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Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion. Ein Beitrag zur deutsch-sowjetischen Beziehungsgeschichte | APuZ 24/1991 | bpb.de

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APuZ 24/1991 Schlüsseljahre im Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion Fünfzig Jahre danach: Ein historischer Rückblick auf das „Unternehmen Barbarossa“ Der 22. Juni 1941: Anmerkungen eines sowjetischen Historikers Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion. Ein Beitrag zur deutsch-sowjetischen Beziehungsgeschichte

Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion. Ein Beitrag zur deutsch-sowjetischen Beziehungsgeschichte

Peter Steinbach

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Zusammenfassung

Der Zweite Weltkrieg hat in das Bewußtsein gehoben, daß die oft noch sehr lange Zeit über die Beendigung der Kampfhandlungen hinausgehende Kriegsgefangenschaft eine Begleiterscheinung der modernen Kriegs-führung ist. Wenn Menschen im Zeitalter der totalen Weltanschauungskriege in die Hand ihrer Gegner fallen, fühlen sie sich nicht nur ihren Feinden ausgeliefert, sie sind es auch tatsächlich. Der Aufsatz zeichnet das Schicksal der Kriegsgefangenen seit 1941 nach und konzentriert sich dabei besonders auf die Geschichte der gefangenen Soldaten der deutschen Wehrmacht in der Sowjetunion. Er fragt nach den Überlebensvoraussetzungen, nach der Struktur der „Lagergesellschaft“ und fußt dabei auf einem der größten zeitgeschichtlichen Forschungsprojekte der Nachkriegszeit, das bis jetzt nur wenig ausgewertet wurde. Dadurch soll auch ein historisch-psychologisches Dilemma in unser Bewußtsein gehoben werden: Soldaten handelten als Täter; durch ihre Gefangennahme wurden sie vielfach zu Opfern. Kriegsgefangene sind beides zugleich: Täter und Opfer. Diese Spannung ist für die Betroffenen nur sehr schwer auszuhalten, wie die bis heute nicht abgeschlossene Diskussion über das Schicksal und Leiden von Kriegsgefangenen zeigt, die auf ihre Weise in die Gesamtgeschichte menschlichen Leidens im 20. Jahrhundert einzubeziehen sind.

I. Vorbemerkung

Einem vielzitierten Satz von Hans Rothfels zufolge ist Zeitgeschichte die „Geschichte der lebenden Generationen“ -sie wandert mit diesen durch die Zeit und ist zugleich Bestandteil der Gegenwart. Zeitgeschichte ist überdies jene Geschichte, die ihren eigenen Ausgang noch nicht kennt. In dieser Hinsicht ist sie gegenwartsabhängig und zwangsläufig auch geschichtspolitischen Kontroversen unterworfen. Sie spiegelt so nicht nur eine vergangene Wirklichkeit, sondern nicht selten auch Versuche, Entwicklungsmöglichkeiten jeweiliger Gegenwart im Spiegel der Geschichte zu bestimmen. Zeitgeschichte ist, so betrachtet, nicht allein eine Epoche, sondern eine historische Perspektive, die sich im Wandel der Zeit verändert.

Kriegsgefangenschaft als Thema der Sozial-und Zeitgeschichte scheint beide von Rothfels angedeuteten Aspekte miteinander zu verschränken. Sie ist unbestreitbar Teil der Erinnerung der älteren Generation, denn mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gerieten weit über acht Millionen deutsche Soldaten in Kriegsgefangenschaft. Innerhalb eines Jahres wurden bis 1946 allerdings mehr als fünf Millionen von ihnen entlassen. Dennoch ist unbezweifelbar, daß es sich bei der Kriegsgefangenschaft um ein „Massenschicksal“ handelte, das gemeinsam mit dem Krieg für die Mehrheit der betroffenen Altersgruppen zu einem kategorialen Ereignis im Sinne der Geschichte politischer Generationen wurde.

Dies galt in ähnlicher Weise auch für die Angehörigen der Armeen, die von der deutschen Wehrmacht besiegt worden waren. In großen Kessel-schlachten wurden vor allem nach dem Überfall auf die Sowjetunion oftmals Hunderttausende Soldaten gefangengenommen, in großen Lagern zusammengefaßt und vielfach nicht nur einem ungewissen Schicksal überlassen, sondern nicht selten auch bewußt und absichtlich dem Tod preisgegeben. Angehörige der Roten Armee galten vielfach nicht als „Kameraden“ sondern als über das Militärische weit hinausgehende „rassische Gegner“, als Werkzeuge oder Vertreter eines angeblich „jüdischen Bolschewismus“, die vernichtet werden sollten.

Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht schien sich diese Perspektive 1945 umzukehren. Manche der gefangenen deutschen Soldaten erinnerten sich an die berüchtigten Rheinwiesenlager und sperrten sich innerlich, die Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, daß vor allem gegen sowjetische Kriegsgefangene Verbrechen verübt worden waren, die in den Zusammenhang der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen und des Völkermords an den Juden gehören. Vor allem der Kommissarbefehl und der Gerichtsbarkeitserlaß vom Sommer 1941 schufen die Grundlage für Erschießungen tatsächlicher und angeblicher Kommissare der Roten Armee, stellten die „Mörder in Uniform“ (Artzt) außerhalb einer rechtlichen Verfolgung und bereiteten den systematisch geplanten und fabrikmäßig betriebenen Völkermord an Juden, Roma und Sinti sowie allen denen vor, die von den Nationalsozialisten als „minderwertig“ bezeichnet worden waren.

An diese Zusammenhänge ist zu erinnern, ehe versucht wird, das Schicksal der deutschen Kriegs-gefangenen in der Sowjetunion nachzuzeichnen. Es kann, darf und soll dabei nicht darauf ankommen, Kriegsfolgen und -lasten gegen die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen aufzuwiegen, sondern im Mittelpunkt steht die Frage nach den Voraussetzungen und Folgen der Kriegsgefangenschaft für deutsche Soldaten, die vor allem seit dem Angriff auf die Sowjetunion und vollends seit der Niederlage der 6. Armee bei Stalingrad in großer Zahl in sowjetischer Gefangenschaft, seit der deutschen Niederlage in Nordafrika im Mai 1943 und der Landung alliierter Verbände auf Sizilien und Italien im Juli 1943, später dann in Frankreich auch in amerikanische und britische Gefangensch Armee bei Stalingrad in großer Zahl in sowjetischer Gefangenschaft, seit der deutschen Niederlage in Nordafrika im Mai 1943 und der Landung alliierter Verbände auf Sizilien und Italien im Juli 1943, später dann in Frankreich auch in amerikanische und britische Gefangenschaft geraten waren.

II. Zur Forschungslage

Es ist überraschend, daß die Kriegsgefangenschaft als ein „kategoriales Ereignis“ von generationsprägender Kraft bisher nur selten in die Gesamtdarstellung des Weltkrieges einbezogen worden ist. Diese Zurückhaltung überrascht umso mehr, als die Geschichte der Kriegsgefangenen das wohl umfangreichste zeitgeschichtliche Forschungsprojekt der Nachkriegszeit darstellt 5). Im Anschluß an die mehrbändige Dokumentation der Vertreibung von Deutschen aus den heute ehemaligen deutschen Ostgebieten und aus Osteuropa 6) sollte die Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen in ganz ähnlicher Weise dokumentiert werden. Zu diesem Zweck stellte der Deutsche Bundestag im Jahre 1957 die Mittel für eine Wissenschaftliche Kommission bereit, die der Münchener Osteuropahistoriker Hans Koch leitete. Damit wurde auch eine langjährige Forderung des „Verbandes der Heimkehrer“ erfüllt, der bereits 1950 als Reaktion auf die zahlreichen Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener durch sowjetische Gerichte aber auch durch Gerichte der DDR (WaldheimProzesse eine wissenschaftliche Dokumentation der Gefangenschaft deutscher Soldaten angeregt hatte. Auch die Gründung eines selbständigen Forschungsinstituts für Kriegsgefangenen-Dokumentation wurde erörtert, um die Aktivitäten der kirchlichen Gefangenenhilfsdienste und des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes zusammenzuführen und in ihren Ergebnissen für die Nachwelt und insbesondere auch für die zeitgeschichtliche Forschung zu sichern.

In der Tat stand die Entstehungsphase der Bundesrepublik Deutschland weitgehend im Schatten der Kriegsgefangenenfrage Bis weit in die fünfziger Jahre fanden alljährlich Wochen der Kriegsgefangenen statt. Sie endeten mit einem „Tag der Treue“ und mit einem „Tag des Glaubens“ und wurden von vielen Gedenkreden, nicht selten auch von öffentlichen Gedenkminuten begleitet. Auch die Wahlauseinandersetzungen, manche Bundestagsdebatten und Regierungserklärungen spiegeln die Bedeutung dieses Themas wider. In seiner ersten Regierungserklärung betonte Konrad Adenauer deshalb, erst die Gründung der Bundesrepublik Deutschland habe die Voraussetzungen dafür geschaffen, „sich der Frage der deutschen Kriegsgefangenen und Verschleppten mit größerer Stärke anzunehmen als bisher“ Damit verband er die Kriegsgefangenenfrage mit der Glaubwürdigkeit der neuen westdeutschen Demokratie und provozierte ein heftiges Wortgeplänkel, das die ganze Verworrenheit und Unübersichtlichkeit dieses Themas deutlich machte. Die ersten Gesetzes-maßnahmen des Bundestags sollten der Soforthilfe zugunsten heimgekehrter Kriegsgefangener dienen: Das „Heimkehrergesetz“ des Jahres 1950 gilt als das erste Gesetz, das umfassend die „Entschädigung“ der Kriegsgefangenen erleichtern und der „Wiedergutmachung“ des an ihnen begangenen Unrechts -eine Folge der NS-Herrschaft und der Gefangenschaft -dienen sollte.

Es mag an der intensiven politischen Diskussion über die deutschen Kriegsgefangenen in den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren, vielleicht aber auch an der politischen Erklärung der Sowjetunion im Mai 1950 und an der hohen politischen Bedeutung von Adenauers Moskauer Verhandlungserfolg vor der Entlassung der letzten Kriegsgefangenen gelegen haben, daß die deutsche Öffentlichkeit nicht nur zu jener Zeit, sondern bis weit in die sechziger Jahre hinein das Ausmaß der Kriegsgefangenenzahlen zumindest in der Nachkriegszeit überschätzte Dies wird allerdings gut verständlich vor dem Hintergrund der in den Jahren 1945 bis 1955 viele Familien bewegenden Frage nach dem Schicksal ihrer seit langem vermißten Familienangehörigen Manche hofften, ihre als vermißt gemeldeten Ehemänner, Söhne und Väter hätten die Nachkriegsjahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft überlebt. Sie klammerten sich an jedes Gerücht, nicht zuletzt an Illustriertenmeldungen von geheimen Gefangenenlagern, den „Schweigelagern“. Insgesamt fühlten sich 40 Prozent der befragten Deutschen noch 1950 unmittelbar von der Kriegsgefangenenfrage berührt

Um so erstaunlicher ist es, daß später die wissenschaftlich außerordentlich soliden Forschungsergebnisse der wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der deutschen Kriegsgefangenschaft so wenig zur Kenntnis genommen wurden, die seit den späten fünfziger Jahren dem angesehenen Heidelberger Sozialhistoriker Erich Maschke unterstand. Er war selber spät aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt, bekannte sich aber niemals zu einer alleinigen oder auch nur vorrangigen Verpflichtung, Erinnerungen festzuhalten, sondern vertrat ganz dezidiert einen sozialgeschichtlichen Forschungsansatz Maschke bemühte sich sogar um eine internationale Zusammenarbeit, um die Geschichte der Kriegsgefangenen auch in vergleichender Perspektive zu erforschen, zu gewichten und zu bewerten. Auf diese Weise gelang es ihm, schon im Keim Vermutungen entgegenzutreten, die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Arbeits-gruppe sollten einer Aufrechnung der deutschen Kriegsschuld dienen Maschke wehrte aber auch den Druck von Verbänden und einzelnen Interessenvertretern auf die Forschergruppe ab. Ihm zufolge war „Sozialgeschichte“ eine Betrachtungsweise, die erlaubte, den „inneren Bau“ und die „Struktur“ der menschlichen Gesellschaft zu verstehen. In dieser Hinsicht deckte sich sein Interesse durchaus mit den modernen Ansätzen der Sozialgeschichte, die nach „sozialen Strukturen, Prozessen und Handlungen“ fragt und die Entwicklung von „Lebenschancen“ und menschlichen Entwicklungs-, aber auch individuellen Entfaltungsmöglichkeiten in den Mittelpunkt des Interesses rückt Lebenschancen verweisen auf Arbeitsund Lebensverhältnisse, auf kollektive Mentalitäten und Mobilitäten, schließlich auf die Prägung von Generationen im Wandel der Zeit.

Das Forschungsergebnis der „Wissenschaftlichen Kommission“ liegt heute in insgesamt 22 Bänden vor, die mehr als eine nur zahlenmäßige Bilanz ziehen. Denn im Zuge der Forschungen wurden Hunderte von Gefangenenerinnerungen angeregt, die Auskunft über die Begleiterscheinungen der Gefangennahme, das Überleben in der Kriegsgefangenschaft, das kulturelle Leben in den Lagern, die Zwangsarbeit und selbst über die bis heute noch nicht ausreichend erforschten Prozesse gegen sogenannte und vielfach nur angebliche Kriegsverbrecher gaben Die heute vorliegenden Arbeiten über die Kriegsgefangenen fußen auf neuen Befragungen oder rücken das Problem der Repatriierung in den Blick. Die spektakuläre Arbeit von Bacque über das Schicksal deutscher Soldaten vor allem in amerikanischer Gefangenschaft ist von der zeitgeschichtlichen Forschung scharfer Kritik unterzogen worden. Denn er setzte die als „Abgang“ registrierten geflohenen deutschen Soldaten mit angeblich Gestorbenen gleich und unterstellte der amerikanischen Führung Ausrottungsabsichten. Die Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen in britischer Hand ist sowohl im Rahmen des Maschke-Projektes sehr gründlich untersucht als auch durch eine weitere Gesamt-darstellung erschlossen worden

Das Maschke-Projekt ist 1974 endgültig beendet worden, hat aber zu dieser Zeit aus politischen Gründen kaum die verdiente und gebotene Beachtung gefunden. Die Studien wurden zunächst nur einem kleinen Kreis der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dabei wirkte sich ganz entscheidend aus, daß die Studien über Hunger und Arbeit als Faktoren der Gefangenschaft, aber auch über die Straflager in den Umkreis der Diskussionen über die Ostverträge zu geraten drohten. Obwohl sich die Mitarbeiter Maschkes in beeindruckendem Maße um eine objektive Geschichtsschreibung bemüht hatten, fürchteten die Politiker in den frühen siebziger Jahren nicht selten die emotionalen Konsequenzen einer Sozialgeschichte, die nicht „Geschichte des Handelns, sondern des Leidens“ war. In diesem Sinne erklärte der damalige Parlamentarische Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Moersch, die Kriterien für die Freigabe der Dokumentation könnten nur die Interessen der Bundesrepublik Deutschland an einer „Versöhnungspolitik in Europa“ sein Heute stehen die Untersuchungen der Maschke-Kommission der wissenschaftlichen Forschung ebenso wie das reichhaltige Befragungsmaterial zur Verfügung -insgesamt wohl 3000 Berichte, die zu einer zeitgeschichtlichen Quelle ersten Ranges geworden sind.

III. Überlebenschancen

Im folgenden sollen einige Aspekte der Kriegsgefangenengeschichte behandelt werden. Vollständigkeit der Darstellung kann dabei nicht beabsichtigt sein. Mir kommt es insbesondere im Zusammenhang mit der Erinnerung an den Überfall auf die Sowjetunion darauf an, das Gespür dafür zu wecken, daß damit auch eine neue Epoche der Gefangenengeschichte begann. Bis zum Sommer 1941 waren nur wenige deutsche Soldaten in Gefangenschaft geraten und nach der Kapitulation Frankreichs oder der Balkanstaaten in der Regel wieder entlassen worden. Oft handelte es sich bei den deutschen Gefangenen um abgeschossene Flieger oder um gerettete Schiffbrüchige. Sie wurden vielfach in kanadischen Lagern zusammengefaßt, bis nach dem Kriegseintritt der USA auch Gefangenenlager in einzelnen amerikanischen Bundesstaaten wurden. Die deutschen eingerichtet

Gefangenen wurden im allgemeinen nicht nur recht gut versorgt, sondern auch nur selten politisch beeinflußt Insofern ist ihre Geschichte deutlich von dem Schicksal der Gefangenen zu unterscheiden, die seit dem Sommer 1941 in russische Gefangenschaft geraten oder nach dem Krieg in französische, jugoslawische oder polnische Lager überstellt worden waren

Entscheidend für die Überlebenschancen der Kriegsgefangenen waren der Zeitpunkt ihrer Gefangennahme, die Intensität und die Dauer der ihrer Gefangennahme unmittelbar vorausgegangenen Kämpfe sowie die Umstände der Überführung der Gefangenen in Sammellager hinter der Front, von denen aus der anschließende Transport in die Gefangenenlager erfolgte. Die Summe dieser Situationen und Bedingungen markieren die Unterschiedlichkeit von Lebenschancen der Gefangenen, wenn sie nicht -wie die russischen Soldaten in deutscher Gefangenschaft -leichtfertig ihrer Unterversorgung preisgegeben oder gar Vernichtungsmaßnahmen der politischen Führung ausgeliefert worden waren. Die Überlebensbedingungen waren allerdings niemals allein durch die Verhaltensweise der Angehörigen der „Gewahrsamsmächte“ bedingt, sondern ebenso durch die Fähigkeit der Gefangenen, kollektiv die Herausforderungen der Gefangenschaft zu bewältigen. Deshalb sind auch landsmannschaftliche, altersmäßige, nicht zuletzt auch weltanschauliche Verbindungen zwischen einzelnen Gefangenen oder Gefangenengruppen von Bedeutung.

Die Situation der „Frühgefangenen“, die unmittelbar nach dem Überfall auf die Sowjetunion gefangengenommen wurden, läßt sich durch besonders schlechte Überlebenschancen bestimmen. Man geht heute davon aus, daß bis zum September 1942, also vor der Niederlage von Stalingrad, etwa 100000 deutsche Soldaten gefangengenommen wurden. Diese Zahl ist gering im Verhältnis zur großen Zahl russischer Gefangener, die bis Ende 1942 in deutsche Hand gefallen waren. Bis Ende 1941 wurden etwa 2, 5 Millionen sowjetische Gefangene gezählt. Bis Kriegsende wuchs diese Zahl bis auf etwa 5, 7 Millionen sowjetische Soldaten an, von denen etwa 3, 3 Millionen in deutscher Gefangenschaft ums Leben kamen Deshalb wird heute das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen in den Gesamtzusammenhang nationalsozialistischer Gewaltverbrechen gerückt.

Etwa eine Million russische Gefangene wurden den deutschen Verbänden als sogenannte Hilfswillige eingegliedert. Man nimmt an, daß etwa 500 000 russische Gefangene fliehen oder von russischen Verbänden befreit werden konnten. Sie gingen in der Regel einem sehr ungewissen und häufig sehr schweren Schicksal entgegen, denn ihre Befreiung aus der deutschen Kriegsgefangenschaft endete in der Regel in den stalinistischen Lagern Auch dies kann die deutschen Verbrechen an den sowjetischen Kriegsgefangenen nicht relativieren. Die meisten in deutsche Hand gefallenen russischen Gefangenen starben in den ersten beiden Jahren nach dem Überfall auf die Sowjetunion. Man schätzt heute die Zahl der bis Ende 1942 in deutschen Lagern umgekommenen sowjetischen Soldaten auf 2, 2 Millionen.

Im Vergleich dazu mutet die Zahl von etwa 100 000 deutschen Soldaten gering an, die vor dem Fall von Stalingrad an anderen Frontabschnitten in sowjetische Gefangenschaft geraten waren. Nicht selten handelte es sich dabei auch um Überläufer, die nach 1933 verfolgt oder unterdrückt worden waren und durch ihre Desertion den verhaßten Nationalsozialisten entkommen wollten. Diese Situation änderte sich allerdings grundlegend mit der Kapitulation der 6. Armee bei Stalingrad im Januar und Februar 1943. Unter extremen Witterungsverhältnissen wurden nach langen und sehr schweren Kämpfen neben vermutlich 93000 einfachen Soldaten erstmals in großer Zahl auch Offiziere in die Gefangenschaft geführt. Sie hatten bis zuletzt den wahnwitzigen Durchhaltebefehlen Hitlers gehorcht und sich so mitschuldig an der Tragödie von Stalingrad gemacht -nicht wenige von ihnen wider bessere Einsicht Stalingrad wurde für einige der gefangenen Offiziere zur inneren Wende. Sie lösten sich innerlich von Hitler, auch von ihrem soldatischen Eid und legten -wie General von Seydlitz -sogar öffentlich Zeugnis von ihrem Gesinnungswandel ab, indem sie sich im „Bund Deutscher Offiziere“ organisieren ließen, der sich wenige Stunden nach seiner Gründung allerdings bereits dem „Nationalkomitee Freies Deutschland“ (NKFD) anschloß. Dieses Komitee war unter maßgeblicher Beteiligung der sowjetischen Seite von Moskauer Emigranten und einzelnen kommunistisch gesonnenen Kriegsgefangenen gegründet worden erhielt allerdings auch unübersehbaren Zulauf von politisch nicht im kommunistischen Sinn festgelegten Gefangenen und beeinflußte durch Rundfunksender, Flugblätter und Zeitschriften auch die politischen Diskussionen in der außereuropäischen Emigration, nur wenig aber den inneren deutschen Widerstand.

Stalingrad bedeutet für die Geschichte des Zweiten Weltkrieges aus deutscher Sicht eine entscheidende Wende. Von nun an befand sich die deutsche Wehrmacht in der Defensive. Immer wieder mußten Fronteinbrüche, die der Roten Armee gelungen waren, „begradigt“ werden; immer häufiger wurden deutsche Verbände eingekesselt. Zwar konnten sie in der Regel ausbrechen; dennoch wurden immer wieder Tausende von Wehrmachtssoldaten, häufig nach schwersten Kämpfen, gefangengenommen. Auch an den anderen Frontabschnitten, nicht zuletzt auf dem durch Partisanenkämpfe geprägten Balkan, wurden immer mehr Gefangene gemacht. Die meisten Deutschen gerieten jedoch in der Sowjetunion in Gefangenschaft

Die deutschen Soldaten, die in den Jahren 1943 und 1944 in Gefangenschaft gerieten, werden als „Abwehrgefangene“ bezeichnet. Ihre Zahl stieg vor allem nach dem Durchbruch der Roten Armee in der Panzerschlacht bei Kursk sprunghaft an, die zuweilen als die eigentliche Kriegswende gilt, sowie nach der Kesselschlacht von Tscherkassy, bei der Räumung der Krim, im Sommer 1944 schließlich nach dem Einbruch der Roten Armee im Abschnitt der Heeresgruppe Mitte. Im Herbst 1944 drangen Einheiten der Roten Armee tief nach Rumänien ein. Diese „Rumäniengefangenen“ bildeten wenig später mit den „Ungamgefangenen“ eine deutlich von anderen Gefangenen abzugrenzende Gruppe. Erstmals befanden sich kurz nach dem Jahreswechsel 1945 eine Million deutscher Soldaten in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Die Überlebenschancen dieser Gruppen deutscher gefangener Soldaten sind vergleichsweise gut bekannt: Von den Früh-und Stalingradgefangenen überlebten nicht mehr als zehn Prozent. Bei den Abwehrgefangenen der Jahre 1943/44 stieg die Überlebensquote auf etwa 35 Prozent, bei den Rumänien-und Ungamgefangenen schließlich auf etwa 70 Prozent. Die „Kapitulations-“ oder „Endkampfgefangenen“ wiesen eine diesen Zahlen gegenüber nur wenig verringerte Sterbequote von 25 Prozent auf.

Die meisten Todesfälle ereigneten sich kurz nach der Gefangennahme auf dem Weg in die Auffanglager unmittelbar hinter der Hauptkampflinie oder in die weiter im Hinterland liegenden Sammellager. Vielfach wurden die Gefangenen in langen Kolonnen zu Fuß in diese Lager geführt. Kranke und Sterbende, die zu Boden fielen und nicht versorgt werden konnten, wurden von Wachmannschaften erschossen. Vor allem im Winter wurden die Gefangenen oftmals im Kreis herumgeführt, um zu verhindern, daß sie im Schnee lagerten, denn dies bedeutete den sicheren Tod. Im Rückblick wurde dieses Verhalten der Wachmannschaften häufig als Willkür gedeutet. In einzelnen Fällen sind auch Scheinerschießungen überliefert, die sich psychisch verständlicherweise besonders verhängnisvoll auswirkten.

Auch die Tage unmittelbar nach der Ankunft in den Lagern forderten oftmals unverhältnismäßig hohe Opfer. Dabei wirkte sich zweifellos die körperliche Erschöpfung, die psychische Anspannung der Gefangenen angesichts der ungewissen und stets gefürchteten Situation, oftmals auch die Witterung und nicht zuletzt die schlechte Versorgung der Gefangenen in den Sammellagern aus. Vielfach waren die Gefangenen verletzt, litten unter schweren Erfrierungen oder unter Mangelerscheinungen, unter Gefangenendepressionen, die sich zu Psychosen steigern konnten. Sie waren angesichts dieser extremen Lebenssituationen in jeder Hinsicht denkbar schlecht versorgt oder von den langen Kämpfen völlig geschwächt und derart entkräftet, daß sie ihre Umwelt gleichsam als eine Umwelt „ohne Zeit und Raum“ wahrnahmen. Erschwerend kam hinzu, daß sie von ihrer militärischen Führung nicht auf die Gefangenschaft vorbereitet worden waren und so nicht nur in der sicheren Erwartung ihres Todes lebten, sondern mit einer völlig neuen Situation fertigwerden mußten.

Die Gefangennahme und die anschließende Gefangenschaft wurden vor allem dann als Schock empfunden, wenn man in sowjetische Hand geraten war. Hingegen wurde die Gefangennahme durch westalliierte Truppen nicht selten innerlich begrüßt vor allem seit 1944. Allerdings hatten viele Angehörige des Afrikakorps große Schwierigkeiten, die Tatsache ihrer Niederlage zu verwinden oder den Nachrichten von der katastrophalen militärischen Lage der deutschen Wehrmacht überhaupt Glauben zu schenken An der Ostfront wirkte sich hingegen die nationalsozialistische Propaganda aus, die immer hervorgehoben hatte, daß Gefangennahme nicht nur den sicheren, sondern auch einen besonders qualvollen, willkürUchen Tod bedeuten mußte. In der Regel wurde jeder Gedanke an Gefangennahme und die Notwendigkeit, in Lagern das Kriegsende zu erwarten, von der militärischen Führung unterdrückt. Die Gefühle der Bedrohung wurden weiterhin durch die verbreitete Furcht vor dem Bolschewismus verstärkt Viele der seit 1942 gefangengenommenen Soldaten hatten nach den heftigen Kämpfen, der schrecklichen Unterversorgung und den nicht selten lebensgefährlichen Witterungsverhältnissen kaum mehr die Kraft, ihre Gefangennahme bewußt zu verarbeiten. Sie verloren weitgehend ihr „Hintergrundgefühl“, wobei sich nicht zuletzt auswirkte, daß die NS-Führung kategorisch jeglichen Kontakt zwischen den in sowjetische Kriegsgefangenschaft geratenen Soldaten und ihren Angehörigen zu unterbinden suchte.

Die Situation der Gefangenen und ihr Wahrnehmungsvermögen in der ungewohnten und unerwarteten Situation zwischen Gefangennahme und Einlieferung in die Lager waren durch Furcht, Isolation, extreme Mangelerscheinungen und langfristige Unterversorgung geprägt. Hinzu kam bei manchen Soldaten -vor allem bei Luftwaffenangehörigen und Offizieren -eine psychische Krise, die Folge intensiver Vernehmungen durch russische Vernehmungsoffiziere war und nicht selten in eine moralische Krise des einzelnen mündete Gezielt und nachdrücklich wurden Gefangene, die als ansprechbar galten, nach ihrer Rechtfertigung des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion gefragt, sie wurden mit den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen konfrontiert oder politisch-moralisch herausgefordert, indem man sie immer wieder nach ihrer individuellen Bereitschaft fragte, sich am Krieg zu beteiligen.

Nicht selten war das Ergebnis derartiger Vernehmungen eine politische Neuorientierung und die Beteiligung an „antifaschistischen“ Schulungen, schließlich an Versuchen, aus der Gefangenschaft heraus zum Sturz des Regimes aufzufordern. So kam es zur Zusammenarbeit einzelner Gefangener mit der sowjetischen „Gewahrsamsmacht“, mit deutschen kommunistischen Emigranten, die, wie Walter Ulbricht, in Moskau lebten, oder mit Kameraden, die sich unter dem Eindruck der deutschen Kriegsführung -vor allem nach Stalingrad -, Durchhaltebefehlen und der Strategie der „verbrannten Erde“ von der NS-Führung abgewandt hatten.

Über die Lebensverhältnisse in den Lagern der Jahre 1943 und 1944 sind wir bis heute vergleichsweise schlecht informiert, weil die Sterberate in den Auffang-und Stammlagern außerordentlich hoch war, kaum zeitgenössische Aufzeichnungen überliefert sind und die wenigen Überlebenden mit der Dauer ihrer Gefangenschaft zunehmend viele Orientierungs-und Erinnerungsmöglichkeiten verloren hatten. Sie hatten keinen Kontakt zur Heimat oder zu ihrer Umwelt außerhalb des Lagers und reduzierten ihre Anstrengungen im Gefangenenalltag immer stärker auf die Sicherung ihrer eigenen Existenz. Dies galt für die überlebenden Früh-und Stahngradgefangenen ebenso wie für die späteren Abwehr-, die Rumänien-und Ungamgefangenen. Deshalb sind nur vergleichsweise wenige Berichte einfacher Soldaten über die Zeit ihrer Gefangenschaft erhalten. Ungleich zahlreicher sind hingegen die Berichte von Offizieren, vor allem, wenn sie in sogenannten „Prominentenlagern“ zusammengefaßt worden waren, die in Krasnogorsk, Lunowo und Susdal bestanden. Diese Erinnerungen machen deutlich, daß die Erfahrung des verlorenen Hintergrundgefühls für den Beginn der Kriegsgefangenschaft ganz charakteristisch war. Als weiteres Grunderlebnis müssen der Hunger und die schlechte Unterbringung bezeichnet werden.

Einige wenige Gefangene hatten aber auch die Energie, politische Auseinandersetzungen durchzustehen, wobei hier außer Betracht bleiben kann, ob man sich auf die Seite der NS-Führung oder der Kritiker der deutschen Kriegsführung stellte oder sich gar den kommunistischen Emigranten anschloß Später wurden diese Auseinandersetzungen immer wieder in das Bewußtsein der Überlebenden gerückt, die sich nur selten in der Lage sahen, selber ein differenziertes und zugleich umfassendes Bild zu zeichnen

Erst nach der Bewältigung der drängendsten, existenzbedrohenden Ernährungsprobleme bildeten sich Ansätze einer „Lagergesellschaft“ aus, die sich durch eine ganz spezifische Verteilung von Überlebenschancen unter den Gefangenen charakterisieren läßt. Offensichtlich differenzierten sich die Beziehungen zwischen den einzelnen Gefangenen, aber auch zwischen ihnen und der Lagerverwaltung, vergleichsweise rasch in ein Schichtungssystem, das nicht nur durch verschiedene -oft das Überleben ermöglichende -Funktionen, sondern auch durch spezifische Versorgungs-und Bildungsmöglichkeiten für die Häftlinge geprägt war. Die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den Häftlingen konnten sich in diesem System grundlegend verändern, wenn einzelne Gefangene, die nicht selten von Mitgefangenen gewählt worden waren, für die Brotverteilung, den Arbeitseinsatz, die Krankmeldungen, die medizinische Versorgung oder die Postverteilung zuständig waren. Sehr häufig lösten sich in der „Lagergesellschaft“ die überkommenen kameradschaftlichen oder landsmannschaftlichen Bindungen auf. Lagergesellschaft -dies bedeutete geschichtete Lebenslagen und gestufte Lebenschancen, unterschiedliche Möglichkeiten für die Rückkehr in die Heimat oder die kulturelle Betreuung. Zur Lagergesellschaft gehörten auch die unterschiedliche Machtverteilung zwischen den Gefangenen und jeweils ganz besondere Durchsetzungschancen der einzelnen Lagerfunktionäre.

Im Bewußtsein der Betroffenen verloren sich später viele Erinnerungen an Kameradenwillkür, an Egoismus und Verzagtheit, nicht zuletzt auch an Kameradendiebstahl oder Bespitzelung. Wenn überhaupt, dann wurden diese Fragen nur im Zusammenhang der Versuche von Lagerverwaltungen und Gefangenengruppen erörtert, in der Gefangenschaft mit der politischen Umerziehung ihrer Kameraden zu beginnen. Versuche dieser Art lassen sich in den Lagern aller Alliierten, keineswegs also allein in der Sowjetunion, nachweisen. Manche dieser sogenannten Umerziehungslager, in denen sich die Gefangenen oft freiwillig einfanden, zuweilen auch von den Gewahrsamsmächten zum Schutz vor weiterhin nationalsozialistisch gesonnenen Kameraden zusammengeführt worden waren, haben bis heute einen sehr guten Klang. Das britische Umschulungslager Wilton Park ist sogar zum Synonym einer Annäherung der Deutschen an die Zielvorstellungen der westlich-liberalen Demokratie geworden. Auch das amerikanische „Antifaschistencamp“ Fort Devens gilt als ein Ort, an dem eine intensive Auseinandersetzung mit den Grundsätzen der freiheitlichen Demokratie stattfinden durfte

Im Bewußtsein der meisten Kriegsgefangenen blieben jedoch Hunger, Arbeit und Kälte neben der quälenden Isolation von den Familienangehörigen das Kennzeichen einer Gefangenschaft, die nur für die in britischen und amerikanischen Lagern lebenden Soldaten zunächst rasch endete. Denn nach der Kapitulation der Wehrmacht wurden die Soldaten zunehmend für Aufbau-und Wiedergutmachungsarbeiten herangezogen und zu diesem Zweck vielfach von den amerikanischen und britischen Behörden an andere Staaten, vor allem an Frankreich, Polen, die Tschechoslowakei und Jugoslawien ausgeliefert. Die Versorgungsschwierigkeiten und nicht zuletzt die teilweise außerordentlich rigide Zwangsarbeit erklären die Erkrankungen der Gefangenen, ihre hohen Sterberaten, die je nach Witterungsverhältnissen, Lagerorganisation und Region die in den einzelnen Lagern anzutreffenden Verhältnisse widerspiegelten.

Ein festgefügtes „Lagersystem“ bildete sich im sowjetischen Einflußbereich erst nach der Kapitulation aus. Es war die Folge der politischen Entscheidung, die Kriegsgefangenen zum Wiederaufbau der zerstörten Städte und Fabriken und zur Wiedergutmachung des von Deutschen begangenen Unrechts einzusetzen. Die erbrachten Arbeitsleistungen sollten erfaßt werden und ihre Berücksichtigung bei der Festsetzung von Reparationsleistungen finden, die in einem Friedensvertrag endgültig festgelegt werden sollten. Mit Kriegsende stand so bald fest, daß die in alliierter Hand befindlichen Gefangenen sich auch nach dem Ende der militärischen Auseinandersetzungen auf eine längere Dauer ihrer Kriegsgefangenschaft einstellen mußten.

Eine wichtige Voraussetzung dieser Entscheidung war nicht nur die Veränderung des Gefangenenstatus -nach der Genfer Konvention durften Mannschaftsdienstgrade nur innerhalb sehr eng definierter Grenzen in die Produktion, Offiziere gar nicht einbezogen werden -, sondern auch die Verständigung der Alliierten über die prinzipiellen Ziele der Kriegsgefangenschaft nach der bedingungslosen deutschen Kapitulation. Zunächst schienen die Gegensätze zwischen den Siegermächten in der Frage einer möglichen Behandlung der deutschen Wehrmachtsangehörigen nicht sehr groß zu sein, denn immer wieder wurden zwischen den Sieger-Staaten große Gruppen von Gefangenen ausgetauscht, nicht nur zugunsten von Frankreich, das sehr entschieden auf einer Wiedergutmachung materieller Kriegsschäden bestand, sondern auch zugunsten der kleineren von Deutschen besetzten Staaten West-und Ostmitteleuropas, selbst Albaniens.

Das Schicksal der vielen hunderttausend deutschen Soldaten, die zu jahrelanger Zwangsarbeit verurteilt worden waren, kann jedoch nicht den Blick dafür verstellen, daß bis Ende 1947 der allergrößte Teil von ihnen nach Deutschland entlassen wurde. Denn weil die deutschen Kriegsgefangenen überwiegend in die Hände westalliierter Verbände geraten waren -3, 3 Millionen Deutsche gerieten in sowjetische, weit über sieben Millionen hingegen in britische und amerikanische Gefangenschaft wurde der größte Teil von ihnen relativ rasch entlassen. Auch die sowjetische Seite begann bereits in den Jahren 1945/46 mit der Repatriierung deutscher Kriegsgefangener, zunächst allerdings fast ausschließlich von arbeitsunfähigen, schwer-kranken und nicht selten sogar transportunfähigen Soldaten. Daneben wurden auch politisch zuverlässige Gefangene entlassen, soweit sie sich in der „antifaschistischen“ Arbeit hervorgetan hatten oder die Sowjetische Militäradministration hoffte, sich ihrer beim Aufbau einer Zivilverwaltung in den Ländern ihrer Besatzungszone bedienen zu können.

Keineswegs wurden aber die ehemaligen Mitglieder des „Bundes deutscher Offiziere“ oder des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ wie privilegierte Gefangene behandelt und automatisch entlassen, sondern nur, insoweit sich die sowjetische Besatzungsmacht Unterstützung ihrer Herrschaftspläne versprach. Kritische Mitglieder dieser Gefangenenorganisationen wurden sogar besonderen Repressalien ausgesetzt, wenn sie ihre Distanzierung von den sowjetischen Zielen zu erkennen gaben Prominentestes Opfer stalinistischer Willkür wurde General Walther von Seydlitz, der Vorsitzende des „Bundes deutscher Offiziere“, der als angeblicher Kriegsverbrecher zu einer fünfundzwanzigjährigen Haftstrafe verurteilt worden war und erst 1955 nach dem noch heute legendären Verhandlungserfolg des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer entlassen und sofort nach seiner Rückkehr heftig wegen seines ihm vorgeworfenen „Verrats“ von ehemaligen Soldaten angegriffen wurde. Erst in den sechziger Jahren fand er größeres Verständnis für seine Haltung.

IV. Lagergesellschaft

Mit dem Jahreswechsel 1945/46 und vollends dann seit dem Sommer 1946 entstand in der Sowjetunion ein klar gegliedertes Lagersystem mit einer festen Organisation und Struktur Die Lager unterstanden zwar der Politischen Hauptverwaltung der Armee, wurden aber zugleich durch Funktionen geprägt, die einzelne Häftlinge im Heer der zwangsarbeitenden Gefangenen übernahmen: Bäcker und Köche, Lagersekretäre, Pfleger auf den Krankenstationen, Essenausteiler und Brot-verteiler, Verwalter der Lagerbibliothek oder Vertrauensleute für die Verteilung der Post und die Zuteilung von Briefpapier, um nur einige zu nennen. Hinzu kamen politische Funktionen, die nicht selten in enger Verbindung zur Kulturarbeit standen, zuweilen allerdings auch der Disziplinierung und der Auswertung von Spitzelberichten oder Denunziationen dienten.

Mit der Etablierung eines festgefügten Lagersystems bildete sich mithin in den einzelnen Lagern ein durch Rollen und Typen geprägtes Beziehungsgeflecht aus, das später im Rückblick mancher Gefangener politisiert worden ist. Man unterstellte, daß Vorteile innerhalb des Systems das Ergebnis politischer Korruption gewesen seien, übersah aber in der Regel, daß individuelle bzw. charakterliche Prädispositionen der einzelnen Gefangenen wesentlich wichtiger für das in einem Lager entstandene „Klima“ sein konnten als politische Auseinandersetzungen. Manche Kameraden bespitzelten Leidensgenossen, weil sie hofften, dafür eine zusätzliche Lebensmittelration oder ein Buch zu bekommen oder die ersehnte Gelegenheit, nach Hause zu schreiben. Später weckten manchen Lagerkommandanten, denen politische Kommissare zur Seite standen, auch Erwartungen auf eine vorzeitige Entlassung in die Heimat, wenn man erklärte, zu Spitzeldiensten bereit zu sein.

Die Gefangenenlager waren als Arbeitslager organisiert und ähnelten in ihrer Struktur einem Bataillon. Der Lagerälteste wurde als „kombat“, also als Bataillonskommandeur, bezeichnet. Die Lagerbelegschaft war in Kompanien, Züge und Brigaden gegliedert, denen jeweils besondere Funktionsposten entsprachen, die zumeist von Gefangenen übernommen wurden. Die arbeitenden Kriegsgefangenen wurden entsprechend ihrer Gesundheit und der dadurch bedingten Arbeitsfähigkeit in Gruppen eingeteilt. In der Regel wurden diese Gruppen gemeinsam entlohnt, was nicht selten zu Spannungen zwischen den Arbeitswilligen und denjenigen führte, die weniger leistungsfähig oder -willig waren.

Auch bei der Verteilung von Funktionsstellen wirkten sich charakterliche Unterschiede zwischen den Gefangenen aus. Einige verstanden sich als Vertrauensleute ihrer Kameraden, andere sahen in ihrer Aufgabe die Möglichkeit zur eigenen Bevor-teilung oder sogar die Chance, sich innerhalb des Lagersystems eine noch bessere Position erobern oder zusätzliche Lebensmittel organisieren zu können. Nichts spricht aber dafür, daß derartige Vorteile immer die Folge politischer Anbiederung an die Lagerführung waren oder sie gleichsam zwangsläufig den Mitarbeitern der „antifaschistischen Kollektive“ und „politischen Aktive“ zufielen. Vielmehr deuten viele Erlebnisberichte der Gefangenen darauf hin, daß sie vor allem durch Hunger, Vereinsamung, Krankheit, nicht zuletzt auch durch unerwartete Verlegungen in andere Lager, die damit einhergehenden „Kontrollen“ ihrer ohnehin wenigen Habseligkeiten oder die immer wieder neue Anpassungs-und Gewöhnungszwänge verursachende und nur durch die Aussicht auf eine von den Lagerverwaltungen nicht kontrollierte Benachrichtigung der engsten Familienangehörigen gemilderte und begrüßte Entlassung ihrer Kameraden auf sich selbst zurückgeworfen wurden und dabei nicht selten, wie es einige empfanden, zum „Wolf“ werden mußten. Seine Mitgefangenen hätten nur noch aus Mund, Ohr und Nase bestanden, berichtete später ein Gefangener und deutete auf diese Weise den grundlegenden Prozeß der Dehumanisierung und Entsolidarisierung ehemaliger Kriegskameraden in der extremen Lebenssituation ihrer Gefangenschaft an

Die Grundbefindlichkeit der Gefangenen war durch die völlige Zerstörung ihres „Hintergrundgefühls“ als Folge der Gefangennahme, der Isolation, der völligen Ungewißheit von Zukunftserwartungen und der erschwerten politischen Auseinandersetzungen gekennzeichnet. Die Gefangenen waren überdies vielfach von der Verbindung zu den Entwicklungen in der Heimat abgeschnitten und erlebten deshalb nach ihrer ersehnten Entlassung häufig die ungewohnten, schon deutlich durch ihre Verwestlichung geprägten Lebensverhältnisse und -Stile als eine Art Kulturschock. Nylonstrümpfe, Jazzmusik, kürzere Kleider und Mäntel, Jeans, modische Frisuren und Boxerhaarschnitt der Jungen, die sich für Boogie-Woogie und Rock’n’Roll begeisterten, verstärkten das Gefühl kultureller Entfremdung. Die vor der Kapitulation nachweisbaren politischen Kontroversen zwischen den Gefangenen machten so bald einer neuen Form der Auseinandersetzung Platz.

Hinzu kam eine immer größer werdende Entfremdung von den politischen Verhältnissen in den beiden Teilen Deutschlands. Weil nach der Befreiung vom Nationalsozialismus und insbesondere unter dem Eindruck des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses der verbrecherische Charakter des NS-Regimes immer offensichtlicher wurde, machte sich unter den Gefangenen vielfach ein Entsetzen breit, das in politische Apathie mündete. Damit entschärfte sich vielfach die politische Auseinandersetzung zwischen „Hitlertreuen“ und „Hitlergegnern“, die in vielen Lagern nicht nur zu Spannungen, sondern auch zu handfesten Konflikten geführt hatte. Mehrfach mußten die gegensätzlichen Gruppen sogar getrennt werden, und dies keineswegs nur in den sowjetischen Lagern, sondern auch in den USA und in Großbritannien.

Im Rückblick erschien manchen Beteiligten dieser Gegensatz geradezu als „Krieg hinter Stacheldraht“. Dabei wurde übersehen, daß keineswegs allein die auf etwa jeweils zehn Prozent der Kriegs-gefangenen geschätzten und sich unversöhnlich gegenüberstehenden Gefangenen, sondern die breite Masse der Indifferenten -die etwa 80 Prozent der Gefangenen ausmachte -das Klima bestimmten. Die Lagerleitungen unterstützten zwar vielfach die Anhänger der oppositionellen Gruppen, die sich vom Nationalsozialismus lösten, übertrugen ihnen aber keineswegs in dem später von manchen der heimgekehrten Gefangenen behaupteten Maße leitende oder kontrollierende Funktionen innerhalb der Lagerselbstverwaltung.

Zumal im sowjetischen Bereich waren die Lager-leitungen schon aus sprachlichen Gründen auf die Mitarbeiter der „Lagerselbstverwaltungen“ angewiesen, um die innere Ordnung zu sichern und die im planwirtschaftlichen System von außen vorgegebenen Arbeits-und Produktionsziele erreichen zu können. Denn sehr früh wurden die kriegsgefangenen Mannschaften in das stalinistische Sy-stem der Zwangsarbeit eingebunden, vor allem, nachdem die erste schwere Versorgungskrise der in sowjetischer Hand befindlichen Gefangenen überstanden war, die weit über 40 Prozent aller Gefangenen -nach unseren bisherigen Schätzungen -das Leben gekostet hat. Diese Krise stand zweifellos in engstem Zusammenhang mit der allgemeinen Versorgungskrise der europäischen Gesellschaft nach dem Kriege, die allerdings besonders heftig die sowjetischen und osteuropäischen Lebensverhältnisse beeinflußte.

Erst die Bewältigung dieser Krise schuf die Voraussetzungen für die Stabilisierung der Lebensverhältnisse in den Lagern und die Herausbildung der bereits erwähnten zweiten Stufe der „Lagergesellschaft“, die nicht mehr allein durch die internen Beziehungen der Gefangenen, sondern auch durch die Bedeutung der Kriegsgefangenen für das sowjetische Wirtschaftssystem bestimmt war. Eines ihrer wesentlichen Kennzeichen war neben der bereits beschriebenen Zerstörung von sehr vielen kameradschaftlichen Verbindungen zwischen den einzelnen Gefangenen -eine historische Tatsache, die bis heute allerdings vielfach von den ehemaligen Gefangenen bestritten wird -die Entstehung neuer Verhaltensweisen, die auf das gemeinsame Überleben unter den nunmehr stärker wirtschaftlich geprägten Lagerstrukturen zielten. Sozial-geschichtliche Untersuchungen der Forschungsgruppe unter Erich Maschke bestätigen diese Beobachtung, weniger allerdings die vielfach von Gefangenen geäußerten Vermutungen, daß die „Kameradschaft“ zwischen den Gefangenen bewußt durch Einflüsse aus der Lagerverwaltung oder gar durch verantwortungslosen „Kameradenverrat“ zerstört wurde -vielmehr wird ganz deutlich gemacht, daß der Überlebenswille des Einzelnen kameradschaftliche Beziehungen zerstören konnte: Kriegsgefangenschaft bedeutete unter den Bedingungen der Jahre 1945/49, das nackte Leben in einer Extremsituation zu behaupten. Insofern gehört die Geschichte des hier ansatzweise beschriebenen Lagersystems auch in die Gesamtgeschichte menschlichen Leidens im 20. Jahrhundert, dem Zeitalter der Weltanschauungskriege, das wie ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg anmutet.

Erst etwa 1948/49 lassen sich dann stabilere, wieder auf den gemeinsamen Behauptungswillen der Gefangenen gerichtete Beziehungen nachweisen, die sich nach vorliegenden Zeugnissen sogar noch unter dem Eindruck der alle Gefangenen bedrohenden willkürlichen Verfahren gegen sogenannte Kriegsverbrecher zusätzlich festigten. Vor allem als sich die Ernährungslage der „Spät-und Spätestgefangenen“ verbessert hatte -nicht zuletzt auch im Vergleich mit der sowjetischen Bevölkerung -, schwächten sich die Gegensätze zwischen den Gefangenen ab. Dabei wirkte sich aus, daß die Arbeitsbeziehungen, die seit etwa 1947 entstanden waren, Häftlingen eine bessere Position gegenüber der Lagerverwaltung verschaffen konnten, die auf die Erfüllung der Zielvorgaben durch die Gefangenen angewiesen war. Damit verringerte sich zugleich die Gefahr, sich aus egoistischen Gründen Vorteile auf Kosten von Kameraden -auch und nicht zuletzt durch Denunziationen -zu verschaffen. Sonderrationen standen am Anfang eines Entlohflungssystems, das einzelnen Gefangenen schließlich sogar die Auszahlung von Rubeln eintragen konnte. Auch die Emährungswerte wurden nun normiert und somit reglementiert. Die Voraussetzungen kultureller Betätigung wurden günstiger -vereinzelt konnten die Gefangenen Vortragsreihen organisieren, die nicht mehr von „antifaschistischen“ Agitationsversuchen dominiert waren.

Die in den fünfziger Jahren vielfach vertretene These von der Privilegierung der „Politischen“ entsprach somit keineswegs in dem behaupteten Maße der Wirklichkeit, denn begünstigt wurden von den Kameraden diejenigen, deren Fähigkeiten -etwa Erzähl-oder Zeichentalente bzw. charakterliche Merkmale -Zuverlässigkeit und Gerechtigkeit -für den einzelnen Gefangenen oder seine Gruppe vorteilhaft waren.

Dennoch war das Spitzelwesen sehr weit verbreitet. Man hat vermutet, daß jeder dritte Gefangene irgendwann einmal eine Meldung über Äußerungen oder Tätigkeiten, Besitzgegenstände oder Schwächen seiner Kameraden an die Überwachungsoffiziere der Lagerverwaltung oder des Geheimdienstes NKWD weitergegeben hat. Spitzel wurden von den Mitgefangenen als „Holzauge“ bezeichnet Diese Zahlen wären nicht überraschend, sondern entsprächen in etwa den Angaben, die wir über das Unwesen der Denunziation in totalitären Systemen oder Extremsituationen haben. Dennoch wird man erst zu genaueren Kenntnissen kommen können, wenn die in sowjetischen Archiven vorhandenen Unterlagen für die zeithistorische Forschung zur Verfügung stehen. Vermutlich drang das auf das eigene Überleben gerichtete Streben des einzelnen Gefangenen gar nicht bis zu dem Versuch vor, die mißbrauchte und schließlich durch verbrecherische Kriegsziele pervertierte Einbindung des Soldaten in den Rassen-und Weltanschauungskrieg politisch zu bewältigen. Erst die Entlastung von existentiellen Not-und Gefahrensituationen konnte die Voraussetzungen für neue und in die Zukunft weisende politische Gedanken schaffen. Dies galt ebenso für Bestrebungen einzelner, sich mit christlichen Vorstellungen oder philosophischen Problemen zu beschäftigen.

Ein bis heute nicht erhelltes Kapitel der Kriegsgefangenschaft ist die Geschichte der sogenannten Kriegsverbrecherprozesse im sowjetischen Machtbereich, die am Ende der vierziger Jahre vorbereitet wurden und vor allem in den Jahren 1949 und 1950 zur Verurteilung von mindestens 10000 Gefangenen führten. Ihre Geschichte verband sich nun eng mit der verschleppter „Zivilinternierter“, über deren Schicksal wir bis heute ebenfalls nicht umfassend informiert sind und die vermutlich ebenso wie die Kriegsgefangenen, allerdings ohne in Lagern leben zu müssen, für Wiederaufbauarbeiten eingesetzt wurden und gleichfalls ein schweres Schicksal trugen. Unter diesen Zivilinternierten, die aus den Ostgebieten verschleppt, aber auch aus der Sowjetischen Besatzungszone vielfach wegen ihres angeblichen Engagements für die unter Faschismusverdacht gestellten „bürgerlichen Parteien“ oder unter dem Verdacht ihrer Beteiligung an Kriegsverbrechen oder angeblicher Unterstützung der Nationalsozialisten in die Sowjetunion überführt worden waren, befanden sich vergleichsweise viele Frauen.

Bis heute wird nicht nur gefordert, die zum Teil nach nur wenigen Verhandlungsminuten und in der Regel schon vor den Sitzungen der Militärgerichte feststehenden Urteile zu überprüfen und aufzuheben, weil die Prozesse nicht den Normen rechtsstaatlicher Verfahren entsprachen, sondern auch angeregt, eine wissenschaftlich befriedigende Darstellung dieser Verurteilungen zu beginnen. Der Umbruch in Osteuropa könnte auch in dieser Hinsicht gute Voraussetzungen für zukünftige Forschungen schaffen, handelt es sich doch bei diesem Thema um einen der vielen „weißen Flecken“ (Hermann Weber) der Geschichte des Stalinismus.

V. Erinnerung, Überlieferung, Geschichte

Ein Charakteristikum der Kriegsgefangenschaft im Zeitalter der Nationalstaaten und Ideologien ist, daß sie nicht mit dem Ende der Kampfhandlungen aufhört. Dies war bereits nach dem Ersten Weltkrieg festzustellen, als die in der Sowjetunion festgehaltenen Gefangenen in die revolutionären Ereignisse eingebunden wurden und die in die Hand der Alliierten gefallenen Soldaten vielfach als „Sicherheit“ für den raschen Rückzug der deutschen Truppen aus den besetzten Gebieten und die Einhaltung der Waffenstillstandsbestimmungen gelten sollten. Ein weiteres Charakteristikum der Kriegsgefangenschaft im 20. Jahrhundert ist der Versuch, die Lebensbedingungen der Gefangenen völkerrechtlich zu regeln. So wurde durch die Genfer Konvention von 1929 untersagt, Gefangene in kriegswichtigen Produktionsbereichen, vor allem in Rüstungsbetrieben, einzusetzen. Eigentlich war es der Gewahrsamsmacht nur gestattet, Gefangene zur Sicherung ihrer eigenen Versorgung heranzuziehen, d. h. vor allem, sie in der Landwirtschaft einzusetzen Auch die Verbindungen zwischen Gefangenen und Angehörigen wurden geregelt. Mit der Kriegsgefangenschaft schieden dem Völkerrecht zufolge die Soldaten aus der militärischen Verfügungsgewalt der gegnerischen bewaffneten Macht aus -sie waren als mögliche Kombattanten keine Gefahr mehr für den Gegner und hatten so Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung auf der Grundlage völkerrechtlicher Normen.

Während des Zweiten Weltkrieges -der von den Nationalsozialisten als totaler Rassen-und Weltanschauungskrieg, von den Alliierten aber auch als eine Art Befreiungskrieg für die Demokratie geführt wurde als deren prinzipieller Gegner das durch Hegemonialbestrebungen in Europa und durch Prinzipien des Obrigkeitsstaates und der Untertanengesellschaft geprägte Deutsche Reich galt -kam es immer wieder zu Verletzungen der in Genf festgelegten Konventionen. Abgesehen davon, daß einzelne Gefangene von Zivilisten unmittelbar nach ihrer Gefangennahme mißhandelt oder sogar gelyncht wurden, setzte man sie als „Fremdarbeiter“ nicht nur in kriegswichtigen Produktionsbereichen ein, sondern verweigerte ihnen auch die notwendige ärztliche Betreuung oder Versorgung mit Nahrungsmitteln. Immer wieder muß zugleich daran erinnert werden, daß die Mehrheit der sowjetischen Soldaten in deutscher Gefangenschaft bewußt dem Tod preisgegeben wurde.

Die deutsche Regierung erschwerte dabei ebenso wie die sowjetische Führung nahezu völlig die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen der gefangenen Soldaten. So hieß es in einer vertraulichen Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Anfang Februar 1944, der „Verbleib deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion“ sei „in keiner Form zu behandeln“. Überlebende Gefangene konnten nur in sehr seltenen Fällen ihren Angehörigen ein Lebenszeichen geben und waren nicht zuletzt auch deshalb bereit, sowjetische Flugblätter zu unterschreiben oder sich in Rundfunksendungen namentlich zu erkennen zu geben. Nach dem Krieg wurden die deutschen Kriegsgefangenen überdies, wie bereits erwähnt, für Wiedergutmachungsarbeiten herangezogen und so als politisches Druckmittel mißbraucht.

Bis heute ist diese Gesamtgeschichte der Kriegsgefangenschaft seit dem 19. Jahrhundert noch nicht umfassend erforscht. Dies ist somit auch weiterhin eine Aufgabe der zeitgeschichtlichen Forschung, die dabei -wie bei kaum einem anderen Thema -auf den Zugang zu den Archiven verzichten muß und auch, wie die nicht abgeschlossene Untersuchung der sogenannten Kriegsverbrecherprozesse in der Sowjetunion um 1950 zeigt, von politischen Bedenken und Rücksichtnahmen abhängig bleibt.

Bis heute sind die wichtigsten Quellen für die Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion die Berichte der Heimkehrer selbst.

Während die Archivbestände der britischen, amerikanischen und französischen Gewahrsmächte ungehindert eingesehen werden konnten, mußte das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen in den ostmitteleuropäischen Lagern und in der Sowjetunion weitgehend aus den Erlebnisberichten der überlebenden Gefangenen rekonstruiert werden.

Wichtige Vorarbeiten leistete dabei der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes, der die Aufklärung des Schicksals von Verschollenen und Gefangenen zum Ziel hatte und sich dieser Aufgabe auch heute noch widmet.

Die vorliegenden Erinnerungen, aber auch die wenigen Tagebücher von Gefangenen zeigen, in welchem Maße es in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre gelang, eine festere Lagerorganisation zu etablieren und auf diese Weise dem individuellen und kollektiven Verhalten der Gefangenen eine stabilere Grundlage zu verschaffen. Mangelerscheinungen, zumal eine nicht ausreichende ärztliche Versorgung, sind auch aus diesen Jahren überliefert. Sie widerspiegeln aber nach fast einhelliger Meinung der Betroffenen im wesentlichen die wirtschaftliche Gesamtsituation in der Sowjetunion. So widersprüchlich es in diesem Zusammenhang auch klingt: Die den Gefangenen auferlegte und vielfach aufgezwungene, nicht selten jedoch von ihnen in dem eintönigen und durch quälendes Warten belasteten Gefangenenalltag als Unterbrechung der Eintönigkeit begrüßte Arbeit war die Voraussetzung für eine bessere Ernährung und damit für die Minderung des Hungers und die Stärkung gegen Krankheiten, die oft lebensbedrohend werden konnten. Arbeit füllte so die für die Existenzweise der Gefangenen so typische Raum-und Zeitleere, so quälend auch die fehlenden oder stets durch Willkür gefährdeten Postverbindungen in die Heimat und die Ungewißheit über das Ende der Gefangenschaft war.

In den späten vierziger Jahren war die soziale Struktur der Kriegsgefangenen zunehmend durch die persönlichen Verbindungen zu anderen Block-bewohnern, durch die Arbeitsbeziehungen, aber auch durch gemeinsame Aktivitäten in der arbeitsfreien Zeit geprägt. An die Stelle der landsmannschaftlichen und soldatisch-kameradschaftlichen Verbindungen traten Interessengemeinschaften, die von den Gefangenen nicht selten als „Freßund Organisationsgemeinschaften“ bezeichnet wurden. Die vor 1945 vergleichsweise stark beachteten Unterschiede zwischen Mannschaften und Offizieren wurden zunehmend geringer, nicht allein, weil auch die Offiziere nach 1945 zur Arbeit verpflichtet wurden, sondern weil die politischen Auseinandersetzungen zwischen den „Eidtreuen“, den Anhängern des NS-Regimes, und den „Antinazis“, wie sie sich selbst bezeichneten, zunehmend unwichtiger wurden. Manche der Gefangenen erkannten in der Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen, daß sie mißbraucht worden waren. Andere hielten sich in ihrem Urteil zurück, weil sie Auseinandersetzungen oder politisch motivierte Benachteiligungen vermeiden wollten. Dritte paßten sich nach außen an die verbreitete Terminologie an, um möglichst bald entlassen zu werden. Später wurde vielfach behauptet, die politischen Auseinandersetzungen zwischen den Gefangenen hätten die Grundlagen der Kameradschaft in den Lagern weitgehend zerstört. In dieser Verallgemeinerung ist dieses Urteil nicht haltbar. Denn in den überlieferten Berichten einzelner Kriegsgefangener finden sich immer wieder Hinweise auf die zeitfüllenden und damit auch sinngebenden Tätigkeiten der im politischen und in dem damit eng zusammenhängenden kulturellen Bereich wirksamen „antifaschistischen Lageraktive“. Sie agitierten keineswegs durchgängig die Gefangenen im Sinn sowjetischer Ideologie, sondern organisierten auch Vorträge, gründeten in glücklichen Fällen sogar kleine „Lageruniversitäten“ und versuchten nicht selten, die Traditionen „deutscher Kultur“ und Geschichte vor allem geistesgeschichtlich zu erschließen. In der britischen und amerikanischen Gefangenschaft wurde überdies versucht, die Gefangenen mit den Prinzipien der westlichen liberalen Demokratie vertraut zu machen. Zunächst nahmen einzelne Gefangene, nachdem sie sich aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen innerlich von der nationalsozialistischen Führung gelöst hatten, Kontakte zu Gleichgesinnten oder sogar zu Emigranten auf. Sie baten um Vorträge und versuchten, durch Lagerzeitschriften einen Gesinnungswandel unter ihren Kameraden herbeizuführen. Aus einer dieser Lagerzeitungen ging nach dem Krieg die berühmte, von Alfred Andersch u. a. geprägte und schließlich wegen ihrer Unabhängigkeit sogar von den Besatzungsmächten verbotene Kulturzeitschrift „Der Ruf“ hervor.

Die in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft entstandenen Zeitungen waren hingegen politisch belastet, denn sie zielten mehr als die in amerikanischen „Antifaschistencamps“ hergestellten Publikationen auf eine Darstellung sowjetischer und kommunistischer Positionen; dennoch finden wir auch hier zuweilen Artikel, die den Versuch einer politischen und geistigen Neuorientierung widerspiegelten. Die bereits erwähnten Nachrichten von politischen Auseinandersetzungen in den Lagern wurden nach 1945 zunehmend spärlicher. Statt dessen nahmen die Auseinandersetzungen mit Gefangenen zu, die die Notlage ihrer Kameraden auszunutzen suchten. Die spektakulären „Kameradenschinder“ -Prozesse gegen Gefangene, die nach ihrer Heimkehr von Mitgefangenen angezeigt wurden, wurden nach 1950 aber ausnahmslos nicht wegen politischer Denunziation geführt, sondern richteten sich gegen kriminelle Vergehen und mafiaähnliche Methoden der Erpressung von Kameraden.

Im Rückblick wurden die Erinnerungen an die Gefangenschaft in der Sowjetunion zunehmend durch den Systemkonflikt überlagert, der als Kalter Krieg bezeichnet wird und den Gefangenen damals vielfach das Gefühl gab, die ersten Opfer in dieser Auseinandersetzung gewesen zu sein. Sie deuteten ihr Schicksal, zunehmend aber auch die politischen Auseinandersetzungen in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft aus der Perspektive der fünfziger Jahre, zumal in der DDR viele Mitglieder des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ (NKFD) in der Nationalen Volksarmee eine neue militärische Karriere machten In der DDR wurde zudem seit 1957 die Erinnerung an das NKFD und den Bund Deutscher Offiziere (BDO) als Gegengewicht zum Gedenken in der Bundesrepublik an den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 bewußt gepflegt und auch politisiert. Dies rief entsprechende Reaktionen und auch Widerstände unter den ehemaligen Gefangenen hervor, die nach 1956 vielfach in der Bundeswehr neue Aufgaben übernahmen und dort nicht selten auch ihre militärische Karriere fortsetzten.

In ihrer Auseinandersetzung mit geschichtslegitimatorischen Anstrengungen der DDR-Führung, die das NKFD geradezu als Zentrum eines wirkungsvollen Widerstands gegen das NS-Regime verklärte wurde die sachbezogene und nicht zuletzt auch sozialgeschichtliche Erforschung der Gefangenschaft erschwert. Die geschichtspolitischen Auseinandersetzungen, die an anderer Stelle skizziert worden sind sollen hier nicht nachgezeichnet werden, weil dies den Rahmen unserer Studie sprengen müßte.

VI. Ausblick

Wenn wir die Frage aufwerfen, welche Strukturen die Wirklichkeit der deutschen Kriegsgefangenen in den Lagern prägten, muß eine in zeitlicher Hinsicht möglichst differenzierende Antwort gegeben werden, und dies immer in genauer Kenntnis der im Zeitverlauf schwankenden, von Lager zu Lager und von Lagerregion zu Lagerregion jeweils unterschiedlichen Sterbequoten, die der wichtigste Indikator für die Beurteilung von Überlebenschancen und damit von Lebensverhältnissen der Kriegsgefangenen sind.

Ihre Leidenszeit blieb bis zum Jahre 1944 einerseits geprägt durch geringe Überlebenschancen der Gefangenen im Osten, andererseits durch heftige politische Auseinandersetzungen zwischen regime-kritischen und sich angeblich durch ihren Eid gebunden fühlenden „regimetreuen“ Gefangenen. Zwischen diesen beiden Gruppen erstreckte sich das breite Feld der Indifferenten, die sich in ihren Stimmungen und Entscheidungen weitgehend von ihrem Überlebenswillen, aber auch von den Nachrichten über den Kriegsverlauf bestimmen ließen und seit dem Jahresende 1944 zunehmend die bevorstehende militärische Niederlage der deutschen Wehrmacht als Tatsache akzeptierten.

Aber nicht nur die Ereignisse des Krieges prägten die Geschichte der Kriegsgefangenschaft. Ebenso entscheidend wurden funktionale Differenzierungen, die zugleich entscheidend für die individuellen Überlebensmöglichkeiten werden sollten. Denn Funktionsstellen im Gefangenenlager ermöglichten nicht selten eine Privilegierung im Lageralltag -wie verringerte Arbeitsbelastungen oder ausreichende Lebensmittelrationen, vielleicht sogar begehrte Tauschartikel. Bevorzugt waren dabei aber nicht von vornherein die politisch Willfährigen, sondern Gefangene, die beispielsweise die Sprache der Gewahrsamsmächte beherrschten. In der Sowjetunion bedeutete dies für manche Volksdeutsche, daß sie sogar innerhalb der Lagerverwaltung wichtige Positionen erringen konnten.

Ein weiterer Faktor für die soziale Gliederung der Gefangenen waren schließlich charakterliche Besonderheiten einzelner Gefangener. Rücksichtslose oder gar Kriminelle konnten in der Lagerhierarchie aufsteigen, bisweilen hatten aber auch die besonders Zuverlässigen unter den Gefangenen eine Möglichkeit, Leitungsfunktionen innerhalb der Lagerorganisation übertragen zu bekommen. Hier wie in anderen Lagergemeinschaften galt jedoch im allgemeinen, daß robuste, rücksichtslose, gewalttätige, nicht selten sogar kriminelle Gefangene sich an die Spitze von Baracken und Brigaden boxten. Viele der Gefangenenberichte erinnern geradezu an die Beschreibung der Kriminellen in der eindrucksvollen Analyse von Eugen Kogon über die Lebensverhältnisse im Konzentrationslager, die unter dem Titel „Der SS-Staat“ wenige Monate nach Kriegsende erschien.

Im Vergleich zum Schicksal der russischen Kriegs-gefangenen in deutscher Hand ist hervorzuheben, daß es keinerlei Anzeichen für eine bewußte systematische Vernichtungspolitik der sowjetischen Gewahrsamsmacht gibt. Dies gilt trotz gegenteiliger Behauptungen eines einzelnen Autors, Bacque, auch für die USA. Ebensowenig läßt sich nachweisen, daß Nationalsozialisten gezielt ermordet werden sollten oder aus weltanschaulichen Gründen ausgerottet wurden. Die Hintergründe der Verschleppungen von Zivilpersonen -darunter auch Frauen und selbst Kinder -sind bis heute allerdings ebensowenig aus sowjetischen Quellen darstellbar wie die Geschichte der „Kriegsverbrecherprozesse“ Anfang der fünfziger Jahre.

Abschließend kann ferner behauptet werden, daß Umerziehungsversuche und eine gezielte Bildung von Kadern wohl eine allgemeine Begleiterscheinung der Kriegsführung und auch der Gefangenschaft im Zeitalter der Weltanschauungskriege ausmachen. Antifaschistischer Indoktrination in sowjetischen Gefangenenlagern entsprachen ohne Zweifel die gezielten Umerziehungsversuche deutscher Gefangener in einigen Lagern der USA und Großbritanniens. So sollten 1946/47 nahezu 24 000 deutsche Kriegsgefangene in den USA im Zuge der Aktion „sunflower" auf neue Aufgaben in der deutschen Kommunal-und Selbstverwaltung vorbereitet werden. Auch die britischen Lageruniversitäten dienten keineswegs allein der kulturellen Beschäftigung deutscher Kriegsgefangener, sondern ihrer politischen Umerziehung.

So gehört die Kriegsgefangenschaft einerseits in den Zusammenhang ganz unterschiedlicher und vielfältiger, häufig miteinander vergleichbarer und dennoch kaum zu vergleichender Leidensgeschichten unseres Jahrhunderts. Bedeutete nach dem Völkerrecht die Gefangennahme eines Kombattanten zumindest seine Sicherheit, so war im Zweiten Weltkrieg die Kriegsgefangenschaft nur eine neue Stufe des Leidens der Betroffenen, nicht allein der unmittelbar betroffenen Militärs, sondern vielfach auch der in der Unsicherheit des Schicksals ihrer Angehörigen lebenden Familienangehörigen. Und sie endete keineswegs mit den Kämpfen und mit der Kapitulation, sondern konnte noch Jahre, nicht selten Jahrzehnte währen. Gerade nach dem Krieg entstanden so vielfach neue Gerüchte, etwa von „Schweigelagern“, in denen Gefangene festgehalten würden, die auf ihre Art die Beobachtung illustrieren, daß neben der realen Geschichte auch der mentalitäts-, d. h. bewußtseinsgeschichtliche Niederschlag historischer Ereignisse berücksichtigt werden muß. Dieser Aspekt kann hier nicht näher verfolgt werden, denn er gehört in den Zusammenhang einer Rezeptionsgeschichte der Kriegsgefangenschaft und der individuellen Bewältigung von Extremsi-tuationen, die wohl alle entscheidend prägten, die sich in ihnen zu behaupten hatten und die nach der Entlassung aus der Gefangenschaft Fuß in neuem Leben fassen mußten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Hans Rothfels, Zeitgeschichtliche Betrachtungen, Göttingen 1959, S. 9.

  2. Vgl. Christian Streit, Keine Kameraden: Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941-1945, Stuttgart 1978.

  3. Vgl. Wilfried Becker, Die Brücke und die Gefangenenlager von Remagen. Über die Interdependenz eines Massen-schicksals im Jahre 1945, in: ders. (Hrsg.), Die Kapitulation von 1945 und der Neubeginn in Deutschland, Köln-Wien 1987, S. 45 ff.

  4. Vgl. Alfred Streim, Die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener im „Fall Barbarossa“: Eine Dokumentation unter Berücksichtigung der Unterlagen deutscher Strafverfolgungsbehörden und der Materialien der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen, Karlsruhe 1981.

  5. Vgl. Theodor Schieder (Hrsg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, 8 Bände, München 1985 (Reprint); vgl. ferner Wolfgang Benz (Hrsg.), Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, Frankfurt/M. 1985.

  6. Vgl. Kurt Bährens, Deutsche in Straflagern und Gefängnissen der Sowjetunion, 3 Bände, München 1965.

  7. Vgl. Karl Wilhelm Fricke, Politik und Justiz in der DDR: Zur Geschichte der politischen Verfolgung 1945-1968. Bericht und Dokumentation, Köln 1979, S. 205 ff.

  8. Vgl. die erste Regierungserklärung von Konrad Adenauer, in: Klaus von Beyme (Hrsg.), Die großen Regierungserklärungen der deutschen Bundeskanzler von Adenauer bis Schmidt, München 1979, S. 67.

  9. „Von 12. 00 Uhr bis 12. 02 wird im ganzen Bundesgebiet der Verkehr Stillstehen“, in: DIE ZEIT, Nr. 34 vom 26. 10. 1950.

  10. Vgl. Anm. 9.

  11. „Entsetzen über die Moskau-Erklärung“, in: Süddeutsche Zeitung vom 6. /7. 5. 1950.

  12. Vgl. Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer 1949-1957, Stuttgart-Wiesbaden 1981, S. 273ff.

  13. Dies wird besonders deutlich aus Befragungsergebnissen, die durchgängig im Allensbacher Jahrbuch der öffentlichen Meinung dokumentiert worden sind und hier nicht im einzelnen interpretiert oder nachgewiesen werden sollen.

  14. Einer der größten Bucherfolge der fünfziger Jahre, der Roman von Josef Martin Bauer, Soweit die Füße tragen, München 1955, kam diesem Interesse entgegen. Die Fernsehverfilmung war einer der größten Erfolge der fünfziger Jahre.

  15. Vgl. Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1947-1955, Allensbach 1956, S. 199.

  16. Vgl. dazu Peter Steinbach, Zur Sozialgeschichte der deutschen Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg und in der Frühgeschichte der Bundesrepublik Deutschland: Ein Beitrag zum Problem historischer Kontinuität, in: Zeitgeschichte, 17 (1989) 1, S. 1-8.

  17. Von diesem Bemühen nicht frei ist Heinz Nawratil, Die deutschen Nachkriegsverluste unter Vertriebenen, Gefangenen und Verschleppten, München-Berlin 1986.

  18. Vgl. Jürgen Kocka, Sozialgeschichte, Göttingen 1977.

  19. Diese Berichte befinden sich heute im Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg und stehen unter Beachtung der Grundsätze des Datenschutzes der zeitgeschichtlichen Forschung zur Verfügung. Vgl. jetzt auch Wolfgang Benz u. a. (Hrsg.), Kriegsgefangenschaft: Berichte über das Leben in Gefangenenlagern, München 1991.

  20. Vgl. Albrecht Lehmann, Gefangenschaft und Heimkehr. Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion, München 1986.

  21. Vgl. Arthur L. Smith, Heimkehr aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Entlassung der deutschen Kriegsgefangenen, München 1985.

  22. Vgl. James Bacque, Der geplante Tod: Deutsche Kriegs-gefangene in amerikanischen und französischen Lagern 1945-1946, Frankfurt-Berlin 1989.

  23. Vgl. in diesem Zusammenhang als Gesamtdarstellung Arnold Krammer, Nazi Prisoners of War in America, New York 1979; Hans Werner Richter, Die Geschlagenen, München 1968.

  24. Vgl. Helmut Wolff, Die deutschen Kriegsgefangenen in britischer Hand. Ein Überblick, München 1974; Henry Faulk, Die deutschen Kriegsgefangenen in Großbritannien: Reeducation, München 1970; Kurt W. Böhme, Geist und Kultur der deutschen Kriegsgefangenen im Westen, München 1968.

  25. Vgl. Matthew Barry Sullivan, Auf der Schwelle zum Frieden. Deutsche Kriegsgefangene in Großbritannien 1944-1948, Wien-Hamburg 1981.

  26. Vgl. Hedwig Fleischhacker, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion: Der Faktor Hunger, München 1965.

  27. Vgl. Werner Ratza, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion: Der Faktor Arbeit, München 1973.

  28. Detaillierte Hinweise auf die Äußerungen von Politikern bei E. Maschke (Anm. 5), S. 35.

  29. Vgl. Hermann Jung, Die deutschen Kriegsgefangenen in amerikanischer Hand: USA, München 1972.

  30. Vgl. Kurt W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in französischer Hand, München 1971; Otto Böss, Die deutschen Kriegsgefangenen in Polen und der Tschechoslowakei, München 1974; Kurt W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien 1941-1949, München 1962; ders., Die deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien 1949-1953, München 1964.

  31. Vgl. Christian Streit. Die deutsche Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen, in: Reinhard Kühnl u. a. (Hrsg.), Hitlers Krieg? Zur Kontroverse um Ursache und Charakter des Zweiten Weltkrieges, Köln 1989, S. 126ff.

  32. Darüber wird inzwischen auch in der sowjetischen Zeit-geschichtsforschung diskutiert, wie die Konferenz deutscher und sowjetischer Historiker über Aspekte vergleichender Widerstandsgeschichte in Moskau Mitte März 1991 gezeigt hat.

  33. Vgl. Joachim Wieder, Stalingrad und die Verantwortung des Soldaten, München 19622.

  34. Vgl. Walther von Seydlitz, Stalingrad: Konflikt und Konsequenz, Oldenburg-Hamburg 1977 .

  35. Vgl. Bodo Scheurig, Freies Deutschland: Das Nationalkomitee und der Bund Deutscher Offiziere in der Sowjetunion 1943-1945, Köln 1984; ders., Verrat hinter Stacheldraht? Das Nationalkomitee „Freies Deutschland“ und der Bund Deutscher Offiziere in der Sowjetunion 1943-1945, München 1965.

  36. Vgl. Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (Hrsg.), Flugblätter des Nationalkomitees Freies Deutschland, bearb. v. Eva Bliembach, Berlin 1989.

  37. Vgi. Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (Hrsg.), Zur Geschichte der Kriegsgefangenen im Osten, bearb. von Kurt W. Böhme, Manuskriptdruck, 3 Teile, München 1954-1959.

  38. Vgl. Heinrich Graf von Einsiedel, Tagebuch der Versuchung 1942-1950, Frankfurt/M. 1985 (zuerst 1950), S. 26.

  39. Vgl. Peter Steinbach, Jenseits von Zeit und Raum: Kriegsgefangenschaft in der Frühgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, in: Universitas, 45 (1990) 529, S. 637ff.

  40. Vgl. etwa Alfred Andersch, Die Kirschen der Freiheit. Ein Bericht, Zürich 1968, S. 57ff.; ders., Flucht in Etrurien. Zwei Erzählungen und ein Bericht, Zürich 1983, S. 171 ff.

  41. Dies verarbeitet besonders eindringlich H. W. Richter (Anm. 24).

  42. Vgl. Peter Steinbach, Nationalkomitee Freies Deutschland und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus, in: Politische Aspekte des Exils (= Exilforschung 8), München 1990, S. 62ff.

  43. Besonders eindrucksvoll schildert dies H. Graf von Einsiedel (Anm. 39); vgl. allg. die unbestreitbar beste Monographie zu diesem Lehr-und Umkehrprozeß von Gert Robel, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion: Antifa, München 1974. Eine andere Deutung bietet Karl-Heinz Frieser, Krieg hinter Stacheldraht. Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion und das Nationalkomitee Freies Deutschland, Mainz 1981.

  44. Die Sicht der Antifa-Gegner präsentiert Peter Straßner, Verräter: Das „Nationalkomitee Freies Deutschland“ -Keimzelle der sogenannten DDR, München 1960, ferner z. B. Assi Hahn, Ich spreche die Wahrheit, Esslingen 1951.

  45. Eine Ausnahme als sehr beeindruckendes Beispiel bietet Wolfgang Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion: Aus dem kulturellen Leben, München 1969.

  46. Hier sei nachdrücklich hingewiesen auf Diether Cartellieri, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion: Die Lagergesellschaft. Eine Untersuchung der zwischenmenschlichen Beziehungen in den Kriegsgefangenenlagern, München 1967.

  47. Bleibenden Ausdruck fanden die Anstrengungen in der Zeitschrift „Der Ruf“. Die einzelnen Exemplare der Gefangenenzeitung liegen als Reprint des Münchener Saur Verlags vor. Die Neuherausgabe anderer Gefangenenzeitschriften wäre sehr wünschenswert, denn zugänglich ist als Mikrofilm-Ausgabe nur die Zeitung des „Nationalkomitees“.

  48. Vgl. dazu die bereits aufgeführten Untersuchungen zum Schicksal der einzelnen Kriegsgefangenen in den europäischen Staaten.

  49. Dies wird deutlich in den Erinnerungen von Jesco von Puttkamer, Irrtum und Schuld, Neuwied-Berlin 1948.

  50. Ich skizziere die „Lagergesellschaft“ vor allem auf der Grundlage det wichtigen Studie von D. Cartellieri (Anm. 47) und verzichte deshalb auf genaue Seitenbelege.

  51. Eine intensivere Auswertung von Erinnerungen unter diesem Aspekt findet sich in meinem Aufsatz: Zur Sozialgeschichte (Anm. 17).

  52. Dies arbeitet in beeindruckender Weise A. Lehmann (Anm. 21) heraus.

  53. Bis heute hat sich dieser Begriff erhalten in der Aufforderung: „Holzauge, sei wachsam!“ Das folgende reflektiert der Heidelberger Theologe Eduard Tödt in seinen unveröffentlichten Erinnerungen.

  54. Der Verband der Heimkehrer hat bis heute ohne erkennbaren Erfolg die Veröffentlichung von Untersuchungsergebnissen gefordert, die offensichtlich aus Gründen außenpolitischer Rücksichtnahme bisher selbst einer wissenschaftlichen Öffentlichkeit nicht zur Verfügung gestellt worden sind.

  55. Vgl. dazu den Roman von Douglas Unger, The Turkey War, Toronto 1988. Lewis Carlson von der Western Michigan University Kalamazoo hat mit der Befragung von Amerikanern und in den USA lebenden ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen begonnen, um Licht in diesen „home-front war“ zu bringen.

  56. Machtpolitische Bezüge arbeitet deutlich heraus Andreas Hillgruber, Der Zweite Weltkrieg. Kriegsziele und Strategien der großen Mächte, Stuttgart 1982.

  57. Vgl. dazu P. Steinbach (Anm. 43), S. 69ff.

  58. Dies drückt sich in Buchtiteln wie „An der Seite der Roten Armee“ u. a. aus; vgl. zum Gesamtzusammenhang P. Steinbach (Anm. 43), S. 67ff.

  59. Vgl. Horst Zank, Das Nationalkomitee und der Widerstand, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 41 (1990) 5, S. 298ff.; Peter Steinbach, Der Widerstand in seiner ganzen Breite und Vielfalt, in: ebd., S. 302 ff.

Weitere Inhalte

Peter Steinbach, Dr. phil., geb. 1948; Professor für historische und theoretische Grundlagen der Politik an der Universität Passau; nebenamtlicher Wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Nationalsozialistische Gewaltverbrechen, Berlin 1981; (Mithrsg.) Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus, München 1985; (Mithrsg.) Vergangenheitsbewältigung durch Strafverfahren, München 1986; Politisierung der Region, 2 Bde., Passau 1989; Die Zähmung des politischen Massenmarktes, 3 Bde., Passau 1990.