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Fünfzig Jahre danach: Ein historischer Rückblick auf das „Unternehmen Barbarossa“ | APuZ 24/1991 | bpb.de

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APuZ 24/1991 Schlüsseljahre im Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion Fünfzig Jahre danach: Ein historischer Rückblick auf das „Unternehmen Barbarossa“ Der 22. Juni 1941: Anmerkungen eines sowjetischen Historikers Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion. Ein Beitrag zur deutsch-sowjetischen Beziehungsgeschichte

Fünfzig Jahre danach: Ein historischer Rückblick auf das „Unternehmen Barbarossa“

Jürgen Förster

/ 39 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Das „Unternehmen Barbarossa“ war kein Feldzug wie die vorausgegangenen, sondern ein sorgfältig vorbereiteter Eroberungs-und Vernichtungskrieg. Die Entscheidung für diesen Blitzkrieg im Osten fiel nach dem Blitzsieg im Westen im Sommer 1940. Hitler wollte das strategische Dilemma, in das Deutschland durch seine Kriegseröffnung 1939, das unerwartete Weiterkämpfen Großbritanniens und das globale Interesse Roosevelts geraten war, durch einen weiteren kriegerischen Akt lösen und gleichzeitig seine Lebensraumprogrammatik verwirklichen. Diese wiederum bestand aus einem Amalgam von strategischen, wirtschaftlichen und ideologischen Vorstellungen, die die Ausrottung des „jüdischen Bolschewismus“ einschlossen. Hitlers Vernichtungskonzept gegenüber der Sowjetunion konnte zum integralen Bestandteil der Operationen werden, weil die Heeresführung gegenüber dem Gegner im Osten bereit war, die Truppe den „weltanschaulichen Kampf“ neben den SS-Einsatzgruppen „mit durchfechten“ zu lassen. Daß das „Unternehmen Barbarossa“ aber eine besondere Qualität bekam, lag nicht nur an den entsprechenden deutschen Maßnahmen, sondern auch an der spezifischen sowjetischen Reaktion auf den Angriff der Wehrmacht am 22. Juni 1941. Dieser erfolgte aber nicht, um einer „sprungbereiten“ Roten Armee zuvorzukommen; deren Aufmarsch an der Westgrenze wurde von Hitler und der Heeresführung als defensiv eingeschätzt und keineswegs als eine Bedrohung Deutschlands empfunden. Er wurde allerdings von deutscher Seite zur propagandistischen Rechtfertigung eines aus ganz anderen Gründen längst beschlossenen Angriffskrieges benutzt. Hier, im Juni 1941, liegt der Ursprung aller Thesen von einem deutschen Präventivkrieg gegen die Sowjetunion.

I.

Das „Unternehmen Barbarossa“ -so lautete der Deckname für die militärische Operation zur Niederwerfung der Sowjetunion -war kein Feldzug wie die vorausgegangenen, sondern ein sorgfältig vorbereiteter Eroberungs-und Vernichtungskrieg. Dieser Krieg war das für Deutschland und Europa wichtigste Phänomen des Zweiten Weltkrieges. Seine Folgen sind noch deutlich in der politischen Gegenwart spürbar. Sie führten zwar jetzt -fünfzig Jahre nach dem 22. Juni 1941 -zu der Vereinigung und Souveränität des getrennten Deutschland sowie zur Anerkennung der polnischen Westgrenze. Allerdings besteht noch immer keine Einigkeit über den Charakter des deutsch-sowjetischen Krieges. Die Bandbreite seiner Deutungen -von 1941 bis heute -reicht vom Präventivkrieg bis zum Weltanschauungskrieg; vom unvermeidbaren Entscheidungskampf zwischen Nationalsozialismus und Bolschewismus bis zum faschistischen Überfall auf den ersten sozialistischen Staat; von der Idee, London über Moskau zu schlagen, bis zu der eines europäischen Kreuzzuges gegen den Bolschewismus.

Der über vierzigjährige Kalte Krieg verhinderte bzw. erschwerte die notwendige Demontage der von den beiden Diktatoren aufgebauten Feindbilder. Auch in der Sowjetunion haben nun Historiker damit begonnen, der Bevölkerung die Vergangenheit unverzerrt vor Augen zu bringen. Wir sollten uns allerdings davor hüten, Hitlers Untaten ursächlich auf die Stalins zurückzuführen, deutsche Verbrechen mit sowjetischen zu verrechnen oder von Stalins mörderischer Innenpolitik einfach auf dessen Außenpolitik zu schließen. Historische Einsicht in das Vergangene ist notwendig, damit der Wandel im deutsch-sowjetischen Verhältnis endlich eine tragfähige Basis erhält Neue Einsichten, zu deren Vermittlung solche Gedenktage beitragen können, aber haben es schwer. Sie müssen sich nicht nur gegen den zähen Widerstand des Überlieferten, sondern auch gegen fast noch schwerer überwindbare Mißverständnisse durchsetzen.

Als ein Ausgangspunkt für die Analyse, der Ursachen des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion müssen das Weltbild und die politischen Ziele des Mannes gesehen werden, der der Hauptakteur des Jahres 1941 in Europa war: Adolf Hitler. Er dominierte die Kriegspolitik des nationalsozialistischen Deutschland. „Konstanten seines Weltbildes“ (J. Fest) bildeten axiomatische Vorstellungen, die um Lebensraum, Rasse, Judentum, Wirtschaftsautarkie und Weltmachtstellung für Deutschland kreisten und die nur die Alternative Sieg oder Vernichtung zuließen. Sein außenpolitisches Kern-ziel -der große Krieg um Lebensraum im Osten -stellt eine Symbiose von Kalkül und Dogma, Strategie und Ideologie, von Welt-und Rassenpolitik dar Gerade weil die „Konstanten seines Weltbildes“, einschließlich der radikalen Feindbilder Judentum und Bolschewismus, nicht ganz quer zur allgemeinen Stimmung in Deutschland lagen, konnte Hitlers Programmatik ihre katastrophale Wirkung erzielen.

Als ein weiterer Ausgangspunkt für die Analyse des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion ist die strategische Lage im Sommer 1940 zu nennen. Neun Monate nach Kriegsbeginn waren Polen, Dänemark, Norwegen, Belgien, Luxemburg und die Niederlande besetzt, Frankreich niedergeworfen. Besonders der schnelle Sieg über den „Erbfeind“ Frankreich hatte in psychologischer, politischer und militärischer Hinsicht fundamentale Bedeutung für Hitler und die Deutschen. Die französische Niederlage bedeutete das Auslöschen eines Makels: der „Schmach vom November 1918“. Nun war der deutsche Ehrenschild wieder blank. Emotional überwältigt pries der Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Walther von Brauchitsch, Hitler als den „ersten Soldaten des Reiches“, um den sich alle in „unermeßlichem Vertrauen“ schar-* ten Ein führender Kopf des deutschen Widerstandes, Botschafter z. D. Ulrich von Hassel!, beurteilte die „unvorstellbar großen Erfolge“ der Wehrmacht so: „Man könnte verzweifeln unter der Last der Tragik, sich an den größten nationalen Erfolgen nicht wahrhaft freuen zu können.“ Denn dadurch war auch den Bedenken der militärischen Führung gegen Hitlers Kriegskurs der Boden entzogen, seine unumschränkte Autorität in politischen und militärischen Fragen gesichert. Hitler war durch den vermeintlichen Triumph seiner Kriegführung aber nicht nur persönlich „sehr glücklich“ sondern er schwamm auch auf einer Woge der Begeisterung in Deutschland. Sein Mythos als Führer des deutschen Volkes war bestätigt. In der Bevölkerung war man überzeugt, daß die Engländer in höchstens sechs Wochen nach Angriffsbeginn besiegt seien Dem deutschen Soldaten schien nichts mehr unmöglich.

Hitler erwartete von der militärischen Entscheidung im Westen einen politischen Erfolg. Dem ganzen Sieg sollte der volle Friede folgen. Er ging davon aus, daß Großbritannien angesichts seiner militärischen Schwäche „klein beigeben“ würde, wie er sich gegenüber Brauchitsch am 23. Juni 1940 ausdrückte Dafür, daß sich London politisch vom europäischen Festland zurückzog und damit die deutsche Hegemonie anerkannte, wollte Hitler den Briten „Flotte und See“ lassen. Ihm war nicht an einer Zerstörung des Empire gelegen, allerdings an einer Zurückgewinnung der Kolonien und Mandatsgebiete sowie an einer Entschädigung für entgangene Gewinne und das Deutschland zugefügte „Unrecht“ Der Erwartung, mit Großbritannien zu einem Ausgleich in weltumspannender Dimension zu kommen, entsprach auch seine bereits während der laufenden Operationen geäußerte und am 14. Juni 1940 verfügte Absicht, 39 Divisionen sofort aufzulösen und das Heer stufenweise auf den Friedensstand zurückzuführen Der Rüstungswirtschaft wurde zehn Tage später versichert, sie könne mit der Entlassung von 500000 Mann aus der Fronttruppe rechnen.

Auch nach dem britischen Schlag gegen Teile der französischen Flotte in Mers-el-Kbir am 3. Juli 1940, mit dem Churchill seine Durchhaltepolitik demonstrierte, wartete Hitler auf dem Obersalzberg weiter ab. Wunschdenken und ideologische Prämissen blockierten mehrere Wochen eine realistische Sicht der Dinge. London war nicht zu einem Einlenken bereit. Es kämpfte weiter in der Hoffnung auf die Unterstützung durch die USA und auf eine Änderung des deutsch-sowjetischen Verhältnisses. So hatte Hitler gegenüber dem Oberbefehlshaber des Heeres am 23. Juni 1940 zwar auch schon einmal die Möglichkeit einer kompromißlosen Haltung Großbritanniens erklärt, sie aber nicht wahrhaben wollen. Mitte Juli 1940 blieb ihm nichts anderes übrig, als die Situation so zu sehen, wie sie war: Der Friede war in weite Entfernung gerückt. Dies führte zu einem Umschwung in Hitlers Lagebeurteilung. Der letzte öffentliche „Appell an die Vernunft“ Londons am 19. Juli 1940 war deshalb mehr eine Schuldzuweisung für den nicht beendeten Krieg als ein Friedensangebot. Er diente damit der Einstimmung der deutschen Bevölkerung auf den weiteren Kampf Die Würfel waren schon längst gefallen, bevor Großbritannien durch Außenminister Lord Halifax am 22. Juli 1941 Hitlers Appell zurückgewiesen hatte.

Für die deutsche politische und militärische Führung stand die Frage im Vordergrund, wie der Krieg siegreich beendet werden konnte. Alle waren entschlossen, auch weiterhin das Gesetz des militärischen Handelns zu bestimmen. Vor den Spitzen von Heer, Marine und Luftwaffe nannte Hitler am 21. Juli 1940 als Pflicht der deutschen Führung, „die amerikanische und russische Frage stark zu erwägen“, wie sich Großadmiral Erich Raeder notierte Wie aber sollte der langfristig angenommenen Bedrohung der deutschen Machtstellung in Europa durch die angelsächsischen Seemächte und die Sowjetunion begegnet werden? Den Zeitfaktor beurteilte Hitler -verglichen mit der Lage im Ersten Weltkrieg -nun günstiger als im Oktober 1939. Die Westfront sei weggefallen und Deutschland auf allen Gebieten auch für einen langen Krieg gerüstet. Abgesehen von der Tatsache, daß letztere Einschätzung objektiv falsch war, konnte Berlin der von den USA ausgehenden Bedrohung nur indirekt begegnen. Diesem Ziel diente der am 27. September zwischen Deutschland, Japan und Italien abgeschlossene „Dreimächtepakt“, der Washington von einer Kriegsausweitung abschrecken sollte. Zur schnellen Beendigung des Krieges mit Großbritannien schien nun auch Hitler eine Invasion das wirksamste Mittel zu sein. Den damit verbundenen Risiken war er sich durchaus bewußt. Als Voraussetzungen für das Unternehmen „Seelöwe“ nannte Hitler am 21. Juli 1940 die völlige Luftherrschaft und den Abschluß der Vorbereitungen für die Landung bis Ende September 1940. Sollten beide Bedingungen bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu erreichen sein, müßten „andere Pläne“ erwogen werden.

In welche Richtung Hitler dabei dachte, wurde deutlich, als er in derselben Besprechung Brauchitsch damit beauftragte, die Lösung des „russischen Problems“ planerisch in Angriff zu nehmen Erst jetzt trat bei Hitler ein Krieg gegen die Sowjetunion in den Vordergrund seiner strategischen Überlegungen, und nicht schon ab Anfang Juni 1940 Grundlage für eine solche Interpretation sind die oft zitierten Äußerungen von Generalleutnant Georg von Sodenstern aus dem Jahre 1954. Hitler habe im Hauptquartier der Heeresgruppe A in Charleville am 2. Juni 1940 erklärt, nun habe er „endlich die Hände frei für seine große und eigentliche Aufgabe: die Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus“. Diese Quelle muß deshalb als zweifelhaft eingestuft werden, weil andere Teilnehmer an der Besprechung in Charleville -wie Generaloberst Wilhelm Ritter von Leeb und Generalleutnant Hans Felber -in ihren zeitgleichen Tagebüchern zwar Hitlers Kriegsziele gegenüber Großbritannien und Frankreich notierten, aber mit keinem Wort irgendwelche Intentionen in Richtung Osten Sodenstern hat wohl frühere oder spätere ideologische Äußerungen Hitlers falsch datiert. Auch die Tagebücher von Goebbels enthalten für den Zeitraum Juni-Juli 1940 keine diesbezüglichen Überlegungen Hitlers. Die operativen Stäbe in den Oberkommandos des Heeres und der Wehrmacht reagierten also mit ihren Planungen für einen Krieg gegen die Sowjetunion nicht auf Äußerungen ihres obersten Befehlshabers, sondern sie wollten selber auf eine solche strategische Option vorbereitet sein.

Nach dem Waffenstillstand mit Frankreich hatte der Chef des Generalstabes des Heeres, General der Artillerie Franz Halder, in einer Ansprache vor Generalen und höheren Generalstabsoffizieren in Versailles lapidar festgestellt, daß es im Westen für das Heer auf lange Zeit nichts mehr zu siegen gäbe Der Schwerpunkt der Kriegführung würde, solange die politische Lage so bliebe, bei Luftwaffe und Marine liegen. Unter „bestimmten Voraussetzungen“ sei es jedoch möglich, daß er wieder auf das Heer übertragen werde. Dabei dachte Halder weniger an eine Landung in England als an einen „militärischen Schlag“ gegen die Sowjetunion, um diese auf den Status einer zweitrangigen Macht herabzudrücken und damit die deutsche Hegemonie in Europa abzusichem. Um die dafür notwendige „Schlagkraft im Osten“ aufzubauen, wurde nicht nur die von Hitler angeordnete partielle Demobilmachung des Heeres unterlaufen, sondern auch eine eigenständige Offensiv-planung auf Generalstabs-und Armee-Ebene in Gang gesetzt Deshalb konnte Brauchitsch in der Besprechung am 21. Juli 1940 Hitler bereits Detailliertes über eine Operation gegen die Sowjetunion vortragen, die auf die Besetzung der baltischen Staaten, Weißrußlands und von Teilen der Ukraine abzielte. Die Heeresführung stellte 50 bis 75 „gute“ sowjetische Divisionen in Rechnung. Auf deutscher Seite wurden 80 bis 100 Verbände für „nötig“ erachtet, deren Aufmarsch vier bis

sechs Wochen dauern würde. Doch Hitler nahm zu diesem Vorschlag für einen begrenzten Angriffskrieg gegen die Sowjetunion nicht Stellung

II.

Der Befund autonomer militärischer Planungen könnte zu zwei Mißverständnissen Anlaß geben: Hitler nur als einen gleichgewichtigen Faktor neben den militärischen Oberkommandos anzusehen oder deren operative Vorarbeiten als rein militär-fachliche Vorbereitung auf eine Eventualität einzustufen. Sie waren aber zugleich aus politischer Übereinstimmung in Grundfragen geprägte Mit-und Zuarbeit. „Denn letztlich handelte es sich nicht um eine offensiv zu führende Defensive im Rahmen eines laufenden Feldzuges, sondern um einen Akt, der die Kriegseröffnung bedeutete.“ Unzweifelhaft ist auch, daß die deutsche Kriegspolitik im Entscheidungsjahr 1940/41 von Hitlers machtpolitischem Kalkül und ideologischen Fixierungen bestimmt wurde. Er war, besonders nach dem Triumph über Frankreich, die beherrschende in der Führung: Figur deutschen „Alles wartet(e) auf die Entscheidungen des Führers.“ Ende Juli 1940 hatte das Warten ein Ende; Hitler hatte sich entschieden. Auf dem Obersalzberg eröffnete er seinen obersten militärischen Beratern seinen „bestimmten Entschluß“, Rußland im Frühjahr 1941 zu „erledigen“

Auffällig an dieser entscheidenden Besprechung der Gesamtkriegslage ist dreierlei. Erstens gab es weder während noch anschließend ein mit der Vorgeschichte des Krieges gegen Frankreich „vergleichbares Ringen um die Grundentscheidung und danach um den Operationsplan als Ganzes Dies ist deshalb weil einen Tag erstaunlich, zuvor Brauchitsch und Halder noch die Fortsetzung der deutsch-sowjetischen Kooperation im Weltmaßstab erwogen hatten. Der Wille Hitlers, sich die Herrschaft in Europa über die Zerschlagung der Sowjetunion zu sichern, traf allerdings auch auf ähnliche Überlegungen der Heeresführung. Übereinstimmung herrschte in der Einschätzung der sowjetischen Absichten. Eine offensive Verwendung der im grenznahen Raum dislozierten Verbände der Roten Armee gegen Deutschland wurde ausgeschlossen. Ganz im Gegenteil: Generalmajor Erich Marcks, der Bearbeiter des ersten Operationsentwurfes nach Hitlers Auftrag vom 21. Juli 1940, sprach bedauernd davon, daß die Russen den Deutschen „nicht den Liebesdienst eines Angriffs erweisen“ würden

Damit ist auch offenkundig, daß die von der Sowjetunion im Sommer 1940 vorgenommene Erweiterung ihres strategischen Glacis nach Westen und Südwesten -das ein Jahr zuvor geschlossene Interessenbündnis mit dem weltanschaulichen Gegner bildete dafür die Basis -nicht die Ursache für die deutschen militärischen Planungen war. Hier wirkten vielmehr ältere Vorstellungen nach über die Gewinnung und Nutzung Rußlands, von einer Hegemonie in Europa sowie über das deutschen Femhalten des Bolschewismus von diesem Raum.

Auffällig an der Besprechung vom 31. Juli 1940 ist zweitens, daß Hitler seinen Entschluß zu einem Angriffskrieg gegen die Sowjetunion strategisch und nicht ideologisch begründete. Halder notierte sich: „Englands Hoffnung ist Rußland und Amerika. Wenn (Englands) Hoffnung auf Rußland weg-fällt, fällt auch Amerika weg ... Rußland (ist) ostasiatischer Degen Englands und Amerikas gegen Japan ... Rußland (ist der) Faktor, auf den England am meisten setzt ... Ist aber Rußland zerschlagen, dann ist Englands letzte Hoffnung getilgt. Der Herr Europas und des Balkans ist dann Deutschland!“ Diese weltpolitische Begründung und das „Festlanddegen“ -Argument sollten jedoch nicht dazu verleiten, die Symbiose von Kalkül und Dogma, Strategie und Ideologie, Welt-und Rassenpolitik in Hitlers Kriegspolitik zu übersehen. Das machtpolitische Interesse, den Gesamtkrieg erfolgreich zu bestehen, war in Hitlers Strategie untrennbar verknüpft mit seiner langfristigen Lebensraumprogrammatik gegenüber der Sowjetunion. Diese bestand wiederum aus einem Amalgam von wirtschaftlichen, rassischen, geopolitischen wie machtpolitischen Vorstellungen, das auch die Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ einschloß. Das Ausgreifen nach Osten, das Ziel seit den zwanziger Jahren, erschien Hitler nun auch als Mittel, Deutschland aus der strategischen Situation offensiv zu befreien, in die es durch seine Kriegseröffnung 1939, das unerwartete Weiterkämpfen Großbritanniens 1940 sowie die globalen Interessen Roosevelts geraten war.

Das Risiko eines neuen Krieges schien erträglicher als das Abwarten einer gemeinsamen Reaktion der angloamerikanischen Mächte auf die Festigung der deutschen Hegemonie in Europa. Vor dem Hintergrund seiner sozialdarwinistischen Alternative für die Führung des Lebenskampfes des deutschen Volkes -entweder klarer Sieg oder restlose Vernichtung -wollte Hitler die Verantwortung für die Sicherung des notwendigen Lebensraumes nicht einer späteren Generation überlassen. Im Sommer 1940 setzte Hitler auf die „Gunst des Augenblicks“ gegenüber der auch nun wieder drohenden Konstellation des Ersten Weltkrieges. Erst für 1942 schätzte er die USA als kriegsfähig ein. Seiner Ansicht nach waren bis 1941 Deutschlands Rücken und Flanken noch frei für den Gewinn des „russischen Raumes“. Dieses alte Ziel erschien nun zugleich als Grundvoraussetzung für eine entscheidende Wende des Gesamtkrieges, denn für einen jahrelangen Abnutzungskrieg wie 1914-18 war die bis 1940 gewonnene wirtschaftliche Basis des Reichs noch zu schwach. Hitler hielt es für notwendig und möglich, die Sowjetunion vor einem Eingreifen der USA auf britischer Seite zu zerschlagen. Der Entschluß zum „Unternehmen Barbarossa“ fiel also nicht wegen, sondern trotz der kompromißlosen Haltung Londons Gerade die rüstungswirtschaftlichen Weichenstellungen unterstreichen, daß die Entscheidung für einen Krieg im Osten nicht erst im November sondern schon im Juli 1940 getroffen wurde.

Es ist kritisch eingewandt worden, daß es keine zeitgleichen Belege für eine direkte Verbindung von Programm und Politik bei Hitler im Sommer 1940 gebe Diese Kritik müßte dann auch für die Interpretation von Hitlers Weisungen für die Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ vom Frühjahr 1941 gelten, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Es gibt aber keinerlei Belege dafür, daß Hitler seinen ideologischen Intentionen mit Stalins politischem Verhalten in jener Zeit begründete. Wenn also dafür allein Hitlers axiomatische Ziele bestimmend waren, so ist es wenig wahrscheinlich, daß er seine Lebensraumprogrammatik im Sommer 1940 vergessen und sich erst im Frühjahr 1941 wieder daran erinnert hat. Außerdem belegen nun die Tagebücher von Goebbels, daß Hitler auch zu jener Zeit den Bolschewismus als den „Weltfeind Nr. 1“ betrachtete Gerade weil Hitlers Programm eine Symbiose von Strategie und Ideologie darstellt, ist es müßig, eine Rangfolge zwischen den einzelnen Motiven oder ihrer temporären Priorität herstellen zu wollen.

Auffällig an der Besprechung vom 31. Juli 1940 ist drittens -und das ist neu -, daß die Entscheidung über die Erhöhung des Kriegsheeres auf 180 Divisionen bereits einige Tage zuvor gefallen war, und zwar ohne Beteiligung der „operativen“ Heeresführung! Am Juli 1940 waren der Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres, Generaloberst Fritz Fromm, und sein Chef des Stabes, Oberst Kurt Haseloff, zum Vortrag bei Hitler auf dem Obersalzberg. Ihnen verkündete Hitler, daß das Heer, „unabh(ängig) v(on) d(en) Operationen des Jahres, falls Krieg nicht beendet, nächstes Jahr so stark als möglich“ sein müsse. 180 Divisionen seien „notwendig“. Bis zum l. Mai 1941 sei „viel Zeit zur Vorbereitung“ vorhanden. „Ab Ende Sept(ember könne) begonnen werden -also acht Monate!“ stünden zur Verfügung, um 25 Panzer-, 12 motorisierte Divisionen und 143 Infanteriedivisionen bis „Ende April angriffsbereit“ aufzustellen und auszustatten. Hitler sprach davon, 50 Divisionen auf „Arbeitsurlaub“ in die Rüstungswirtschaft zu schicken und zwischen Ende März und Mitte April 1941 wieder einzuberufen. Die Soldaten sollten ihre eigenen Waffen und Munition produzieren! Fromm äußerte zu den personellen Auswirkungen dieser Hitler-Entscheidung „keine Bedenken“ und zu den Konsequenzen auf dem materiellen Sektor: „wird gehen!“ Allerdings hielt er einen „rücksichtslosen Eingriff“ in die Wirtschaft im Frühjahr 1941 für „nötig“ 28). Durch diese neue Quelle und ihren Hinweis auf die Beurlaubung von Soldaten für die Kriegswirtschaft ab Ende September finden nun ältere Belege ihre Bestätigung, daß Hitler bereits Ende Juli von einem endgültigen Verzicht auf das Unternehmen „Seelöwe“ ausging Als frühester Termin für eine Landung in England war nämlich der 15. September 1940 vorgesehen.

Die rüstungsmäßige Umsetzung der Entscheidung Hitlers verdeutlicht -vielleicht noch stärker als die operative Planung daß die deutsche politische und militärische Führung der Auseinandersetzung mit der Sowjetunion von Anfang an eine andere Strategie als gegen Frankreich zugrundelegten. Vor der Westoffensive hatte die Heeresführung noch unter Hinweis auf die mangelhafte Rüstung gewarnt. Unter der Hybris des Siegers und der Fehleinschätzung des anvisierten Gegners protestierte der verantwortliche Chef der Heeresrüstung nicht gegen die von Feldmarschall Wilhelm Keitel am 17. August 1940 konkretisierte Aufgabe, bis zum 1. April 1941 180 Divisionen mit Zuschlägen (für Heeres-und Korpstruppen; Rechensatz 20 Divisionen) und mit einem „größtmöglichen] Vorrat“ aufzustellen. Das „Endziel“ einer „volle(n)“ personellen und materiellen Ausstattung der 180 Divisionen mit ,, alle(n) Zuschläge(n)“, d. h. 50 Divisionen, sollte erst in drei Jahren erreicht sein

Aufgrund dieser Vorgaben erarbeitete Fromm einen Vorschlag, den er Hitler im Beisein des Oberbefehlshabers des Heeres am 26. August 1940 vortrug. Da sich dieser, außer in zwei kleineren Punkten, „einverstanden“ erklärte, konnte Fromm den entsprechenden Befehl für das Rüstungsprogramm B am 28. August erlassen Damit waren drei Monate nach der französischen Kapitulation die Würfel für den Krieg gegen die Sowjetunion gefallen. Dem Blitzsieg im Westen sollte der Blitz-krieg im Osten folgen. Auf eine volle Ausstattung des geplanten Kriegsheeres von 180 Divisionen (Feld-und Ersatzheer nebst Landesschützeneinheiten) mit einer Gesamtsollstärke von 141352 Offizieren, 35653 Beamten, 646562 Unteroffizieren und 3 911838 Mannschaften zum 1. Mai 1941 wurde von vornherein verzichtet. „Das sollte sich als die entscheidende Wende der Heeresrüstung im Dritten Reich erweisen.“

Auch die Entscheidungen im Verteilungskampf um den „Sparstoff Mensch“ (W. Keitel) zwischen Wehrmacht und Rüstungsindustrie ab Sommer 1940 -etwa 260 000 Metallarbeiter aus Verbänden des Feldheeres wurden in Rüstungsbetriebe beurlaubt und fehlten bei der notwendigen Ausbildung des in , Zellteilung* befindlichen Heeres -offenbart eine politische und militärische Führung, die vom Erfolg ihrer strategischen Planung überzeugt war. Der offenkundige Rückstand in der Heeresrüstung und die angespannte Ersatzlage wurden als ein tragbares Risiko angesehen, weil bei „Barbarossa“ keine überdurchschnittlichen personellen und materiellen Verluste eingeplant wurden. Bereits ein halbes Jahr vor Beginn des Krieges im Osten wurde der Marine-und Luftrüstung die Priorität zu Lasten des Heeres eingeräumt. Der Führer-Befehl vom 20. Dezember 1940 nahm auf dem Sektor der Personalbewirtschaftung eine Entwicklung voraus, die dann am 14. Juli 1941 -im Gefühl des sicheren Sieges über die Sowjetunion -generell beschlossen wurde

III.

Wenngleich Hitlers Wendung nach Osten im Sommer 1940 keineswegs als „point of no return“ eingestuft werden kann, so folgten ihr doch sofort rüstungswirtschaftliche und operative Entscheidungen, die eine Eigendynamik auslösten. Unverkennbar ist auch ein Umschwung in der Außenpolitik des Reiches. Der geplante Krieg gegen die Sowjetunion führte zu einer Neubewertung von Staaten, die nach Geist und Buchstaben des Hitler-Stalin-Paktes zur Interessenssphäre Moskaus gehörten. Nun galt es, in Finnland und Rumänien deutsche strategische Interessen gegenüber gleich-gelagerten sowjetischen Einflußnahmen zu sichern. Hitler zeigte sich entschlossen, dafür das machtpolitische Gewicht Deutschlands in die Waagschale zu werfen und eine tiefe Verstimmung Stalins zu akzeptieren. Beide Länder wurden als willkommene Mitstreiter im Kampf gegen den Bolschewismus angesehen, während Hitler auf die Hilfe Japans und Italiens zu verzichten können glaubte

Die operative Planung des Krieges gegen die Sowjetunion überließ Hitler den Generalstäben. Er selbst war im Herbst 1940 einerseits mit einer politischen Blockbildung Westeuropas gegen Großbritanniens beschäftigt. Sie stand eindeutig unter dem „Primat der Ostpolitik“ (M. Bormann). Der Versuch, Spanien und Vichy-Frankreich für eine antibritische „kontinentale Koalition“ zu gewinnen, scheiterte nicht nur an den französischen und spanischen Gegensätzen sowie an den italienischen Ansprüchen, sondern auch daran, daß Großbritannien noch nicht besiegt war und Hitler Madrid und Vichy keine positive Zukunft im Rahmen der Neuordnung Europas unter deutscher Hegemonie aufzeigen konnte. Andererseits bot der Besuch des sowjetischen Außenministers V. M. Molotov am 12. und 13. November 1940 in Berlin Hitler die Gelegenheit zu demonstrieren, daß Deutschland und die UdSSR eher „Brust an Brust“ als „Rücken an Rücken“ standen

Das Konzept einer Herrschaftsteilung im Welt-maßstab zwischen Deutschland, Italien, Japan und der Sowjetunion auf Kosten des britischen Empire muß vor dem Hintergrund der deutschen Planungen für „Barbarossa“ als ein taktisches Manöver bewertet werden. Am 4. November 1940 hatte Hitler vor der Heeres-und Wehrmachtführung betont, daß Rußland „das große Problem Europas“ bleibe. Alles müsse getan werden, um zur „großen Abrechnung“ bereit zu sein Deshalb hatte er noch vor seinem ersten Gespräch mit Molotov die „Weisung Nr. 18“ unterzeichnet, in der es unter der Ziffer „ 5.) Rußland“ klar hieß, daß, gleichgültig, welches Ergebnis die deutsch-sowjetischen Besprechungen haben würden, die bisher nur mündlich befohlenen Vorbereitungen für den Krieg im Osten fortzuführen seien. Auch die von Molotov genannten Voraussetzungen für einen Beitritt der Sowjetunion zum „Dreimächtepakt“ seien eher als taktische Maximalforderungen für spätere Verhandlungen denn als „Kriegszielprogramm Stalins“ zu bewerten. Diesen Schluß legen die zehn Tage später schriftlich übermittelten moderateren Bedingungen nahe. Sie blieben aber unbeantwortet. Die von Molotov mündlich vorgebrachten Wünsche wurden allerdings von deutscher Seite als Erpressung und als langfristige Bedrohung der Machtstellung des Reiches in Europa aufgefaßt. Diese galt es auszuschalten. Deshalb fand Raeder Hitler „ifnrner noch geneigt, die Auseinandersetzung mit Rußland zu betreiben“

Hitler hatte seit Ende Juli 1940 für den von ihm gleichermaßen als Kriegsziel und Kriegsmittel eingeschätzten Krieg gegen die Sowjetunion optiert. Die Beherrschung des „russischen Raumes“ sollte auch die entscheidende Wende im Krieg gegen Großbritannien herbeiführen. Hitler fühlte sich gezwungen, „ 1941 alle kontinentaleuropäischen Probleme lösen (zu) müss(en), da ab 1942 (die) USA in der Lage wären, einzugreifen“

Militärisch entschied sich Hitler am 5. Dezember 1940 für den von der Heeresführung erarbeiteten Operationsplan, mit dem die Sowjetunion in einem schnellen Feldzug niedergeworfen werden sollte. In seiner strategischen Analyse trug Hitler die gleichen Argumente wie am 31. Juli vor: „Die Entscheidung über die europäische Hegemonie fällt im Kampf gegen Rußland.“ Die Operationsabsichten der Heeresführung billigte er pauschal, obwohl sie in wesentlichen Punkten von seinen abwichen. Übereinstimmung herrschte darüber, zunächst die Masse der Roten Armee westlich der Dnepr-Dvina-Linie zu vernichten und den Rückzug kampfkräftiger Teile nach Osten zu verhindern. Die deutlichen Auffassungsunterschiede über den Ansatz der zweiten Operationsphase wurden allerdings nicht ausdiskutiert. Für Hitler stand immer die Gewinnung kriegswirtschaftlicher Basen im Norden und Süden der Sowjetunion im Vordergrund -einerseits, um die eigene Versorgung aus dem Lande zu erleichtern und andererseits, um dem Gegner die Grundlagen für einen personellen und materiellen Neuaufbau seiner Kräfte zu entziehen. Die Heeresführung wollte dagegen die Kriegsentscheidung durch einen konzentrierten Stoß auf Moskau herbeiführen. Die spätere Auseinandersetzung um die Vorrangigkeit der sowjetischen Hauptstadt als Operationsziel -gegenüber Leningrad und dem Besitz des ukrainischen und kaukasischen Potentials -war damit vorprogrammiert Dies auch deshalb, weil der Gegner sich nicht in der gewünschten Weise verhielt, nachdem er schon der Wehrmacht den „Liebesdienst“ verweigert hatte, selbst anzugreifen. Im Dezember 1940 herrschten allerdings weder bei Hitler noch bei der Heeresführung irgendwelche Zweifel darüber, daß es gelingen würde, die Sowjetunion in einem Blitzkrieg zu besiegen und die Linie Wolga-Archangelsk innerhalb von wenigen Wochen zu erreichen.

Wie beurteilte die deutsche Führung den anvisierten Gegner? Am 5. Dezember 1940 erklärte Hitler: „Der Russe ist uns waffenmäßig unterlegen wie der Franzose ... Der russische Mensch ist minderwertig. Die Armee ist führerlos. Ob die in letzter Zeit gelegentlich festgestellten richtigen Erkenntnisse der (sowjetischen) Führung in der Armee ausgewertet werden, ist mehr als fraglich. Die innere Neuorientierung der russischen Armee wird im Frühjahr noch nicht besser sein. Wir haben im Frühjahr einen sichtlichen Höchststand in Führung, Material, Truppe, die Russen einen unverkennbaren Tiefstand. Wenn diese russische Armee einmal geschlagen ist, dann ist das Desaster unaufhaltsam.“ Auch in der Einschätzung des deutschen Generalstabes hatte die Rote Armee, das „riesige Kriegsinstrument“, seit dem Sommer 1940 damit begonnen, deutsche taktische Erfahrungen aus dem Frankreichfeldzug zu übernehmen und sich damit zu einer modernen Armee zu entwikkeln. Der Masse fehlte aber noch die Qualität der Wehrmacht. Da die Rote Armee noch nicht zu einer weiträumigen Großoffensive fähig war, wurde eine akute Bedrohung des Reiches auch für 1941 ausgeschlossen. Die Anspruchslosigkeit, Härte und Tapferkeit des einzelnen sowjetischen Soldaten wurde dagegen positiv hervorgehoben, die Rote Armee in der Verteidigung als besonders leistungsfähig beurteilt

Sowjetische Maßnahmen im März 1941 -wie die Durchführung einer Teilmobilmachung und das Aufschließen von Truppen zur Grenze mit dem Reich -wurden als defensive Reaktion auf den erkannten deutschen Aufmarsch eingeschätzt Aufgrund der bisherigen politischen Haltung der Sowjetunion hielt Halder Anfang Juni 1941 eine Großoffensive der Roten Armee für „wenig wahrscheinlich“ und beurteilte ihre Dislozierung als defensiv. Darum sei sie in den vorgeschobenen Räumen um Lemberg und Bialystok besonders stark, wie der Chef der Operationsabteilung im Generalstab des Heeres, Oberst i. G. Rudolf Heusinger, auf der großen Besprechung mit den Heeresgruppen-, Armee-und Panzergruppenchefs ergänzte

Da Stalin keine A. ngriffsabsicht unterstellt wurde, waren Hitler und die militärische Führung auch nicht durch die Kriegsfähigkeit der Roten Armee beunruhigt. Hitlers größere Sorge war es, daß Stalin ihm durch eine Geste des Entgegenkommens noch das Konzept verderben könnte. Hitler wollte das strategische Dilemma Deutschlands durch einen weiteren kriegerischen Akt lösen und zugleich „Lebensraum im Osten“ erobern. Für die weiterhin versuchte Deutung von „Barbarossa“ als Präventivkrieg fehlen also die unabdingbar notwendigen subjektiven Voraussetzungen, denn Bedrohtheitsgefühle auf deutscher Seite lassen sich aktenmäßig nicht konkretisieren. Über die objektiven Tatsachen -also über den Stand der militärischen Vorbereitungen der Sowjetunion im Frühjahr 1941 und die polnischen Absichten Stalins -wissenschaftlich zu streiten, ist aufgrund der noch immer undurchsichtigen sowjetischen Quellenlage legitim. „Nicht legitim erscheint uns freilich, die hier genannte Problematik mit der logisch wie empirisch ganz anders gearteten Frage nach den Motiven des deutschen Angriffs vom Juni 1941 zu verquicken, wie dies in der öffentlichen Diskussion um den angeblichen deutschen „Präventivkrieg’ wiederholt geschehen ist.“

Trotz aller detaillierter Warnungen der Westmächte und der eigenen Aufklärungsorgane vor einem deutschen Angriff hielten Stalin und Molotov an ihrem Kalkül fest, daß Deutschland keine zweite Front im Osten eröffnen würde und daß der deut-sehe Aufmarsch nur einem politischen Zweck diente. Deshalb ging Stalin auch auf den Vorschlag der militärischen Führung vom 15. Mai 1941, einen präventiven Schlag gegen die aufmarschierende Wehrmacht zu führen, nicht ein Die erkannte Massierung der Roten Armee in den Räumen um Lemberg und Bialystok löste also auf deutscher Seite keine Beunruhigung aus. Im Gegenteil, sie kam ihren Absichten in zweifacher Hinsicht entgegen: Zum einen erleichterte sie das operative Konzept der Umfassung und Einkesselung, zum anderen diente sie der deutschen Propaganda dazu, den deutschen Angriff „dahin auszunutzen..., daß der Russe . sprungbereit* aufmarschiert war und somit das deutsche Vorgehen eine absolute militärische Notwendigkeit gewesen sei“ Hier, im Juni 1941, liegt der Ursprung aller Thesen vom deutschen Präventivkrieg! Dabei diente die sowjetische Politik nur zur propagandistischen Rechtfertigung eines längst aus ganz anderen Gründen beschlossenen Angriffskrieges.

Als Beispiel für die damalige Einschätzung des sowjetischen Gegners und des eigenen Leistungsvermögens seien die Ausführungen Blumentritts anläßlich einer Generalstabsbesprechung beim Armeeoberkommando am 18. April 1941 zitiert: „Vielleicht hat (der Russe) doch die Absicht, sich zwischen Westgrenze und dem Dnjepr dem deutschen Angriff zu stellen, was sehr wünschenswert ist... Schon die kaiserliche Armee kam gegen die deutsche Führung nicht auf, um wieviel weniger die heutigen russischen Führer. Die mittlere Führung ist noch mangelhafter... Der Nimbus der deutschen Waffen, jetzt durch den Krieg gegen Jugoslawien noch gesteigert, wird sich bald auswirken! Es wird 14 Tage schwerer blutiger Kämpfe geben. Wir hoffen, es dann geschafft zu haben.“ Auch Generaloberst Halder erwartete nach schweren Grenzkämpfen ein „Vakuum“ beim Gegner, in das die Panzergruppen hineinstoßen sollten. Da allerdings die Panzerdivisionen des Jahres 1941 mit denen des Frankreichfeldzuges nicht zu vergleichen waren, empfahl der Chef des Generalstabes den Truppenführern das „Ausschöpfen aller Behelfsmöglichkeiten“ im eigenen Bereich Ein System von Aushilfen sollte ermöglichen, mit der rauhen Wirklichkeit zu leben, daß nur zwanzig Prozent des Ostheeres für den anvisierten schnellen und weiträumigen Bewegungskrieg geeignet waren! Auch die Lösung des Versorgungsproblems -weiter Raum -weite Ziele -keine Bahnen -mit Lkws als einzigem Nachschubmittel, offenbart die Hybris des Siegers über Frankreich. Die Strecke bis zur Dnepr-Dvina-Linie, also rund 500 km, wurde einfach mit der zwischen Luxemburg und der Loire-Mündung gleichgesetzt! Wieder wurden Aushilfen, diesmal zwischen Heer und Luftwaffe, und eine geschmeidige Organisation empfohlen, damit die auf eine schnelle Zerschlagung der Roten Armee angelegte Operation nicht ins Stocken geriet

IV.

Das „doppelte Gesicht“ des deutschen Angriffskrieges gegen die Sowjetunion, von dem Feldmarschall Erich von Manstein als Zeuge vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg gesprochen hatte -nämlich das militärische und das weltanschauliche -enthüllt sich allerdings erst, wenn neben der strategischen Zielsetzung und der operativen Planung auch die ideologische Prägung in den Blick genommen wird. Wie aber gelang es Hitler, dem „Unternehmen Barbarossa“ den Stempel eines Vernichtungskrieges gegen Bolschiwismus und Judentum aufzudrücken? Hitler war nicht nur der „Führer“ des deutschen Volkes in seinem „Lebenskampf“ und Oberster Befehlshaber der Wehrmacht, sondern er hatte sich bereits im Februar 1939 auch zum obersten weltanschaulichen Führer der Wehrmacht ernannt. Auch in dieser Eigenschaft seien ihm die Offiziere auf Gedeih und Verderb verpflichtet. Da der nächste Krieg ein „reiner Welianschauungskrieg, d. h. bewußt ein Volks-und Rassenkrieg“ sein werde, müsse der Offizier sowohl taktischer als auch weltanschaulicher Führer seiner Soldaten sein

Das Endziel aus Hitlers Sicht in dem im September 1939 „ausgebrochenen Rassenkampf“, nämlich die rassische Umgestaltung Europas, bestimmte zwar von Anfang an auch die Mittel, d. h. die Kriegsführung, aber erst im Vernichtungskrieg gegen den „jüdisch-bolschewistischen Todfeind“ waren Ziel und Mittel identisch. Militärische Operationen zur Eroberung von Lebensraum und politisch-polizeiliche Maßnahmen zur endgültigen Beseitigung des rassischen Gegners waren für Hitler nur verschiedene Seiten eines einzigen großen Krieges. Im harten Kampf für die eigene und damit gegen fremde Rassen konnte es auch keine gesetzlichen Einschränkungen geben: Dem Stärkeren gehöre die Zukunft. Im Unterschied zum Feldzug in Polen war das Vernichtungskonzept von Beginn an integraler Bestandteil der Operationen. Hitler betrachtete das „Unternehmen Barbarossa“ eben nicht als einen bloßen „Kampf der Waffen“, sondern auch als die entscheidende Auseinandersetzung mit dem „jüdischen Bolschewismus“. Die „jüdisch-bolschewistische Intelligenz (müsse) beseitigt werden.“ Die Offiziere müßten ihre soldatischen Bedenken überwinden und ihre Truppe auch weltanschaulich führen. Im „Vemichtungskampf feindliche -“ gegen die Weltanschauung kön ne es keine traditionelle Kriegsführung geben. Das zielbewußte rassenpolitische Vorgehen seiner „Weltanschauungstruppe“ -die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD -gegen den „jüdisch-bolschewistischen Todfeind“ sollte dadurch unterstützt werden, daß das Heer mit äußerster Rücksichtslosigkeit und größtem Vernichtungseffekt gegen die Rote Armee, ihre Kommissare, gegen bolschewistische Funktionäre, Juden und Freischärler vorging.

Weltanschaulicher und militärischer Kampf konnten von Hitler miteinander verschmolzen werden, weil seine ideologischen Intentionen von hohen Offizieren und Juristen im Frühjahr 1941 in Befehle gegossen wurden: „Regelung des Einsatzes der Sicherheitspolizei und des SD im Verbände des Heeres“ vom 28. April 1941, „Erlaß über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet Barbarossa’ und über besondere Maßnahmen der Truppe“ vom 13. Mai 1941, „Richtlinien über das Verhalten der Truppe in Rußland“ vom 19. Mai 1941 und die „Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare“ vom 6. Juni 1941. Die befohlene Erschießung der Truppenkommissare in der Roten Armee war im Rahmen des Weltanschauungskrieges zwar konsequent, aber ebenso rechtswidrig wie das Erschießen von Zivilisten bei bloßem Verdacht der Freischärlerei. Deshalb wurde mit dem Erlaß vom 13. Mai 1941 über die Einschränkung der Militärgerichtsbarkeit eine präventive Amnestie für Verbrechen von Soldaten an Sowjetbürgern verfügt, die auch für die rechtswidrige Erschießung von Kommissaren nach ihrer Gefangennahme galt.

Das Hitlersche Vemichtungskonzept konnte deshalb integraler Bestandteil der Operationen werden, weil die Heeresführung bereit war, die Truppe auch den „weltanschaulichen Kampf mit durchfechten“ zu lassen Sie und andere höhere Truppenführer -darunter spätere Angehörige des Widerstandes -waren wie Hitler davon überzeugt, daß zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der bolschewistischen Sowjetunion eine unüberwindbare Kluft bestand, rassisch wie weltanschaulich. Die rasche Ausschaltung wirklicher und potentieller Gegner im Operationsgebiet, sei es durch die Einsatzgruppen oder die Truppe, sollte „deutsches Blut sparen“ helfen. Im Unterschied zu den Morden in Polen stießen weder die geplanten „Maßnahmen“ der SS noch die Einbindung des Heeres in die nationalsozialistische Vernichtungspolitik auf scharfe Kritik in der höheren Führung. Die bewußte Verzahnung von ideologischen und militärischen Gesichtspunkten in den relevanten Erlassen trug erheblich dazu bei, ihre Rechtswidrigkeit zu verschleiern. Weil Hitler im Krieg gegen die Sowjetunion auch als weltanschaulicher Führer akzeptiert wurde, konnten „Befehle in Weltanschauungen“ zu „Befehlen in Dienstsachen“ werden, konnte auch das Heer -wie Partei und SS -zu einer „kämpferischen Truppe einer Weltanschauung“ werden

Eine „Aufklärung“ der Soldaten an der Ostfront über Sinn und Ziele des Krieges setzte erst mit dem Angriffstag ein. Ein Tagesbefehl Hitlers, die erwähnten Richtlinien für das eigene Verhalten und Merkblätter über die zu erwartende „heimtükkische“ Kriegführung der Roten Armee sollten den Soldaten auf den speziellen Charakter des Krieges gegen die Sowjetunion einstimmen. Auch die Truppenführer versuchten mit Hilfe von Tagesbefehlen, ihre Soldaten zu motivieren. Hierzu einige Beispiele:

„Mit dem heutigen Tage hat uns der Führer vor neue Aufgaben gestellt. Wie in Polen, Holland und Frankreich werden wir getreu unserem Fahneneid unsere Pflicht tun nach unserem Wahlspruch: Vor' wärts denken, vorwärts sehen, vorwärts reiten“ (1. Kavalleriedivision); „Die 1. Gebirgsdivision holt den Teufel aus der Hölle. Der Teufel steht vor uns! Wir werden ihn vernichten! Es lebe das Edelweiß! Heil dem Führer!“; „Die Stunde des Einsatzes ist gekommen! In verräterischer Zusammenarbeit mit England brach die Sowjetunion, trotz Nichtangriffspakt, dieses Abkommen. Nach den vernichtenden Schlägen im Westen und Süden gilt es jetzt, ein für alle Mal Deutschland und Europa vor den bolschewistischen Horden zu schützen! Wir werden uns unserem Fahneneid getreu in höchster Pflichterfüllung und vollstem Einsatz für Führer, Volk und Vaterland bis zum Endsieg schlagen! Dieser Kampf wird zum Sieg! Heil unserem Führer!“ (97. Infanteriedivision); „Durch und vorwärts!“ (XXIV. Panzerkorps); „Wir treten morgen zum großen Kampfe an, den wir Germanen gegen das bolschewistische Slawentum führen müssen, um unser deutsches Volk und unsere Nachkommen zu erhalten. Ich vertraue auf unser soldatisches Können und Euren Draufgängergeist. Der Herrgott sei mit Euch!“ (Panzergruppe 4); „Kameraden! Wir treten zum letzten Entscheidungskampf an! Daß am Ende dieses Kampfes der Sieg und damit ein glorreicher deutscher Friede steht, dafür verbürgt sich jeder Einzelne der 11. Armee. Mit uns kämpft Schulter an Schulter die rumänische Wehrmacht unter dem Kommando ihres Staatschefs Armeegeneral Antonescu. Sie wird in gleich heiliger Verpflichtung und Kameradschaft ihr Bestes hergeben. Kameraden, unsere Parole ist: Wo die 11. Armee ist, ist der Sieg! Es lebe der Führer und sein Deutschland!“ (11. Armee)

V.

Am 22. Juni 1941 begann der von Hitler herbeigeführte Krieg mit dem Gegner im Osten. Daß das „Unternehmen Barbarossa“ aber eine besondere Qualität bekam, lag nicht nur an dem entsprechenden Vorgehen von Wehrmacht und SS, sondern auch an der spezifischen sowjetischen Reaktion auf den deutschen Einmarsch. Zum einen definierte auch Stalin den Kampf gegen die Invasoren nicht als einen „gewöhnlichen Krieg“ zwischen zwei Armeen, sondern als einen von der Partei angeleiteten erbarmungslosen Volkskrieg des Sowjetstaates gegen den „deutschen Faschismus“. Diesen Aufruf vom den deutschen Soldaten 3. Juli 1941, auch durch sowjetische Flugblätter in deutscher Sprache bekannt, begriff Hitler wiederum als willkommene Gelegenheit, „auszurotten, was sich gegen uns stellt“ (16. 7. 1941). Nun konnte das Vernichtungskonzept gegen den „jüdischen Bolschewismus“ noch wirkungsvoller als militärische Notwendigkeit drapiert und das Sicherheitsbedürfnis der Truppe gegen „feige“ Angriffe in ihrem Rücken ausgenutzt werden

Zum anderen wandte auch die sowjetische Seite von Anfang an völkerrechtswidrige Methoden an. Die Exzesse gegen deutsche Kriegsgefangene und die Massenerschießungen politischer Gefangener durch die Sondertruppen des sowjetischen Innenministeriums in den baltischen Republiken, der Ukraine und in Weißrußland verliehen dem auf deutscher Seite gemalten Bild von der „asiatischen“ Kriegführung der Roten Armee grelle Farben. Das Vorgehen der sowjetischen Sondertruppen ließ darüber hinaus die Vernichtungsaktionen der deutschen Einsatzgruppen als Vergeltung erscheinen, z. B. im Falle Lemberg. Ein Grund zur Rechtfertigung und Aufrechnung liegt darin aber nicht. Denn die deutschen Verbrechen können nicht als bloße Reaktion auf sowjetische Greuel erklärt werden. Sie bewirkten allerdings eine Eskalation des deutschen Vorgehens.

Eine solche Art von völkerrechtswidriger Krieg -führung der Truppen gegeneinander setzte trotz des Versuchs von militärischen Führern auf beiden Seiten, Eigenmächtigkeiten ihrer Soldaten zu unterbinden und die Disziplin zu wahren, irrationale Leidenschaften und Rachebedürfnisse frei, die den besonderen Charakter des deutsch-sowjetischen Krieges mitbestimmten

Diese besondere Qualität des Krieges im Osten spiegelt sich auch in Briefen deutscher Soldaten wider. Hier drei Beispiele: „... Das deutsche Volk hat eine gewaltige Verpflichtung unserem Führer gegenüber, denn wenn diese Bestien, die hier unsere Gegner sind, nach Deutschland gekommen wären, wäre ein Morden eingetreten, wie es die Welt noch nicht gesehen hätte

... Und wenn man in Deutschland den , Stürmer'liest und die Bilder sieht, so ist das nur ein ganz kleines Zeichen von dem, was wir hier sehen und was hier vom Juden verbrochen wird ..." (10. 7. 1941); „... Alles, was an Kommissaren usw. gefangen oder geschnappt wird, wird gleich erschossen. Die Russen machen es nicht anders. Ein grausamer Krieg hier ..." (16. 7. 1941); „Das mit dem Krieg hier stellst Du Dir zu einfach vor! Du meinst, wir sind nur zur Besatzung hierher gekommen ... Es ist hier vor allem mit Banditen-und Kleinkrieg zu rechnen. Erst gestern wurde in einem Nachbarort ein deutscher Offizier von Russen in Zivil erschossen. Dafür wurde dann das ganze Dorf in Brand gesteckt. Es ist in diesem Ostfeldzug gar vieles anders als im Weltkrieg ...“ (23. 10. 1941)

Anders war vor allem, daß sich das Heer bei der Behandlung der sowjetischen Zivilbevölkerung auch vom Feindbild des „jüdischen Bolschewismus“ leiten ließ. Damit wurde von vornherein der Unterschied zwischen militärischen Notwendigkeiten und Ausrottungspraktiken verwischt. Unter dem Eindruck, daß sie zunächst in den westlichen Gebieten der Sowjetunion als „Befreier vom Bolschewismus“ begrüßt worden war, reagierte die Truppe auf ungeklärte Sabotageakte anfangs nicht sofort mit kollektiven Repressalien, sondern lastete diese Vorkommnisse vornehmlich Juden, Kommunisten und Russen an. Sie wurden eo ipso als „deutschfeindliche Elemente“ eingestuft. Durch diese Sündenbockmethode glaubte die Truppe, sich das Vertrauen der Masse der Bevölkerung zu erhalten und sie nicht in das „bolschewistische Lager“ zurückzutreiben.

Am 22. Juni 1941 zweifelten weder Hitler noch die militärischen Führer daran, daß die Sowjetunion in einem Blitzfeldzug niedergerungen werden könnte. Die großen Erfolge der ersten Tage entsprachen diesen Erwartungen. Das hohe Selbstwertgefühl des deutschen Soldaten wurde ein weiteres Mal bestätigt. Halder und Hitler sahen den Feldzug bereits nach zwei Wochen für gewonnen an. Doch schon wenige Tage später zeigte sich, daß die „Masse des russischen Heeres“ nicht westlich der Dnepr-Dvina-Linie hatte vernichtet werden können, Moskau eine wirksame Verteidigung organisiert und kampffähige Teile der Roten Armee über die , magische 4 Linie nach Osten abgezogen hatte. Die deutsche Lagebeurteilung mußte nun den tatsächlichen Gegebenheiten angepaßt werden. Die Auseinandersetzung zwischen Hitler und der Heeresführung im Sommer 1941 über das Ziel und die Art der Durchführung der zweiten Operationsphase spiegelt bereits die wachsende Erkenntnis in der militärischen Führung wider, daß das „Unternehmen Barbarossa“ gescheitert, der „Koloß Ruß-land“ militärisch, wirtschaftlich und organisatorisch unterschätzt worden war. Zeit und Kräfte reichten nicht aus, die Sowjetunion in einem Blitz-feldzug vor Beginn des Winters niederzuwerfen. Die von Anfang an gefürchtete „Weite des russischen Raumes“ stellte die Wehrmacht bei abnehmender eigener Angriffsfähigkeit vor immer schwerer zu lösende Probleme.

Auch im riesigen Besatzungsgebiet erweiterte sich die Kluft zwischen dem Auftrag und der geringen Zahl der Ordnungskräfte. Das angestrebte Ziel, „Befriedung“ und Ausnutzung des Landes, hatte Vorrang vor der Rechtmäßigkeit der Mittel. Terror wurde seit Ende Juli 1941 zur gängigen Methode. Die Truppe wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine vorherige Festnahme von Geiseln zur Haftung für „zukünftiges Unrecht“ nicht erforderlich sei. Ad hoc zu befehlende „Sühnemaßnahmen“, d. h. summarische Hinrichtungen und Zerstörungen ganzer Ortschaften, wurden zur Regel gemacht. Die deutschen Befehlshaber, Kommandeure und Kommandanten registrierten genau, daß sie sich keiner bewaffneten Volks-, sondern einer von politischen und staatlichen Stellen gelenkten Partisanenbewegung gegenübersahen. Um so unnachsichtiger wurden diese tatsächlichen oder vermeintlichen „Träger der feindlichen Einstellung“ und deren Helfer bzw. Sympathisanten verfolgt. Dabei waren, anders als noch während des Westfeldzuges, SS-Einheiten zur Beseitigung der „gefährlichen Elemente“ im Rücken der Front willkommen. Besonders die Landbevölkerung wurde zwischen dem sowjetischen Hammer und dem nationalsozialistischen Amboß (A. Dallin) eingekeilt. Während die Partisanengruppen von ihr materielle und personelle Unterstützung erwarteten und gegen Kollaborateure rücksichtslos vorgingen, forderte die Besatzungsmacht von der Bevölkerung Loyalität und Hilfestellung bei der Bekämpfung der Partisanen.

Die Selektion bestimmter Gruppen und ihre Hinrichtung bei unaufgeklärten Sabotageakten, die Diskrepanz zwischen den Zahlen getöteter „Freischärler“, „Partisanen“, „Rotarmisten“ und den eigenen Verlusten sowie der geringe Unterschied zwischen festgenommenen und später erschossenen Personen in den Berichten der eingesetzten Sicherungskräfte und in denen der Kampfverbände lassen sich mit dem Sicherheitsbedürfnis der Truppe allein nicht rechtfertigen. Dieses Vorgehen macht vielmehr den ideologischen Hintergrund unübersehbar. „Allgemein war die Vorverurteilung ohne individuellen Schuldnachweis eine beabsichtigt bequeme Methode, um die potentiellen Gegner und alle unerwünschten Bevölkerungsteile zu dezimieren.“ Es ist eben ein Zerrbild der Wirklichkeit, daß nur die Einsatzgruppen, Polizeibataillone und Brigaden der SS den Todesstoß gegen das Wahnbild des „jüdischen Bolschewismus“ führten. Die Verschmelzung von Bolschewismus, Judentum und Widerstand, in vielen anderen Befehlen nur latent vorhanden, ist in denen Reichenaus, Mansteins und Hoths manifest geworden. Solche Befehle, in denen die Aufgaben des deutschen Soldaten im „Ostraum“ nicht mehr nur militärisch, sondern auch weltanschaulich definiert wurden, hatten natürlich Konsequenzen, die die Truppen-führer seit September 1939 kannten. Da nutzten auch von Mansteins Appell an die Manneszucht und die Warnung vor Eigenmächtigkeiten ). wenig Natürlich gab es auch Truppenführer, die eine differenziertere Haltung einnahmen und dafür eintraten, den Völkern der Sowjetunion außer der Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ auch eine positive Zukunft aufzuzeigen. Ihre Argumente für eine politische Kriegführung konnten Hitler immerhin dort zu gewissen Abstrichen von seinen Axiomen bewegen, wo sie militärischen oder wirtschaftlichen Nutzen versprachen und die Widerstandskraft des Gegners schwächten. Aus akutem Mangel an Arbeitskräften im Reich und an Sicherungseinheiten in den besetzten sowjetischen Gebieten durften ab Herbst 1941 Landeseinwohner und Kriegsgefangene angeworben werden. Hitler stimmte auch einer Revision der sowjetischen Kollektivwirtschaft und der Kommissarrichtlinien zu.

In der Nachkriegsdiskussion über die beiden rechtswidrigen Erlasse hat die Durchführung der Kommissarrichtlinien vom 6. Juni 1941 eine weitaus größere Rolle gespielt als der sogenannte Führererlaß vom 13. Mai 1941, obwohl die durch ihn und seine Ergänzungen erlaubten „besonderen Maßnahmen“ der Truppe gegenüber der sowjetischen Zivilbevölkerung bedeutend mehr Opfer kosteten. Dies hängt damit zusammen, daß bei der angeordneten Erschießung der Kommissare der Bruch des Völkerrechts offensichtlicher war, sich ihre Ausschaltung nicht als militärische Notwendigkeit zur Befriedung des Landes verschleiern ließ. Daß der besondere Charakter des deutsch-sowjetischenKrieges von vielen ehemaligen Soldaten und Zeitgenossen noch immer verdrängt wird, mag auch damit Zusammenhängen, daß sich der Rußlandkrieg nicht auf die Aktionen von Millionen nur „braver Vaterlandsverteidiger“ reduzieren läßt. „Die Apologie ist der Feind echter Tradition.“ Es ist auch unredlich, den Historikern, die die Beteiligung der Wehrmacht am Vernichtungskrieg im Osten herausgearbeitet haben, zu unterstellen, sie verträten eine „Kollektivschuldthese“, „schmähten“ die Soldaten, die guten Glaubens ihre Pflicht getan hätten, und leugneten deren Leistungen, sie wollten der Anklage in Nürnberg neue Argumente liefern oder eine „zweite Welle der Entmilitarisierung“ auslösen. „Aufklärung als Methode“, die Legenden und damit falsche Tradition zerstört, ist eine notwendige Aufgabe der Geschichtswissenschaft.

Hitler ging bereits Ende August 1941 davon aus, daß der Krieg gegen die Sowjetunion bis Jahresende nicht mehr zu gewinnen sei. Er wollte deshalb die Kampfkraft der Roten Armee in engen Einschließungen vernichten, die sowjetischen Energieressourcen sowie gute strategische Ausgangspositionen für 1942 gewinnen. Halder glaubte weiterhin, das Ende des Krieges durch eine Eroberung Moskaus herbeizwingen zu können. Der unerwartete Gegenstoß der Roten Armee am 5. Dezember 1941 traf nicht nur auf deutsche Verbände, die physisch und psychisch an einem Tiefpunkt angelangt waren, sondern auch auf eine deutsche Führung, die über die Ursachen der „gegenwärtigen Krise“ und über die Maßnahmen zu ihrer Überwindung gespalten w. ar, weil sie zunächst nicht wahrhaben wollte, daß das Gesetz des Handelns auf den Gegner übergegangen war. Die operative Krise weitete sich zu einer Führungskrise zwischen Hitler, dem Oberkommando des Heeres und den Frontbefehlshabern aus. Am 19. Dezember übernahm Hitler selbst den Oberbefehl über das Heer.

Nach den immensen personellen und materiellen Verlusten beim „Unternehmen Barbarossa“, die in absehbarer Zeit nicht auszugleichen waren, wurden die operativen Möglichkeiten für 1942 nüchterner eingeschätzt. Die gesamte Angriffskraft des Ostheeres sollte am Südflügel der Front konzentriert werden, um die Ölgebiete im Kaukasus zu gewinnen, das Rüstungszentrum Stalingrad auszuschalten und durch das Erreichen der Wolga Moskau von einer der beiden Verbindungslinien mit den Angloamerikanern abzuschneiden Die Winterkrise bedeutete zwar das Ende der „friedensmäßigen Kriegswirtschaft“, doch noch wagte es das Regime nicht, den Deutschen ähnliche Lasten aufzulegen wie die Sowjetunion, die bereits seit dem Sommer einen „totalen Krieg“ führte. Neben einer Strukturreform der Rüstung entschied sich das Dritte Reich lieber für eine stärkere Ausnutzung der personellen und materiellen Ressourcen in den besetzten Gebieten.

Das Scheitern der deutschen Blitzkriegsstrategie gegen die Sowjetunion und das Wiederentstehen der übermächtigen Konstellation des Ersten Weltkrieges durch den Kriegseintritt der USA führten auf deutscher Seite nicht zu dem Entschluß, einen Verhandlungsfrieden zu erreichen, obwohl ihn einzelne Militärs und Zivilisten Hitler vorschlugen. Dies nicht etwa wegen der realistischen Einschätzung, daß die gegnerische Koalition nicht mit ihm verhandeln würde, sondern weil für Hitler die sozialdarwinistische Alternative des „Alles oder Nichts“ bestimmend blieb. Seine kompromißlose Haltung in der Führung des Lebenskampfes des deutschen Volkes hatte Hitler schon vor dem Beginn des Krieges mit einem Zitat von Clausewitz untermauert: Es sei oft zweckmäßiger und richtiger, im Namen der Ehre selbst zugrundezugehen, als im Namen einer sogenannten Klugheit zu kapitulieren.

Im „Unternehmen Barbarossa“ wird wie in keinem anderen Feldzug die unauflösbare Verbindung von ideologischen und machtpolitischen Zielen mit den sozialdarwinistischen Wertvorstellungen des Dritten Reiches deutlich. Die Realisierung des Lebensraumkonzepts verlief zwar eher evolutionär als dogmatisch, aber dennoch war es Hitler, der die entscheidenden Befehle im Sommer 1940 sowie im Frühjahr und Sommer 1941 gab. Die Transformation von langfristigen Vorstellungen wie Lebensraum, Vernichtung der Juden und Rassenkrieg sollte nicht aus einer Nach-Barbarossa-Perspektive gesehen werden. „Nazi radical policy was radicalized in quantum jumps“ zwischen 1939 und 1941, wobei der Krieg als Stimulans wirkte. Er schuf nicht nur günstige Gelegenheiten für ideologisch fixierte Ziele, sondern veränderte sie auch durch seine eigene Dynamik. Die Verbindung zwischen Strategie und Massenmord wurde nicht schon 1939, sondern erst 1941 erreicht. Durch die Vision des Sieges über den „jüdischen Bolschewismus“ im Juli 1941 erfuhr nicht nur Hitlers ursprüngliche Lebensraumprogrammatik eine Ausweitung, sondern auch für die „Lösung der Judenfrage“ wurde nun die radikalste Antwort gefunden

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dazu trägt auch der neueste Sammelband des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes bei, in dem drei sowjetische Historiker vertreten sind: Bernd Wegner (Hrsg.), Zwei Wege nach Moskau. Vom Hitler-Stalin-Pakt zum Unternehmen „Barbarossa“, 1939-1941, München 1991.

  2. Vgl. das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 4, Stuttgart 1983, S. 18-23.

  3. Tagesbefehl vom 25. 6. 1940, Bundesarchiv-Militärarchiv (zit. BA-MA), Freiburg, RH 19 1/50.

  4. Die Hassell-Tagebücher 1938-1944, hrsg. von Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen, Berlin 1988, S. 195 (29. 5. 1940) und S. 199 (24. 6. 1940).

  5. Tagebuch des Chefs des Stabes beim Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres, Eintrag vom 23. 5. 1940, Imperial War Museum (zit. IWW), London, MI 14/981/1. Vgl. Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich, Teil 1, Bd. 4, S. 205 (16. 6. 1940): „Der Führer ruft an: ganz beglückt und begeistert.“ Und zwei Tage später notiert Goebbels: „Der Führer ruft an: er teilt mir die Kapitulation mit. Ganz bewegt und auf das Tiefste ergriffen.“ Ebd., S. 207.

  6. Vgl. Meldungen aus dem Reich. Auswahl aus den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS 1939-1944, hrsg. von Heinz Boberach, Neuwied-Berlin 1965, S. 79 (27. 6. 1940).

  7. Notizen des Wehrmachtführungsamtes, BA-MA, RW 4/v. 581.

  8. Vgl. Goebbels-Tagebücher (Anm. 5), 1/4, S. 121 (21. 4. 1940) und S. 218 (25. 6. 1940) sowie die Tagebuchnotizen General Felbers vom 2. 6. 1940, BA-MA, N 67/2.

  9. Zu den Demobilmachungsplänen auf deutscher Seite vgl. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg (Anm. 2), Bd. 4, S. 259-261 (Beitrag Klink) und mit anderer Akzentsetzung den Beitrag Kroener, ebd., Bd. 5/1, S. 833-835.

  10. Vgl. Max Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen 1932-1945, Bd. 2, Wiesbaden 1973, S. 1540-1559; vgl. auch Goebbels-Tagebücher (Anm. 5), 1/4, S. 246-247 (19. 7. 1940) undS. 250 (24. 7. 1940).

  11. Vgl. Kriegstagebuch der Seekriegsleitung, Teil A, S. 236, BA-MAS, RM 7/14.

  12. Vgl. Franz Halder, Generaloberst Halder. Kriegstagebuch. Tägliche Aufzeichnungen des Chefs des Generalstabes des Heeres 1939-1942, bearb. von Hans-Adolf Jacobsen, Bd. 2, Stuttgart 1963, S. 32 (22. 7. 1940), zit. Halder KTB.

  13. Dies meint Gerd R. Ueberschär, „Der Pakt mit dem Satan, um den Teufel auszutreiben“. Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt und Hitlers Kriegsabsicht gegen die UdSSR, in: Der Zweite Weltkrieg. Analysen -Grundzüge -Forschungsbilanz, hrsg. von Wolfgang Michalka, München 19902, S. 576.

  14. Vgl. Generalfeldmarschall Wilhelm Ritter von Leeb, Tagebuchaufzeichnungen und Lagebeurteilungen aus zwei Weltkriegen. Aus dem Nachlaß hrsg. und mit einem Lebensabriß versehen von Georg Meyer, Stuttgart 1976, S. 233 (= Beiträge zur Militär-und Kriegsgeschichte, Bd. 16). Zu Felber, der -wie Sodenstem -Chef des Stabes einer Heeresgruppe war, vgl. Anm. 8.

  15. Am 28. 6. 1940. Siehe Stichwortprotokoll bzw. Notizen, BA-MA RH 19 III/141 und 18. Armee, 17562/2.

  16. Vgl. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg (Anm. 2), Bd, 4, S. 9-10 (Beitrag Förster), S. 202-210 und 259-262 (Beitrag Klink) sowie Bd. 5/1, S. 833-836 (Beitrag Kroener).

  17. Vgl. Halder KTB II (Anm. 12), S. 32-33. Erstaunlich ist, daß Esmonde M. Robertson in seinem Aufsatz Hitler Turns from the West to Russia, May-December 1940, in: Paths to War. New Essays on the Origins of the Second World War, ed. by Robert Boyce/Esmonde M. Robertson, Basingstoke-London 1989, S. 373, diesen Operationsplan immer noch Hitler zuschreibt.

  18. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg (Anm. 2), Bd. 4, S. 210 (Beitrag Klink).

  19. Goebbels-Tagebücher (Anm. 5), 1/4, S. 237 (12. 7. 1940).

  20. Halder KTB II (Anm. 12), S. 49 (31. 7 1940).

  21. Andreas Hillgruber, Hitlers Strategie. Politik und Krieg-führung 1940/41, München 19822, S. 211.

  22. Der „Operationsentwurf Ost“ des Generalmajors Marcks vom 5. August 1940, hrsg. und eingel. von Ingo Lachnit/Friedhelm Klein, in: Wehrforschung, (1972) 4, S. 116.

  23. Halder KTB II (Anm. 12), S. 49 (31. 7. 1940).

  24. Die Ansicht, daß Hitler London über Moskau besiegen wollte, vertritt Hartmut Schustereit, Vabanque, Herford-Bonn 1988.

  25. So E. M. Robertson (Anm. 17), S. 378, der sich auf H. W. Koch und M. L. van Creveld stützt.

  26. So Bernd Stegemann, Hitlers Ziele im ersten Kriegsjahr 1939/40. Ein Beitrag zur Quellenkritik, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 27 (1980), S. 93-105.

  27. Goebbels-Tagebücher (Anm. 5), 1/4, S. 273 (9. 8. 1940). Allerdings zeigen diese Eintragungen auch, daß Goebbels von den militärischen Planungen entweder nichts wußte oder sie für zu geheim hielt, um sie in seinem Tagebuch zu erwähnen.

  28. Tagebuch des ChdSt (Anm. 5), Eintrag vom 28. 7. 1940, IWM, MI 14/981/1. Es scheint so, als ob Brauchitsch an dieser Besprechung nicht teilgenommen hat. Sie fand auch keinen Niederschlag im Halder KTB.

  29. Vgl. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg (Anm. 2), Bd. 5/1, S. 836-837 (Beitrag Kroener).

  30. Vgl. Eintrag vom 17. 8. 1940 (Anm. 5). über die Besprechung Keitel-Haseloff.

  31. Ebd., Eintrag vom 25. 8. 1940. Vgl. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg (Anm. 2), 5/1, S. 513 (Beitrag Müller) und S. 837-838 (Beitrag Kroener).

  32. Vortragsnotiz des Allgemeinen Heeresamtes für das Oberkommando der Wehrmacht vom 9. 9. 1940, IWM, MI 14/982/2. Um die Sollzahl von 180 Felddivisionen zu erreichen, mußten 37 Divisionen neu aufgestellt werden.

  33. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg (Anm. 2), Bd. 5/1, S. 513 (Beitrag Müller).

  34. Vgl.den Beitrag von Bernhard R. Kroener in: B. Wegner (Anm. 1).

  35. Vgl. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg (Anm. 2), Bd. 4, S. 333-347 und S. 367-371 (Beiträge Förster und Ueberschär).

  36. Ebd., S. 29-32 (Beitrag Förster). Vgl. aus sowjetischer Sicht Dimitri Wolkogonow, Stalin, Triumph und Tragödie, Düsseldorf 1989, S. 500f. und 535-536.

  37. Vgl. Halder KTB II (Anm. 12), S. 165 und Tagebuch ChdSt (Anm. 5), Eintrag vom 7. 11. 1940, IWM, MI 14/981/1.

  38. Klaus Hildebrand, Krieg im Frieden und Frieden im Krieg. Über das Problem der Legitimität in der Geschichte der Staatengesellschaft 1931-1941, in: Historische Zeitschrift, (1987) 244, S. 24.

  39. Lagevorträge des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine vor Hitler 1939-1945, hrsg. von Gerhard Wagner, München 1972, S. 154 (14. 11. 1940). Hervorhebung J. F.

  40. Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab) 1940-1945, hrsg. von Percy Ernst Schramm, Bd. 1, München 1965, S. 996 (17. 12. 1940).

  41. Halder KTB II (Anm. 12), S. 212 (5. 12. 1940).

  42. Vgl. die Interpretation von Emst Klink in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg (Anm. 2), Bd. 4, S. 235-241.

  43. Halder KTB II (Anm. 12), S. 214. Vgl. die Denkschrift des Chefs des Stabes der 4. Armee, Oberst, i. G. Günther Blumentritt, „Über den inneren Wert und die Kampfart des russischen Gegners“ vom 29. 12. 1940, abgedruckt bei Olaf Groehler, Zur Einschätzung der Roten Armee durch die faschistische Wehrmacht im ersten Halbjahr 1941, dargestellt am Beispiel des AOK 4, in: Zeitschrift für Militärgeschichte, (1968) 7, S. 729-733.

  44. Vgl. Dienstschrift des Generalstabes des Heeres, Abteilung Fremde Heere Ost vom 15. 1. 1941, Die Kriegswehrmacht der UdSSR; vgl. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg (Anm. 2), Bd. 4, S. 191-202 (Beitrag Klink).

  45. Vgl. Lagebericht Nr. 1 der Abteilung Fremde Heere Ost des Generalstabes des Heeres vom 15. 3. 1941, BA-MA, RH 19 III/722.

  46. Vgl. die übereinstimmenden Notizen von mehreren Teilnehmern an der Besprechung in Zossen am 4. Juni 1941, ebd., RH 20-17/23, RH 20-18/17 und RH 21-3/v. 46.

  47. B. Wegner (Anm. 1), S. XIII. Zur wissenschaftlichen Kontroverse, ob es möglich und gerechtfertigt ist, von der Art der sowjetischen Truppendislozierung und ihrer Einsatz-doktrin auf offensive Motive Stalins und Molotovs zu schließen, vgl. die Beiträge von Gorodetsky, Hoffmann und Kirsin im selben Band.

  48. Vgl. D. Wolkogonow (Anm. 36), S. 547f.

  49. Weisung des Wehnnachtführungsstabes, Abteilung Landesverteidigung an die Abteilung Wehrmachtpropaganda vom 21. 6. 1941, BA-MA, RW 4/v. 578.

  50. Ebd., RH 20-4/114; vgl. O. Groehler (Anm. 43).,

  51. Besprechung vom 4. 6. 1941 (s. Anm. 46).

  52. Vgl. Halder KTB II (Anm. 12), S. 181 (15. 11. 1940), S. 258 (28. 1. 1941 und S. 269 (2. 2. 1941) sowie den Beitrag von Klaus F. Schüler in: B. Wegner (Anm. 1).

  53. So in seiner Rede vor den Truppenkommandeuren des Heeres am 10. 2. 1939, Bundesarchiv Koblenz, NS 11/28. Abgedruckt in: Jost Dülffer/Jochen Thies/Josef Henke, Hitlers Städte. Baupolitik im Dritten Reich, Köln 1978, S. 289-313.

  54. Notizen Halders von Hitlers Rede am 30. 3. 1941, Halder KTB II, S. 336-337. Vgl. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 4, S. 413-447 (Beitrag Förster).

  55. Vgl. Helmut Krausnick/Hans-Heinrich Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges, Stuttgart 1981 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 22).

  56. Halder KTB II (Anm. 12), S. 399 (6. 5. 1941).

  57. Vgl. das bis heute unübertroffene Gutachten von Hans Buchheim über Befehl und Gehorsam, in: Anatomie des SS-Staates, Bd. 1, Olten-Freiburg 19823, S. 222-231.

  58. Vgl. Theo Schulte, The German Army and Nazi Policies in Occupied Russia, Oxford 1989.

  59. Vgl. hierzu Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg (Anm. 2), Bd. 4, S. 1035ff. und 781 ff. (Beiträge Förster und Hoffmann).

  60. Zitiert nach: Das Andere Gesicht des Krieges. Deutsche Feldpostbriefe 1939-1945, hrsg. von Ortwin Buchbender und Reinhold Sterz, München 1982.

  61. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 5/1, S. 200 (Beitrag Umbreit).

  62. Vgl. ebd., Bd. 4, S. 1049ff. (Beitrag Förster).

  63. Manfred Messerschmidt, Wehrmacht, Ostfeldzug, Tradition, in: Der Zweite Weltkrieg (Anm. 13), S. 325.

  64. Vgl.den Beitrag von Bernd Wegner in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 6, Stuttgart 1990.

  65. Christopher Browning, Nazi Resettlement Policy and the Search for a Solution to the Jewish Question, in: German Studies Review, 9 (1986), S. 497-519. Wie Browning nehme ich im Streit der „Funktionalisten" und „Intentionalisten“ eine mittlere Position ein. Vgl. Jürgen Förster, La Campagne de Russie et la radicalisation de la guerre: Strategie et assassinats de mässe, in: Francois Bdarida (Ed.), La Politique Nazie d’Extermination, Paris 1989, S. 192 f.

  66. Vgl. ebd., S. 519.

Weitere Inhalte

Jürgen Förster, Dr. phil., geb. 1940; Studium der Geschichte und Anglistik in Nottingham und Köln; seit 1970 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes in Freiburg i. Br., Mitherausgeber des „War and Society Newsletter“. Veröffentlichungen u. a.: Stalingrad. Risse im Bündnis 1942/43, Freiburg 1975; (Mitautor) Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 4, Stuttgart 1983; New Wine in Old Skins? The Wehrmacht and the War of . Weltanschauungen 4, in: Wilhelm Deist (ed.), The German Military in the Age of Total War, Leamington -Spa 1985; Vom Führerheer der Republik zur nationalsozialistischen Volksarmee. Zum Strukturwandel der Wehrmacht 1935-1945, in: Deutschland in Europa. Gedenkschrift für Andreas Hillgruber, Berlin 1990.