Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

über das Glück als politische Kategorie | APuZ 22/1970 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 22/1970 Linksradikale Demokratiekritik und politische Bildung über das Glück als politische Kategorie

über das Glück als politische Kategorie

Hartmut Jäckel

/ 34 Minuten zu lesen

Dieser Beitrag ist die erweiterte Fassung eines Vortrags, der im Rahmen der RIAS-Funkuniversität gehalten wurde.

I. Glück und Würde

Bei Ernst Bloch, in seiner berühmten Schrift über „Naturrecht und menschliche Würde", finden wir einen Satz, der uns helfen kann, einen ersten unterscheidenden Begriff von der Bedeutung und der Rolle des Glücks in verschiedenen politischen Systemen zu gewinnen. „Die Sozialutopien", heißt es da, „gehen überwiegend auf Glück, mindestens auf die Abschaffung der Not und der Zustände, die diese erhalten oder produzieren. Die Naturrechtstheorien gehen . . . überwiegend auf Würde, auf Menschenrechte, auf juristische Garantien der menschlichen Sicherheit oder Freiheit, als Kategorien des humanen Stolzes. Demgemäß richtet sich die Sozialutopie vor allem auf Abschaffung des menschlichen Elends, das Naturrecht vor allem auf Abschaffung der menschlichen Erniedrigung. Die Sozialutopie will wegräumen, was der Eudämonie aller, das Naturrecht, was der Autonomie und ihrer Eunomie im Wege steht."

Was uns hier thesenhaft, fast ein wenig pedantisch mitgeteilt wird, darf bei einem so dialektischen und mithin , offenen'Denker wie Bloch nicht als dogmatische Klassifizierung und schon gar nicht als Endprodukt einer geistigen Bemühung verstanden werden; es will vielmehr Anstoß und Ausgangspunkt zu neuen Fragen und neuen Antworten sein. Versuchen wir es.

Zunächst einmal liegt es nahe, Sozialutopie und Naturrechtslehre einem uns geläufigeren und gewiß ähnlich konfliktreichen Begriffs-paar zuzuordnen, sie auf die moderne Unterscheidung von Sozialstaat und Rechtsstaat zu beziehen. Dann wäre, wenn wir Ernst Blochs Terminologie zugrunde legen, für das Glück der Bürger am besten in einem sozialstaatlich verfaßten Gemeinwesen gesorgt, während ein politisches System, das sich zuvörderst als Rechtsstaat begreift, die Würde und Mündigkeit des einzelnen zum Leitbild und Maß aller öffentlichen Dinge erheben wird. Aber Glück und Würde, Abschaffung der Not und Gewähr von Menschenrechten — sind es wirklich Gegensätze, sind es Alternativen, vor die sich je eine menschliche Gesellschaft gestellt sah, um zwischen ihnen zu wählen? Ist es überhaupt vorstellbar, daß Menschen eine solche Wahl zu treffen bereit sind, daß sie sich als politische Wesen um den Preis der Würde für das Glück entscheiden oder umgekehrt für ein Mehr an Freiheit materielle Not in Kauf nehmen?

In Einzelfällen mag diese Bereitschaft vorhanden und begründet sein; im Regelfall ist sie es nicht. Daraus folgt, daß die Beziehung zwischen Glück und Würde, zwischen Wohlstand und Freiheit nichts von einem unverbindlichen Entweder-Oder an sich hat, ganz abgesehen davon, daß ja noch gar nicht ausgemacht ist, ob Wohlstand ohne Freiheit Glück bedeuten, als Glück empfunden werden kann und ob andererseits Freiheit dem, der Not leidet, als ein Garant seiner Würde erscheint. Nein, was hier modellhaft vor uns aufgerichtet wird, sind Grundbedingungen des menschlichen Daseins, sind zwei Seiten ein und derselben Sache, die beide danach drängen, politisch verwirklicht und in Harmonie miteinander gebracht zu werden Umstritten und variabel sind nur ihr Rang, ihr Stellenwert innerhalb eines gegebenen Systems, umstritten ist die Form, in der eine Gesellschaft diese Daseinsbedingungen am besten und erfolgreichsten verwirklichen zu können glaubt. Bloch selbst hat auf die Künstlichkeit einer schroffen Trennung dieser idealtypischen „Traumarten von einem besseren gesellschaftlichen Leben" hingewiesen. „Sie verschränken sich, Glückslehren meinen keinen Garten für unmündige Tiere, Würdelehren keine Kost-verächter . . Mehr als je sei es an der Zeit, „auch die Unterschiede in den sozial-utopischen und den naturrechtlichen Intentionsfeldern funktionell endlich verbunden zu sehen und aufgehoben. Kraft der Gewißheit: es gibt keine menschliche Würde ohne Ende der Not, aber auch kein menschgemäßes Glück ohne Ende alter oder neuer Untertänigkeit"

II. Die Legitimation am Gemeinwohl

Glück, menschgemäßes Glück — ist das überhaupt eine politische Kategorie? Ist Glück sichtbar, greifbar, meßbar? Kann und soll politisches Handeln sich privates Glück, die Wohlfahrt jedes einzelnen oder doch einer möglichst großen Zahl von einzelnen, zum Orientierungs-und Zielpunkt setzen? Feststeht, daß die Menschheitsgeschichte arm an Epochen ist, in denen politische Herrschaft sich erkennbar von diesem Ziel leiten und bestimmen ließ. Um Herrschaft in den Augen der Beherrschten zu legitimieren, bedurfte es jahrhundertelang nicht einmal eines glückverheißenden Lippenbekenntnisses, einer philanthropischen Geste sozialer Gerechtigkeit und Großmut. Eben dies besagt und bezeugt ja der Begriff der Sozialutopie als einer, wie Ernst Bloch sie genannt hat, Traumart von einem besseren gesellschaftlichen Leben. Daß sich von ihm träumen und das Geträumte sich mitteilen ließ, war immerhin nicht wenig, und wir Heutigen stünden anders da, hätte es die Träume und Visionen, die Erkenntnisse und Lehren abendländischer Philosophie nicht gegeben.

Es ist hier nicht der Ort, die mit Aristoteles beginnende geistige Entwicklungslinie nachzuzeichnen, die das Glück der Bürger mit dem Zweck des Staates verbindet. An der Schwelle des demokratischen Zeitalters war es insbesondere John Locke, der über political happiness als Staatsziel reflektierte. Ein anderer Engländer, der Vater des Utilitarismus, Jeremy Bentham, den manche zugleich als Begründer des Staatssozialismus betrachten, hat ein Jahrhundert später die Schlüsselworte geprägt, von denen das „Prinzip des größten Glücks der größten Zahl" noch heute geläufig ist.

Benthams berühmte Declaration ot Principles, 1831 als Wahlversprechen eines Parlaments-kandidaten formuliert, beginnt mit dem Satz: „Ich erkenne an, als das einzige Recht und eigentlichen Zweck der Regierung: das größte Glück der Mitglieder der Gemeinschaft . . Doch das erste Bekenntnis zur Förderung des irdischen Glücks, das in einem politischen Dokument feierlich abgelegt wird, datiert bereits von 1776. Es ist die von Thomas Jefferson verfaßte amerikanische Unabhängigkeitserklärung, die den Menschen nicht nur ein angeborenes Recht auf Leben und Freiheit, sondern auch auf die Verfolgung ihres Glücks zu-spricht Es ist die Sprache einer neuen Zeit Wilhelm Hennis, der die Formel vom pursuit of happiness eine der eigenartigsten Thesen der Unabhängigkeitserklärung genannt hat, wendet sich nachdrücklich gegen jene, die in ihr nur „die verfassungsrechtliche Sanktionierung einer platt egoistischen Nützlichkeitsethik sehen wollen" Nein, hier wird ein in der Geschichte der Alten wie der Neuen Welt bislang unerprobter Auftrag an die Regierung erteilt, sich immer und überall am Gemeinwohl, am Wohlergehen des Bürgers zu legitimieren. Die Glücksformel soll Richtschnur und Maßstab sein, Ausdruck des klassischen, vormachiavellistischen Rechts auf das gute Leben und sichtbares Zeichen der Ablehnung einer Staatsräson, die höher steht als das Schicksal des einzelnen. „Was hier in die Form eines Rechts gegossen wird", bemerkt Wilhelm Hennis, „ist der zentrale Gedanke der abend-ländischen politischen Philosophie." Ernst Bloch hat sich übrigens ähnlich geäußert. Auch für ihn steht die Unabhängigkeitserklärung in der bewußt aufgenommenen Tradition von religiöser Gewissensfreiheit, Naturrecht und Toleranz die allesamt zu den elementaren politischen Tugenden zählen.

Daß sich der Inhalt des Glücks und die Formen seiner Verwirklichung mit den Zeitläuften kräftig gewandelt haben, ist selbstverständlich. Die fortschreitende Säkularisierung ist dabei nur ein Faktor unter vielen gewesen. Geblieben aber ist ein spezifisch amerikanisches, aus der Glücksidee abgeleitetes und von ihr gespeistes Sendungsbewußtsein, kraft dessen sich das Volk der Vereinigten Staaten unausgesprochen wohl noch heute als „inventor and practitioner of a way of life far surpassing all others in possibilities for justice and happiness" empfindet.

Ob es recht daran tut, ob die freundliche Zeile „Amerika, du hast es besser" auf das Glück seiner gegenwärtigen Bewohner in vollem Maße zutrifft, ist hier nicht zu entscheiden. Als sicher darf jedoch gelten, daß uns Deutschen die Integration des persönlichen Glücksstrebens in den Staatszweck besonders schwer gefallen ist. Der konstitutionellen Monarchie des Kaiserlichen Deutschland, die immerhin einen nahezu intakten Rechtsstaat und eine ansehnliche Reihe kleiner Schritte im sozialen Bereich vorzuweisen hatte, war der Gedanke einer Selbstverpflichtung der Herrschaft auf das Glück ihrer Bürger fremd. Man empfand es als Schwächung, ja als Entwertung der höheren Ziele des Staates und der Nation, ein banales bürgerliches oder gar proletarisches Glück als diesen Zielen adäquat zu betrachten. Ein Beispiel mag diese Denkungsart verdeutlichen.

III. „Kulturideal und Glücksidee" — ein deutsches Dilemma

Max Haushofer, um die Jahrhundertwende ein namhafter Repräsentant des nationalliberalen Bildungsbürgertums und Vater des Geopolitikers Karl Haushofer, sah Kultur und Glück, „Kulturideal und Glücksidee" — wie er nuancenreich formuliert — als Gegensätze. Im Nachlaß Haushofers, der 1906 als Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Königlich Technischen Hochschule zu München starb, fand sich der Torso eines Lehrbuchs der Politik, das einige Jahre später unter dem Titel „Das Volk und -sein Staat" veröffentlicht wurde „Ein Fortschreiten auf dem Wege zum Glück aller", liest man hier, „wer möchte das nicht wollen? Aber auch ein Fortschreiten auf dem Wege zur Gesittung aller — wer könnte dagegen sein? Und wie ist's, wenn jemand behauptete, daß der Weg zur Gesittung und der Weg zum Glück nicht nebeneinander zu einem Ziel führen, sondern auseinander?" Ehe uns der Autor die Frage zu beantworten versucht, erweist er sich, anders als viele Theoretiker des Glücks vor ihm, als Realist. Er geht nämlich von der täglich erfahrbaren Relativität des Glücks aus, davon, daß seine Idee für jeden einzelnen eine andere ist. „Der eine sieht ein Glück darin, reich zu werden; ein anderer darin, Armut leichter ertragen zu lernen. Der Kranke kann ein Gefühl des Glücks haben, wenn er verspürt, daß die Kraft der Krankheit gebrochen ist und die Rekonvaleszenz herannaht; er kann aber auch zu einem Gefühl des Glücks kommen, wenn er sich seiner letzten Stunde nähert, wenn er . .. nur noch die dunkle Empfindung hat, daß bald alles zu Ende sein wird."

Vielleicht ist es diese Unbestimmtheit dessen, was Glück im Dasein des einzelnen ausmacht, vielleicht ist es aber auch das im deutschen Staatsdenken traditionell vorherrschende Bekenntnis, daß der einzelne wenig, sein Volk hingegen sehr viel sei, — jedenfalls fin-det unser Autor als Antwort auf die Frage „Ist der Zweck des Staates das Glück seiner Angehörigen?" ein halbes Ja und ein halbes, aber gleichwohl mächtigeres Nein angemessen. Ein Ja insofern, als der Staat dafür sorgen müsse, jene äußeren Zustände zu schaffen, die gemeinhin als Bedingungen des privaten Glücks angesehen werden: persönliche Sicherheit, Garantie des Eigentums, Freiheit der Lebensführung, Schutz der Volksgesundheit und ähnliches. Ein kräftiges Nein insofern, als der „große Unterschied zwischen den Lebenszielen des einzelnen und der Gemeinschaft" im Konfliktfalle gebiete, das Glücksziel dem soge-nannten Kulturzweck hintanzusetzen. „Der einzelne wird, wenn er vor die Wahl gestellt ist, ob er das will, was seinem Glück zuträglich ist, oder dasjenige, was ihn vollkommener, edler, menschlicher macht, in neunundneunzig unter hundert Fällen das erstere wählen. Die Gesamtheit aber", so fährt Haushofer fort, „verfolgt in erster Linie den Kulturzweck . .. Und alle geistigen Führer der Gesamtheit, alle jene hinreißenden geistlichen oder weltlichen Autoritäten,, welchen jemals Völker enthusiastisch folgten, haben es stets verstanden, die von ihnen geleiteten Völkermassen ihr Glücksideal vergessen zu lassen und sie auf ein wahres oder mißverstandenes Kultur-ideal hinzulenken."

Ein wahres oder mißverstandenes Kulturideal, das dem Streben nach dem kleinen Glück den Weg verlegt — fürwahr, die Geschichte, zumal die deutsche Geschichte, hält Beispiele genug für diesen Vorgang bereit. Man braucht dazu nicht einmal auf so unmenschliche und glücksferne Parolen wie „Du bist nichts, dein Volk ist alles" zu verweisen (eine Maxime übrigens, die weder dem einzelnen noch dem Volke bekömmlich zu sein pflegt). Es genügt, daran zu erinnern, daß hierzulande etwa die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung generationenlang als verbindliches Kultur-ideal, als erste Bürgerpflicht gegolten hat; sie zu erfüllen, stand in Staat und Familie ein nicht minder glückloses, glückentleertes Gehorsamkeitsideal zu Diensten. Das mitunter schmerzliche Glück der Unruhe, der Vereinzelung, in einem literarischen Titel wie „Unordnung und frühes Leid" doppelsinnig aufgehoben, hatte in dieser wilhelminisch geprägten Kulturlandschaft kein Lebensrecht.

Daß Staatsräson und Bürgerglück sich selten vertragen, bedarf keiner Worte. Der Konflikt, der aus dieser Unverträglichkeit entsteht, kann in aller Regel nur durch ein hartes Entweder-Oder gelöst werden. Aber dies ist heute leichter gesagt als getan. Der autoritäre Staat, die herrschende Klasse, die führende Partei oder wer immer sonst beansprucht, im Namen des menschlichen Fortschritts das Glück des einzelnen in seine Obhut zu nehmen, es zu definieren und zu regulieren, müssen sich vorsehen. Der Haushofersche Gegensatz zwischen dem, was — nach Ansicht des einzelnen — „seinem Glück zuträglich ist", und jenem, was — nach Meinung der Mächtigen — „ihn vollkommener, edler, menschlicher macht", enthält in nuce das ganze Dilemma einer latent totalitären Gesinnung. Die Zeitgenossen sind diesen Tönen gegenüber hellhörig und reizbar geworden. Deshalb wird ihnen, wie eine Fülle von Beispielen belegt, gern ein verschleierndes, ganz auf den Glücksbegriff gestimmtes Vokabular vorgesetzt, das die Reizung mindert. Sich von ihm nicht beirren zu lassen, setzt voraus, seine Funktion zu durchschauen.

Aber auch die Gesinnung wird selten noch konsequent durchgehalten. Ein Staat, der seinen Bürgern das Glück privater Zufriedenheit rigoros verwehrt, der den Raum einer freien Persönlichkeitsentfaltung übermäßig einengt, muß heute damit rechnen, mit solchen Übergriffen seine innere Stabilität aufs Spiel zu setzen. Selbst die gegenüber einer Kritik von unten bemerkenswert unempfindliche DDR-Führung hat sich mehr als einmal veranlaßt gesehen, den der Bevölkerung auferlegten Informations-, Reise-und Konsumverzicht (um nur diese drei Aspekte zu nennen) dialektisch zu rechtfertigen oder gar mit dem Versprechen ernstlicher Abhilfe an die Geduld ihrer Bürger zu appellieren. Ein Beispiel dafür ist die berühmte Lebensstandard-Parole, die Walter Ulbricht auf dem V. Parteitag der SED am 10. Juli 1958 verkündet hat. „Unser V. Parteitag", so ließ Ulbricht sich damals vernehmen, „hat die ökonomische Hauptaufgabe für den nächsten Abschnitt unseres Weges zu beraten, und ich schlage daher im Auftrag des Zentral-komitees vor, als ökonomische Hauptaufgabe zu beschließen: Die Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik ist innerhalb weniger Jahre so zu entwickeln, daß die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung der DDR gegenüber der Herrschaft der imperialistischen Kräfte im Bonner Staat eindeutig bewiesen wird und infolgedessen der Pro-Kopf-Verbrauch unserer werktätigen Bevölkerung mit allen wichtigen Lebensmitteln und Konsumgütern den Pro-Kopf-Verbrauch der Gesamtbevölkerung in Westdeutschland erreicht und übertrifft . .. Wir schlagen der Arbeiterklasse und der ganzen werktätigen Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik vor, durch gemeinsame größere Anstrengungen in den nächsten drei Jahren die ökonomische Hauptaufgabe bis 1961 zu lösen."

Daß dieser Termin klanglos verstrichen und der als ökonomische Hauptaufgabe bezeichnete, übrigens nur scheinbar auf ein echtes Einholen der Bundesrepublik im Konsumgüter-sektor abzielende Plan bis heute unerfüllt geblieben ist, sei nur am Rande bemerkt. Aufschlußreicher ist, daß damals in der UdSSR wie in der DDR die Gralshüter der marxistischleninistischen Ideologie erstmals zum Tanz um das Goldene Kalb der westlichen Konsumgesellschaft angetreten sind. Ohne die Vorstellung, daß Glück und materieller Wohlstand einander bedingen (wobei kurioserweise am imperalistischen Westen beeindruckt Maß genommen wird), sind offenbar Programm und Praxis des Sozialismus, der sich auf seine immateriellen Errungenschaften und humanistischen Perspektiven so viel zugute hält nicht mehr denkbar. Zumindest hier ist die sich anbahnende Konvergenz der Systeme mit Händen zu greifen. Dabei ist es gleichgültig, von welchen taktischen Überlegungen Ulbrichts wirtschaftspolitische Losung vom Juli 1958 diktiert war: ob sie den Glauben an die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung zu stärken trachtete, ob sie sich als Anreiz verstand, die noch unausgeschöpften inneren Reserven der heimischen Produktivkraft zu mobilisieren, oder ob diese Glücksverheißung ein letzter Versuch gewesen ist, ihre Adressaten zum Ausharren zu bewe-gen und davon abzuhalten, ihr Glück, wie so viele Hunderttausende vor ihnen, im damals noch relativ mühelos erreichbaren Westen Deutschlands zu suchen. Fest steht, daß der Wettstreit um Produktions-und Verbrauchs-zahlen längst zu einem Symbol nicht nur der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der verschiedenen politischen Systeme, sondern auch der von ihnen verbürgten Glücksverwirklichung des einzelnen geworden ist.

Zumindest in diesem Bereich wird auf lange Sicht an Bedeutung und Gültigkeit verlieren, was ein jüngerer westdeutscher Politikwissenschaftler vor einigen Jahren allzu apodiktisch so formuliert hat: „Das Handeln der demokratischen Regierung unterscheidet sich vom Handeln nicht-demokratischer Regierungen durch sein Ziel: das Glück der Bürger. Wie sehr auch andere Regierungstypen hervorheben mögen, daß auch ihr Handeln letztlich darauf abziele, das Wohl der Menschen zu fördern, so ist doch erwiesen, daß in nicht-demokratischen Gesellschaften sehr häufig das Glück der Menschen zurücktreten muß hinter dem Ansehen der Regierenden, hinter dem Prestige der Nation, hinter den Eroberungsplänen der herrschenden Schicht."

Andere Beobachter haben demgegenüber festgestellt, daß die Scheidung in demokratische und nicht-demokratische Systeme für die menschliche Glücksverwirklichung nur noch wenig besagt. „Eudämonismus und Staatsräson", lesen wir etwa in der — übrigens von einem betont konservativen Weltbild geprägten — „Allgemeinen Staatslehre" des Hamburger Staatsrechtlers Herbert Krüger, „sind heute keine Gegensätze mehr: Gerade die Staatsräson verlangt, daß der Staat so viele seiner Bürger wie möglich so glücklich mache wie möglich ... Staatsräson und Glück haben sich gefunden, weil . unglückliche'Menschen heute ein schwacher Punkt eines jeden Staates sind." Dem ist zuzustimmen, und wir werden darauf zurückkommen.

IV. Staatliche Glückslehren auf Kosten des einzelnen

Aber abgesehen davon, ist es nicht ohne makabren Reiz zu entdecken, daß kein deutscher Politiker häufiger und emphatischer vom Glück und Glücklichsein gesprochen hat als Adolf Hitler. Verfügte er über eine klare Vorstellung dessen, was das Glück der Volks-genossen im nationalsozialistischen Staat ausmachen sollte? Man wird dies bejahen und dabei auf einen Satz verweisen können, in dem Hitler, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, von einem negativen Glücksbegriff ausgeht: Der Nationalsozialismus, erklärt er am 30. Januar 1936, sei keine „Lehre des Glücks . . ., sondern eine Lehre der Arbeit, eine Lehre des Ringens und damit auch eine Lehre der Opfer"

Haben die Deutschen diese heroische Lehre, die zweifellos manche verschüttete Neigung zum wilhelminischen „Kulturideal" für sich zu nutzen verstand, innerlich akzeptiert, hat sie ihnen eingeleuchtet, ist sie der deutschen Mentalität am Ende gar wahlverwandt und wesensgemäß? Je mehr wir heute, ein Viertel-jahrhundert nach dem Untergang des Dritten Reiches, darüber zu wissen meinen, desto schwerer fällt es, die Frage für beantwortbar zu halten. Doch mag daran erinnert sein, daß Thomas Mann es war, der sich im Kriegsjahr 1942 mit ganz unzeitgemäßer Schärfe gegen die Annahme wehrt, das deutsche Volk liebe die Welt, die ihm „dieses Mißgeschick von Führer" beschert hat: „Wer das behauptet, ist ein analphabetischer Schwätzer, der etwas von deutscher Tiefe hat läuten hören, die nicht nach dem Glück, sondern nach einem heldenhaften Dasein verlangt." Das Moment des Kämpferischen und Gewalttätigen, das die nationalsozialistische Weltanschauung beherrscht steht natürlich auch dann in einem harten Kontrast zu der fast idyllisch anmutenden Staatszweckformel des pursuit ot happiness, wenn wir die ausdrückliche Absage Hitlers an das Glück hinwegdenken. Ein politischer Führer, der mitten im Frieden und im Vollbesitz einer konsolidierten Herrschaft so prononciert dem Kampf, der Arbeit und dem Opfer das Wort redet, gibt sich damit deutlich genug als Verächter des kleinen, individuellen Glücks zu erkennen, mag er auch glauben, er werde als Prophet und Gestalter eines großen, überindividuellen, völkischen Glücks dem einzelnen nicht nur nichts schuldig bleiben, sondern ihn doppelt und dreifach für jedes private Opfer entschädigen.

Eben dies hat Hitler geglaubt — oder doch zu glauben behauptet: „Was ich will, ist das Glück meines Volkes." Immer wieder beschwört er, um nur einige Redewendungen aus dem Repertoire zweier Jahre (1935 und 1936) herauszugreifen, vor seinen Zuhörern das Glück, den „Wandel der Zeit" zu erleben das Glück, „sagen zu können: Ich bin seit damals dabeigewesen" „das Glück, Zeugen einer ebenso bewegten wie großen Zeit zu sein" „das Glück, die Jugend, der Nachwuchs dieses Volkes zu sein" „ das Glück . . ., daß wir wieder zurückgefunden haben zu einer Gemeinschaft, zu einem Volk" oder endlich „das Glück unseres inneren deutschen Wirtschafts-, sozialen und politischen Friedens" Als „größtes", „höchstes", „stolzestes" Glück figuriert in raschem Wechsel bald das „Glück des gegenseitigen Verstehens im eigenen Volke" bald die Pflichterfüllung bald das Erlebnis der „Wiederherstellung unserer einzigartigen Armee"

Totalitäre Regime ähneln sich, an der Oberfläche zumindest. Aber in dieser Hinsicht unterscheidet sich der sozialistische Staat deutscher Nation nicht unerheblich vom national-sozialistischen. Die Führer der DDR gehen — vor allem dort, wo es Gegenwärtiges zu beschreiben gilt — mit dem Begriff des Glücks ungleich sparsamer um. Gewiß betrachten sie es, um ein Beispiel zu nennen, als „Glück für das deutsche Volk, daß auf dem Gebiete der DDR mit der verhängnisvollen Spaltung der Arbeiterklasse ein für allemal Schluß . . . gemacht worden ist" — eine Leistung, die übrigens auch Hitler für sich in Anspruch genommen und auf der Habenseite des nationalen Glücks verbucht hat. Aber im offiziellen Vokabular der ersten deutschen Arbeiter-und Bauern-Macht überwiegen doch Glücksformeln, die auf die Zukunft gemünzt sind Sie lassen das Glück als Lohn eines langen Marsches durch sozioökonomische Perspektivpläne gewissermaßen nur am Horizont der Geschichte aufscheinen, mag dies nun kluger Rücksicht auf jene Negativfaktoren des DDR-Alltags entspringen, die das individuelle Glück der Bürger nach wie vor mindern und behindern, oder mag darin zugleich der eschatologische Charakter der auf ein irdisches Paradies zielenden Ideologie seinen Ausdruck finden. Letzteres liegt um so näher, als in der DDR die „Periode des umfassenden Aufbaus des Sozialismus" — seit dem VII. Parteitag der SED (1967) „Periode der entwickelten sozialistischen Gesellschaft" genannt — ja noch nicht abgeschlossen ist, eine Periode übrigens, die als „gesellschaftlich notwendige Voraussetzung" des Übergangs zum Kommunismus ihrerseits nur eine Etappe, nur ein Zwischenstadium darstellt. Mindestens bis zu der diesen Übergang markierenden Vollendung des Aufbaus des Sozialismus muß die Glückseligkeit der Gläubigen wie der Ungläubigen Stückwerk bleiben.

So gesehen ist es nur folgerichtig, wenn der SED-Staat immer wieder die „glückliche Zukunft der Menschheit im Sozialismus" beschwört, wenn er seine Glücksverheißung mit Vorliebe in Worte kleidet, in denen sich Ansporn und Vertröstung mischen: „Wir wollen heute wie Sozialisten arbeiten, weil wir morgen auf sozialistische Weise in Wohlstand und Glück leben wollen." Walter Ulbricht, der diesen Satz 1958 geprägt und 1963 ausdrück-lieh bekräftigt hat wäre gewiß bereit, ihn als Motto auch für die siebziger Jahre zu akzeptieren. Sprüche dieser Art haben etwas von der pragmatischen Aktualität des immer-währenden Kalenders. Wer täglich von den Siegen des Morgen spricht, vermag den Pflichten und Entsagungen des Heute die Dauer von Jahrzehnten zu geben.

Daß die von Partei und Staat regulierte literarische Projektion des sozialistischen Glücks eine vergleichbare Dialektik nicht kennt, ist nur scheinbar ein Widerspruch. Die Literatur, von ihren wachsamen Förderern dazu bestimmt, die Stunden der Muße des Werktätigen ideologisch einwandfrei mit „echten Gefühlswerten" (Ulbricht) anzureichern, hat eine durchaus andere gesellschaftliche Funktion. Weniger Stimulans denn Beschwichtiger geistiger Unruhe ist sie darauf angelegt, der Phantasie des Lesers zu suggerieren, „in diesem besseren Land" aufs beste aufgehoben zu sein. Zumal die Lyrik der DDR hat sich, von berühmten Ausnahmen abgesehen, von Anbeginn als leistungsstolze Erbauungslyrik verstanden, in der das pralle Glück seine sonnenbeschienenen Muskeln spielen läßt, während Klassenfeind und literarische Qualität gemeinsam auf der Strecke bleiben. Nun haben politische Systeme, die das betreiben, was euphemistisch „Kunstpolitik" heißt, schon immer verheerend auf anpassungswillige schriftstellerische Talente gewirkt und manch eines in der korrumpierenden Rolle des Flos-und Staatspoeten zugrunde gerichtet. Und doch: Wieviel trennt, um zwei Variationen über ein Thema anzuführen, einen so dilettantisch stumpfen Vers wie „Dieser Garten voller Glück — das ist unsere Republik" (Max Zimmering) von der dynamischen Handschrift eines Majakowskij: „Ich bin eine Sowjet-maschine — erbaut, um Glück zu produzieren!" Daß das Genre des solchermaßen literarisch zur Schau gestellten „Wir-schaffen-es" -Optimismus nur noch künstlich am Leben erhalten wird, ist heute, da die Kraftquellen der Oktoberrevolution längst versiegt oder verschüttet sind, keine Frage mehr. Um so fragenswerter dürfte dagegen sein, ob die staatlichen Kulturfunktionäre und Kunstzensoren tatsächlich glauben, mit ihrer Tätigkeit der Gesellschafts-Ordnung, der sie dienen, einen Dienst zu erweisen. Werden sie je erfahren und, wenn sie es erfahren, würde sie beschäftigen, was Heinrich Böll jüngst dazu bemerkt hat — nämlich: „Im Interesse der Sache des Sozialismus und des sozialistischen Realismus wäre nichts mehr zu wünschen, als daß der Alleinvertretungsanspruch für das Glück auf Erden aufgegeben und zugegeben würde, daß auch in sozialistischen Ländern die Menschen leiden können, vor allem leiden dürfen und sich fragen müssen, welchen Sinn denn das Leiden habe"? Böll hat damit nur auf seine Weise, engagiert und distanziert, beklagt, was für die unmittelbar Betroffenen, für die in das Joch des sozialistischen Glücksmonopols gespannten Autoren eine drückende Realität ist. Durch Andrej M. Sinjawskij, der seine Manuskripte unter dem Pseudonym Abram Terz im Westen veröffentlichen ließ und deshalb im Februar 1966 wegen „antisowjetischer Agitation und Propaganda" zu sieben Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde, wissen wir, daß dieses Monopol nicht nur schlechte Literatur, sondern „Muckertum und gemeine Heuchelei" erzeugt Dank der stets gleichen Grundtendenz, „uns immer wieder an den Triumph des Kommunismus zu erinnern", spottet Sinjawskij, „ist jedem Werk des sozialistischen Realismus schon vor seinem Erscheinen ein glücklicher Ausgang sicher. Dieser Ausgang kann für den Helden, der im Kampf für den Kommunismus alle erdenklichen Gefahren auf sich nehmen muß, traurig sein. Vom Standpunkt des überpersönlichen Ziels aus gesehen, ist er immer glücklich . . ." Schon ein Titelvergleich der westlichen und der sowjetischen Literatur genüge, um sich von dem „heiteren Dur" der letzteren zu überzeugen — wobei an der Spitze repräsentativer Sowjettitel natürlich wiederum das Wort Glück zu finden ist. Schließlich begeht Sinjawskij gar das Sakrileg, den sozialistischen Realismus dem Geist des 18. Jahrhunderts und den lyrischen Lobpreisungen der Regierung Katharinas II. zuzuordnen, der untertan zu sein alle Vasallen Rußlands als „ihr Glück erkennen" sollten Der Bogen zwischen Weiß und Rot, zwischen Zarismus und dogmatischem Sozialismus, war damit gespannt und zugleich, für Sinjawskij, überspannt.

V. Das technische Zeitalter und der Nord-Süd-Konflikt

Dennoch kommt der für die Selbstdarstellung moderner Diktaturen so charakteristischen Wertschätzung und übermäßigen Inanspruchnahme des Glücksmotivs keineswegs eine nur repressive, verschleiernde und herrschaftsstabilisierende Funktion zu. Schon die bloß verbale Bereitschaft, sich am Glück der Massen zu orientieren und zu legitimieren, ist eine Reverenz gegenüber der demokratischen Idee, weckt entsprechenden Appetit und zeitigt Wirkungen, denen sich auch und gerade die Führer der Diktatur des Proletariats nicht völlig entziehen können. Sie stehen unter dem selbst-geschaffenen Zwang, die Kluft zwischen Glücksverheißung und Glücksverwirklichung nicht zu breit werden zu lassen, und sie haben ihre Politik darauf einzurichten. Dabei ergibt sich, daß die Befriedigung ökonomischer Wünsche und Bedürfnisse für ein auf sein Meinungs-, Informations-und Erziehungsmonopol bedachtes Regime noch immer ein Maximum an Nutzen bei einem Minimum an Gefährdung mit sich bringt. Folgerichtig ist das Bemühen dieser Regime um eine kontinuierliche Hebung des Lebensstandards in aller Regel ebenso echt wie ihre bei der Anprangerung wirtschaftlicher Mißstände an den Tag gelegte Entrüstung. Im übrigen deutete sich in Majakowskijs Metapher von der Glück produzierenden Sowjet-maschine bereits an, was die Welt unserer Tage, diesseits wie jenseits der ideologischen Barrieren, kennzeichnet: Das technische Zeitalter ist allen düsteren Prognosen zum Trotz hüben wie drüben das Zeitalter des kleinen Mannes geworden. Es vermochte seinen Wohlstand in immer kürzeren Intervallen immer kräftiger zu mehren, und es hat den Anschein, als werde diese Entwicklung sich auch künftig ungebrochen fortsetzen. An ihrem Anfang stand freilich mehr als nur das historisch-statistische Faktum der Industrialisierung, der Massenproduktion, die schließlich auch zu einer Vertiefung der Klassengegensätze und zu wachsender Verelendung des Proletariats, wie Marx sie voraussah, hätten fuhren können. Daß es anders gekommen, daß dem nach wie vor kapitalistischen Westen rechtzeitig die entscheidende Synthese liberal-rechtsstaatlicher und sozial-wohlfahrtsstaatlicher Elemente gelungen ist, hat die westliche Welt keinem Geringeren als Marx und der seinen Namen tragenden Bewegung zu verdanken. Ob wir diesen Vorgang, wie es nahezuliegen scheint, als Ironie der Geschichte klassifizieren dürfen, ist dabei noch nicht einmal ausgemacht. Denn wer vermöchte zu sagen, zu welchen Schlüssen Marx käme, wenn er etwa die Lebensbedingungen, den Sozialstatus und das „Glückspotential" der schwedischen und der polnischen Arbeiterschaft im Jahre 1970 vergleichend in Augenschein nähme.

Bei Herbert Krüger finden wir den bemerkenswerten Wandel zum Wohlfahrtsstaat, der sich binnen eines halben Jahrhunderts vollzogen hat, in knappen Strichen skizziert: „Der Staat konnte sich der Rolle des Glücksspenders von dem Augenblick an nicht mehr entziehen, in dem der einfache Mann in ständig wachsender Zahl zum . Arbeitnehmer'in der Fabrik geworden war und hier handgreiflich zweierlei erlebte: Daß die Technik die praktische Möglichkeit zu einer Verbesserung der Welt in großem Stile zu schaffen vermag, daß es ihm jedoch auf sich selbst gestellt nicht möglich sei, seine individuelle Lage entsprechend zu heben." In dieser Situation habe sich der Sozialismus der „Forderung, glücklich gemacht zu werden", angenommen und die „Befriedigung des irdischen Glücksverlangens einer wachsend glückshungrigen Menschheit auf seine Fahnen geschrieben". Die darin liegende Herausforderung „hat die nichtsozialistischen Staaten gezwungen, sich dem gleichen Ziel, wenn auch mit anderen Mitteln, zu widmen"

Dabei kam diesen Staaten sicherlich zugute, daß der Sozialismus dort, wo er praktiziert, wo in seinem Namen Macht ausgeübt wurde, so rasch pervertierte. Er fand nicht nur kein positives und selbstbewußtes Verhältnis zur menschlichen Freiheit, sondern gab auch seine ursprüngliche, auf die Gleichheit aller gerichtete Glücksidee bedenkenlos preis. Während noch Lenin in Anlehnung an Marx und Engels ein Höchstmaß wirtschaftlicher und sozialer Gleichheit als wesentliches Merkmal der sozialistischen Gesellschaftsordnung betrachtete, setzte Stalin das „der Leistungssteigerung dienende Prinzip der Differenzierung" durch, das erst im Kommunismus vom Gleichheitsprinzip abgelöst werden könne. Damit war das Programm einer maximalen Streuung maximal gleicher Glücksbedingungen, war der „eudaimonistische Gleichheitsgedanke der Klassiker des Marxismus" zumindest als Nahziel ebenso aufgegeben wie Lenins Forderung, kein Funktionär dürfe mehr verdienen als ein qualifizierter Facharbeiter. Damit nicht genug, blieb bei selbstkritischer Betrachtung auch unerfüllt, was nach Charles Fourier (1772 bis 1837) der entscheidende Beitrag des Sozialismus zum Wohl des arbeitenden Menschen hatte sein sollen: Glück und Arbeit derart zu verbinden und ineinszusetzen, daß letztere zu einem schöpferischen Kraftquell des Vergnügens, der Begeisterung und inneren Befriedigung wird

Summiert ergibt all dies ein recht beträchtliches Defizit. Die sozialistische Projektion von Glück — das verdient festgehalten zu werden — hat ihren utopischen Charakter bis heute weitgehend bewahrt. Diese unfreiwillige Traditionspflege ist um so erstaunlicher, aber auch befremdlicher, als kein sozialistischer (wohl aber mancher nichtsozialistische) Staat seinen Bürgern schuldig bleibt, was schon Fourier als Unterpfand des Glücks gefordert hat: „die Garantie des Wohlstands, eines ausreichenden Mininums für die Gegenwart und die Zukunft, die jeden Menschen samt seiner Familie aller Sorgen enthebt"

Daß der ökonomische Erfolg, das konzertierte Streben nach maximalen Zuwachsraten, hoher Rentabilität und immer höherem Pro-Kopf-Verbrauch keine Faktoren mehr sind, an denen die beiden großen, unsere Gegenwart prägenden politischen Systeme sich scheiden, leuchtet in einer Zeit, die der Krise eines sich stetig verschärfenden Nord-Süd-Gegensatzes entgegentreibt unmittelbar ein. Der äußere Wohlstand der nördlichen Welthälfte versteht sich — wie einst bei Friedrich Theodor Vischer oder Max Weber das Moralische — heute und in Zukunft von selbst. Es wäre widersinnig, das Wort vom Nord-Süd-Konflikt, dessen Dimensionen elementar ökonomischer Natur sind, im Munde zu führen und einen gleichartigen Konflikt zwischen den reichen Völkern des Nordens als fortbestehend zu behaupten. Trotz der desolaten Lage einer Reihe von sozialistischen Volkswirtschaften trennt Ost und West, am afroasiatischen oder lateinamerikanischen Lebensstandard gemessen, nur mehr ein mittleres Wohlstandsgefälle. Selbst ideologische Differenzen über Funktion und Gestalt einer fortschrittlichen Wirtschafts-und Handelspolitik verlieren im Zeichen von Liberman und NOS an Schärfe. Gerade die DDR, die noch immer von massiven Fehlplanungen und systembedingten Engpässen des Waren-angebots heimgesucht wird, hat kraft ihres wachsenden Produktionspotentials gute Chancen, diese hartnäckigen Begleiterscheinungen einer handgesteuerten Zentralverwaltungswirtschaft allmählich zu überwinden und ihre mangelhafte Infrastruktur zu verbessern. Das wird manche Spannung, im Innern wie nach außen, lösen, mag auch der Abstand zur bundesdeutschen Uberflußgesellschaft uneinholbar bleiben, ja — wie die Statistiken ausweisen — von Jahr zu Jahr zunehmen. Jenseits eines gewissen Versorgungs-und Sättigungsgrades spielt der Abstand zur Spitze eine zwar unverändert fühlbare, aber doch untergeordnete Rolle 45a).

Die Dynamik des friedlichen Wettbewerbs zwischen Ost und West, nicht zuletzt um die uns näher rückende Dritte Welt, trägt gleichfalls dazu bei, das wirtschaftspolitische Verhalten beider Seiten aus gehöriger Distanz aufeinander abzustimmen und international relevante Unterschiede-(sprich: den Attraktivitätsvorsprung des Konkurrenten) abzubauen. Tatsächlich geht dieser Wettbewerb, wie Herbert Krüger deutlich gesehen hat, gerade auch um die Frage, „welches System mehr , Glück'verspreche und welches insbesondere den Entwicklungsländern zu einem solchen Glück am besten verhelfen könne. Es ist vielleicht eines der seltsamsten Schauspiele der Weltgeschichte, wie Europa, gleichgültig ob kapitalistisch oder kommunistisch, sein ökonomisches Ideal von Glück über die ganze Welt in einem Augenblick zu verbreiten sucht, in dem ein solches Glück zuweilen den Glücklichen selbst anfängt zweifelhaft zu werden."

VI. Identität von Glück und Konsum?

über der politisch geteilten Erde des alten Kontinents ein ungeteilter Himmel gemeinsamer Glücksvorstellungen — das Bild hat seinen Reiz und gewiß auch seine Wahrheit. Aber ist es wirklich ein rein ökonomisches Ideal von Glück, dem Europa sich verschrieben hat, dem es verfallen ist? Manches erweckt diesen Anschein, und dennoch dürfte er trügen. Als Golo Mann nach dem 21. August 1968 in einem Interview mit dem Deutschen Fernsehen gefragt wurde, was seiner Meinung nach an Wünschen und Hoffnungen hinter dem „Prager Frühling", hinter der Popularität der Nach-Januar-Politik gestanden habe, nannte er die „Sehnsucht nach mehr Glück" an erster Stelle, und er grenzte diese Sehnsucht deutlich ab von dem auf den zweiten Platz verwiesenen Streben nach mehr materieller Wohlhabenheit. Damit ist, für diesen Teil Europas zumindest, nicht nur das in seiner Vordergründigkeit ohnehin suspekte Klischee einer Identität von Glück und Konsum beseitigt, sondern zugleich eine Brücke geschlagen zwischen dem Empfinden, glücklich zu sein, und den kleinen Freiheiten des Alltags, deren Verweigerung oder Rationierung den Durchschnittsbürger und vor allem die Jugend der CSSR offenbar am schmerzlichsten betrafen: die Freiheit, zu reden, zu fragen und zu widersprechen, die Freiheit, zu reisen, sich zu informieren und auch dem fremden Gesprächspartner gegenüber ohne Reue offenherzig zu sein, die Freiheit auch, gestrengen Autoritäten und regierungsamtlichen Parolen statt mit kritiklosem Respekt mit kritischer Respektlosigkeit zu begegnen. Der Einwand, diese in der (monopol-) sozialististischen Projektion von Glück getilgten Freiheiten möchten sich zwar an der Moldau einer gewissen, zweifellos übertriebenen Wertschätzung erfreuen, während in der DDR, der Volksrepublik Polen oder der Sowjetunion selbst die Nachfrage des Publikums nach ihnen erloschen sei, ist kaum ernst zu nehmen. Die überlieferte Erfahrung von ein paar tausend Jahren spricht gegen ihn. Wer sie außer acht läßt, setzt sich dem Verdacht aus, das zu sein, was Thomas Mann — wir haben das Wort zitiert — einen „anachronistischen Schwätzer" genannt hat.

In der pluralistisch-kapitalistischen Gesellschaftsordnung ist die Diagnose schwieriger, sind Rang und Rolle der kleinen und großen Freiheiten auf der gemeinen Glücksskala allenfalls indirekt abzulesen. Mancher Beobachter hält dafür, daß diese Freiheiten dem entpolitisierten Konsumbürger wenig oder nichts bedeuten, daß sie ihm auf der Jagd nach materiellen Glücksgütern gleichgültig geworden seien, daß er sie missen könne, ohne sie zu vermissen. Vermutlich wird dabei etwas Wesentliches übersehen. Noch immer verführt der Umgang mit einem jederzeit verfügbaren Gut, das ebenso mühelos wie ungefährdet in Anspruch genommen werden kann, zu Achtlosigkeit. Sie hat mit Geringschätzung nicht notwendig zu tun, und es lassen sich Zustände denken, unter denen dies auch schlichteren Gemütern ähnlich eindrucksvoll offenbar wird wie der jäh entdeckte Wert des Wassers dem Verdurstenden. Ein Tag im Leben der permissive Society, der in der Obhut eines aufmerksamen Staatssicherheitsdienstes verbracht werden müßte, wäre zweifellos ein kräftiger Impuls für den zuvor nie bewußt verspürten Wunsch nach einer Fortsetzung des Daseins ohne Furcht vor politischen Apparatschicks. George Orwells in das Jahr „ 1984" verlegte Phantasmagorie braucht dazu gar nicht bemüht zu werden.

VII. Schlußbetrachtung

Das gegenwärtige Nebeneinander und die Perspektive einer künftigen Konvergenz der Systeme werden demnach von zwei Faktoren entscheidend bestimmt oder doch mitbestimmt. Erstens: Unter dem gemeinsamen Dach wirtschaftlichen Wohlstands gibt es politische, gesellschaftliche und kulturelle Formen zulässiger Glücksverwirklichung, die in Ost und West auf kennzeichnende Art verschieden sind. Zweitens: Desungeachtet scheinen die persön-liehen Glücksvorstellungen der Menschen hüben und drüben auch im nicht-ökonomischen Bereich in bemerkenswertem Maße konstant und gleichartig geblieben zu sein.

Für die Richtigkeit dieser zweiten These ließe sich eine Fülle von Indizien ergänzend ins Feld führen. Willy Brandt hat in einer 1965 angestellten Betrachtung über „Die Haltung der Ost-Berliner" darauf hingewiesen, daß selbst DDR-Publikationen zufolge „die Mehr-29 zahl der Jugendlichen ein , privates Glück'anstrebe und das . kollektive Glück', das von der Partei proklamiert worden ist, ablehne" Brandt fuhr fort: „Auch die Einstellung zum Erwerb von privatem Eigentum als Ausweis seiner gehobenen sozialen Position nähert sich der im Westen anzutreffenden Haltung. Einige der nur sehr dosiert veröffentlichten Erhebungen haben das für die Kommunisten deprimierende Ergebnis gehabt, daß nach 20 Jahren ihres kaum eingeschränkten Einflusses die Jugend drüben ganz ähnliche Wünsche hegt wie bei uns." Kaum eine Bilanz der nach-stalinistischen Ära versäumt es, aufmerksam zu machen auf diese Wiederentdeckung des privaten Glücks und die Bildung „privater Räume", die — auch in der UdSSR — „unaufhaltsam neben den weiterhin zu respektierenden gleichförmigen Erklärungen des Lebens nach Histomat und Diamat . . . aufgebaut zu werden" scheinen Räume, in denen der einzelne sich individuell und unkontrolliert entscheidet. „Die Individualität des Einzelnen ist es, worauf die Jungen schwören."

Wenn all das richtig ist, dann sind nicht nur die Menschen anders, als die dogmatischen Marxisten annehmen, sondern dann stellt die Affinität der persönlichen Glückserwartung eines der bemerkenswertesten verbindenden Elemente der nachwachsenden Generationen in Ost und West dar. Unter solchen Auspizien wird es in Zukunft nicht eben leichter werden, mündige Menschen dem Diktat einer künstlich gelenkten und verengten staatlichen Projektion von Glück zu unterwerfen. Der stolze Satz, es gebe „keine andere Partei als die revolutionäre Partei der Arbeiterklasse, die unbeirrbar dem Volk den einzig richtigen Weg zu Frieden und Glück zeigt" ist ein anmaßender Anachronismus.

Es gibt ihn nicht, den einzig richtigen Weg zum Glück. Glück ist keine ideologisch oder wissenschaftlich fixierbare, sondern eine extrem variable, offene, am höchstpersönlichen Bedarf orientierte Größe. Konkrete Glückslehren stehen meist in Widerspruch zu anderen konkreten Glückslehren — wenn sie nicht bereits ein Widerspruch in sich sind. Nach Charles Fourier ist die Hauptquelle des Glücks der ständige Wechsel der Betätigungen; nach Mihailo Markovic hat die Mehrheit der Menschen „seit jeher von einem Zustand geträumt, der, als Voraussetzung für das größtmögliche Glück, ohne Arbeit und ohne Veränderung sei" Was können wir daraus lernen? Vielleicht dieses: Aufgabe einer — mit Ernst Bloch zu reden — menschgemäßen Politik ist es nicht, das Glück der Bürger zu reglementieren, sondern ihnen jeden der tausend und mehr . richtigen'Wege zum Glück offenzuhalten und freizustellen. Insofern verdient das Glück als Kategorie politischen Handelns durchaus ernster genommen zu werden, als dies dem deutschen Staatsdenken seit der Reichsgründung vor hundert Jahren entsprochen hat Noch in der Weimarer Zeit fand ein angesehener Staatsrechtslehrer die Vorstellung, „daß die individuelle Glückseligkeit vom Staat gewährleistet werden könnte, . . . geradezu grotesk; das Glück ist so individuell, so unfaßbar, so innerlichster Art, daß ihre , Garantie'durch den Staat keine Stelle mehr in unserer Ideenwelt finden kann"

Diese in Verlust geratene Stelle sollte in unserer Ideenwelt wieder geschaffen werden (freilich ohne dabei den mißverständlichen und fehlerhaften Begriff der , Garantie'zu bemühen). Der Stellenwert der politischen Projektion von Glück bemißt sich vor allem anderen nach der Summe verfassungskräftig verbürgter Freiheitsrechte und dem Grad ihrer mit Hilfe sozialstaatlicher oder sozialistischer Modelle erreichten . Verallgemeinerung'. Beide Aspekte müssen zusammen gesehen und auf-einander abgestimmt werden Die einseitige Hervorhebung und Wertschätzung des wohlstandsökonomischen Faktors ist ebenso bedenklich wie Gleichgültigkeit gegenüber den uns allzu selbstverständlich erscheinenden Freiheiten der pluralistischen Demokratie Erst ihre Bedrohung, von innen oder von außen, läßt uns gelegentlich spüren, daß selbst die ganz unprätentiös ausgeübte Freiheit der Meinungsäußerung ein Gut ist, das Glück vermittelt und Glück erzeugt, ja daß sie zu den Bedingungen zählt, ohne die das Glück des an seiner Umwelt anteilnehmenden Bürgers auch dann nicht vollkommen sein kann, wenn er aller wirtschaftlichen Sorgen ledig ist. Es liegt an uns, dieser einfachen Wahrheit mehr Gegenwart zu geben, auf daß die Schatten einer glücklosen Vergangenheit nicht wiederkehren.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Ernst Bloch, Naturrecht und menschliche Würde, Frankfurt a. M. 1961, S. 234 f. (Hervorhebung im Original).

  2. Nichts anderes gilt für das vielerörterte Begriffs-paar Rechtsstaat — Sozialstaat. Vgl. zu dieser heute allgemein akzeptierten Erkenntnis, die schon den Vätern des Grundgesetzes geläufig war, vor allem Otto Bachof, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 12, Berlin 1954, S. 37 ff. mit Leitsatz I 6 („Rechtsstaatliches und sozialstaatliches Prinzip sind nur in begrenztem Umfange antinomisch"), und Wolfgang Abendroth, Das Grundgesetz, Pfullingen 1966, S. 66 f.

  3. Bloch, a. a. O., S. 235.

  4. A. a. O., S. 237.

  5. Vgl. Bentham’s „Constitutional Code, for the use of all Nations and all Governments professing Liberal Opinions", Chapter 7.

  6. Nähere Aufschlüsse gibt Dolf Sternberger, Das Menschenrecht nach Glück zu streben, in: D. St., Ich wünschte ein Bürger zu sein, Frankfurt a. M. 1967, S. 131 ff. — ein in die zeitgenössischen Denkvorstellungen und den Glückseligkeitstopos mit nützlichen Hinweisen einführender Essay.

  7. R. M. Maclver, Macht und Autorität (The Web of Government, 1947), Frankfurt a. M. 1953, S. 153.

  8. Wilhelm Hennis, Zum Problem der deutschen Staatsanschauung (1959), in: W. H., Politik als praktische Wissenschaft. Aufsätze zur politischen Theorie und Regierungslehre, München 1968, S. 19 f.

  9. Hennis, a. a. O., S. 20.

  10. Bloch, a. a. O„ S. 79 ff.

  11. So Edward McNall Burns, The American Idea of Mission, 1957, S. 32. Dazu paßt das stolze Wort Herman Melvilles: „We Americans are peculiar, chosen people, the Israel of our times, we bear the ark of the liberties of the world." Bemerkenswert ist, daß Melville damit nur formulierte, wovon auch zahllose Nichtamerikaner seiner Zeit offenbar tief überzeugt waren; wohl nie in der Geschichte ist von einem so ausgeprägt nationalen (oder kontinentalen) Sendungsbewußtsein so viel überseeische Faszination ausgegangen. Vgl. ferner Hans J. Morgenthau, The Purpose of American Politics, New York 1960, S. 99 f.: „The American purpose was intended not only to bestow the happiness of equality in freedom upon Americans but also to give through the American achievement an example of the happiness that is within the grasp of all men."

  12. Max Haushofer, Das Volk und sein Staat, München o. J. (1914).

  13. Haushofer, a. a. O., S. 310.

  14. A. a. O., S. 311.

  15. Protokoll der Verhandlungen des V. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (10. bis 16. Juli 1958), Band 1, Berlin (Ost) 1959, S. 68, 70

  16. Vgl. beispielsweise Ulbrichts Neujahrsbotschaft 1967: „Wir haben gemeinsam in den letzten 20 Jahren die menschlichste aller Aufgaben erfüllt, nämlich das Volk von dem Joch kapitalistischer Ausbeutung befreit und damit die Grundlagen für eine humanistische Menschengemeinschaft geschaffen" (Neues Deutschland vom 1. Januar 1967, S. 1).

  17. Heinz Laufer, Die demokratische Ordnung, Stuttgart 1966, S. 430.

  18. Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, Stuttgart 1965, S. 582.

  19. Max Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen 1932— 1945, München 1965, Band I 2, S. 571.

  20. Thomas Mann, Radiosendung nach Deutschland vom März 1942, in: T. M., Politische Reden und Schriften, Band 3, Frankfurt a. M. und Hamburg 1968, S. 221.

  21. Dazu neuerdings Eberhard Jäckel, Hitlers Weltanschauung. Entwurf einer Herrschaft, Tübingen 1969, insbes. S. 86 ff. („Der Staat als Mittel zum Zweck").

  22. Interview mit Ward Price vom 17. Jan. 1935; Domarus, a. a. O., S. 476.

  23. Rede vor SA, SS und NSKK vom 15. Sept. 1935; Domarus, a. a. O., S. 533.

  24. Gedenkrede im Bürgerbräukeller vom 8. Nov. 1935; Domarus, a. a. O., S. 554.

  25. Rede vor der Hitlerjugend vom 12. Sept. 1936; Domarus, a. a. O., S. 641.

  26. Ansprache an die Jugend vom 1. Mai 1936; Domarus, a. a. O., S. 620.

  27. „Appell an das ganze deutsche Volk" vom 1. Mai 1936; Domarus, a. a. O., S. 622.

  28. Erntedankfestrede auf dem Bückeberg vom 4. Okt. 1936; Domarus, a. a. O., S. 650.

  29. Rede in Saarbrücken zur Rückgliederung des Saargebiets vom 1. März 1935; Domarus, a. a. O., S. 486.

  30. wie Anm. 29; a. a. O., S. 488.

  31. Rede vor Politischen Leitern auf der Nürnberger Zeppelinwiese vom 13. Sept. 1935; Domarus, a. a. O., S. 530.

  32. Paul Verner, Das Bündnis der werktätigen Massen und der Aufbau des Sozialismus, in: Probleme des Friedens und des Sozialismus, Heft 5, 1964, S. 371.

  33. Vgl. etwa die Einleitung des Statuts der SED von 1963 sowie Teil I des Statuts der FDJ von 1963/1967.

  34. Protokoll der Verhandlungen des V. Partei-tages der SED, a. a. O., S. 84 f.

  35. Walter Ulbricht, Das Programm des Sozialismus und die geschichtliche Aufgabe der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Referat auf dem VI. Parteitag der SED (15. bis 21. Januar 1963), Berlin (Ost) 1963, S. 157.

  36. Heinrich Böll über Alexander Solschenizyn: „Im Interesse der Sache", in: Der Spiegel, Heft 14/1970, S. 198.

  37. Abram Terz, Der Prozeß beginnt, Frankfurt a. M. und Hamburg 1966, S. 154.

  38. Terz, a. a. O., S. 130.

  39. A. a. O., S. 143 f.

  40. Herbert Krüger, a. a. O., S. 802. Noch pointierter Werner Maihofer, Demokratie im Sozialismus, Frankfurt a. M. 1968, S. 2 f.: „Das kapitalistische System der westlichen Industrieländer wäre längst auf dem von Marx gewiesenen Wege in den Strudeln proletarischer Revolutionen untergegangen, ohne seine permanente Reiorm aus dem Geiste eben dieser von Marx geborenen antikapitalistischen Theorie: des Sozialismus . . . Denn: eben die Injektion dieser antikapitalistischen Theorie hat das kapitalistische System zu den immanenten Reformen provoziert, die es immun gemacht haben gegen seinen nach den klassischen Voraussagen schon längst eingetretenen Verfall in Massenelend und Produktionsanarchie" (Hervorhebung im Original). Vgl. auch Pietro Quaroni, Kultur und Politik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, 21. Dez. 1960, S. 782: „Der Wettbewerb mit dem Kommunismus zwingt uns, die Werte und die Äußerungen unserer Kultur . . .den sich stets ändernden Umständen anzupassen. Die Geschichte hat in ihrem viel-tausendjährigen Bestehen eine Menge amüsanter Paradoxe geschaffen. Der Kommunismus ist entstanden, um das Ende unserer Zivilisation zu beschleunigen: es kann sein, daß es im Gegenteil der Kommunismus ist, der unserer Kultur neues Leben geben wird."

  41. Vgl. dazu Walter Meder, Die Entwicklung der sowjetischen Staats-und Rechtstheorie, in: Marxismus — Leninismus, Universitätstage 1961 der FU Berlin, Berlin 1961, S. 89 ff. (92).

  42. Meder, a. a. O., S. 93.

  43. Dazu Iring Fetscher, Unterwegs zur arbeitslosen Gesellschaft, in: Neues Forum (Wien), Heft 196/1 (April 1970), S. 346 ff.

  44. Zitiert nach Fetscher, a. a. O., S. 346.

  45. Dazu heute insbesondere Reimut Jochimsen, Die Kluft zwischen Nord und Süd, in: Das 198. Jahrzehnt. Eine Team-Prognose für 1970 bis 1980, Hamburg 1969, S. 97 ff.

  46. Herbert Krüger, a. a. O., S. 583. — Zur Verflachung des ursprünglich auf das allgemeine Wohl (general welfare) gerichteten amerikanischen Glückskonzepts vgl. Hans J. Morgenthau, a. a. O., S. 204: „Happiness and wealth tend to become synonymous".

  47. Büro für Gesamtberliner Fragen (Hrsg.), Berlin — Sowjetsektor, Berlin 1965, S. 217 f. Ebenso Jürgen Rühle, Der bisherige Weg des „anderen Deutschland", in: Vorträge der Hessischen Hochschulwochen, 54. Bd., Bad Homburg, Berlin und Zürich 1967, S. 68 ff. (76).

  48. A. a. O., S. 218 (Hervorhebung im Original).

  49. Werner Philipp, in: Der Monat, Heft 174 (März 1963), S. 21, zum Thema „Zehn Jahre nach Stalins Tod".

  50. Wanda Bronska-Pampuch, Phönix aus Stalins Asche, in: Der Monat, a. a. O., S. 83. Für die DDR vgl. insbes. auch Rudolf Maerker, Jugend im anderen Teil Deutschlands, München 1969, S. 71 ff.

  51. Beschluß des V. Parteitages der SED über den Kampf um den Frieden, für den Sieg des Sozialismus, für die nationale Wiedergeburt Deutschlands als friedliebender, demokratischer Staat, in: Protokoll der Verhandlungen des V. Parteitages der SED, a. a. O., Band 2, S. 1410.

  52. Mihailo Markovic, Dialektik der Praxis, Frankfurt a. M. 1968, S. 80 f.

  53. Der älteren deutschen Staatslehre war das Glückseligkeitsprinzip durchaus vertraut; vgl. etwa Carl Welckers Bearbeitung des Stichworts „Gesamtwohl" in: Rotteck — Welcker, Staats-Lexikon oder Encyklopädie der Staatswissenschaften, 6. Band, Altona 1838, S. 579 ff.

  54. Fritz Stier-Somlo, Deutsches Reichs-und Landesstaatsrecht, Band I, Berlin und Leipzig 1924, S. 95.

  55. Dieser Synthese können weder die primär rechtsstaatlich-liberal noch die primär wohlfahrtsstaatlich-sozial orientierten Systeme ausweichen, ohne auf die Dauer Schaden zu nehmen. — Was erstere angeht, hatten kritische Liberale wie Leopold von Wiese schon vor sechzig Jahren klar erkannt, „daß der Liberalismus darin irrte, . . . daß die freie Gesellschaft nur voller Freiheit bedürfe, um das Glück aller herbeizuführen; vielmehr lehrte die Erfahrung des Industrialismus, daß auch gesellschaftliche Gruppen, die von der ökonomischen Freiheit emporgehoben wurden, andere Klassen, die von ihnen abhingen, zu bedrücken bereit waren" (Einführung in die Sozialpolitik, Leipzig 1910, S. 91). Das Zitat findet sich auch in von Wieses Schrift „Staatssozialismus", Berlin 1916, S. 73. — Vgl. dazu ferner Erich Fechner, Die soziologische Grenze der Grundrechte, Tübingen 1954, S. 16 ff. (S. 18: „Die Grundrechte brauchen offenbar ein Mindestmaß wirtschaftlichen Wohlstandes, eine gewisse Weiträumigkeit, um verwirklicht werden zu können").

  56. Zur „Gefährdung der Freiheit durch die Freiheit" eindringlich Erich Fechner, a. a. O., S. 32 f.

Weitere Inhalte

Hartmut Jäckel, Dr. jur., LL. M. (Yale), geb. 30. September 1930, Studium der Rechts-wissenschaften in Tübingen, Heidelberg, Freiburg i. Br. und New Haven, Conn. (USA), wissenschaftlicher Assistent am Institut für öffentliches Recht in Freiburg und am Institut für Rechtsvergleichung der Universität Paris, seit 1963 Lehrbeauftragter am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Grundrechtsgeltung und Grundrechtssicherung, Berlin 1967; Wahl-führer 1969, München 1969; Innerdeutsches Gegeneinander oder Nebeneinander?, in: Außenpolitik nach der Wahl des 6. Bundestages, Opladen 1969; zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften.