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Ethik und Soziale Marktwirtschaft | APuZ 17/1988 | bpb.de

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APuZ 17/1988 Artikel 1 Die Soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland — Ursprung, Konzeption, Entwicklung und Probleme — Ethik und Soziale Marktwirtschaft Der Staat in der Sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland Sozialpolitik — Achillesferse der Sozialen Marktwirtschaft?

Ethik und Soziale Marktwirtschaft

Werner Lachmann

/ 36 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Es mehren sich die Stimmen, die unsere Wirtschaftsordnung aus ethischen Gründen in Frage stellen. Kritisiert werden vor allem die „Ergebnisse“ (neue Armut, hohe Arbeitslosigkeit, bedrohliche Umweltverschmutzung) und ihre „Funktionsweise“ (Konkurrenz als Sanktionierung des Egoismus). Es wird gezeigt, daß das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft aller ethischen Kritik standhalten kann. Die Praxis ist jedoch verbesserungsfähig — vor allem in der gegenwärtigen Ausprägung. Die Ausführungen sollen auch deutlich machen, daß die Wirtschaft ein ethisches Fundament (Minimal-moral) benötigt. Die ethische Kritik muß allerdings die sachliche Analyse einbeziehen, will sie sich nicht dem Vorwurf der Utopie aussetzen. Der Ökonom darf sich solcher Kritik gegenüber nicht so schnell hinter sogenannten Sachzwängen verstecken. Zur Überwindung gegenwärtiger Probleme reichen individualethische Appelle nicht aus; korrespondierende institutioneile Absicherungen sind notwendig. Dies wird anhand einiger gegenwärtiger Problembereiche (Arbeitslosigkeit, Gesundheitswesen, Umweltschutz) aufgezeigt. Keine Gesinnungsethik wird sich langfristig in „unmoralisch“ konzipierten Institutionen halten können. Aber auch die Institution „Markt“ reicht allein nicht aus; sie bedarf der Erfolgsbedingungen Jenseits von Angebot und Nachfrage“. Sozial-ethische Voraussetzungen sind notwendig, damit der einzelne Bürger auch gesinnungsethisch gefördert wird — gesinnungsethische Voraussetzungen sind notwendig, damit die im Grunde genommen immer ambivalenten institutionellen Regelungen ihren Sinn und Zweck nicht verfehlen. Für das „Funktionieren“ der Wirtschaft sind also beide Aspekte zu beachten: das Menschengemäße und das Sachgemäße! Die für die Wirtschaftspolitik zuständigen Instanzen sind ebenso gefordert wie die für das Ethos zuständigen. Keiner von beiden kann den anderen Bereich vollständig substituieren.

I. Einleitung

„Ethik“ und „Soziale Marktwirtschaft“ — das sind zwei Begriffe, die anscheinend wenig miteinander zu tun haben. Gibt es doch nach dem Urteil vieler Bürger kaum einen Bereich des gesellschaftlichen Lebens, der weniger von ethischen Gesichtspunkten beeinflußt zu sein scheint als die Wirtschaft. Die wissenschaftlichen Disziplinen „Ethik“ — als Lehre von den Nonnen des menschlichen Verhaltens — und „Ökonomik“ — als Lehre vom bestmöglichen Umgang mit knappen Ressourcen — pflegen keinen regen Gedankenaustausch ja sie scheinen fast beziehungslos nebeneinander zu stehen. Von weiten Teilen der bundesdeutschen Gesellschaft wird zwar die Soziale Marktwirtschaft bejaht -wenn auch vielleicht nur des materiellen Erfolges wegen —, doch es mehren sich die Stimmen, die unsere Wirtschaftsordnung vom ethischen Standpunkt aus in Frage stellen Kritisiert werden die „Ergebnisse“ der Sozialen Marktwirtschaft (zum Beispiel die neue Armut, die hohe Arbeitslosigkeit oder die bedrohliche Umweltverschmutzung) sowie ihre „Funktionsweise“ (Konkurrenz, also Sanktionierung des Egoismus). Verbesserungen sollen sich durch eine stärkere Betonung der Solidarität ergeben, wobei weite Kreise dies als Aufgabe staatlicher Ausgleichspolitik ansehen und eine große Strömung innerhalb der Kirchen dies aus Gründen der christlichen Nächstenliebe unterstützt.

Hier ist zu untersuchen, inwieweit sich tatsächlich Berührungspunkte von Wirtschaft und Ethos in unserer Gesellschaft ergeben. Kann die Soziale Marktwirtschaft ethischer Kritik standhalten? Ist marktliches Verhalten (d. h. das Prinzip der Konkurrenz) ethisch akzeptabel? Inwiefern ist unsere Wirtschaftsordnung auf moralische Grundlagen angewiesen? Im folgenden sollen zunächst die Begriffe „Ethik“ und „Ökonomik“ erläutert werden, um auf dieser Grundlage das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft einer gründlichen Prüfung zu unterziehen.

II. Ethik

Das Wort „Ethik“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „Sittenlehre“. Zu unterscheiden sind zunächst die normative und die deskriptive Ethik. Erstere versucht, die sittlichen Forderungen an den Menschen darzustellen und zu begründen; die Aufgabe der letzteren ist es. die tatsächlichen normativ-ethischen Auffassungen einer Person oder einer Gesellschaft zu untersuchen. Normenethische Ansätze gehen dabei von der Freiheit und sittlichen Verantwortlichkeit des Menschen in den betreffenden Entscheidungs-und Handlungssituationen aus. Obgleich meist auf die Begriffe „Gut“ und „Böse" Bezug genommen wird, können die dabei aufgestellten Wertmaßstäbe sehr stark variieren, insbesondere in ihrer hierarchischen Ordnung

Woran liegt es. daß sich keine allgemein akzeptierte Rangordnung von Werten finden läßt? Übereinstimmung läßt sich darin erzielen, daß eine Ethik „menschengerecht“ sein soll. Hier aber liegt eine Schwierigkeit: Was menschengemäß ist, hängt ab vom jeweiligen Menschenbild des Ethikers.

Welches Menschenbild kann zugrunde gelegt werden? Die gesellschaftliche Erfahrung (auch in der Wirtschaft) legt den Gedanken nahe, daß der Mensch eher egoistisch als altruistisch, eher „böse“ als „gut“ ist. Diese Tatsache entspricht dem Menschenbild der Bibel und der christlichen Ethik Da die wirtschaftsethische Kritik sehr stark von christlichen Gruppen ausgeht, wird hier das Schwergewicht auf der theologischen Ethik liegen. Entsprechend dieser Ethik fehlt'dem Menschen durch die Trennung von Gott (im Sündenfall) die Fähigkeit, ein „gutes Leben“ zu führen, er ist Egoist. Aber er kann — in gewissen Grenzen — zwischen „Gut“ und „Böse“ unterscheiden.

Zum ethischen Zielkatalog gehört das Wohl des Menschen. Aber hier finden wir eine Leerformel, die von verschiedenen Ethikern unterschiedlich gefüllt wird — oft wiederum mit Begriffen, die definiert werden müssen. Was zum Beispiel ist „Glück“ (Bentham)? Gewisse Kriterien für die Zielerreichung lassen sich jedoch immer wieder finden, so beispielsweise Würde. Gerechtigkeit und Freiheit des Menschen Wohlgemerkt: Freiheit auch des egoistischen Menschen, die aber an der Freiheit des anderen ihre Grenze findet.

Speziell für die Wirtschaft finden sich Kriterien wie eine Mindestversorgung des einzelnen mit materiellen Gütern. Sparsamkeit oder die Befriedigung der Wünsche der Konsumenten Der Kriterienkatalog.der hier aufgezeigt wird, kann nur einige allgemein anerkannte Maßstäbe zur Beurteilung menschlichen Handelns aufzeigen.

Bei allen ethischen Überlegungen steht der Mensch — meist als Subjekt — im Vordergrund Aus den verschiedenen Aspekten des menschlichen Lebens ergeben sich unterschiedliche Fragestellungen; daher haben sich verschiedene ethische Unterdisziplinen gebildet.

So unterscheidet man beispielsweise zwischen Individualethik und Sozialethik. In der Individualethik sind die Bedürfnisse des einzelnen oberster Maßstab zur Bewertung des Handelns Bei der Sozialethik geht es um eine moralische Beurteilung menschlichen Handelns in bezug auf den institutionell vorgegebenen Rahmen; hierbei spielen insbesondere die Folgen des Handelns eine bestimmende Rolle Die Wirtschaftsethik kann dabei als ein Teilbereich der Sozialethik angesehen werden.

Eine weitere Unterscheidung ergibt sich zwischen kasuistischer Ethik, Situationsethik, Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. Bei der kasuistischen Ethik geht es um den Einzelfall, bei der Situationsethik um die tatsächliche Situation, in der ein Handelnder stehen kann. In der Gesinnungsethik geht es um die innere Motivation des Handelnden; die subjektive Einschätzung steht im Vordergrund. Seit Max Weber bezeichnet man die Übernahme der Verantwortung für die Folgen einer Handlung als Verantwortungsethik.

III. Determinanten des „Ethos“ einer Gesellschaft

Wenn man die Werte einer Gesellschaft untersucht. wird man feststellen, daß sie oft aus Geschichte und Tradition, insbesondere der religiösen Tradition, hervorgegangen sind. Das Christentum hat im europäischen Kulturkreis bei der Bestimmung von „Gut“ und „Böse“ lange eine maßgebliche Rolle gespielt. Der christliche Glaube setzte dem einzel-nen ethische Maßstäbe und prägte dadurch das Ethos der Gesellschaft, das in hohem Maße vom moralischen Verhalten der einzelnen Gesellschaftsmitglieder abhängt. Dabei fällt insbesondere Führungskräften eine wichtige Rolle zu. Als Beispiel seien die Funktionäre der einzelnen Verbände genannt. die sich für ihre Verbandsmitglieder einsetzen und Druck auf die Politiker ausüben müssen. Allerdings spielt das beobachtete Ethos, das die Medien vermitteln und wodurch sie den einzelnen Bürger beeinflussen, ebenfalls eine Rolle. Die ethischen Vorstellungen in einer Gesellschaft hängen also von denen der Individuen in weitem Sinne ab. Wie kann aber eine Änderung der moralischen Einstellung erreicht werden?

Unter dem Einfluß der biblischen Botschaft ändern sich Menschen. Durch die Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes werden Menschen vom Kem aus anders; sie handeln anders und können auch ihre Umwelt neu prägen. So haben Christen oft eine große soziale Verantwortung übernommen Leider beobachten wir in Deutschland zum einen ein weit verbreitetes Nominalchristentum, zum anderen Kirchen, die mehr und mehr ihre eigentliche Aufgabe der Predigt und Seelsorge verlassen und sich dem politischen Geschäft zuwenden, wobei sie oft das Ethos der Politik übernehmen und dabei ihre „Salzfunktion“ in dieser Welt verlieren

Eine solche Veränderung durch das Handeln Gottes in Christus scheint die Ideallösung zu sein — allerdings hat sie auch die Qualitäten eines Ideals: vor allem die menschliche Unerreichbarkeit. Zum einen ist in einem pluralistischen Staat nicht zu erwarten. daß jedes Mitglied der Gesellschaft Christ wird, zum anderen ist die Gefahr des Ausnutzens durch ein „free-rider“ -Verhalten von Menschen, die die Annehmlichkeiten einer solchen Gesellschaft genießen wollen, ohne sich selber an die Spielregeln zu halten, sehr groß. In zahlenmäßig kleinen Gesellschaften mögen die sozialen Kontakte untereinander stark sein, das Verhalten des einzelnen mag von anderen bewertet, überwacht und beeinflußt werden, so daß ein „free-rider" -Verhalten weniger zu erwarten ist. In einer großen Organisation, zum Beispiel einem Staat, sind diese Voraussetzungen allerdings nicht gegeben.

Die Erzwingung eines (gesinnungsethisch verstandenen) „guten“ Verhaltens ist ebenfalls zum Scheitern verurteilt. Die Kosten der Kontrolle und Be-strafung sind einfach zu hoch, wenn die Aufstellung von derartig detaillierten Regeln Erfolg haben soll. Zudem ist es gar nicht möglich, jeden Einzelfall zu erfassen. Zwei Möglichkeiten der Beeinflussung des Ethos scheinen eher Erfolg zu versprechen. Da ist zunächst die Propaganda, die mit Hilfe der Medien Menschen manipulieren kann. Meist ergibt sich jedoch nur eine oberflächliche Wirkung.

Es bleiben die Erziehung und Aufklärung, durch die versucht werden kann, zumindest der aufwachsenden Generation gewisse Werte zu vermitteln. Dafür sind vor allem Schulen. Kirchen und Verbände zuständig Aber auch dieser Weg ist nicht erfolgversprechend In der UdSSR wird seit mehr als 70 Jahren versucht, einen altruistischen Menschen zu schaffen — bisher ohne Erfolg. Alle Bemühungen in dieser Richtung können wohl als gescheitert angesehen werden — was nach dem dargestellten Menschenbild nicht überraschen sollte.

Eine dritte Möglichkeit ist die wohl einzig praktikable, nämlich dieses Menschenbild bei der Ordnungskonzeption explizit zu berücksichtigen: Die Anreize, nach denen sich ein (gemäß der Annahme egoistischer) Mensch ausrichtet, müssen so gesetzt werden, daß das gesellschaftliche Ziel angestrebt wird. Oft sind nämlich nicht die Handelnden besonders unmoralisch, sondern sie werden durch die Rahmenbedingungen zu einem solchen „ungesellschaftlichen Verhalten“ angehalten Es ist nicht zu erwarten, daß sich der Mensch in seinem Handeln immer gegen seine Interessen richtet — dies mag er ab und an tun, jedoch wohl kaum zur Maxime seines Handelns machen. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß es möglich ist, durch eine hohe moralische Haltung der Individuen, durch eine in der Gesellschaft weit verbreitete Ethik, bestimmte gesellschaftliche Ziele zu erreichen. Besser und auf Dauer erfolgversprechen-der sind aber die richtigen Anreize, die den einzelnen zu moralischem Handeln (im Sinne der Gesellschaft) führen. Dabei ist zusätzlich zu beachten, daß „falsche“ Anreize die Moral einer Gesellschaft gefährden können.

IV. Ökonomik

Die Ökonomik befaßt sich nur mit einem Teil des menschlichen Lebens, nämlich mit der bestmöglichen Nutzung knapper Ressourcen. Sie umfaßt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Lehre vom Umgang mit knappen Mitteln. Dabei ist die Ökonomie Dienerin des Menschen, nicht Selbstzweck. Eine moralische Bewertung der produzierten Güter und des Produktionsprozesses wird von ihr nicht vorgenommen.

Es gibt nur Kriterien, an denen die ökonomische Zielerreichung („bestmögliche Nutzung knapper Ressourcen“) gemessen werden kann. Wenn wir zunächst das Individuum betrachten, steht uns das Kriterium „Nutzenmaximierung“ gegenüber Kann dasjeweilige Wirtschaftssubjekt durch andere Verwendung der ihm zur Verfügung stehenden knappen Mittel einen größeren Nutzen erzielen, ist das Öptimum noch nicht erreicht. Bezogen auf die Gesamtgesellschaft läßt sich daraus als Kriterium das sogenannte Pareto-Optimum ableiten: Solange noch jemand besser gestellt werden kann, ohne daß ein anderer dadurch schlechter gestellt ist. ist das gesellschaftliche Optimum nicht erreicht

Die „bestmögliche Nutzung knapper Ressourcen“ bezieht sich vor allem auch auf den Produktionsprozeß. Die vorhandenen Produktionsfaktoren (Arbeit, Energie. Kapital. Know-How. Rohstoffe etc.) sollen so eingesetzt werden, daß der gesamtgesellschaftliche Nutzen maximiert wird. Das impliziert, daß möglichst kostengünstig und verschwendungsfrei produziert wird — ein durchaus ethisches Kriterium in einer Mangelgesellschaft. Die Ökonomik befaßt sich mit gesellschaftlichen Regelungen, die zu einem entsprechenden Verhalten führen — mit Wirtschaftsordnungen

Hier gilt es zunächst, zwei „extreme“ Wirtschaftssysteme zu unterscheiden. Zum einen gibt es die Zentralverwaltungswirtschaft, bei der die Verteilung und Verwendung der Ressourcen von einer zentralen Stelle aus koordiniert wird. Sie läßt dem Individuum nur wenig Freiraum. Diesem idealtypischen Bild stehen die osteuropäischen (sozialistischen) Staaten nahe. Diese Gesellschaften sind durch ökonomische Ineffizienz geprägt: Eine zentrale Stelle kann nicht genügend Information haben. um die gesellschaftlich optimale Lösung zu finden. Ferner fehlen ihr die Kontrollmöglichkeiten. Sie ist zu ihrem Funktionieren in hohem Maße auf den — wie oben gezeigt, nicht existenten — altruistischen Menschen angewiesen.

Zum anderen kennen wir die Freie Marktwirtschaft. bei der die Koordination über den Marktprozeß erfolgt. Durch variable Preise werden Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung gebracht -sei es bei Gütern und Dienstleistungen, Arbeit. Kapital oder Kredit. Die Praxis belegt die hohe Effizienz einer solchen marktlichen Ordnung. Neben dem Effizienzgedanken sollte aber auch der Verteilungsaspekt eine Rolle spielen. Eine wirtschaftliche Entwicklung wird wohl kaum von langer Dauer sein, wenn ein großer Teil der Gesellschaft von der Ernte der Früchte des wirtschaftlichen Handelns ausgeschlossen ist.

Hier bietet sich die Soziale Marktwirtschaft als praktischer Kompromiß zwischen dem Gedanken der Effizienz, der bestmöglichen Nutzung knapper Ressourcen, und der Verteilungsgerechtigkeit an Zu ihren Stilelementen gehören die Bejahung des Wettbewerbs und des Privateigentums (auch an Produktionsmitteln) sowie die Betonung der Geldwertstabilität und des sozialen Ausgleichs. Durch eine Wettbewerbspolitik sollen Machtkonzentrationen vermieden und dadurch die Freiheit des einzelnen bestmöglich gewahrt werden. Das Individuum muß selbst verantwortlich über seine Konsumpläne entscheiden, der Unternehmer muß das Risiko seiner wirtschaftlichen Entscheidungen tragen. Je stärker auf Konsumentenwünsche eingegangen wird, desto besser sind die Gewinnchancen (wobei der Unternehmer versuchen wird, die Kaufentscheidungen zu beeinflussen).

Geschichtlich gesehen, handelt es sich beim Konzept der Sozialen Marktwirtschaft um ein dem Christentum nahestehendes Konzept, das als Kompromiß der Freien Marktwirtschaft und der Wirtschaftsdiktatur gedacht war Die Begründer dieses Konzeptes kannten noch die negativen Folgen der zentralen Planung während des Nationalsozialismus. Angestrebt wurde eine „soziale Irenik", die das Spannungsgefälle zwischen Effizienz und Verteilung mildern sollte. Dabei folgt die Soziale Marktwirtschaft keinem starren Satz dogmatischer Regeln. Sie muß im-mer wieder neu an die Fragestellungen der Zeit angepaßt werden; lediglich die oben genannten Grundgedanken bleiben erhalten.

Wie oben erläutert, nimmt die Ökonomik keinerlei ethische Wertung der Wirtschaftsordnungen vor. Vom Effizienzgedanken her sind die marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnungen zu bejahen, während der — eher ethische — Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit die Freie Marktwirtschaft ausschließt. Damit ergeben sich zwei wesentliche Fragen: Einerseits ist zu klären, ob die Soziale Marktwirtschaft ethischen Ansprüchen gerecht wird. Zum anderen ist zu untersuchen, ob durch diese Wirtschaftsordnung tatsächlich das gesellschaftliche Optimum erreicht wird, oder ob ihre Leistungsfähigkeit Grenzen hat — kurz: Inwieweit ist die Soziale Marktwirtschaft auf eine Ethik angewiesen?

V. Überprüfung des Konzeptes der Sozialen Marktwirtschaft

Ist das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft ethisch vertretbar? Das Ziel des „sozialen Ausgleichs“ ist ethisch — unter gewissen Einschränkungen — voll zu bejahen Schwieriger gestaltet sich dagegen die ethische Bewertung der Wäh-rungsstabili tät und des Privateigentums. Es wird oft argumentiert, daß allein dieses Wort schon die Un-moral anzeige — es leitet sich schließlich von „privare“ (lat. = „berauben“) ab.

Im „Manifest der Kommunistischen Partei“ finden wir die Behauptung, daß das Privateigentum eine Eigentumsform sei, die erst gegen Ende des Mittelalters entstanden sei und — durch die Möglichkeit der Überproduktion in einem industriellen Zeitalter — abgeschafft werden könne und müsse. Dagegen läßt sich argumentieren, daß es Privateigentum schon immer gegeben hat und wohl auch immer geben wird. Selbst bei der Möglichkeit der Überproduktion (über deren Vorhandensein sich streiten ließe) lassen die — durchaus ethischen — Gedanken der Freiheit und der Unabhängigkeit die völlige Abschaffung privaten Besitzes unmöglich erscheinen.

Es bleibt aber die Frage, ob das Privateigentum an Produktionsmitteln moralisch vertretbar ist. Hier hilft u. a.der Effizienzgedanke weiter: Durch den Egoismus des Eigentümers, der ja sein Kapital möglichst vermehren will, wird die Ressourcenverschwendung minimiert. Dadurch kommt, gesamtgesellschaftlich gesehen, ein höheres Produktionsergebnis zustande, als es bei verstaatlichten Produktionsmitteln möglich wäre. In sozialistischen Wirtschaftsordnungen wird nicht umsonst über die Einführung marktlicher Anreize diskutiert.

Im Konzept der Sozialen Marktwirtschaft werden die Sozialbindung des Privateigentums und ein sozialer Ausgleich betont, wodurch die Negativeffekte der „Beraubung“ weitestgehend ausgeschlossen werden können. Das Ergebnis der Wirtschaftstätigkeit ist bei Privateigentum für die Gesellschaft dadurch auch ethisch vertretbar.

Aus dem oben Gesagten ergibt sich aber die Frage, ob die Soziale Marktwirtschaft nicht den Egoismus sanktioniere. Der Zweck soll doch nicht die Mittel heiligen. Sollte nicht viel eher die Nächstenliebe das wirtschaftliche Handeln bestimmen? Aus Punkt III ergibt sich, daß die Anreize zum wirtschaftlichen Handeln kaum nach dem Prinzip der Nächstenliebe gestaltet werden können, wenn es sich um eine größere Gemeinschaft handelt.

Adam Smith schrieb schon vor mehr als 200 Jahren, daß es nicht die Liebe des Bäckers sei, uns Brot zu backen, sondern daß es in seinem Eigeninteresse läge. Durch den Verkauf des Brotes erweitert er seine ökonomischen Möglichkeiten, kann für das Entgelt Arbeitsleistungen anderer einfordem, sich etwas herstellen lassen, was er selbst nicht so günstig herstellen kann. Ökonomische Anreize sind für größere Gemeinschaften notwendig und erfolgversprechend. Das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft ist eigentlich mit dem Prinzip der Nächstenliebe vereinbar. Eine recht verstandene, echte Liebe muß realistisch sein; sie muß das Gegenüber so sehen, wie es ist; sie muß aus der Sicht des Gegenüber das Beste für den anderen als anderen wollen. Liebe darf es nicht nur „gut meinen“, sie muß auch „gut handeln“. Dazu gehört, daß dem anderen nicht seine freie Entfaltung beschnitten wird Um der wirtschaftlichen Not und Armut zu begegnen, müssen Menschen frei sein. Kreativität und Produktivität müssen gefördert werden. Dabei darf die Natur des Menschen nicht vergessen werden. Den Menschen lieben heißt, ihn in seiner Sündhaftigkeit zu lieben und ihm dennoch einen Freiraum für seine Kreativität zu ermöglichen. Dabei wird ein großes Risiko eingegangen — wie bei jeder Liebe! Dieses Risiko nicht einzugehen, hieße, dem Menschen seine Talente zu vergraben.

Die Soziale Marktwirtschaft kommt in diesem Sinne der Nächstenliebe also sehr nahe. Nach freiem Ermessen kann der Mensch schaffen, produzieren. verteilen, konsumieren; er kann seine Daseinsfürsorge frei gestalten. In Notlagen hilft ihm die Gemeinschaft. Der Mensch wird in der Sozialen Marktwirtschaft als Individuum voll respektiert; seine Würde ist gewährleistet. Man nimmt den anderen. wie er ist, und vermeidet damit leidvolle Enttäuschungen.

Das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft ist also voll vereinbar mit dem christlichen (humanistischen und ethischen) Prinzip der Liebe zum Nächsten. Man mag einwenden, die Soziale Marktwirtschaft läßt Nächstenliebe zu und ist auch von diesem Prinzip her vertretbar. Aber stimmt es nicht doch, daß die — zugegebenermaßen in diesem Konzept notwendigen — ökonomischen Anreize den Egoismus sanktionieren? Was ist jedoch Egoismus? Dieses Wort hat durch den allgemeinen Sprachgebrauch einen sehr negativen Beiklang. Rüstow schreibt „Es ist allgemein üblich zu sagen: In der Marktwirtschaft ist der Egoismus als Triebkraft zulässig, weil eben durch die Marktgesetze dafür gesorgt wird, daß er sich im Sinn des Allgemeinwohls auswirkt.

Diese Formulierung des Marktmechanismus scheint mir bedenklich zu sein. Denn das, was in Wirklichkeit als Triebkraft eingesetzt wird, ist gar nicht der Egoismus in dem negativen und tadelnden Sinne einer sündhaften Selbstsucht, den das Wort nun einmal hat.

In Wirklichkeit handelt es sich um etwas ganz anderes, nämlich um die Sorge des Menschen für sich selber und seine Angehörigen. Daß der Mensch zunächst einmal für sich selber zu sorgen hat, ist nicht Egoismus, das ist auch nicht unerlaubt; int Gegenteil, das ist eine selbstverständliche Pflicht. Bezeichnenderweise heißt es ja auch im Evangelium: . Liebe deinen Nächsten wie dich selbst — sicut te ipsum —‘ . man soll nur den anderen Menschen, den Mitmenschen, den Nächsten nicht schlechter behandeln als sich selber . . . Die Trieb-kraft also, die die Marktwirtschaft in Wirklichkeit benutzt, ist die selbstverständliche Vernunft-und pflichtgemäße Sorge jedes Menschen für sich und die Seinen.“

Die Soziale Marktwirtschaft entspricht auch dem politischen beziehungsweise sozialethischen Prinzip der Subsidiarität Der Mensch hat die sittliche Pflicht, erst einmal für sich und die Seinen zu sorgen; erst, wenn er dazu nicht in der Lage ist, greift die nächsthöhere Sozialinstanz ein. Das aber ist ein Verhalten, das nur in einem „positiven Sinne“ als egoistisch bezeichnet werden kann.

Bezogen auf die Gesamtgesellschaft ist es durch die Soziale Marktwirtschaft möglich, den von Hob-bes befürchteten „Kampf aller gegen alle“ in einen durch Regeln geordneten Wettkampf umzufunktionieren. In der Auseinandersetzung mit dem anderen stehen nicht mehr die Leidenschaften im Vordergrund, sondern die Interessen, wobei auf die Interessen des Marktpartners (aus Eigeninteresse!) geachtet werden muß Das Eigeninteresse kann in einer Sozialen Marktwirtschaft in geordnete Bahnen gelenkt werden.

Es bleibt der Gewinn als ökonomischer Anreiz zu hinterfragen. Schon Aristoteles hat den Markt des Gewinnmotivs wegen kritisiert. Es gehe den Unternehmern nicht um die Sättigung der menschlichen Bedürfnisse, sondern um die Akkumulation von Reichtum, die unbegrenzt fortgesetzt werden könne, da es dort keinen Sättigungspunkt gebe. Dem wäre entgegenzuhalten, daß Gewinne genauso ehrlich erworben werden können wie der Lohn. Wer die Bedürfnisse der Mitmenschen besser befriedigt, hat — so Acton — auch einen Anspruch auf einen höheren Lohn. Auch hier ist das gesamtgesellschaftliche Ergebnis besser als ohne ökonomische Anreize.

Als letztes Stilelement der Sozialen Marktwirtschaft ist der Wettbewerb zu untersuchen. Er wird oft kritisiert, so beschreibt zum Beispiel Arthur Rich die Konkurrenzwirtschaft als „böse Struktur“: „Dieses System (Konkurrenzwirtschaft. W. L.) mit seinem Leitprinzip der rücksichtslosen unternehmerischen Selbstbehauptung hat der Mensch selbst geschaffen. Es gehört... zu der Welt nach dem Fall. . . . Sein Böses ist unser Böses.freilich zu wirtschaftlichen Strukturen gewordenes Böses, das uns nun seine eigenen Gesetze aufzwingt, als müßte es so sein. Aber es muß nicht so sein! Es muß nicht so sein, weil das Böse nicht sein muß, weil es nicht von Gott ins Leben gerufen ist, sondern unserer höchsteigenen, den Willen Gottes verkehrenden Existenz entspricht.“

Das „Modell Markt“ wird also wegen seiner Gesinnungsethik verworfen. Die in dieser Wirtschaftsordnung lebenden Menschen leben in einer Konkurrenzbeziehung; sie müssen sich gegenüber ihren Mitbewerbern behaupten, um auf dem Markt bestehen zu können. Damit fördert der Markt einen „Sozialdarwinismus“, der Stärkere setzt sich gegenüber dem Schwächeren durch. Wie ist die Rolle des Marktes tatsächlich ethisch zu bewerten?

Dem Freiheitsaspekt gebührt in ethischen Überlegungen ein hoher Stellenwert. Nun ist aber der Markt eine Institution der freiheitlichen Wahl, die solange garantiert ist, wie durch eine erfolgreiche Wettbewerbspolitik Machtballungen wirtschaftlicher Art vermieden werden. Im Marktgeschehen findet also eine ständige Wahl statt: Jeder einzelne Marktteilnehmer entscheidet, wieviel er in die Produktion oder den Kauf eines Gutes steckt. Keine Instanz schreibt ihm sein Verhalten vor. Auch Minderheiten werden über den Marktmechanismus mit den Gütern versorgt, die sie benötigen. Unter idealen Voraussetzungen wählen die (informierten) Kunden nach ihren Präferenzen die Güter aus. die sie kaufen wollen. Die Preise, die als eine Art „Beschaffungswiderstand“ wirken, zeigen dem potentiellen Käufer auf der einen Seite, wieviel Arbeit in der Produktion steckt und geben auf der anderen Seite Auskunft über das Verlangen anderer, diesen Gegenstand zu erwerben. Über den Preis-mechanismus einigt man sich dann, so daß der das Gut erhält, dem es am meisten Wert ist. Natürlich wird hier vorausgesetzt, daß der einzelne auch über Kaufkraft verfügt.

In der Sozialen Marktwirtschaft wird über Transfer-zahlungen dafür gesorgt, daß auch die Leistungsschwächeren über „ausreichende“ Kaufkraft verfügen. Hierdurch unterscheidet sich die Soziale Marktwirtschaft von der „freien“ Marktwirtschaft. Sowohl der Interventionsstaat als auch der Kapitalismus werden abgelehnt. Der Interventionsstaat verletzt die Freiheit, die Freie Marktwirtschaft das Prinzip der Solidarität. Der Markt bietet den besten Minderheitenschutz, der Wettbewerb sichert die effiziente Nutzung der knappen Ressourcen.

Solange die Regeln eingehalten werden, ist der Wettbewerb ethisch zu bejahen. Durch den Wettbewerb mit seinesgleichen läßt sich der Mensch zu höheren Leistungen herausfordern. Nichts tut dem Menschen so gut wie der Wettbewerb mit „starken“ Mitbewerbern. Dem Wettbewerb wird vorgeworfen, daß er zu Rivalität, Eifer, Aggression und Konflikt führt; erstrebenswert sei aber eine gegenseitige Hilfe, die durch Wohlwollen, Harmonie und Bescheidenheit gekennzeichnet ist. Für größere Gemeinschaften ist es fraglich, ob sich letztere Kooperationsformen durchhalten lassen. Es muß nämlich vorausgesetzt werden, daß sich alle nach diesen Maximen verhalten. Sobald es Außenseitergibt, ist das ganze System gefährdet. Es gibt immer die „moralischen Grenzgänger“, die bereit sind abzusprin-gen. wenn sich andere auch nicht an die Spielregeln halten

Allerdings gehört zur Funktionsweise des Marktes, daß die Partner gleichstark sind. Sonst ist der Wettkampf nicht fair. Aus diesem Grunde werden „gleiche Startchancen“ gefordert. Von diesem Ziel sind wir aber in der Bundesrepublik Deutschland noch weit entfernt. Eine Demokratisierung der Wirtschaft führt nicht zur Chancengleichheit, da zu befürchten ist. daß die Minderheit „majorisiert“ wird. In einer Wettbewerbsgesellschaft ist der einzelne nicht der Willkür des Anbieters oder der Majorität ausgesetzt, da er unter verschiedenen Anbietern frei wählen kann.

Immer wieder geht es in diesen Ausführungen um das wirtschaftliche Ergebnis. Heiligt doch der Zweck die Mittel? Diese Frage ist zu verneinen. Eine Wirtschaftsordnung ist dann „gut“, wenn sie die Natur des Menschen so berücksichtigt, wie wir sie vorfinden Sollte der Mensch — wie oben angenommen — von Natur aus „böse“ sein so muß eine Wirtschaftsordnung entworfen werden, die dieses berücksichtigt und die Eigenschaften des Menschen so lenkt, daß ihr Handeln zu einem gesellschaftlich akzeptablen Ergebnis führt — schon aus sozial-und verantwortungsethischen Aspekten. Die Soziale Marktwirtschaft läßt Raum für den altruistischen Menschen, aber sie berücksichtigt in ihren Regeln den egoistischen. Eine Wirtschaftsordnung, die für den „guten“ Menschen entworfen ist, würde zu verheerenden gesamtwirtschaftlichen Folgen führen, wenn der Mensch sich nicht entsprechend verhält. Für die Gesinnung des einzelnen Menschen in einer Gesellschaft ist die Ökonomie nicht zuständig; sie soll Regelungen entwerfen, die sach-und auch menschengemäß sind. Bei gegebenen (möglichst realistischen) Annahmen bezüglich des menschlichen Verhaltens soll das gesellschaftlich Gute, hier: eine Reduzierung der Knappheit, angestrebt werden Daher muß der Hauptmaßstab zur Beurteilung einer Wirtschaftsordnung das wirtschaftliche Ergebnis sein.

Exkurs: Preisstabilität als sozialethische Forderung Die Forderung der Geldwertstabilität haben wir ethisch noch nicht abgehandelt. Dies soll in diesem Exkurs nachgeholt werden. Dabei möchte ich auf die Vorstellungen des katholischen Sozialethikers Johannes Messner eingehen, der aufgrund natur-rechtlicher Vorstellungen das Postulat der Geldwertstabilität verteidigt. Messner zufolge kann nur das sozialethisch richtig sein, was auch sozialökonomisch sinnvoll ist. Im Bereich der Wirtschaft ist das Sittliche das durch die Natur der Sache Geforderte Da der Wert des Geldes nicht mehr durch den Materialwert gegeben ist, also die Kaufkraft durch die Politik der Emittenten (Währungsbehörden) festgelegt wird, haben diese eine große sozial-ethische Verantwortung.

Geld stellt in der heutigen Gesellschaft ein „Eigentumsrecht“. eine Form von Privateigentum dar. Die Währungsbehörde trägt deshalb dafür die Verantwortung. daß das mit dem Erwerb des Geldes erworbene Eigentumsrecht voll gewahrt wird. Ein stabiler Geldwert spielt auch für die optimale Nutzung der knappen Ressourcen der Wirtschaft eine wichtige Rolle. Messner deutet die Vergeudung knapper Ressourcen als sozialwidrigen Eingriff. Geld hat also eine sozialwirtschaftliche Ordnungsfunktion. Sowohl aus Folgen der ausgleichenden als auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit spricht er sich für eine Politik des stabilen Geldwerts aus. Messner „sieht in der Sicherung der Wertbeständigkeit des Geldes eine Grundverpflichtung der Gerechtigkeit, und . zwar aller Arten von Gerechtigkeit, der legalen, distributiven, sozialen, kommutativen und internationalen'“ Die Geldwertstabilität dient auch der sozial erwünschten Kapitalbildung. Nun ist es interessant zu sehen, daß gerade eine Politik der Geldwertstabilität zu den Grundforderungen der Sozialen Marktwirtschaft gehört. Politiken, die den Geldwert sichern, sind nun auch ethisch voll verantwortbar. auch wenn aus vermeintlich „sozial-ethischen“ Gründen einige eine Inflation hinnehmen wollen, um damit eine höhere Beschäftigung zu erreichen. Ob ein solcher Ziel-konflikt besteht, ist nicht gesichert. Die neue Inflationstheorie weist darauf hin. daß Inflationen auch das Ergebnis von Verteilungskämpfen in einer Gesellschaft sind. Die Ansprüche an die Gemeinschaft liegen zu hoch. Die hohe Übereinstimmung einer Sozialethik, die auf naturrechtlichen Erkenntnissen beruht, und der wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Vertreter einer Sozialen Marktwirtschaft ist beeindruckend. Die von der Bundesbank verfochtene Politik der Geldwertstabilität ist also auch ethisch vertretbar — mehr noch, sogar ethisch ge-fordert. Wiederum sind sogenannte ethische Kritiken an einer Politik der Geldwertstabilität ein Zeichen sachlicher Unkenntnis

VI. Grenzen der Leistungsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft

Die marktwirtschaftliche Ordnung läßt den Wirtschaftssubjekten den größtmöglichen Freiraum für ihre Entscheidungen. Das bedeutet aber auch, daß gerade sie einer Ethik bedarf. Zunächst besteht die Notwendigkeit einer Konsumethik. Der Marktprozeß bewirkt, daß nur das produziert wird (mit den geringstmöglichen Kosten), was nachgefragt wird. Eine Wertung der produzierten Güter, die auf ethische Prinzipien des Gutseins Bezug nehmen würde, kann vom Marktmechanismus nicht vorgenommen werden. Die ethischen Maßstäbe in einer Gesellschaft können entweder die Nachfrage (beeinflußbare Konsumentenpräferenzen) oder das Angebot (der Unternehmer wird nicht alles herstellen wollen) oder beides betreffen.

Ethische Aspekte können nicht nur auf die Produkte, sondern auch auf den Produktionsprozeß Einfluß haben. Das moralische Verhalten von Unternehmern und Arbeitnehmern mag dazu führen, daß gesellschaftliche Kosten eingespart werden. So behauptete Fred Hirsch daß Gott die billigste Polizei sei, der deus ex machina aus dem Gefangenendilemma Eine gesinnungsethische Prägung der Gesellschaft kann dazu führen, daß sie ihre Arbeit zuverlässiger durchführt, man der Kontrolle (teilweise) enthoben wird. In der Tat wird es heutzutage wieder erkannt, daß die Grundbedingungen für das Funktionieren einer marktlichen Ordnung „jenseits von Angebot und Nachfrage“ liegen, wie es Wilhelm Röpke einmal nannte Selbst Adam Smith, der „Vater“ der Marktwirtschaft, betonte die Notwendigkeit eines Minimalkonsenses ethischer Art Max Weber wies in einer berühmten These darauf hin, daß das ethische Umdenken (das Aufkommen der calvinistisch geprägten protestantischen Ethik) zu einem wirtschaftlichen Aufschwung führte, der nur die Länder umfaßte, die diese ethische Revolution erlebten Die ethischen Überzeugungen und Ziele in einer Gesellschaft können enorme gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen haben.

Das Ethos einer Gesellschaft ist aber für solche Fälle von Bedeutung, in denen die Wirtschaftsordnung versagt. Bei diesen Fällen handelt es sich um die sogenannten externen Effekte. Hier kennt das einzelne Wirtschaftssubjekt die gesamtgesellschaftlichen Kosten oder Nutzen seines Handelns nicht, daher kann es zu Fehlallokationen kommen. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung reagieren die Wirtschaftssubjekte auf Preisanreize; sind in den Preisen nicht alle gesellschaftlichen Kosten enthalten, dann ist das gesellschaftliche Optimum durch den Marktmechanismus nicht erreichbar. Wie im Punkt III gezeigt, ist somit die Notwendigkeit von Verboten. Geboten (beides vor allem im Falle leichter Kontrollierbarkeit) oder entsprechenden Anreizen gegeben. Der Staat muß eingreifen und zum Beispiel durch Steuern, Subventionen oder Bereitstellung von Gütern adäquate Anreize setzen und Einfluß auf das marktliche Ergebnis nehmen. Werden dabei Güter vom Staat zur Verfügung gestellt, können sich ebenfalls Probleme ergeben. Stellt der Staat sie kostenlos zur Verfügung, nimmt das Individuum das öffentliche Gut als freies Gut wahr, das heißt, ihm entstehen persönlich keine direkten Kosten aus der Nutzung. Es kann zu einer Überbeanspruchung dieser „freien“ Güter kommen. Anhand von Beispielen sollen einige Aussagen verdeutlicht werden: 1. Umweltschutz In den westlichen Industriestaaten beobachten wir eine allgemeine Verschlechterung der Umweltbedingungen Es ist allgemeiner Konsens, daß in diesem Bereich energisch etwas getan werden muß. Dabei erhebt sich die Frage, wie der Umweltschutz effizient gestaltet werden kann. Einige Kreise der Gesellschaft schüren dabei das Unbehagen gegenüber der Wirtschaft, insbesondere gegenüber den Konzernen. Verstaatlichung, eine starke Auflagen-politik und ein einfacher Lebensstil scheinen die einzig mögliche Lösung zu sein, denn die Marktwirtschaft versagt hier offensichtlich. Hier wird allerdings ein Fehler begangen: Man sucht in der Umweltdiskussion nur den Schuldigen, nicht aber die Ursache. Eine Verstaatlichung der Industrieproduktion kann ebenso wirkungslos bleiben wie der Ruf nach einer höheren Umweltmoral. Wo ist der Ansatzpunkt?

Der Ökonom stößt hier auf das genannte Problem negativer externer Effekte. Die sozialen und die privaten Kosten der Produktion stimmen nicht überein. Der „umweltschädliche Teil“ der Kosten wird sozialisiert. Es ist notwendig, die Rahmenbedingungen so zu verändern, daß die sozialen Kosten mitberücksichtigt werden müssen. Nicht der moralische Verfall der Unternehmerschicht, sondern die fehlerhaften ökonomischen Anreize, die umwelt-schädliche Wirtschaftspolitik, sind die Ursachen für die Umweltkatastrophe, die uns droht. Ökonomen schlagen unter anderem vor. die „sozialen Kosten“ dem Verursacher in Form einer Abgabe anzurechnen oder die ökologisch akzeptable Nutzung zu vermarkten, in Form von Zertifikaten zu versteigern Während im jetzigen System der Umweltschutz den Firmen nur Kosten verursacht, wirkt er im alternativen System kostensenkend. Die Regierung würde sich verantwortungsethisch richtig verhalten, wenn sie endlich die falschen Anreize korrigierte. Zusätzlich ist es notwendig, den Umweltbereich verstärkt zu überwachen; das Umwelt-recht muß stärker ausgebaut werden. Unsoziales und kriminelles Verhalten, das man nicht jedem Unternehmen unterstellen darf, muß energisch mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden. 2. Arbeitslosigkeit Die hohe Arbeitslosigkeit die wohl noch einige Jahre anhalten wird, führt zu sozialethischer Kritik des Marktsystems. Ein System, das dieses zulasse, kann vor der Kritik des Ethikers nicht bestehen.

Hier sind zwei Bemerkungen notwendig. In unserer Sozialen Marktwirtschaft sind die Arbeitslosen zu einem gewissen Teil materiell abgesichert. Ausnahmen sollen nicht geleugnet. Verbesserungen müssen weiterhin angestrebt werden. Die Arbeitslosigkeit wird zu Recht angeprangert, aber den Betroffenen wird in unserer Wirtschaft weitgehend die materielle Not erspart.

Wiederum ist nach den Ursachen der Arbeitslosigkeit zu fragen. Die Problematik ist vielschichtig; konjunkturelle, außenwirtschaftliche und strukturelle Ursachen (technischer Fortschritt) spielen eine große Rolle. Auch soziale Schutzmaßnahmen, sogenannte ethische Maßnahmen, die das Los der Arbeitenden verbessern sollten, haben sich als Bumerang erwiesen und verhindern die Anpassung an neue Strukturen

Warum kommen wir so langsam bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit voran? Viele Anreize sind falsch gesetzt. Wenn beispielsweise die Tarifpartner auch für die Arbeitslosenversicherung aufzukommen hätten, sähe das Bild anders aus. Hier zeigt sich besonders, daß die ethische Bewertung — im Sinne einer Verantwortungsethik — die Beachtung der institutionellen Regeln eines Marktes notwendig macht. 3. Gesundheitsökonomik Ein weiterer Problembereich fast aller Industrieländer findet sich im kaum noch finanzierbaren Gesundheitswesen. Auch hier läßt sich zeigen, daß die fehlkonzipierte Sozialpolitik die Ursache der negativen gesellschaftlichen Entwicklung ist. Es entspricht den Normen eines Sozialstaates, daß im Falle der großen Risiken aus Gründen von Krank-heit, Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Alter usw. keiner in materielle Not fallen sollte. Aus Gründen der Solidarität sollte — nach dem politischen Prinzip der Subsidiarität — den betroffenen Staatsbürgern geholfen werden. Jedoch ist darauf zu achten, daß die Hilfe nicht nur sozial, sondern auch markt-und menschenkonform ist.

Die solidare Absicherung im Gesundheitswesen hat aber keine Schutzvorkehrungen gegen „unsolidarisches“ Verhalten. Dies gilt für Versicherte, Versicherer und Leistungserbringer. Der Marktmechanismus kann nicht funktionieren, da der Wettbewerb und die Preisanreize weitgehend außer Kraft gesetzt sind. Versicherte zahlen in der gesetzlichen Krankenversicherung, die 90% der Bevölkerung umfaßt, einen nur vom Einkommen abhängigen Beitrag, die Verantwortung für die Inanspruchnahme von Leistungen trägt er höchstens aus ethischen Motiven. Sogar selbstverschuldete Krankheiten (durch Alkohol. Rauchen. Übergewicht) werden auf Kosten der Gesellschaft behandelt. Ärzte und Krankenhäuser werden durch die ökonomischen Anreize zur Berechnung besonders vieler und möglichst teurer Maßnahmen veranlaßt, da Anreize zur Kostensenkung fehlen. Auch die Versicherungen sehen sich nicht zu wirtschaftlichem Verhalten veranlaßt; bei Schwierigkeiten werden die Beitragssätze erhöht, nicht aber die Kosten gesenkt.

Dieses Verhalten führt zwangsläufig zu einer Kostenexplosion. Moralische Appelle sind nutzlos Das Gesundheitswesen müßte so konzipiert werden, daß Anbieter (Krankenhäuser, Pharmaindustrie und Ärzteschaft), Nachfrager (Patienten) und Versicherer einen Anreiz zum ökonomischen Gebrauch der knappen Ressourcen haben Wenn das System die einzelnen zum unmoralischen Verhalten zwingt, leidet schließlich auch die individualethische Substanz in einer Bevölkerung. Gut-gemeinte sozialpolitische Regelungen können ökonomisch „unmoralische“ Gesamtauswirkungen haben.

VII. Soziale Marktwirtschaft — ein ethisches Paradoxon?

In der wissenschaftlichen Literatur wird noch auf ein weiteres ethisches Problem der Sozialen Marktwirtschaft hingewiesen. Im Wirtschaftsleben darf (muß?) das einzelne Wirtschaftssubjekt „egoistisch“ (also nach dem Eigennutz) handeln. Erlaubt scheint alles das zu sein, was den Nutzen oder Gewinn erhöht. Es bildet sich eine besondere — oft heftig kritisierte — Mentalität in der Wirtschaft heraus; der Wirtschaftspartner wird dabei nur als Konkurrent (unter Umständen als Feind) angesehen. Als Wähler stimmt dasselbe Wirtschaftssubjekt Umverteilungen zu. Seinen Gewinn soll er also nicht nur für sich verwenden, sondern zum Wohl seines Nächsten. Bei Umverteilungsmaßnahmen wird der Bürger als Altruist gefordert. Egoist auf dem Markt — Solidarität in der Politik.

Das Problem besteht in der Herbeiführung eines ethischen Verhaltens aller Wirtschaftsteilnehmer, das mit beiden gesellschaftlichen Zielen kompatibel ist, mit dem Ziel der Effizienz und mit dem der Umverteilung bzw.dem der sozialen Verantwortung. Unterschiedliche Ziele bedingen unterschiedliche Moralvorstellungen. Haben wir es beim Konzept der Sozialen Marktwirtschaft nicht doch mit einem ethischen Paradoxon zu tun. weil der marktliche Teil einen gebändigten Egoismus erfordert und der soziale Bereich einen gereiften Altruismus erwartet? Wird sich der Mensch in dieser Wirtschaftsordnung nicht zu einer gespaltenen Persönlichkeit entwickeln?

Wie kann der Mensch diese Spannung aushalten Wäre es nicht möglich, daß sich beide Ethiken gegenseitig beeinflussen Wird die harte Geschäftswelt mit ihrer darwinistischen Sozialethik und der Betonung von Sachnotwendigkeiten nicht auch die Ethik des Einkommensverwenders durchsäuern, so daß Nächstenliebe und Solidarität verkümmern? Andererseits mag es zu Effizienzverlusten kommen, wenn die altruistische Haltung auch den wirtschaftlichen Bereich durchzieht. Einer der beiden ethischen Bereiche scheint gefährdet zu sein Allerdings kann der Altruismus bei einer Berücksichtigung in der Nutzenfunktion des Indivi-duums egoistisch umgedeutet werden. Die aufgezeigte Spannung löst sich dann von selbst, solange das altruistische Handeln den jeweiligen persönlichen Nutzen erhöht.

VIII. Fazit

Moraltheologen und Sozialethiker auf der einen und Ökonomen auf der anderen Seite tun sich manchmal schwer miteinander Zu leicht scheinen sich die Ökonomen gegenüber der Kritik der Theologen hinter Sachzwängen zu verstecken. Der Ökonom dagegen hält die Kritik der Theologen für utopisch und unrealistisch. So verstummt schnell jedes Gespräch.

Dabei wird aus diesen Ausführungen deutlich, daß die Wirtschaft — und damit der Ökonom — auf ethische Überlegungen angewiesen ist. Bei allen Vorschlägen zur Verbesserung stellt der Moralist (um bei einer Bezeichnung Müller-Armacks zu bleiben) den sachlichen Analysen der Ökonomen oft wenig erprobte Alternativen gegenüber. Gegenüber manchen Entartungen „kapitalistischer Praxis“ schneiden die Idealbilder solidarer Gemeinschaften so positiv ab. daß man wohl nicht anders kann, als diesen Konzeptionen zuzustimmen. Hierbei wird jedoch ein Problem übersehen. Der Ökonom denkt in realisierbaren Alternativen. Was ist die praktische Alternative eines marktlichen Systems? Diese muß mit dem Versagen des praktischen „Kapitalismus“ verglichen werden. Praxis muß also mit Praxis und Theorie mit Theorie verglichen werden, wenn man einen Systemvergleich anstellen möchte. Kein Ökonom wird behaupten, daß die Soziale Marktwirtschaft realisiert sei. Immer wieder wird in der praktischen Wirtschaftspolitik auch in solchen Bereichen auf interventionistische Mittel zurückgegriffen, in denen eine marktliche Lösung sozialer wäre. So ist ihr Scheitern vorgezeichnet. Es muß immer die praktische Alternative zum Vergleich herangezogen werden und nicht der mögliche Idealzustand. Dabei darf nicht allein auf das Ziel geachtet werden; es müssen die Instrumente untersucht und mögliches Fehlverhalten der Bürger einkalkuliert werden — soll es nicht zu Enttäuschungen kommen.

Die institutionelle Absicherung und die Individualoder Gesinnungsethik sind keine sich ausschließenden Alternativen. Es ist nicht möglich, sich auf die Konstruktion der Wirtschaftsordnung allein zu verlassen, ein ethischer Minimalkonsens ist notwendig. Aber auch die Individualethik reicht für sich genommen nicht aus. sie benötigt die korrespondierenden institutioneilen Absicherungen. Keine Gesinnungsethik wird sich langfristig in „unmoralisch“ konzipierten Institutionen erhalten können. Aber die Institution „Markt“ reicht allein auch nicht aus; sie bedarf der Erfolgsbedingungen, die „jenseits der Ökonomie“ liegen. Sozialethische Voraussetzungen sind notwendig, damit der einzelne Bürger auch gesinnungsethisch gefördert wird — gesinnungsethische Voraussetzungen sind notwendig, damit die im Grunde genommen immer ambivalenten institutioneilen Regelungen ihren Sinn und Zweck nicht verfehlen. Beide Bereiche der Ethik können und müssen im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft ihren Beitrag leisten.

Wir können abschließend festhalten, daß das theoretische Konzept unserer Wirtschaftsordnung aller ethischen Kritik standhalten kann. Die Praxis ist verbesserungsfähig, vor allem in der derzeitigen Ausprägung. Ethik und Ökonomik können entsprechende Anregungen geben. Im Alltag sind beide für das „Funktionieren“ der Wirtschaft notwendig: das Sachgemäße und das Menschengemäße! Die für die Werte und die für die Wirtschaftspolitik zuständigen Instanzen sind gleichermaßen gefordert; Keiner der beiden kann den anderen Bereich vollständig substituieren.

Fussnoten

Fußnoten

  1. So auch P. Koslowski, Über Notwendigkeit und Möglichkeit einer Wirtschaftsethik, in: Scheidewege, 15 (1985/86). S. 296-305.

  2. Die bayerische „Ökumenische Versammlung für Frieden. Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ bezeichnete kürzlich das derzeitige Weltwirtschaftssystem als Sünde, in: idea-Spektrum 11/88 vom 16. März 1988. S. 8; U. Duchrow. Bekennende Kirche werden — 1934 und 1984 (Barmen III); in: J. Moltmann (Hrsg.), Bekennende Kirche wagen: Barmen 1934— 1984. München 1984, S. 126— 190. verurteilt das gegenwärtige Weltwirtschaftssystem als eine Institution des Massenmordes. Kritische Töne gegenüber der marktlichen Ordnung kommen auch aus dem katholischen Bereich. Hier wäre auf die Enzyklika „Sollicitudo Rei Socialis" hinzuweisen. hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 1987, oder auf den Hirtenbrief der katholischen Bischöfe der USA. Wirtschaftliche Gerechtigkeit für alle, hrsg. von Publik-Forum. Frankfurt 1987.

  3. Int allgemeinen wird zwischen der wissenschaftlichen Reflexion über das praktische Handeln (Theorie) und dem praktischen Lebensvollzug (Praxis) unterschieden. Im ersten Fall spricht man von Ethik, im zweiten von praktischer Philosophie bzw. Moral (Ethos). Vgl. auch die grundlegenden Bemerkungen im Einleitungskapitel von H. Hesse (Hrsg.), Wirtschaftswissenschaft und Ethik. Berlin 1988.

  4. E. Morscher/R. Stranzinger, Einführende Betrachtungen zur Ethik; in: dies. (Hrsg.), Ethik. Grundlagen, Probleme und Anwendungen. Akten des fünften internationalen Wittgenstein-Symposiums. 25. — 31. August 1980. Kirchberg am Wechsel (Österreich). Wien 1981, S. 15— 22; Th. Surnyi-Unger, Wirtschaftsethik; in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 12, Stuttgart et al. 1965, S. 83— 103.

  5. Vgl. A. Rich. Sozialethische Kriterien und Maximen humaner Gesellschaftsgestaltung, in: Th. Strohm (Hrsg.), Christliche Wirtschaftsethik vor neuen Aufgaben. Festgabe für Arthur Rich, Zürich 1980, S. 17-37, hier S. 21.

  6. Nach A. Rich. Sachzwänge und strukturell Böses in der Wirtschaft. Analysen und Konsequenzen aus der Sicht der christlichen Sozialethik, in: Zeitschrift für Evangelische Ethik. 26 (1982). S. 62— 83. bewirkt das „personal Böse“ auch das „strukturell Böse“.

  7. Vgl. A. Müller-Armack, Der Moralist und der Ökonom. Zur Frage der Humanisierung der Wirtschaft, in: Ordo. 21 (1970), S. 19-41, hierS. 29.

  8. Vgl. P. Wolff. Impact of Economic Trends on the Ethical Perspective, in: E. Morscher/R. Stranzinger (Anm. 4), S. 331— 336; G. Merk, Zur Wirtschaftsethik; in: A. Klose/H. Schambeck/R. Weiler (Hrsg.). Das Neue Naturrecht. Gedächtnisschrift für Johannes Messner. Berlin 1985. S. 217-235.

  9. Vgl. A. Rich, Wirtschaftsethik. Gütersloh 19842; E. Wolf. Sozialethik. Göttingen 1975; T. Rendtorff. Ethik. Grundelemente. Methodologie und Konkretionen einer ethischen Theologie. Bd. 1. Stuttgart et al. 1980; W. Weddigen. Wirtschaftsethik. Berlin 1951; E. Brunner. Das Gebot und die Ordnungen. Zürich 19784; A. Müller-Armack. Religion und Wirtschaft, Bern et al. 19813; H. Thielicke. Theologische Ethik. Tübingen. 3 Bde. (verschiedene Jahrgänge), insb. Band II 1. Mensch und Welt; P. Koslowski. Ethik des Kapitalismus. Tübingen 1982; H. Hesse. Wirtschaft und Moral. Göttingen 1987.

  10. Insbesondere in der katholischen Moraltheologie (aber auch bei protestantischen Bearbeitern) wird die Beziehung zum Selbst als Individualethik bezeichnet. Auf die weiteren Unterschiede soll hier nicht eingegangen werden. Verwiesen sei hier auf A. Rich (Anm. 9).

  11. Auf eine Diskussion der Beziehungen zwischen den verschiedenen Problemkreisen der Ethik wird hier verzichtet.

  12. Einige Beispiele seien angefügt: Waisenhäuser: Werner in Reutlingen. Müller in England; wirtschaftliche Maßnahmen: Oberlin im Elsaß. Raiffeisen mit den Genossenschaftsbanken; Erziehung: Franke in Halle; Sklavenbefreiung: Wilberforce; Überwindung der sozialen Frage in England: Wesley und die Methodisten — siehe dazu E. P. Thompson. The Makingof the English Working Class. Harmondsworth 1981 (Dt.: Die Entstehung der englischen Arbeiterklasse. 2 Bde. Frankfurt 1987).

  13. Mt. 5, 13: „Ihr seid das Salz der Erde!“ ruft Jesus Christus seinen Jüngern zu. In den Kirchen und in der Theologie gibt es ein Ringen um den politischen Auftrag der Kirche. Aber klare Verkündigung, obwohl „individualethisch“ ausgerichtet. hat eine erhebliche politische Brisanz!

  14. Zum „free-rider“ -oder Trittbrettfahrerverhalten vgl. die Ausführungen in W. Lachmann. Ausweg aus der Krise. Fragen eines Christen an Marktwirtschaft und Sozialstaat. Wuppertal 1984; ebenso ders.. Wirtschaft und Ethik. Maßstäbe wirtschaftlichen Handelns, Neuhausen bei Stuttgart 1987.

  15. Vgl. dazu ebda.. insbes. Kap. 6. S. 216ff.

  16. Eine erfolgreiche Beeinflussung geht meist nur über Zwangsmaßnahmen. In Gesinnungsdiktaturen können menschliche Schwächen ausgenutzt werden. Das ist leichter, als den Menschen zum Altruisten zu machen. Werbungen, die die Schwächen der Menschen im Unterbewußtsein beeinflussen. sind deshalb sehr gefährlich. Calvin hat es in Genf ebenfalls nicht erreicht, über Kontrolle und Macht die Menschen „religiöser“ zu machen. Der Mensch muß also vom Innern her. in seinem Bewußtsein, verändert werden; dies geschieht durch die „Bekehrung“, das „Buße-Tun“ (Luther), wofür das Neue Testament das Wort „metanoia“ geprägt hat.

  17. Vgl. W. Lachmann. Leben wir auf Kosten der Dritten Welt?, Wuppertal 19872. Auch in der entwicklungspolitischen Literatur wird dieses Problem aufgegriffen.

  18. Die hohe Steuerlast kann als Zwangsarbeit empfunden werden, so daß es zum Verhalten der „Schwarzarbeit“ kommt. Die Lösung kann nicht darin liegen, die Schwarzarbeiter zu kriminalisieren. Dies ist nur ein Kurieren an den Symptomen; wesentlich wäre eine Analyse der Ursachen eines solchen Verhaltens. Schuld trifft auch die Verursacher, die die Staatsausgaben immer höher treiben, immer neue Aufgabenbereiche für den Staat entdecken. Diese scheinbar guten Taten müssen von den Empfängern, den Steuerzahlern, finanziert werden. So stöhnen immer mehr Menschen unter dem Druck der hohen Steuerbelastungen. Diese Wohltaten wollen viele nicht mehr. Eine solche Art von Wirtschafts- und Steuerpolitik kommt einer Enteignung der eigenen Arbeitsleistung gleich; die hohe Steuerbelastung ist die „grimmige Folge des Wohlfahrtsstaates“.

  19. Hier, wie oben bei der Ethik, wird zwischen Theorie und Praxis unterschieden. Ökonomik ist die Lehre. Ökonomie bezeichnet die Praxis.

  20. Die Nutzenmaximierung kann als das allgemeine Prinzip angesehen werden. Für die Unternehmen kann sich daraus das Prinzip der Gewinnmaximierung ergeben.

  21. Eine gute Darstellung des Pareto-Optimums findet man l E. Sohmen, Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik, Tlj . en 1976.

  22. Es wird zwischen Wirtschaftsordnungen und -Systemen unterschieden. Bei der theoretischen Konstruktion handelt es sich um Wirtschaftssysteme, die Realtypen werden oft . Wirtschaftsordnungen“ genannt. Siehe auch W. Lachmann tr 14). wo mögliche Realtypen aufgezeigt werden.

  23. Ludwig-Erhard-Stiftung. Grundtexte zur Sozialen Marktwirtschaft, Stuttgart-New York 1981; dies.. Soziale Marktwirtschaft im vierten Jahrzehnt ihrer Bewährung. Stuttgart-New York 1982; O. Schlecht, Ethische Betrachtungen zur Sozialen Marktwirtschaft. Tübingen 1983; R. Blum. Soziale Marktwirtschaft, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften. Bd. 5. Stuttgart et al. 1980. S. 153— 166; H. -J. Wagener. Zur Analyse von Wirtschaftssystemen. Eine Einführung, Berlin et al. 1979.

  24. Den Zusammenhang zwischen dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft und der katholischen Soziallehre findet man gut erklärt in: W. Schmitz. Soziale Marktwirtschaft der katholischen Soziallehre am nächsten, in: Europäische Rundschau. (1980) 1, S. 29-45.

  25. Schwierigkeiten ergeben sich unter anderem bei der Kon-zeptionalisierung des „Sozialen Ausgleichs“. Heißt dies Gleichheit, und wenn: Gleichheit bei gleicher Leistung oder bei gleichen Bedürfnissen?

  26. K. Marx/F. Engels. Manifest der Kommunistischen Partei. Stuttgart 1979, S. 15-17.

  27. H. Willgerodt, Eigentumsordnung (einschließlich Bodenordnung), in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. 2, Stuttgart et al. 1980. S. 175-189.

  28. Wir beobachten in der deutschen Wirtschaftspolitik ein ständiges Ansteigen staatlichen Einflusses. Immer mehr bestimmen Politiker, was für den Menschen gut ist. Der Staat will für alle Lebenslagen Verantwortung übernehmen — und wird ausgenutzt; damit wird die Gesellschaft ausgenutzt. Solches Verhalten kann als unethisch bezeichnet werden. Es wäre den Wirtschaftspolitikern zu raten, wieder zu den alten Rezepten der Nachkriegszeit zurückzukehren, als die Bürger noch einen größeren Freiraum hatten. Die versprochene Wende in der Wirtschaftspolitik ist im Grunde noch nicht eingetreten — wie allein schon die überaus hohe Staatsverschuldung zeigt.

  29. A. Rüstow. Wirtschaftsethische Probleme der Sozialen Marktwirtschaft, in: P. Boarman (Hrsg.). Der Christ und die soziale Frage, Stuttgart 1955, S. 53— 74, hier S. 57 f.

  30. Das Subsidiaritätsprinzip wird in Ziffer 79 der Sozialenzyklika „Quadragesimo Anno“ wie folgt erläutert: „Wenn es nämlich auch zutrifft, was ja die Geschichte deutlich bestätigt. daß unter den veränderten Verhältnissen manche Aufgaben. die früher leicht von kleineren Gemeinwesen geleistet wurden, nur mehr von großen bewältigt werden können, so muß doch allzeit unverrückbar jener höchstgewichtige sozial-philosophische Grundsatz festgehalten werden, an dem nicht zu rütteln noch zu deuteln ist: Wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können. für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.“ Vgl. Katholische Arbeitnehmer Bewegung (Hrsg.). Texte zur katholischen Soziallehre. Köln 1985.

  31. Th. Hobbes. Leviathan. 1651. Harmondsworth 1983; vgl. dazu die Erläuterungen in: W. Lachmann (Anm. 14).

  32. Vgl. die Ausführungen in: G. Kirsch. Ordnungspolitik zwischen Freiheit. Gleichheit und Brüderlichkeit, in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik. 119 (1983), S. 357-380.

  33. Hingewiesen sei auf die Ausführungen in H. B. Acton. The Moral of Markets. An Ethical Exploration, London 1971; A. Buchanan, Ethics. Efficiency and the Market. To-towa 1985; Ch. Watrin, Fragen an die Kritiker von Wettbewerbsgesellschaften. in: A. Rauscher (Hrsg.). Kapitalismus-kritik im Widerstreit, Köln 1973, S. 33-63; ders., Wirtschaftsordnungen und christliche Soziallehre, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik. 28 (1979). S. 7-27.

  34. A. Rich. (Anm. 6). S. 71. Gollwitzer schreibt: „Die Bruderschaft der Christusgemeinde steht im Gegensatz zum Konkurrenz-und Klassenkampf der Mangelgesellschaft. Beide, die neue und die alte Gesellschaft stellen sich gegenseitig in Frage. Die neue bestreitet der alten ihre Unvermeidlichkeit und Endgültigkeit, ihre Wahrheit, die alte der neuen ihre Möglichkeit.“ Vgl. H. Gollwitzer. Forderungen der Umkehr. Beiträge zur Theologie der Gesellschaft. München 1976. S. 152.

  35. Ex ante — und damit für das langfristige Angebot — spielt der Arbeitsanteil bei der Bestimmung des Preises mit eine große Rolle. Kurzfristig — nach erfolgter Produktion — bestimmt der Käufer den Wert der in einem Produkt enthaltenen Arbeit. Bei gleichwertigen Produkten wird der Preis entweder vom Grenzproduzenten bestimmt — dann erhalten die produktiveren Finnen Gewinne (Ökonomische Renten) — oder der Preis wird von den produktiveren Unternehmen bestimmt, dann müssen die weniger produktiven aus dem Markt ausscheiden.

  36. Der „moralische Grenzgänger“ ist insbesondere im Bereich der Sozialpolitik problematisch. Hier unterliegen die einzelnen wirtschaftlich Handelnden dem „Gefangenendilemma“. Ihr privates Optimum führt zu einer nicht-optimalen gesellschaftlichen Allokation. Siehe auch: P. Herder-Dorneich. Der Sozialstaat in der Rationalitätenfalle. Grundfragen der sozialen Steuerung. Stuttgart et al. 1982.

  37. Vgl. W. Lachmann (Anm. 14). hier insb. Abschn. 2. 5. Siehe auch M. Novak. The Spirit of Democratic Capitalism. New York 1982.

  38. In Genesis 6 und 8 ist davon die Rede, daß das Trachten des Menschen böse sei — von Jugend auf. Das „Menschenbild“ ist bei der Konzipierung von gesellschaftlichen Regeln von eminent wichtiger Bedeutung. Vgl. auch W. Lachmann (Anm. 14). in dem intensiv auf diese Aspekte eingegangen wird.

  39. Das heißt nicht, daß man sich mit dem ethischen Standard in einer Gesellschaft abfinden muß oder daß gar die Wirtschaft diesen Standard bestimmt. Vielmehr muß er. aus ökonomischer Sicht, als gegeben angenommen werden. Andere Instanzen sind für deren Beeinflussung zuständig.

  40. Vgl. zu diesen Ausführungen die treffenden Bemerkungen in: W. Schmitz. Die soziale Ordnungsfunktion von Geld. Kapital und Kredit. Ansatzpunkte für eine systematische Währungsethik, in: A. Klose/H. Schambeck/R. Weiler (Hrsg.). Das Neue Naturrecht. Gedächtnisschrift für Johannes Messner. Berlin 1985. S. 227- 258.

  41. W. Schmitz, ebda.. S. 246.

  42. Messner hat auch auf anderen Gebieten gezeigt, daß Forderungen der Sozialen Marktwirtschaft mit sozialethischen Überlegungen kompatibel sind. In der Agrarpolitik, in der Bildungspolitik, in der Entwicklungspolitik wurden soge-nannte ethische oder soziale Forderungen aufgestellt, die sachlich nicht gerechtfertigt waren. Teilweise wegen des unbeachtet gebliebenen christlichen Menschenbildes waren diese Forderungen kontraproduktiv. Die falsch konzipierte Entwicklungshilfe korrumpierte die Empfänger (Individuen und Regierungen), die sachlich „unsoziale“ Agrarpolitik bindet hohe Mittel, die für notwendige Aufgabenbereiche nicht zur Verfügung stehen. Ähnliches kann von der verfehlten Stahlpolitik gesagt werden. Es scheint ein beliebtes Argument vieler Politiker zu sein, Lieblingsforderungen mit dem Hinweis auf Solidarität durchzusetzen. Viele Interessengruppen setzen sich im politischen Prozeß mit Umverteilungsforderungen durch, indem sie ihren Forderungen das Schild „sozial“ umhängen, obgleich — bei Licht besehen — diese Forderungen äußerst unsozial sind.

  43. F. Hirsch, Die sozialen Grenzen des Wachstums. Eine ökonomische Analyse der Wachstumskrise, Reinbek bei Hamburg 1980.

  44. Zum Gefangenendilemma siehe W. Lachmann (Anm. 14).

  45. W. Röpke. Jenseits von Angebot und Nachfrage, Bern-Stuttgart 19795.

  46. Dieser Aspekt wird neuerdings in der Literatur wieder betont.

  47. M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, in: J. Winckelmann (Hrsg.), Max Weber. Eine Aufsatzsammlung. Die protestantische Ethik I. Gütersloh 19795. Dieser Aspekt ist kürzlich von österreichischen Forschern wieder aufgegriffen worden. Hier wäre insbesondere J. Millendorfer zu nennen.

  48. Es wird allerdings vergessen, daß die Umweltbelastungen in früherer Zeit — zwar andersartig — aber auch sehr hoch waren. Umweltverschmutzung ist also kein Problem der industriellen Produktion allein.

  49. Vgl. die Literaturhinweise in: W. Lachmann (Anm. 14). Kap. 3. 6.

  50. Die Ermittlung der Höhe der Arbeitslosigkeit ist statistisch schwierig. Auf der einen Seite gibt es einen „discouraged worker effect“. weil es sowieso keine Arbeitsplätze gibt, melden sich einige, die gerne Arbeit hätten, nicht bei den Behörden. In die Zahl der Arbeitslosen gehen nur die Arbeitswilligen ein. die sich bei den Arbeitsämtern melden. Auf der anderen Seite sind auch Mitnahmeeffekte zu beobachten. Es melden sich Menschen arbeitslos, weil sie wissen, daß es keine Arbeitsplätze gibt, um Vorteile zu erhalten. Die Statistiken werden weiterhin verzerrt, weil „heimreisende" Ausländer. „parkende“ Studenten. Unterbeschäftigung usw. nicht berücksichtigt werden. Vgl. dazu R. Zwer. Internationale Wirtschafts-und Sozialstatistik. München-Wien 19862, S. 308.

  51. Vgl. W. Lachmann. Einige populäre Vorstellungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Ökonomische Aspekte zu ihrer Bewertung, in: W. Lachmann/H. Egelkraut/H. Sautter. Die Krise der Arbeitsgesellschaft. Chancen und Grenzen christlicher Verantwortung. Wuppertal 1984.

  52. Vgl. auch die Hinweise in: W. Lachmann (Anm. 14); Exkurs: Gesundheitssektor.

  53. Von daher steht zu vermuten, daß die „große Reform des Gesundheitswesens“, die zur Zeit vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung angestrebt wird, falsch konzipiert ist. Die vorgeschlagenen Regelungen führen zu mehr Bürokratie, weniger verantwortungsbewußtem Verhalten; der Staat übernimmt noch mehr Aufgaben, die er nicht lösen kann. Es wird zu einer Schlechterstellung des Gesundheitswesens kommen. Es hätte sinnvoller Wettbewerb bei sozialer Absicherung eingebracht werden können. Man gewinnt den Eindruck, daß die neue Reform nur von Juristen ohne Mithilfe von Ökonomen erarbeitet wurde.

  54. Verwiesen sei auf eine Predigt, die Wesley mehrmals in England gehalten hat. mit dem Titel: „Der rechte Gebrauch des Geldes“. Die drei Predigtteile lauten: „Erwirb soviel du kannst“. „Spare soviel du kannst“, „Gib’ soviel du kannst“! Hier wird die ethische Spannung des Problems deutlich, die Wesley jedoch theologisch überwindet. Vgl.den Predigt-nachdruck in: J. Wesley, Vom rechten Gebrauch des Geldes (bearbeitet und mit einem Vorwort versehen von Karl Stekkel), Stuttgart 1985.

  55. Siehe auch R. C. O. Matthews. Morality. Competition and Efficiency, in: Manchester School of Social and Economic Studies. 49(1981) 4, S. 389— 409. Erzeigt in seinen Ausführungen die Ineffizienz bei einem Handel nach reinen Motiven des Altruismus und des Egoismus auf.

  56. Vgl. auch die Ausführungen in: W. Lachmann. Ethik und Soziale Marktwirtschaft. Einige ökonomische und biblisch-theologische Überlegungen, in: H. Hesse (Hrsg.), Wirtschaftswissenschaft und Ethik. Berlin 1988.

  57. Vgl. hierzu die treffenden Bemerkungen in: A. Müller-Armack (Anm. 7).

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