Aktionsformen, die mobilisierenden Ideen und Netzwerke, die Verlaufsformen oder „cycles of protest“ und damit auch die historischen Traditionslinien bzw. die Brüche zwischen den verschiedenen Phasen untersucht. In dieser Perspektive aber ist die Institutionalisierung von Projekten oder die politische Partizipation der Akteure nicht unbedingt mit dem Ende der Bewegung gleichzusetzen, sondern schafft möglicherweise die Voraussetzungen und mit Verzögerung auch die Ressourcen für andere oder spätere Formen sozialen oder politischen Protests

Neben der historischen Betrachtung und der eher mikrosoziologischen Analyse aber bedarf es zur Beurteilung der Bedeutung sozialer Bewegungen wie auch der Frauenbewegung eines gesellschaftspolitischen und -theoretischen Bezugsrahmens. Ich habe hierzu im Folgenden das Konzept der Zivil-gesellschaft gewählt, das m. E. im gegenwärtigen Transformationsprozeß ost-wie westeuropäischer Gesellschaften einen gemeinsamen Bezugsrahmen bildet, auch wenn die bisherigen historischen und politischen Erfahrungen kaum zu Optimismus Anlaß geben. Zudem ist die Begrifflichkeit in dieser international geführten Diskussion verwirrend, da im Deutschen immer erst zu klären ist, ob Zivil-gesellschaft, in der Übersetzung des englische Terminus , civil society“, mit der bürgerlichen Gesellschaft 1 des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts oder mit der modernen Gegenwartsgesellschaft identisch ist oder ob es sich lediglich um ein politisches Programm für eine demokratische und gerechte Gesellschaft in der Zukunft handelt.

Doch mich interessiert, welche Bedeutung die Frauenbewegungen in einem Prozeß der Demokratisierung und Zivilisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse haben können. Dazu möchte ich nach einer kurzen Erläuterung des Begriffs , soziale Bewegungen'das Verhältnis der Frauenbewegungen zum Staat in den uns bekannten Formen der bürgerlichen bzw. zivilen Gesellschaften charakterisieren und dabei auch die Veränderungen durch den Wohlfahrtsstaat westlicher Prägung wie durch den osteuropäischen Transformationsprozeß skizzieren. Dahinter steht das aktuelle Interesse, zu klären, welche Rolle die Frauenbewegungen in Ost und West spielen könnten und inwieweit es in der neuerlich viel diskutierten Zivilgesellschaft gelingen könnte, bisherige Fehler zu vermeiden, um den Ausschluß der Frauen von gleichberechtiger Staatsbürgerschaft nicht nur in der politischen Theorie, sondern auch in der gesellschaftlichen Praxis zu überwinden.

II. Zur gesellschaftlichen Bedeutung sozialer Bewegungen und der Frauenbewegung

Grundlegend für meine Überlegungen ist ein soziologischer Begriff von sozialen Bewegungen. Soziale Bewegungen sind in ihrer allgemeinsten Definition sowohl Anlaß als auch Ergebnis, vor allem aber Träger und Motoren sozialen Wandels. Ihre Akteure sind zunächst informelle Gruppen, unabhängige, autonome Zusammenschlüsse und Vereinigungen, die erst zur Bewegung werden, wenn das Netzwerk der Beteiligten zur Mobilisierung weiterer Netzwerke führt Mit ihrem Protest, ihren Streitfragen und Forderungen, aber auch neuen kulturellen Orientierungen greifen sie gesellschaftliche Widersprüche und soziale Konflikte auf, sie thematisieren Unrechtserfahrungen und Ungerechtigkeit; d. h., sie versuchen, durch die Veröffentlichung und damit Politisierung der vorher als privat behandelten Anliegen ihre Forderungen als allgemein bedeutsame gegenüber dem Staat und seinen Institutionen bzw.den herrschenden Eliten durchzusetzen. Im günstigsten Fall verändern sich mit solchen Mobilisierungen und den neuen Formen der Partizipation nicht nur die Werthaltungen, die politischen und kulturellen Orientierungen der Beteiligten, sondern auch die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, nehmen die Bewegungen oder Bewegungsorganisationen Einfluß auf die politischen und gesellschaftlichen Institutionen, d. h., sie verändern die bestehenden Verhältnisse selbst.

In den historischen sozialen Bewegungen wie in den osteuropäischen Protest-und Bürgerrechtsbewegungen ging es vor allem um den Kampf um liberale Freiheitsrechte, um soziale Gerechtigkeit und um politische Partizipation und damit um Demokratisierung und Reformierung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die neuen sozialen Bewegungen -das gilt als das spezifisch Neue an ihnen -haben vorrangig Probleme der Lebensweise und Lebenswelt, die Bedingungen individueller Selbstbestimmung und angesichts der atomaren Bedrohung oder ökologischer Probleme die irreversible Gefährdung der Lebensgrundlagen auf die politische Agenda gebracht.

In der politischen Theorie und in der Bewegungsforschung galt die Arbeiterbewegung bis zu ihrer Etablierung und Institutionalisierung im Wohlfahrtsstaat als Prototyp einer sozialen Bewegung. An ihrem Beispiel, dem Auftreten „des Proletariats“, hatte Lorenz von Stein in seiner „Geschichte der sozialen Bewegungen in Frankreich“ die aus dem Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital hervorgebrachten gesellschaftlichen Bewegungen gegenüber den „Kräften des Beharrens“ als die treibende Kraft in der Geschichte gekennzeichnet und zugleich den „allgemeinsten Grund“ für eine soziale Bewegung in der Moderne benannt. In seiner Definition war es der „fortwährende Widerspruch“, den „eine Gesellschaft der Ungleichen .. . mit dem Begriffe des Menschen bildet“

Lange Zeit war die soziologische Analyse von Bewegungen durch Theorien kollektiven Verhaltens verdeckt, die die Phänomene unter dem VorZeichen und Vorurteil der Massenpsychologie, des abweichenden Verhaltens oder der Destabilisierung von Systemen behandelten. Darüber hinaus war der Begriff „Bewegung“ in der Soziologie im Blick auf konservative Bewegungen vor allem aber durch die Konnotierung mit der Rede von der nationalsozialistischen Bewegung, diskreditiert. Erst im Zuge der neuen sozialen Bewegungen hat sich sehr allmählich, doch inzwischen international, ein breites Feld der Bewegungsforschung etabliert, das die Bedeutung von Bewegungen als kritische Instanzen im Wohlfahrts-/Sozialstaat, insbesondere als Promotoren eines „neuen politischen Paradigmas“ versteht, die gegenüber Aktionsformen, Werten und Konfliktthemen einer alten oder etablierten Form der Politik Neues thematisiert und praktiziert und damit den Begriff wie auch den Raum des Politischen verändert und erweitert haben. Das gilt in ganz besonderem Maße -ohne in den Theorien sozialer Bewegungen entsprechend berücksichtigt zu sein -auch für die neuen Frauenbewegungen, die mit der Thematisierung der Geschlechterprobleme unter dem Motto auch „das Private ist politisch“ die Inhalte und Formen des Politischen in Frage stellen und die Grenzziehungen verschoben haben.

Ohne in diesem Rahmen auf die sehr unterschiedlichen Theorien sozialer Bewegungen eingehen zu können, kommt es mir auf die hiermit eröffneten Fragestellungen an, die eine Plattform für die sehr unterschiedlichen Erfahrungen und Bewegungen in Ost und West bieten. Denn in der „wiederentdeckten“ Zivilgesellschaft als dem möglichen gemeinsamen gesellschaftstheoretischen und politischen Bezugspunkt sowohl für die westlichen Demokratien als auch die östlichen Transformationsgesellschaften spielen die verschiedenen Bürgerrechts-, Emanzipations-, Friedens-und Ökologiebewegungen eine herausragende Rolle. Sie haben gezielt und bewußt unterhalb und außerhalb, ja, gegen die vorhandenen politischen Strukturen und staatlichen Institutionen eine politische Öffentlichkeit hergestellt und damit Einfluß genommen auf Staat und Politik. Über ihren Einfluß auf die öffentliche Meinung haben sie schließlich zur Delegitimierung von Macht, aber auch zur Demokratisierung der gesellschaftlichen Beziehungen beigetragen.Ohne die etablierten und bewährten Formen demokratischer Willensbildung (z. B. in den Parteien) oder der Gewaltenteilung ersetzen zu wollen, behandeln Jean Cohen und Andrew Arato daher soziale Bewegungen als „Schlüsselfiguren“, „a key feature of a vital, modern civil society and an important form of Citizen participation in public life“ In ihrer Theorie einer Zivilgesellschaft wird gerade die Frauenbewegung als zentrale und beispielhafte soziale Bewegung behandelt, weil sie die geltenden „Standards der Gerechtigkeit“ für alle Sphären der Zivilgesellschaft, gerade auch für die Familie, reklamiert und damit wesentlich zu „Enttraditionalisierung und Demokratisierung sozialer Beziehungen“ beigetragen habe Die ausdrückliche Einbeziehung der Familie in die Agenda der zivilen Sphäre ist -wie wir sehen werden -für meine Fragestellung von Bedeutung.

Bemerkenwert ist jedoch, wie lange die Frauenbewegungen von der politischen Theorie im allgemeinen und in der deutschen Bewegungsforschung im besonderen unterschätzt bzw. gesellschaftstheoretisch nicht ernsthaft berücksichtigt wurden. Das gilt sowohl für die Einschätzung der historischen Frauenbewegung als auch für die neue Frauen-bewegung, die allzu lange in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung politisch und theoretisch heruntergespielt bzw. in der Bewegungsforschung „umstandslos“ unter die anderen neuen sozialen Bewegungen „subsumiert“ wurde, ohne die strukturellen Konflikte im Geschlechterverhältnis als patriarchalische und fundamentale zu benennen Beispielhaft für diese Unterschätzung, die zögerlichen Zugeständnisse, aber auch den gleichbleibend paternalistischen Gestus ist die Karriere, die das Thema Frauenbewegung in den Gesellschaftsanalysen von Jürgen Habermas erfahren hat, von der vielzitierten bloßen Fußnote 15 in den „Stichworten zur , Geistigen Situation der Zeit“ 1, in der der Frauenbewegung ein „eigentümlicher Konkretismus, das Festkrallen an natürlichen, askriptiven Merkmalen wie . . . Geschlecht“ attestiert wird zu einem „Feminismus“, dem „in der Tradition der bürgerlich-sozialistischen Befreiungsbewegungen“ und im Gegensatz zu allen übrigen (neuen) Bewegungen doch die „Schubkraft einer offensiven Bewegung“ zugesprochen wird, „freilich“ mit einem „partikularistischen Kern“ Ja, noch in seiner Diskurstheorie des Rechts geht der Autor -vor dem Hintergrund einer mehr als 150jährigen Geschichte der Frauenbewegung und ihrer Kämpfe um Recht -davon aus, daß die „Hinsichten“ der Geschlechterdifferenz und die entsprechenden Rechtsforderungen von Frauen „erst in öffentlichen Diskussionen geklärt“ werden müßten, bevor sie als allgemeine zu verhandeln sind

Nun besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Frauenbewegung und den anderen neuen sozialen Bewegungen gerade darin, daß die Frauenbewegung schon eine ebenso alte’ Bewegung wie die Arbeiterbewegung ist bzw. historische Vorläufer hat, ohne deren Kämpfe die heutigen kaum denkbar sind. Andererseits ist die neue Frauenbewegung als Reaktion auf und auch als Teil der neuen Bürgerrechts-und Alternativbewegungen entstanden, d. h., sie sind personell und politisch mit deren Anliegen auf vielfache Weise verbunden und vernetzt. Doch im historischen Vergleich zwischen alter und neuer Frauenbewegung und in der Berücksichtigung der Zwischenzeiten und Flauten sind nicht nur die Kontinuitäten und die gleichen Anliegen wiederzuerkennen, sondern es werden auch die Unterschiede in der Organisationsweise und im Selbstverständnis sowie die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen offensichtlich, spielen vor allem die gesellschaftlichen Umbrüche eine große Rolle. Das gilt auch für die osteuropäischen Frauenbewegungen, die ja nicht nur eine realsozialistische Vorgeschichte haben, sondern an kulturelle Traditionen und in der Regel auch an eine Frauenbewegungsgeschichte vor 1917 anknüpfen können

Das beinhaltete um 1900 sowohl für die bürgerlichen als auch für die proletarischen Frauenbewegungen und ihre verschiedenen Ableger und Richtungen eine internationale, auch europäische Orientierung, die sich bereits, vor dem Ersten Weltkrieg in zahlreichen Organisationen, Medien und Konferenzen eine politische Öffentlichkeit schuf (vgl. z. B. die Geschichte des „International Council of Women", gegründet 1888, oder die „International Alliance of Women for Suffrage and Equal Citizenship“, gegründet 1904).

Die von den Frauenbewegungen in den verschiedenen Phasen bezeichneten Streitpunkte und alternativen Zielsetzungen sollen im Folgenden als Wegmarken dienen, um die Spezifik der Frauenprobleme im jeweiligen gesellschaftlichen Zusammenhang und die Konfliktlinien im Geschlechterverhältnis zu skizzieren. Denn in der Thematisierung und Verständigung über Problem-lagen und der Herstellung eines öffentlichen Raumes für kollektive Lernprozesse steckt m. E. die politische Sprengkraft gerade dieser sozialen Bewegung.

III. Frauenbewegung in der bürgerlichen Gesellschaft

Die Geschichte der neuzeitlichen Frauenbewegungen beginnt mit der Französischen Revolution, also mit der Inanspruchnahme von Freiheit und Gleichheit und der allgemeinen Menschenrechte auch durch Frauen. Gerade weil die Französinnen trotz ihrer entscheidenden Mitwirkung beim Sturz des Ancien regime von der Französischen Nationalversammlung ausgeschlossen blieben und kein Wahl-oder Bürgerrecht erhielten, also, wie sie selbst feststellten, um die Früchte der Revolution betrogen wurden, verweist schon die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ von Olympe de Gouges aus dem Jahr 1791 auf die gleich-bleibenden und zentralen Widersprüche und Schwachstellen der bürgerlichen Rechts-und Staatsverfassungen. Denn mit der anscheinend „partikularistischen“ Forderung nach Selbstbestimmung im Hinblick auf die Mutterschaft der Frau (ausgedrückt in Artikel 11 über die Meinungsfreiheit und dem Recht, die Vaterschaft der Väter in Anspruch zu nehmen) in Verbindung und unter ausdrücklicher Betonung ihrer Rechte als Staatsbürgerin (z. B. in Art. 3, 6, 16) hat de Gouges bereits den Widerspruch zwischen dem öffentlichen Versprechen der Gleichheit für alle Menschen und der privaten Willkür und Gewalt im Geschlechterverhältnis und im sog. rechtsfreien Raum der Familie bloßgelegt. In einem neben der Rechte-Erklärung veröffentlichten Entwurf zu einem „Gesellschaftsvertrag“ zwischen Mann und Frau, der an die Stelle des üblichen Ehevertrages treten sollte, hat sie zugleich den systematischen Stellenwert der ehelichen Beziehungen als nicht nur private, sondern politische, d. h. als im öffentlichen Interesse gerecht und gleichberechtigt zu ordnende, aufgedeckt

Für alle nachfolgenden Frauenbewegungen war die Inanspruchnahme der allgemeinen Menschenrechte der Bezugspunkt für die Thematisierung von typischen Unrechtserfahrungen von Frauen und zugleich die Basis ihrer Kämpfe um gleiches Recht, so auch in den demokratischen oder Befreiungsbewegungen um die Revolution von 1848 in Europa und in den USA (vgl. die amerikanische . Declaration of Sentiments 4 1848 in Seneca Falls). Zum Auftakt der Stimmrechtsbewegung im Jahr 1895 in Deutschland zum Beispiel, des von da an gezielten und organisierten Kampfes um gleiche Wahl-und Bürgerrechte als Grundvoraussetzung aller weiteren Rechtsforderungen, faßte Lily Braun die Zielsetzung emphatisch so zusammen: „So verlangen wir denn freie Bahn für unsere Entwicklung um unserer selbst und der leidenden Menschheit willen . . . Wir verlangen Anwendung der Prinzipien des modernen Staates -der allgemeinen Menschenrechte -auch auf die andere Hälfte der Menschheit, die Frauen.“

Der Kampf um Rechte hatte viele Facetten, berührte alle Lebensbereiche und traf auf unerbittliche Widerstände. Vorrangige Ziele waren das Recht auf Bildung, Ausbildung und Erwerb, auf Zugang zu öffentlichen Ämtern, zu qualifizierten Berufen und Universitäten und vor allen anderen Rechtsgleichheit auch in der Ehe: Rechte also, die für alle Richtungen der Frauenbewegung, nicht nur für die der bürgerlichen Frauen, im privaten wie im öffentlichen Leben existentiell waren. Jedoch stand das Recht auf Arbeit für die Proletarierinnen kaum in Frage, für sie ging es neben den Ehe-und Mutterrechten vor allem um den Schutz vor unmenschlichen Arbeitsbedingungen und um gleichen Lohn. Die Abwertung all dieser Grund-forderungen für ein menschenwürdiges Leben als Nur-Rechte-Bewegung wird der Tragweite und Bedeutung dieser Kämpfe auch für die Gegenwart nicht gerecht.

Denn es ging nicht , nur‘ um formale Gleichberechtigung im , engen Rechtshorizont 4 einer bürgerlichen Eigentumsordnung, auch nicht um „Angleichung an die Mannesstellung 44 oder „sameness",sondern um Befreiung aus persönlicher Abhängigkeit, vor allem um Mündigkeit und Entscheidungsrechte auch in Ehe und Familie, gerade weil dieser Bereich den Frauen in der bürgerlichen Gesellschaft als ureigenste und unentbehrliche Aufgabe übertragen war. Daher wäre es auch ein Mißverständnis, die Position dieser frühen Frauenbewegung als ehe-und familienfeindlich zu charakterisieren, im Gegenteil. Allerdings war die Verständigung über die Erfahrungen von Ungerechtigkeit, Gewalt und Bevormundung (legitimiert in dem Rechtsinstitut der Geschlechtsvormundschaft bzw. eheherrlichen Gewalt noch im BGB gerade in diesem Bereich, die Kritik des familialen Patriarchalismus, für alle Frauenbewegungen des 19. Jahrhunderts ein entscheidendes mobilisierendes Moment.

Bezeichnend ist, daß diese ersten Frauenbewegungen trotz ihrer massenhaften Proteste und Petitionen und einer um die Jahrhunderwende sogar international gut organisierten Gegenöffentlichkeit mit ihren Forderungen nach Reform des Ehe-und Familienrechts am wenigsten Erfolg hatten, und zwar auch noch nach Erlangen des Frauen-wahlrechts in verschiedenen Ländern vor allem hach dem Ersten Weltkrieg. Auf diese Weise wurde die neue staatsbürgerliche Gleichberechtigung durch das unveränderte Privatrecht konterkariert. Familiale Bevormundung und strukturelle ökonomische Benachteiligungen unterliefen so von vornherein die Möglichkeit politischer Partizipation. Und bis in die Gegenwart hinein zeigt sich, daß die Umsetzung der Gleichberechtigung in diesem Bereich auf hartnäckige Widerstände stößt.

Historische Frauenforschung und feministische Gesellschaftstheorien haben diese Widerstände inzwischen in den vielfältigen gesellschaftlichen Ausprägungen und Hinsichten untersucht und kritisiert. In diesen Studien wurden die tradierten Geschlechterrollen sowie geschlechtsspezifischen Strukturen in allen gesellschaftlichen Bereichen, in der Familie, auf dem Arbeitsmarkt, in den Institutionen von Staat und Gesellschaft, einer kritischen Analyse unterzogen. Dabei zeigte sich, daß der Familie in den Rechts-und Staatstheorien der bürgerlichen Gesellschaft nicht zufällig eine staatstragende Bedeutung zugeschrieben wird, sei es als „Kinderstube des Menschengeschlechts“ und , Keimzelle des Staates 4 und immer wieder als staatlich zu schützende und geschützte Institution oder als „Gemütsgemeinschaft“ und Gegenwelt zur Rationalität des kapitalistischen Marktes oder Wirtschaftsbetriebes Der Ausschluß der Frauen aus dem Bereich bürgerlicher Öffentlichkeit und ihr Einschluß im Privaten, im Bereich der Familie durch den Ehevertrag oder „sexual contract“ mit einer ganz bestimmten, genau normierten „Ordnung der Geschlechter“, war somit nicht lediglich Überhang aus feudaler Vergangenheit, sondern konstitutiv für die Funktionsweise der bürgerlichen Gesellschaft und bildete -wie zu zeigen ist -auch noch die Voraussetzung für das Funktionieren und die Struktur der modernen Wohlfahrtsstaaten.

Für die Stellung der Frauen in dieser Gesellschaft rechtlich und praktisch bedeutsam ist somit die Zweistufigkeit von Gesellschafts-und Ehevertrag, die mit einer geschlechtsspezifischen Platzanweisung korrespondiert. D. h., die bürgerliche (auch die zivile?) Gesellschaft, die sich doch in ihren Proklamationen und Prinzipien auf die Freiheit und Gleichheit aller Menschen verpflichtete, bewahrte die Ungleichheit der Frauen, und zwar vor allem der Frauen in der Familie, als immanenten Widerspruch, quasi in einem Gesellschaftsvertrag mit doppeltem Boden. Der systematische Ausschluß gründet sich damit nicht nur auf die für den Liberalismus konstitutive Trennung in Staat und Gesellschaft, sondern auf eine Dreistufigkeit, in der sich die Gesellschaft, die ökonomische und politische Sphäre „der bürgerlichen Öffentlichkeit“, noch einmal in eine öffentliche und eine private Sphäre unterteilt

Hier nun wird deutlich, welche weitreichende und grundsätzliche Bedeutung die Einbeziehung der Familie in die kommunikative und diskursive Struktur der zivilgesellschaftlichen Sphäre hätte. In der politischen Theorie von Cohen/Arato folgt daraus, daß auch die Familie, obwohl sie nicht einfach eine freiwillige Assoziation wie andere Vereinigungen ist, entprechend den egalitären Prinzipien der Zivilgesellschaft von ihren patriarchalischen Herrschaftsformen zu befreien ist, ja, daß darüber hinaus gerade die Rechte in der Privatsphäre in den Katalog verfassungsmäßig garantierter Freiheiten aufzunehmen seien

IV. Frauenbewegung im Wohlfahrtsstaat

Nicht nur im Hinblick auf die private Rechtsstellung, insbesondere im Eherecht, sondern auch auf dem Gebiet der Sozialpolitik haben die ersten Frauenbewegungen nach dem Ersten Weltkrieg in den sich neu konstituierenden Wohlfahrtsstaaten eine entscheidende Niederlage einstecken müssen. Dabei hatten die Frauenorganisationen wie die Arbeiterbewegung mit ihren vielfältigen Initiativen für eine soziale Reform, mit ihren Vereinen zur Selbsthilfe, zur Ausbildung und zum Schutz von Frauen (z. B.der Einrichtung von Arbeitsvermittlungs-und Rechtsschutzstellen usw.), schließlich mit ihren Berufsorganisationen und insbesondere der Entwicklung und Professionalisierung der Sozialarbeit als Frauenberuf entscheidend zur Humanisierung und Reform der kapitalistischen Verhältnisse beigetragen. Die nationalen Frauenverbände haben auch im Ersten Weltkrieg, in der Erprobungsphase staatlich organisierter Sozialpolitik, in allen Bereichen der Kriegswirtschaft und Fürsorge ihre Unentbehrlichkeit vielfach unter Beweis gestellt. Doch als Sozialpartner im neuen gesellschaftlichen Kompromiß zwischen Lohnarbeit und Kapital waren sie offensichtlich nicht gefragt

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wird deshalb in beinahe allen westlichen Industrieländern eine sozialpolitische Weichenstellung vorgenommen, die auch den sog. Keynesianischen Kompromiß kennzeichnet: Seine Zielsetzung und Prämisse hieß Vollbeschäftigung, doch meinte dies im Hinblick auf Frauen von Anbeginn nur eine Erwerbs-beteiligung von etwa 30 Prozent, weil gleichzeitig die Familienarbeit/Hausarbeit der Frauen gewährleistet und garantiert sein sollte. Das Prinzip der Familiensubsidiarität und die Absicherung des männlichen Lohnarbeiters durch einen Familien-lohn waren die Instrumente, mit denen die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung nun aufs neue auch sozialpolitisch abgestützt wurde.

Trotz der im internationalen Vergleich durchaus unterschiedlichen sozialen Sicherungssysteme zeigt sich daher ein im Hinblick auf die Stellung der Frauen im Sozialstaat ziemlich einheitlicher Befund: Auch die amerikanischen Frauenforscherinnen sprechen vom „doppelten Standard“ wohlfahrtsstaatlicher Unterstützung für Männer und Frauen, der Sozialversicherung für den weißen Industriearbeiter auf der einen Seite und einem schlecht abgesicherten Hilfsprogramm für allein-stehende Mütter mit Kindern andererseits. Beide Transferleistungen beruhen auf ganz verschiedenen Ideologien, Berechtigungen und bürokratischen Verfahrensweisen und verstärken die geschlechtsspezifische, rassistische und klassenspezifische Organisation des amerikanischen Wohlfahrtsstaates

Ebenso hat Hilary Land für England die weichen-stellende Debatte in den zwanziger Jahren über den Familienlohn kritisiert, für den sich die Gewerkschaften gegen die ausdrücklichen Interessen der Vertreterinnen der Frauenbewegung eingesetzt haben, um den Mann als Brotverdiener und damit die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung abzusichern Lediglich der skandinavische Wohlfahrtsstaat, der von Anbeginn die sozialpolitischen Sicherungen nicht an die Lohnarbeiterinnen-, sondern die Staatsbürgerinnenrolle geknüpft hat, schuf damit für Frauen die Voraussetzungen zu gleicher politischer und gesellschaftlicher Partizipation, „a transition from being powerless to having little power“

Grundsätzlich setzte sich damit bei allen sozial-staatlichen Transferleistungen die für die bürgerliche Gesellschaft konstitutive Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre in der systematischen Zweiteilung der sozialen Sicherungssysteme in eine Arbeiter-und Armutspolitik fort, weil die Unterscheidung zwischen Lohn-und Familienarbeit auch das soziale Berechtigungssystem bestimmt. D. h., auch die sozialen Sicherungssysteme haben einen doppelten Boden, bei dem sich im oberen Netz vorwiegend männliche Lohn-arbeiter, kontinuierlich Versicherte, wiederfinden mit gesicherten Rechtsansprüchen, während im unteren die Nicht-Lohnarbeiter und Benachteiligten, überwiegend Frauen nur bei Bedürftigkeit, nach bürokratischer Prüfung des Einzelfalles aufgefangen werden

Und doch ist nicht nur eine negative Bilanz zu ziehen, wenn die Dialektik des Rechts und von Rechtsansprüchen berücksichtigt wird. Denn so sehr dieser Wohlfahrtsstaat auf der einen Seite zu erneuter Diskriminierung und stärkerer Kontrolle, zu einer problematischen „Verrechtlichung“ der sozialen Beziehungen geführt hat, hat er doch auch Berechtigungen und z. B. mit der Garantie eines Existenzminimums die Voraussetzung auch für die Unabhängigkeit vom Familienernährer geschaffen. Feministinnen haben deshalb provozierend gefragt, ob „diese Abhängigkeit vom Staat nicht der Abhängigkeit vom Ehemann vorzuziehen sei; denn Frauen , leben nicht mit dem Staat zusammen'wie mit dem Ehemann, weshalb es möglich ist, in kollektiven Aktionen um ihre Rechte zu kämpfen“

Schließlich waren die Rechtsfortschritte und Rechtsansprüche auf Bildung, beruflichen Wiedereinstieg, sehr allmähliche Verbesserungen existentieller Sicherung und ein neuer Standard gleicher Rechte auch die Voraussetzung für die Kämpfe der neuen Frauenbewegungen. Auf der Basis einer wenigstens formalen Rechtsgleichheit auch im Privaten, höherer Bildung und zeitweise verbesserter Erwerbschancen hat die neue Frauenbewegung im Westen die Diskrepanz zwischen Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit thematisiert und damit die nach wie vor wunden Punkte im Geschlechterverhältnis sehr viel deutlicher und selbstbewußter als die Frauen früherer Generationen zur Sprache bringen können. Ihre zentralen Forderungen waren nun nicht mehr Gleichberechtigung, sondern Autonomie in privater wie politischer Hinsicht. Dazu gehörte insbesondere die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und die Skandalisierung der im Privaten verborgenen und als Privatsphäre geschützten Gewalt gegen Frauen.

Das in der neuen Frauenbewegung gängige Motto „Das Private ist politisch“ bezeichnet somit nach wie vor den Kern der Herausforderung, mit der die neue Frauenbewegung die herkömmlichen Werte und Orientierungen, aber auch die Formen des Politischen als Verkehrsform öffentlicher Angelegenheiten in Frage gestellt und zu beeinflussen versucht hat. Die Neudefinition des Politischen rührt an die Grundfesten der bürgerlichen Gesellschaft und der bestehenden politischen Ordnung, die -wie wir sahen -auf einem Gesellschaftsvertrag mit doppeltem Boden beruht; m. E. hat sie mit dieser Form der Politisierung ihrer Anliegen bereits die traditionelle Trennlinie zwischen Privatem und Öffentlichkeit verschoben und den Wertewandel entscheidend beeinflußt.

Die Frage, die sich heute bei der Beurteilung der westlichen Gegenwartsgesellschaft stellt, ist lediglich, inwiefern wir denn heute noch in einer bürgerlichen Gesellschaft leben bzw. inwiefern die Mutation zum Wohlfahrtsstaat berechtigt, von einer zivilen Gesellschaft zu reden. Sozialer Wandel gerade in bezug auf die Form der Familie, die sogenannte Pluralisierung der Lebensformen und Prozesse der Individualisierung sowie insbesondere die Erosion der traditionellen Geschlechter-rollen gelten als Anzeichen einer nachbürgerlichen oder postmodernen Gesellschaft. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, wie wir die oben genannten Merkmale und Konstitutionsbedingungen der bürgerlichen Gesellschaft beurteilen: Wenn die spezifisch bürgerliche Ordnung der Geschlechter, befestigt in der Familie und einer nach wie vor geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung, wie oben behauptet, tatsächlich unentbehrliche Grundlage und Rahmenbedingung und also konstitutiv ist für die bürgerliche wie zivile Gesellschaft, können Feministinnen ihr Projekt nur als postmodern verstehen. Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit der Interpretation: Meines Erachtens bleibt das Versprechen der Freiheit und Gleichheit auch der Frauen das eigentliche, verhinderte Ziel einer wirklich demokratischen und zivilen Gesellschaft. Damit aber stünde die Vollendung der bürgerlich-zivilen Gesellschaft noch aus, wäre alle bisherige Bürgerlichkeit nur als Vorgeschichte des Projekts „Zivilgesellschaft“ zu deuten.

V. Frauenfrage und Frauenpolitik in den osteuropäischen Transformationsgesellschaften

Spätestens mit dem Blick nach Osteuropa wird deutlich, wie verwirrend die Terminologie ist und wie unterschiedlich das Konzept „Bürgerliche Gesellschaft“ bzw. „Zivilgesellschaft“ verwendet wird. Doch die Verwirrung ist nicht nur in einer unzulänglichen Systematik, sondern in der „schillernden“ Begrifflichkeit beider Termini selbst begründet, zu der die unterschiedlichen theoretischen und politischen Prämissen in Osteuropa und im Westen, nicht zuletzt die unterschiedlichen Sprachen und Übersetzungen (civil society -bürgerliche Gesellschaft -bourgois society) beigetragen haben. Auffällig ist, daß im Deutschen im Kontext der Demokratisierungsprozesse in Osteuropa vorwiegend von Zivilgesellschaft (oft sogar im englischen Terminus) gesprochen wird, offenbar weil der Begriff bürgerliche Gesellschaft ein historischer bzw. weil sie durch ihre Kennzeichnung als Klassengesellschaft belastet ist.

Gleichzeitig wird vielfältig auf die „Renaissance“ und auf die notwendige „Rekonstruktion“ und Reinterpretation des Begriffs und seiner politischen Bedeutung hingewiesen „In Osteuropa“ -versucht man zu erklären -„wird bürgerliche Gesellschaft im Gegensatz zu Staat begriffen und drückt die Überzeugung aus, daß die Gesellschaft nicht auf staatliche Strukturen reduzierbar ist. Gegenüber einem kommunistischen Staat, einem Staat, der alle Bereiche des Gemeinwesens unter seine Kontrolle zu bringen versucht(e), wird der Begriff . bürgerliche Gesellschaft zum Maß der Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft gegen den Totalitätsanspruch des Staates und gleichzeitig zu einer politischen Handlungsmaxime: Die bürgerliche Gesellschaft ist der vom Staat nicht beherrschte Rest des gesellschaftlichen Lebens, den es zu erweitern gilt.“

Die bedeutende Rolle der osteuropäischen Oppositions-und Bürgerrechtsbewegungen im gesellschaftlichen Transformationsprozeß wird immer wieder hervorgehoben, weil sie, quasi als Counterpart der westeuropäischen neuen sozialen Bewegungen, bewußt außerhalb der vorhandenen politischen Strukturen und im Spannungsverhältnis zwischen Staat und Gesellschaft neue Räume politischer Willensbildung und Kontrolle, aber auch der Selbstbestimmung eröffnet und damit Einfluß auf die öffentliche Meinung genommen haben. Sie werden beschrieben als „ein Netz selbständiger, vom Staat unabhängiger Vereinigungen, . .. die nicht von der Staatsmacht bevormundet werden, .. . doch durch ihre bloße Existenz oder Aktivität Auswirkungen auf die Politik haben können“ Insbesondere wird betont, daß diese Vereinigungen, Basisorganisationen und Gruppierungen, die einen neuen Raum des Gesellschaftlichen und Politischen eröffnet haben, nur als demokratische, gleichberechtigte und solidarische denkbar sind.

Doch die entscheidende, meine Überlegungen antreibende Frage, die vor dem Hintergrund feministischer Gesellschaftskritik zu stellen ist, bleibt, wie sich diese im ost-und mitteleuropäischen Kontext konzipierte Zivilgesellschaft zu dem Problem der Exklusion der Frau aus politischer Mitverantwortung und ihrer Inklusion in die Familie, dem konstitutiven Widerspruch der bürgerlichen Gesellschaft, verhält? Hierzu findet sich in der breiten Literatur herzlich wenig, in der Regel „only a passing reference“ Eine Ausnahme bildet der schon mehrfach erwähnte theoretische Ansatz von Cohen/Arato.

Aus westlichem Blickwinkel fällt zumindest auf, daß Frauen in allen Bürgerrechts-und Demokratiebewegungen in Osteuropa wohl in hohem Maße beteiligt waren, die Probleme im Geschlechterverhältnis jedoch offenbar ausgespart blieben. Auch in den Ansätzen und Formulierungen einer Strategie einer „anti-political politics“ die ihren Ausgangspunkt von ihren Erfahrungen und der Widerständigkeit in der „Lebenswelt“ nimmt und damit verblüffend nah an das von westlichen Feministinnen formulierte Politikverständnis herankommt, bleiben die Texte im Hinblick auf die Geschlechterverhältnisse bzw.den weiblichen Lebenszusammenhang bemerkenswert stumm. Das lag in der Vergangenheit ohne Zweifel daran, daß die Frauenfrage in den staatssozialistischen Gesellschaften einerseits einen hohen politischen Stellenwert hatte und von Staats wegen, als Emanzipation , von oben, beantwortet schien. Die gleichberechtigte Einbeziehung der Frauen in den Arbeitsmarkt, die Absicherung der vollen Berufstätigkeit durch ein ganzes Bündel sozialpolitischer Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Familien-und Berufsarbeit (nur) der Frauen garantieren sollte, entsprach insoweit dem historisch-materialistischen Versprechen, als die Emanzipation des Menschen, und das meinte auch die Frauen, automatisch aus der Auf-hebung der Klassengegensätze und ökonomischen Ungleichheit folge.

Ohne hier auf die bereits hinreichend kritisierte sozialistische Frauenemanzipationstheorie wie auch ihre Umsetzung in den sog. realsozialistischen Gesellschaften eingehen zu können, ist anzuerkennen, daß die in den sozialistischen Ländern verordnetete Frauenpolitik mit einer Frauenerwerbsquote von ca. 90 Prozent ohne Zweifel eine Veränderung der traditionellen Frauenrolle bewirkt und insbesondere die ökomische Selbständigkeit der Frauen gefördert hat. Trotzdem -das wird von allen Beteiligten heute in der Rückschau betont -hat diese Form der Gleichberechtigung keineswegs die geschlechtsspezifischen Strukturen der Ungleichheit in Staat und Gesellschaft beseitigt, insbesondere nicht die Zuständigkeit der Frauen für die Familienarbeit aufgehoben. Das Recht und der Zwang zur Erwerbstätigkeit hatte deshalb mit der Doppel-und Dreifach-Belastung von Frauen einen hohen Preis: „Emanzipation’ bedeutete für Frauen, die auf eine billige Arbeitsressource reduziert waren, in den letzten vierzig Jahren den Verlust ihrer Würde . . . bedeutete den Verlust ihrer Frauenidentität, weil Frauen sich an die vorgegebenen Strukturen anzupassen hatten . . . Sie hatten keine Möglichkeit, sich ihrer selbst bewußt zu werden und selbst zu entscheiden, was es bedeutete, eine Frau zu sein, um dies in ihrer Lebensweise, ihren Rollen und persönlichen Erwartungen auszudrücken.“

Andererseits -und diese unterschiedlichen Erfahrungen spielen nun auch für die Verständigung über das, was Zivilgesellschaft im Transformationsprozeß seit 1989 heißen könnte, eine beachtliche Rolle -war die Privatsphäre in den sozialistischen und totalitären Staaten Osteuropas zunächst und lange Zeit der einzige Raum, der „die Entwicklung individueller Initiative und Autonomie“ ermöglichte. „Family and friends filled the space where civil society could not exist.“ „Der Raum der Freiheit war eher das Private als das Öffentliche“, versichert Hanna Havelkova und fügt hinzu, daß der gegenwärtige Transformationsprozeß „die ökonomische und psychische Funktion der Familie nicht beseitigt, sondern (sogar noch) verstärkt“ habe. Familie war in diesem Kontext also gerade nicht der Bereich, in dem Unrechtserfahrungen gemacht oder zumindest thematisierbar wurden.

Vielleicht war die Familie wegen der oppositionellen und politischen Bedeutung dieses Privatbereichs auch in besonderer Weise gefeit gegen geschlechtsspezifische Benachteiligung. Erst mit dem Wegfall der staatlichen Repression wurde sie wieder frei in einem doppelten Sinn, d. h. auch für eine geschlechtshierarchische Funktionalisierung und Arbeitsteilung. Allerdings gab es eine besondere Verwundbarkeit der Frauen durch sexuelle Gewalt, die als Faktum nun im Zuge der Liberalisierung zutage tritt, auch unter realsozialistischen Bedingungen. Sie lag -so drückte es eine Diskussionsteilnehmerin bei einer Vortragsveranstaltung 1995 in Bratislava aus -in der „Sexualisierung auch der gesellschaftlichen Beziehungen“, gemeint waren sexuelle Belästigungen und Verfügbarkeit von Frauen in den Arbeitsbeziehungen -eine Bemerkung, die unter den Beteiligten eine heftige Diskussion auslöste.

Heute nun erleben die Frauen in den osteuropäischen Staaten in der Transformation ihrer Gesellschaft in die liberale Marktokönomie -in sehr unterschiedlicher Weise -ganz neue Formen der Diskriminierung, der Zurücksetzung und Bevormundung und des Ausschlusses aus dem Bereich gesellschaftlicher Produktion, wird doch z. B. in Ostdeutschland ganz offen und gezielt auf die „Normalisierung“ der Frauenerwerbsquote von einst über 90 Prozent auf westdeutschen Standard (um 55 Prozent) hingearbeitet, werden auch in den anderen osteuropäischen Staaten die sozialpolitischen Errungenschaften zurückgefahren, die das Vereinbarkeitsproblem von Beruf und Familie vergesellschaftet und damit unsichtbar gemacht hatten. Gleichzeitig ist mit dem Verlust des Rechts auf Arbeit und sozial abgesicherter Arbeitsplätze in allen osteuropäischen Ländern ein wesentlicher Rückgang der Partizipation von Frauen in allen politischen Gremien und Parteien zu verzeichnen, der nicht nur mit dem Wegfall staatlich verordneter Quotierungen zu tun hat, sondern auf neue Ausschlußmechanismen hindeutet.

Aber auch insofern sind Verallgemeinerungen offensichtlich voreilig, als nun doch auch die sehr unterschiedlichen kulturellen Traditionen und politischen Konstellationen in den verschiedenen Ländern Ost-und Mitteleuropas zum Tragen kommen, es also Einschätzungen gibt, die diese Fakten anders deuten Danach ist der Rückzug der Frauen aus institutionalisierter Politik kein Indikator für ein Desinteresse an Politik, im Gegenteil, so Julia Szalai über die Situation in Ungarn: „Das politisehe Leben jenseits der offiziellen politischen Sphäre ist dominiert von einer qroßen Zahl weiblicher Akteure: Tausende von neu gegründeten Vereinigungen, lokalen Komitees und Nichtregierungsorganisationen stützen sich wesentlich auf ihre Mitwirkung, abgesehen von den nicht parteigebundenden Ämtern in verschiedenen kommunalen Vertretungen.“ Inwieweit die neuen politischen und neoliberalen Marktbedingungen, aber auch die neuartigen Unrechtserfahrungen der Frauen in Osteuropa Auslöser einer Mobilisierung , von unten und einer neuen, selbstbewußten Frauenpolitik sein können, vermag ich nicht zu beurteilen. Gegenwärtig zeichnen die Expertinnen zumindest ein eher düsteres Bild: „Inzwischen werden Frauen in den neuen konservativen Diskursen als vorrangig für die Familie verantwortlich behandelt, vorrangig als Mütter, nicht als Erwerbstätige. Damit wird die Trennung zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre erneut fixiert und zeigt eine Rückkehr vom öffentlichen (wohlfahrtsstaatlichen) Patriachalismus zu privatem Patriarchat (der Abhängigkeit vom männlichen Familienernährer) an.“

VI. Versuch eines Resümees

Die Frage stellt sich, inwieweit diese unterschiedlichen Erfahrungen und Bedingungen überhaupt in einer sozialen Bewegung wie der Frauenbewegung zu einer gemeinsamen politischen Strategie zusammengeführt werden können und was dies für das Konzept der Zivilgesellschaft bedeutet. Denn zu beobachten ist ein gegenläufiger Prozeß: Während . ostdeutsche Frauen einerseits in die politische und ökonomische Freiheit entlassen werden -und doch gleichzeitig einen Prozeß der , Domestizierung'und erneuten Festlegung auf ihre Familien-rolle erfahren -, ist der Emanzipationsprozeß auch in Westdeutschland in Anbetracht der ökonomischen sozialpolitischen Engführungen deutlich gebremst. Aus diesem Grund nützt es nichts, etwa besserwisserisch abzuwarten, bis auch die Osteuropäerinnen mit einer zunehmenden Verbürgerlichung/Zivilisierung (in der ganzen Doppeldeutigkeit des Begriffs) der gesellschaftlichen und politischen Beziehungen so weit sind, unsere westlichen Unrechtserfahrungen zu machen. Aus diesem Grund sind die unterschiedlichen Erfahrungen und Erwartungen von Frauen aus Ost-und Westdeutschland bei den ersten Verständigungsversuchen so heftig aufeinandergeprallt, daß bisher daraus keine gemeinsame Stärke oder neue Bewegung geworden ist.

M. E. kommen gerade auch die westlichen Feministinnen zur Zeit nicht umhin, ihre Konzepte und politischen Strategien zu überprüfen. Dazu gehört vor allem anderen aber ein grundsätzlich anderes Verständnis von Radikalität. Die Theoretikerinnen des Projekts „Zivilgesellschaft“ sprechen daher von einem notwendig „sich selbst beschränkenden Radikalismus“. Damit ist die „Aufgabe revolutionärer Träume zugunsten radikaler Reformen“ gemeint, und sie beinhaltet eine dualistische Strategie sozialer Bewegungen Habermas beschreibt sie als „höchst innovative Kombination von Macht und intelligenter Selbstbeschränkung“ Diese doppelte Strategie zielt einerseits auf politische Einflußnahme, um die Institutionalisierung der Bewegungsziele und die Veränderung der politischen Entscheidungsstrukturen zu erreichen. Diese Reform des Politischen, der Demokratisierung von gesellschaftlicher und ökonomischer Sphäre bedient sich also unserer rechtsstaatlichen Verfassung und der Rechte der einzelnen und überwindet damit die lähmende Grenzziehung zwischen revolutionärem Fundamentalismus und gesellschaftlicher Reform, wie auch die falsche Alternative zwischen autonomer und institutioneller Politik.

Gleichzeitig ist der kollektive Lernprozeß fortzusetzen, der -wie die Frauenbewegung durch die Form ihrer Mobilisierung, die Bildung von Selbsterfahrungsgruppen, autonomen Projekten und Netzwerken gezeigt hat -die Werthaltungen und den politischen Diskurs verändern kann, und zwar nicht nur unter Frauen. Das Aktionsfeld dieser Politik ist der Bereich der Zivilgesellschaft, der sich zwischen den staatlichen Institutionen und der Privatsphäre des/der Einzelnen auftut und Bewegungen, Vereinigungen und Verbände, aber -wie wir aus den osteuropäischen Erfahrungen und eigenen Unrechtserfahrungen lernen konnten -auch den Bereich der Familie umfassen oder der anderen Lebensformen muß, um auch hier gleichberechtigte Kommunikation, Selbstbestimmung und politische Repräsentation zu garantieren.

Nach allem, was wir inzwischen über die Differenzen und unterschiedlichen Interessen von Frauen als der , einen Hälfte der Menschheit gelernt haben, ist es sinnlos, erneut eine falsche Gemeinsamkeit zu beschwören. Erst recht auf der Grundlage so unterschiedlicher Erfahrungen im vereinigten Deutschland kann eine dualistische Strategie die unterschiedlichen gesellschaftlichen Zusammenhänge berücksichtigen und helfen, Mißverständnisse zu vermeiden. Denn die Zivilgesellschaft in Ost und West kann nur ihrer Verwirklichung näherkommen, wenn sie nicht auf Vereinheitlichung und Zentralisierung, sondern auf die Gleichberechtigung und Anerkennung gerade von Verschiedenem und die Vielfalt möglicher Formen der Selbstbestimmung setzt. Allerdings wissen wir angesichts der wiederauflebenden nationalen Diskurse und zur Zeit todbringenden ethnischen Konflikte auch, welch gefährlicher Zeitzünder das Beharren auf kulturellen Differenzen ist.

Die besondere Bedeutung des Feminismus für die Demokratie und die Aufgabe sozialer Bewegungen, auch der Frauenbewegungen, in diesem Prozeß der Verwirklichung der Zivilgesellschaft als Modell für eine demokratische, gerechte und verantwortungsvoll freie Gesellschaft steht außer Frage, allerdings ist dieses Projekt nicht von Frauen allein zu organisieren. Gönnen wir uns also eine Atempause zur Mobilisierung unserer Kräfte, gewinnen wir Verbündete, ohne die eigenen Erfahrungen und Zielsetzungen und die Notwendigkeit autonomer Frauenpolitik zu verleugnen, insistieren wir auf einer Verständigung auch mit dem , anderen Geschlecht über eine soziale und gerechte Politik und damit über den „Traum, den die Welt längst von (dieser) Sache besitzt“

Fussnoten

Fußnoten

  1. Christel Eckart, Politik gegen institutionelles Vergessen, in: Feministische Studien, 13 (1995) 1, S. 83; vgl. auch Mechtild M. Jansen/Sigrid Baringhorst/Martina Ritter (Hrsg.), Frauen in der Defensive? Zur backlash-Debatte in Deutschland, Münster 1995.

  2. Vgl. Leila Rupp/Verta Taylor, Survival in the Doldrums. The American Women’s Right Movement, 1945 to the 1960s, New York 1990; Ute Gerhard, Frauenbewegung in der Flaute? Zur Rolle sozialer Bewegungen in einem veränderten Europa, in: Transit, (1995) 10, S. 117-135.

  3. Ute Gerhard, Die „langen Wellen“ der Frauenbewegung -Traditionslinien und unerledigte Anliegen, in: Regina Becker-Schmidt/Gudrun-Axeli Knapp (Hrsg.), Das Geschlechterverhältnis als Gegenstand der Sozialwissenschaften, Frankfurt/M. -New York 1995, S. 247 ff.

  4. Vgl. Sydney Tarrow, Kollektives Handeln und politische Gelegenheitsstruktur in Mobilisierungswellen: Theoretische Perspektiven, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 43 (1991) 4, S. 647-670.

  5. Auch im Folgenden beziehe ich mich auf die breite Literatur zur Bewegungsforschung, die hier nur beispielhaft genannt werden kann. Vgl. u. a. Joachim Raschke, Soziale Bewegungen. Ein historisch-systematischer Grundriß, Frankfurt/M. -New York 1985; Roland Roth/Dieter Rucht (Hrsg.), Neue soziale Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1987; Mary F. Katzenstein/Carol Mac-Clurg Mueller (Hrsg.), The Woman’s Movement of the United States and Western Europe, Philadelphia 1987; Dieter Rucht, Modernisierung und neue soziale Bewegungen, Frankfurt/M. -New York 1994.

  6. Vgl. Friedhelm Neidhardt, Einige Ideen zu einer allgemeinen Theorie sozialer Bewegungen, in: Stefan Hradil (Hrsg.), Sozialstruktur im Umbruch, Opladen 1985.

  7. Lorenz von Stein, Schriften zum Sozialismus 1848, 1852, 1854, hrsg. von Eckart Pankoke, Darmstadt 1974, S. 3 u. 5.

  8. Vgl. Neil J. Smelser, Theorie des kollektiven Verhaltens, Köln 1972.

  9. Vgl. Ottheim Rammstedt, Soziale Bewegung, Frankfurt/M. 1978.

  10. Claus Offe, New Social Movements: Challenging the boundaries of Institutional Politics, in: Social Research, 52 (1985) 4, S. 817 ff.

  11. John Keane (Hrsg.), Civil Society and the State. New European Perspectives, London -New York 1988, S. 1.

  12. Jean L. Cohen/Andrew Arato, Civil Society and Political Theory, Cambridge/Mass. 1992, S. 19.

  13. Ebd., S. 554 u. 526.

  14. Vgl. J. Raschke (Anm. 5), S. 38 f.

  15. Vgl. Silvia Kontos, Modernisierung in der Subsumptionspolitik? Die Frauenbewegung in den Theorien neuer sozialer Bewegungen, in: Feministische Studien, (1986) 2, S. 34 ff.

  16. Jürgen Habermas, Einleitung, Stichworte zur „Geistigen Situation der Zeit“, Bd. 1, Frankfurt/M. 1979.

  17. Ders., Theorie des Kommunikativen Handelns, Bd. 2, Frankfurt/M. 1982, S. 578 f.

  18. Vgl.ders., Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurs-theorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates, Frankfurt/M. 1992.

  19. Ebd., S. 513.

  20. Vgl. hierzu das „Handbuch der Frauenbewegung“, Berlin 1901, hrsg. v. Helene Lange/Gertrud Bäumer, das in seinem ersten Tei! „Die Geschichte der Frauenbewegung in den Kulturländern“ neben den süd-und westeuropäischen Ländern auch Überblicksdarstellungen über Polen, Rußland und Finnland enthält.

  21. Vgl. Ute Gerhard, Gleichheit ohne Angleichung. Frauen im Recht, München 1990, S. 49 ff.

  22. Lily Braun, Die Bürgerpflicht der Frau, Berlin 1895, S. 23.

  23. Vgl. Gerda Lerner, The majority finds its past. Placing women in history, Oxford -New York 1979, S. 48 f.

  24. Vgl. U. Gerhard (Anm. 21), S. 142 f.

  25. Manfred Erle, Die Ehe im Naturrecht des 17. Jahrhunderts, Göttingen 1952.

  26. Vgl. Heidi Rosenbaum, Familie als Gegenstruktur zur Gesellschaft. Kritik grundlegender theoretischer Ansätze der westdeutschen Soziologie, Stuttgart 1974.

  27. Carole Pateman, The Sexual Contract, Cambridge 1988; dies., The Fraternal Social Contract, in: dies., The Disorder of Women, Stanford 1989, S. 43 f.

  28. Vgl. Georg W. F. Hegel, Grundlinien der Philisophie des Rechts, Frankfurt/M. u. a. 1972, §§ 238/239; vgl. hierzu ausführlich J. L. Cohen/A. Arato (Anm. 12), S. 91 f„ dort leider nur in der Fußnote 48.

  29. Vgl. J. L. Cohen/A, Arato (Anm. 12), S. 82 f. u. 455.

  30. Vgl. Ute Gerhard, Sozialstaat auf Kosten der Frauen. Einleitung, in: dies. /Alice Schwarzer/Vera Slupik (Hrsg.), Auf Kosten der Frauen. Frauenrechte im Sozialstaat, Weinheim-Basel 1988.

  31. Vgl. Linda Gordon (Hrsg.), Women, the State, and Welfare, Madison -London 1990, S. 11; Barbara Nelson, The Origins of the Two-Channel Welfare State: Workmen’s Compensation and Mothers’ Aid, in: ebd. S. 123 ff.

  32. Vgl. Hilary Land, The Family Wage, in: Feminist Review, (1980) 6.

  33. Helga Hernes, Die zweigeteilte Sozialpolitik, eine Polemik, in: Karin Hausen/Helga Nowotny (Hrsg.), Wie männlich ist die Wissenschaft?, Frankfurt/M. 1986, S. 167.

  34. Vgl. Stefan Leibfried/Florian Tennstedt, Politik der Armut und die Spaltung des Sozialstaates, Frankfurt/M. 1985.

  35. Vgl. Ute Gerhard, Sozialstaat auf Kosten der Frauen. Einleitung, in: dies. /A. Schwarzer/V. Slupik (Hrsg.) (Anm. 30).

  36. Vgl. L. Gordon (Hrsg.) (Anm. 31), S. 23.

  37. Vgl. J. L. Cohen/A. Arato (Anm. 12), S. 29 f; J. Keane (Hrsg.) (Anm. 11); Charles Taylor, Die Beschwörung der Civil Society, in: Krzystof Michalski (Hrsg.), Europa und die Civil Society, Stuttgart 1991, S. 52 ff; Jürgen Kocka (Hrsg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, Eine Auswahl, 3 Bde., Göttingen 1995.

  38. Krzystof Michalski, Vorwort, in: ders. (Hrsg.), (Anm. 37), S. 8.

  39. Charles Taylor, Die Beschwörung der Civil Society, in: ebd., S. 52 u. 57.

  40. Claire Wallace, A Western Feminist goes East, in: Transit, (1995) 9; vgl. Nanette Funk, Introduction, in: dies. /Magda Mueller (Hrsg.), Gender Politics and Post-Communism, New York -London 1993, S. 12 f.

  41. Vaclav Havel, Anti-Political Politics, in: J. Keane (Hrsg.) (Anm. 11), S. 381 ff.

  42. Zuzana Kiczkovä/Etela Farkasovä, The Emancipation of Women: A Concept that Failed, in: N. Funk/M. Mueller (Hrsg.) (Anm. 40), S. 87 (Übers, v. U. G.).

  43. Barbara Einhorn, Cinderella goes to Market. Citizenship, Gender and Women’s Movements in East Central Europe, London -New York 1993, S. 6.

  44. Julia Szalai, Women and Democratization: some Notes on Recent Changes in Hungary, Prague (unpublished paper) 1995, S. 24 (Übers, v. U. G.).

  45. Barbara Einhorn, Ironies of History: Citizenship Issues in the New Market Economies of East Central Europe, in: Barbara Einhorn/E. Janes Yeo (Hrsg.), Women and market Societies: Crisis and Opportunity, Aldershot 1995, S. 224 (Übers, v. U. G.).

  46. J. L. Cohen/A. Arato (Anm. 12), S. 493.

  47. Jürgen Habermas, Die neue Unübersichtlichkeit, Frankfurt/M. 1985, S. 156.

  48. Vgl. Birgit Meyer, Über das schwierige, aber notwendige Verhältnis von Feminismus und Demokratie, in: Elke Biester/Brigitte Geißel/Sabine Lang/Birgit Sauer/Petra Schäfter/Brigitte Young (Hrsg.), Staat aus feministischer Sicht, Dokumentation der DPWV, Berlin 1992, S. 63 ff.

  49. Karl Marx, Briefe aus den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern", in: Marx Engels Werke, Vol. 1, Berlin 1972, S. 346.

Weitere Inhalte

Ute Gerhard, Dr. phil., geb. 1939; Studium der Rechtswissenschaften. Soziologie und Geschichte; Professorin für Soziologie an der Universität Frankfurt/M. mit dem Schwerpunkt Frauenarbeit/Frauenbewegung. Veröffentlichungen u. a.: Verhältnisse und Verhinderungen, Frankfurt/M. 1978; Gleichheit ohne Angleichung. Frauen im Recht, München 1990; Unerhört. Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Reinbek 1990; zahlreiche Beiträge zu Frauenarbeit, Frauenbewegung und Sozialpolitik.