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Internationale Demokratisierungshilfe | APuZ 43/1997 | bpb.de

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APuZ 43/1997 Legitimität und Kompatibilität in der entwicklungspolitischen Praxis Demokratischer und besser?. Der Beitrag von Nichtregierungsorganisationen zur Demokratisierung internationaler Politik und zur Lösung globaler Probleme Nichtregierungsorganisationen und ihre Legitimität Internationale Demokratisierungshilfe Von den besten Nichtregierungsorganisationen im Süden lernen

Internationale Demokratisierungshilfe

Stefan Mair

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Internationale Demokratisierungshilfe hat seit mehr als sechs Jahren Konjunktur. Die Mittel, die von der internationalen Gebergemeinschaft jährlich für Fördermaßnahmen in Afrika südlich der Sahara, in Osteuropa, in Lateinamerika und Asien zur Verfügung gestellt werden, betragen mittlerweile an die drei Mrd. DM, Tendenz steigend. Der Bereich der Demokratisierungshilfe zeichnet sich durch eine Vielzahl staatlicher und meist öffentlich geförderter nichtstaatlicher Träger aus. Während sich die Konzepte der einzelnen Träger sehr unterscheiden, sind diese sich doch in der Definition der grundsätzlichen Zielsetzung im wesentlichen einig: Sie wollen zu mehr politischer Partizipation, zu mehr und fairerem politischem Wettbewerb, zur Nutzung politischer Freiheiten, zum wirksamen Schutz von Menschenrechten und zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit beitragen. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Trägern sowohl in der Schwerpunktsetzung als auch in der Rigidität, mit der sie diese allgemeinen Ziele in konkrete demokratische Modelle übersetzen. Hieraus lassen sich auch Unterschiede in der Festlegung prioritärer Arbeitsbereiche ableiten. Die unterschiedlichen Träger verfolgen nicht nur verschiedene inhaltliche Konzepte in der Demokratisierungshilfe, sondern auch unterschiedliche Ansätze bei der Art ihres Engagements. Diese reichen von der Entsendung ständiger Vertreter bis zur fast ausschließlich finanziellen Abwicklung von Projekten, deren inhaltliche Gestaltung dann einer Durchführungsorganisation obliegt. Unter den Instrumenten der Demokratisierungshilfe dominieren die Beratung und die Schulung mittels Konferenzen und Seminaren -während rein finanzielle und materielle Hilfe immer weniger gewährt wird. Auch die früher häufig gepflegte enge institutioneile Zusammenarbeit mit einem Partner im Empfängerland hat deutlich an Bedeutung verloren.

Internationale Demokratisierungshilfe gehört seit sechs Jahren zu den wenigen Wachstumsbereichen der Auslandshilfe. Zwei Faktoren lösten diese Entwicklung aus: erstens der Zusammenbruch autoritärer Regime in Osteuropa und Afrika südlich der Sahara nach dem Ende des Ost-Welt-Konflikts und zweitens das Mitte der achtziger Jahre neu definierte Paradigma der Entwicklungspolitik, positive politische Rahmenbedingungen seien entscheidend für eine erfolgreiche sozioökonomische Entwicklung. Die westliche Gebergemeinschaft zog daraus die Konsequenz, die Erweiterung der demokratischen Staatenwelt aktiv zu unterstützen. Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre bestahd die Förderung der Demokratie auf staatlicher Ebene vor allem in der Verhängung entwicklungspolitischer Sanktionen gegenüber autoritären Staaten. Politische Konditionalität von Entwicklungshilfe wurde zum prägenden Begriff. Die Kritik an diesem Konzept führte zu einer stärkeren Betonung der aktiven Förderung von Demokratisierung, den sogenannten Positivmaßnahmen. Nichtstaatliche Organisationen hatten sich in diesem Feld bereits vor Ende der achtziger Jahre engagiert.

Doch nicht nur entwicklungspolitische, sondern auch sicherheits-und wirtschaftspolitische Erwägungen machen Demokratisierungshilfe zu einem internationalen Anliegen. Das Kantsche Axiom -Demokratien führen keine Kriege gegeneinander -ist zwar angekratzt, darf aber noch immer als Regel gelten, die, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bestätigt wird. Darüber hinaus haben Demokratien den Ruf, verläßlichere und kalkulierbarere Handelspartner zu sein als autoritär regierte Staaten Auch die Nachfrage nach dieser Art externer Unterstützung ist gestiegen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl formal demokratischer Staaten um mehr als 40 erhöht. Die meisten jungen Demokratien liegen in Osteuropa und Afrika südlich der Sahara. Diese zum größten Teil über Jahrzehnte hinweg autoritär regierten Staaten äußern großen Bedarf an materieller und personeller Unterstützung zur Etablierung und Konsolidierung demokratischer Systeme.

I. Träger der Demokratisierungshilfe

Bei genauerer Betrachtung der einzelnen Träger der Demokratisierungshilfe läßt sich die in der Entwicklungszusammenarbeit gängige Dichotomie zwischen staatlicher und nichtstaatlicher Kategorie schwer durchhalten, da es einige Mischformen gibt. In einer Grauzone befinden sich Entwicklungsagenturen, die formal unabhängig sind, de facto jedoch unter starker staatlicher Kontrolle stehen, und multilaterale Organisationen, die sowohl von Staaten als auch von Nichtregierungsorganisationen (NROs) getragen werden. Zahlreiche NROs, die formell ohne staatliche Beteiligung geführt werden, hängen in der Regel von staatlichen Zuwendungen ab.

Unter den multilateralen staatlichen Trägern spielen folgende Organisationen eine gewichtige Rolle: die Vereinten Nationen (VN) mit ihrer Electoral Assistance Division (EAD) und dem Centre for Human Rights (CHR) in Genf, die UNDP, die EU, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die OSZE mit ihrem Office of Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR) sowie das Commonwealth Secretariat. Die größten Mittelvolumen unter diesen Organisationen verwalten die UNDP und die EU. Die UNDP reklamiert, zuletzt jährlich 750 Mio. DM zur Förderung von Demokratie und good governance ausgegeben zu haben. Die EU unterhält vier wesentliche Haushaltstitel zur Förderung von Demokratie: die jeweils mit zirka 20 Mio. DM jährlich (1993) ausgestatteten Programme PHA-RE und TACIS zur Stärkung der Demokratie in Ostmitteleuropa bzw. in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und das etwa 20 Mio. DM (1993) umfassende Programm zur Förderung von Menschenrechten und Demokratie in Entwicklungsländern. Demgegenüber bleiben andere internationale staatliche Träger weit zurück. Dem Demokratieförderprogramm der OSZE, ODIHR, stehen beispielsweise jährlich (1993) nur ungefähr 3, 6 Mio. DM zur Verfügung. Unter den nationalen staatlichen Entwicklungsagenturen engagieren sich die skandinavischen und kanadischen Institutionen die U. S. Information Agency (USIA) und vor allem die U. S. Agency for International Development (USAID) in der Demokratisierungshilfe. Sie verfügen entweder, wie USAID, über eigene Programmtitel für diese Aufgabe oder versuchen, wie vor allem die skandinavischen Organisationen, Demokratisierungshilfe verstärkt in ihre klassische Entwicklungszusammenarbeit zu integrieren. Das Democracy and Governance Programme von USAID umfaßte 1994 600 Mio. DM -eine Summe, die von keiner anderen staatlichen Entwicklungsagentur auch nur annähernd erreicht wird.

Fast alle staatlichen Entwicklungsagenturen bedienen sich bei der Durchführung entsprechender Maßnahmen nationaler NRO. Diese Vorgehensweise bevorzugt auch eine Reihe von Ministerien, die für die Förderung von Demokratisierung im Ausland zuständig sind, so vor allem das niederländische Entwicklungshilfeministerium und das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Aber auch das deutsche Auswärtige Amt (AA) und das britische Außenministerium stellen Mittel zur Förderung von Demokratie bzw. zugunsten von good government zur Verfügung. Bis vor kurzem leistete das BMZ Demokratisierungshilfe fast ausschließlich über NROs, insbesondere über die partei-nahen politischen Stiftungen, aber auch über die kirchlichen Entwicklungsdienste. Das dafür zur Verfügung stehende Finanzvolumen liegt bei durchschnittlich 300 Mio. DM jährlich. Hinzu kommen noch weitere 80 Mio. DM, die nach Angaben des BMZ in diesen Bereich fließen und meist im Rahmen der Technischen Zusammenarbeit, also in der Regel über die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) abgewickelt werden

Diese Mittelvolumina klingen beachtlich. Gemessen an den Gesamtaufwendungen betragen die Demokratieförderprogramme bei USAID und BMZ jedoch weniger als zehn Prozent. Im Falle der UNDP, die ihre Aufwendungen für Demokratisierungshilfe bei nahezu 50 Prozent der verwalte-ten Gesamtmittel veranschlagt, sind Zweifel erlaubt, ob es sich nicht bei vielen Projekten, die sie dem Bereich der Demokratisierungshilfe zuordnet, um ein relabelling handelt -um ein Verfahren, bei dem jede entwicklungspolitische Maßnahme, die in irgendeiner Weise partizipativen Charakter hat, dem Bereich der Demokratisierungshilfe zugeschlagen wird. Zumindest wird eine sehr breite Definition der Demokratisierungshilfe zugrunde gelegt Das dürfte auch für einen Großteil der solchermaßen bezeichneten BMZ-Mittel gelten, die nicht an die politischen Stiftungen fließen.

Während der Bereich staatlicher Träger von Demokratisierungshilfe noch einigermaßen überschaubar ist, tummeln sich im nichtstaatlichen Sektor eine Vielzahl von NROs. Die langjährigste und umfassendste Erfahrung unter ihnen weisen die deutschen parteinahen politischen Stiftungen auf. Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) nahm ihre internationalen Aktivitäten in diesem Feld 1957 auf, die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) folgten Anfang/Mitte der sechziger Jahre, die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) in den siebziger Jahren. Als jüngste Schöpfung folgten seit 1990 die drei den Grünen nahestehenden Stiftungen, die 1997 zur Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) verschmolzen. Die Projekt-aktivitäten der politischen Stiftungen, die jeweils einer der im deutschen Bundestag sitzenden Parteien nahestehen, werden aus einem Etatposten des BMZ bezahlt. Mittel von ungefähr 300 Mio. DM jährlich werden anhand einer Quote unter den Stiftungen aufgeteilt, die sich an der Größe der Parlamentsfraktionen der ihnen nahestehenden Parteien orientiert

Das deutsche Stiftungsmodell stand für ähnliche Finanzierungsmodelle in den USA und Großbritannien Pate. In beiden Fällen wurden jedoch Dachorganisationen geschaffen, über die Gelder an parteinahe Stiftungen bzw. Parteien geleitet werden. In den USA wurde 1983 das National Endowment for Democracy (NED) ins Leben gerufen, welches Mittel des amerikanischen Kongresses in Höhe von zirka 50 Mio. DM (1994) erhält. Etwa ein Drittel der Gesamtmittel fließt in die Finanzierung eigener Förderprogramme. Mit den verbleibenden zwei Drittel werden vorwiegend vier Organisationen unterstützt: die beiden parteinahen Stiftungen National Democratic Insti-tute for International Affairs (NDI) und International Republican Institute (IRI) sowie ein gewerkschafts-und ein unternehmernahes Institut Die Mittel des NED werden ungefähr gleichmäßig unter den vier Instituten aufgeteilt, mit einem leichten Überhang zugunsten der beiden letzteren.

NDI und IRI beziehen mittlerweile den Hauptteil ihrer Projektmittel nicht mehr von NED, sondern aus dem Sonderprogramm der USAID für Demokratisierungshilfe. Aus dem USAID-Programm werden auch die Projekte zahlreicher weiterer Organisationen finanziert, allen voran die Aktivitäten der 1987 gegründeten und seitdem stark wachsenden International Foundation for Electoral Systems (IFES), die 1954 etablierte Asia Foundation und die 1993 geschaffene Eurasia Foundation. Der entscheidende Unterschied zwischen der Finanzierung der deutschen politischen Stiftungen aus dem BMZ-Haushalt und der Finanzierung der amerikanischen Stiftungen durch USAID besteht darin, daß es für die US-Stiftungen keine festen Quoten gibt, aus denen sie einen Anspruch auf die Zuteilung von Mitteln ableiten könnten, sondern daß sie sich jedesmal auf Projektbasis um den Zuschlag neu bemühen müssen. Das hat erhebliche Implikationen für Autonomie und Arbeitsweise der jeweiligen Stiftungstypen. In den USA existieren zahlreiche weitere öffentliche Stiftungen und Vereinigungen, die sich der Demokratisierungshilfe verschrieben haben. Eine von Larry Diamond erstellte Liste nennt allein 26 Organisationen und sieben Universitäten, die Mittel von NED bisher erhalten haben

Das zweite Land, in dem versucht wurde, eine Variante des deutschen Stiftungsmodells zu schaffen, ist Großbritannien. Dort wurde 1992 die Westminster Foundation for Democracy (WFD) gegründet, die 50 Prozent ihrer staatlichen Zuwendungen von zirka fünf Mio. DM jährlich für eigene Projekte und zur Deckung ihrer Verwaltungskosten verwendet und den restlichen Betrag an die im Unterhaus vertretenen Parteien weiterleitet. Um das Bild der in der Demokratisierungshilfe engagierten Institutionen abzurunden, sind noch eine Reihe weiterer internationaler NROs zu nennen, die schwerpunktmäßig im Bereich der Menschenrechte aktiv sind: z. B. Amnesty International, Human Rights Watch, International Commission of Jurists und International Federation of Journalists.

Der Überblick über staatliche und nichtstaatliche Träger der Demokratisierungshilfe hat gezeigt, daß dieser Sektor der Entwicklungszusammenarbeit -wie auch die meisten anderen -zum großen Teil aus staatlichen Finanzierungsquellen gespeist wird. Die herausragende Ausnahme ist die Soros Foundation, deren Stiftungskapital allein aus dem Privatvermögen des gebürtigen Ungarn und in den USA lebenden Industriellen George Soros gespeist wird. Die Soros Foundation wird dadurch in die Lage versetzt, jährlich zirka 450 Mio. DM zur Förderung von Demokratie auszugeben.

Aus den jeweiligen zur Verfügung stehenden Mittelvolumina läßt sich leicht die Bedeutung der einzelnen Träger im Feld der Demokratisierungshilfe ableiten. Die wichtigsten sind UNDP, USAID, die Soros Foundation, die deutschen parteinahen politischen Stiftungen, das BMZ, NED, USIA, IFES, die amerikanischen partei-und verbandsnahen Stiftungen und die EU.

Alle diese Institutionen pflegen in ihrer Arbeit unterschiedliche regionale Schwerpunkte. Generell läßt sich feststellen, daß sich die meisten Organisationen auf Afrika südlich der Sahara und Osteuropa konzentrieren, gefolgt von Lateinamerika. Länder in Asien, im Nahen Osten und in Nordafrika spielen als Empfänger von Demokratisierungshilfe nur eine untergeordnete Rolle. Tendenziell ist festzustellen, daß amerikanische Institutionen ihren Schwerpunkt eher in Lateinamerika und europäische ihren eher in Osteuropa und dem sub-saharischen Afrika setzen. Bei den deutschen politischen Stiftungen gibt es große Unterschiede im regionalen Engagement. KAS und FNS sind traditionell stark in Lateinamerika vertreten, FES und HSS in Afrika südlich der Sahara. Alle vier Stiftungen haben neue Schwerpunkte in Osteuropa definiert. Die regionale Orientierung von BMZ und UNDP in der Demokratisierungshilfe leitet sich weitgehend von ihrer Schwerpunktsetzung in der klassischen Entwicklungszusammenarbeit ab. Das bedeutet, Afrika südlich der Sahara, Südasien und Südostasien stehen im Vordergrund. Die Demokratisierungshilfe der EU geht vor allem an Osteuropa und die ehemaligen Kolonialgebiete ihrer Mitgliedstaaten, die in der AKP-Gruppe (Afrika, Karibik, Pazifik) zusammengefaßt sind.

Ein weiteres Zwischenfazit gilt es zu ziehen: Der Bereich der Demokratisierungshilfe zeichnet sich durch eine Vielzahl staatlicher und meist öffentlich geförderter nichtstaatlicher Träger aus. Häufig wird gerade diese Vielzahl kritisiert und zum Anlaß genommen, mehr Koordination zu fordern. Trägervielfalt hat aber zwei wesentliche Vorteile, die durch Koordination eher verwischt als gefördert werden: nämlich die Konkurrenz verschiedener Konzepte und ein vielfältiges Angebot, das die Gefahr mindert, per Demokratisierungshilfe uniforme Modelle zu übertragen. Damit die Vorteile voll zur Geltung kommen können, bedarf es allerdings eines höheren Maßes an Transparenz als bisher. „Wer macht was warum“ ist im Bereich der Demokratisierungshilfe nach wie vor eine Frage, die nur schwerlich zu beantworten ist.

Trotz der Vorteile der Trägerpluralität ist zu fragen, ob gerade zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Trägern eine gewisse Arbeitsteilung vorgenommen werden könnte, die den jeweiligen komparativen Vorteilen entspricht. Staatliche Institutionen weisen gegenüber nichtstaatlichen Trägern folgende Vorzüge auf: Sie verfügen zumeist über größere finanzielle Mittel; sie können auf eigene unmittelbare Erfahrungen bei der Führung staatlicher Institutionen zurückgreifen; sie können nicht nur Hilfe anbieten, sondern über andere Regierungsinstitutionen auch Druck ausüben; sie können Erfahrungen aus anderen Feldern der Entwicklungshilfe auf die Demokratisierungshilfe übertragen und vor allem im Schnittfeld zwischen beiden Bereichen ihre jeweiligen Aktivitäten verknüpfen. Diese Qualitäten befähigen sie besonders, zur demokratischen Reform staatlicher Institutionen beizutragen.

Weitere Eigenschaften staatlicher Träger lassen andererseits ihr Engagement bei der Unterstützung politisch orientierter gesellschaftlicher Gruppen -advocacy groups, Gewerkschaften und Parteien -eher kontraproduktiv erscheinen. Durch ihre schiere Größe und finanzielle Potenz kann die Partnerschaft eines staatlichen Trägers mit einer lokalen NRO eine sehr einseitige Beziehung werden. Staatlichen Trägern sind bei der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes engere Grenzen gesetzt als nichtstaatlichen. Die Unterstützung einer Menschenrechts-gruppe oder einer Gewerkschaft kann in Konfliktfällen die politischen Beziehungen zwischen Geber-und Empfängerland nachhaltig belasten oder die Zusammenarbeit mit dem Partner in Frage stellen. Staatlichen Trägern fehlt zumeist auch die Flexibilität, schnell auf neue politische Entwicklungen zu reagieren. Schließlich kann der eher technokratische Ansatz, den staatliche Träger bisher im Feld der klassischen Entwicklungshilfe gepflegt haben, auf die Demokratisierungshilfe nicht übertragen werden. Wo staatliche Träger ihre Defizite haben, haben nichtstaatliche meist ihre Stärken. Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Gruppen sollte weitgehend ihnen überlassen werden. Dagegen fehlt ihnen bei der Förderung staatlicher Institutionen im Sinne der Demokratsierung häufig die dafür notwendige politische und finanzielle Potenz.

II. Ziele und Instrumente der Demokratisierungshilfe

Trotz der Pluralität von Trägern herrscht unter ihnen dennoch relativ große Übereinstimmung bei der Definition der grundsätzlichen Zielsetzung von Demokratisierungshilfe: Sie soll zu mehr politischer Partizipation, zu mehr und fairerem politischen Wettbewerb, zur Nutzung politischer Freiheiten, zum wirksamen Schutz von Menschenrechten und zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit führen. Das Gewicht, das diesen fünf Hauptzielen der Demokratisierungshilfe beigemessen wird, wie auch deren Übersetzung in operative Teilziele, variiert jedoch je nach Träger erheblich. Gründe hierfür sind das spezifische Mandat einer Institution, ihre Affinität zu bestimmten politischen Kräften oder ihre Überzeugung, daß ein Modell der Demokratie anderen überlegen sei. Idealtypen für den Einfluß politischer Bindungen auf die Schwerpunktsetzung und Operationalisierung von Primärzielen sind die parteinahen deutschen und amerikanischen politischen Stiftungen sowie die den Gewerkschafts-und Unternehmer-verbänden verpflichteten US-Einrichtungen. Sie betonen in unterschiedlicher Weise sozialdemokratische, liberaldemokratische, christdemokratische und marktwirtschaftliche Konzepte. Träger der klassischen Entwicklungszusammenarbeit, wie UNDP und das BMZ, tendieren eher dazu, dem Aspekt der good governance Vorrang einzuräumen. Was die Ausrichtung der Demokratisierungshilfe an bestimmten demokratischen Strukturmerkmalen angeht, scheinen amerikanische Institutionen am rigidesten zu sein. Sie leiten die Definition ihrer Teilziele weitgehend vom amerikanischen Demokratiemodell ab. Die meisten europäischen Träger betonen dagegen sehr stark die Notwendigkeit, ihre Demokratievorstellungen den lokalen Gegebenheiten anzupassen, selbst wenn das in der Praxis nicht immer der Fall sein mag. Auch bei der Festlegung prioritärer Arbeitsbereiche lassen sich Unterschiede ausmachen. Grob verallgemeinernd gilt, daß sich staatliche Träger vorzugsweise im Aufbau demokratischer Institutionen engagieren, während nichtstaatliche Träger sich der Aufgabe widmen, diese Institutionen durch politische Bildung, Medienförderung, Politikberatung und Förderung zivilgesellschaftlicher Gruppen mit Leben zu erfüllen.Unterschiedliche Ansätze gibt es auch in der Art des Engagements vor Ort. Das wohl weitestgehende Modell in bezug auf Verpflichtungen, die ein Träger gegenüber einem Partnerland eingeht, verfolgt die Soros Foundation. Sie ist eigentlich ein Netzwerk von Stiftungen, das aus zwei regional operierenden Stiftungen in New York und Budapest sowie 21 nationalen Stiftungen in 19 osteuropäischen Ländern sowie in Südafrika und Haiti besteht. Die nationalen Stiftungen sind bei der Verwendung ihrer Mittel weitgehend autonom und werden fast ausschließlich von lokalen Kräften geführt. Sie vergeben ihre Gelder weniger auf der Basis klar definierter Projekte, sondern für eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen und Stipendien, eingebettet in ein breites Programmschema.

Von der Bereitschaft, ebenfalls ziemlich weitgehende Verpflichtungen gegenüber einem Partner-land einzugehen, zeugt das Modell der parteinahen deutschen Stiftungen. Sie entsenden eigene Ländervertreter in ihre Partnerländer, die zwar auf Programm-und Projektbasis aus BMZ-Mitteln finanziert sind, aber in der Regel nicht projektgebunden, sondern vielmehr als Repräsentanten ihrer Stiftungen agieren. Grundlage ihrer permanenten Präsenz vor Ort ist die Planungssicherheit, die ihnen durch Quotierung eines BMZ-Titels gewährt wird. Die Stiftungsrepräsentanten verwalten breit angelegte Programme, in deren Rahmen sie relativ flexibel Einzelmaßnahmen durchführen können. Sie unterhalten bei langfristig angelegten Projekten oft enge, vertrauensvolle Beziehungen zu ein oder zwei Hauptpartnern in einem Land. Mehr und mehr werden Einzelmaßnahmen in länderübergreifende Regionalprogramme integriert.

Auf einer nächsten Ebene des Engagements gibt es zahlreiche Träger, die im Rahmen eines zeitlich befristeten, klar definierten Projektes Auslands-mitarbeiter entsenden. Die zeitliche Perspektive liegt üblicherweise bei zwei bis fünf Jahren. Dieses Modell wird von den parteinahen US-Stiftungen, aber auch von den meisten staatlichen Demokratisierungshilfeträgern und der UNDP verfolgt. Zwar unterhalten auch sie Länderrepräsentanten, für die aber Demokratisierungshilfe nur ein Sektor ihres Aufgabenspektrums ist. Nach Einführung ihres groß angelegten Demokratieprogramms wurden im Falle von USAID den Ländervertretern meist regionale Berater für Fragen der Demokratisierung zugeordnet.

Eine weitere Form des Engagements besteht in der Zusammenarbeit mit einzelnen festen oder wechselnden Partnern, bei der auf einen ständigen Vertreter des Trägers oder auf einen Projektleiter im Partnerland verzichtet wird. Dieses Modell wird von den meisten kleineren NROs bevorzugt.

In diesem Kontext ist auch ein weiteres Modell des Engagements von Trägern der Demokratisierungshilfe zu nennen: die kurzfristige, oft personalintensive und kostspielige Intervention in bestimmten, politisch wichtigen Phasen. Das klassische Instrument hierbei ist die internationale Wahlbeobachtung. Die Art des Engagements bestimmt relativ stark die Methoden der Projektidentifizierung. Träger, die permanente Vertreter vor Ort haben, genießen zweifellos Vorteile. Zum einen verfügen die Landesvertreter in der Regel über gute Kenntnisse der politischen Vorgänge vor Ort, können neue Entwicklungen schnell erfassen und flexibel darauf reagieren. Sie sind des weiteren eher in der Lage, Legitimität des Anliegens sowie Repräsentativität und Seriosität eines potentiellen Partners zu beurteilen als Kurzzeitexperten, die zur Identifizierung eines Projektes einreisen. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, daß Ländervertreter längerfristig einer gewissen Betriebsblindheit unterliegen und wenig geneigt sind, eingefahrene Schienen und lang aufgebaute Partnerbeziehungen zu verlassen. Kurzzeitexperten, die zur Identifizierung von Projekten oder zur Überprüfung von Projekt-anträgen aus dem Partnerland einreisen, entbehren andererseits häufig der intimen Kenntnis der politischen Situation vor Ort.

Aber sowohl Ländervertreter wie auch Kurzzeitexperten sind bei der Bedarfsermittlung Problemen ausgesetzt, die für beide nahezu gleichermaßen schwer zu überwinden sind. Da ist erstens das Problem des urban bias (der städtischen Ausrichtung) und der Elitenverzerrung in der Ermittlung von Bedürfnissen. Der Kontakt von Ländervertretern und Kurzzeitexperten beschränkt sich weitgehend auf die in der Hauptstadt ansässigen Repräsentanten von NROs, Interessengruppen, Parteien, wissenschaftlichen Einrichtungen und staatlichen Institutionen. Bei Exkursionen in abgelegene ländliche Gebiete sind sie in der Regel auf die Vermittlung der Repräsentanten angewiesen, wenn sie sich nicht selbst in wochenlanger Feldforschung engagieren möchten. In der klassischen Entwicklungshilfe mittlerweile bewährte Methoden wie die des rapid appraisal (der schnellen Beurteilung) oder focus group discussions sollten zur Behebung dieser Defizite vermehrt genutzt werden.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob Demokratisierungshilfe nachfrage-oder angebotsorientiert sein soll. Viele Träger behaupten, sie würden ihre Programme auf der Basis von Anträgen aus dem Partnerland oder mit anderen Methoden konzipieren, deren Grundlage allein die Nachfrage sei. Sie verkennen dabei, daß die in einem Partnerland geäußerte Nachfrage häufigangebotsinduziert ist. Die meisten NROs in Entwicklungsländern sind genau darüber informiert, welche Themen in der internationalen Diskussion sich zu einem bestimmten Zeitpunkt großer Beliebtheit erfreuen und was die individuellen Präferenzen einzelner Träger sind. Ihre Projekt-vorschläge basieren deshalb häufig weniger auf einer Analyse des Bedarfs an Demokratisierungshilfe als vielmehr auf der taktischen Erwägung, mit welcher Maßnahme bei welchem Träger die größten finanziellen Mittel zu mobilisieren sind. Darüber hinaus finden wichtige Defizite in der demokratischen Entwicklung eines Landes gerade darin ihren Ausdruck, daß sich dort noch keine Akteure etabliert haben, die eine Nachfrage formulieren könnten. Die Diskussion um Angebot und Nachfrage in der Demokratisierungshilfe ist eher eine Scheindiskussion, die über den Interventionscharakter einer solchen Hilfe hinwegtäuschen soll. Anstatt sich mit dieser Frage aufzuhalten, sollten in den Mittelpunkt der Bedarfsermittlung die Identifizierung konkreter Hemmnisse der Demokratisierung und die Wahl geeigneter Partner zur Überwindung dieser Hemmnisse gerückt werden.

Unter den Instrumenten der Demokratisierungshilfe lassen sich prinzipiell fünf Bereiche unterscheiden: Da ist erstens die Beratung, die sich in Organisations-und inhaltliche Beratung aufteilen läßt. Zweitens spielen externe Träger oft eine zentrale Rolle als Vermittler oder als Organisatoren von Foren. Ein dritter Bereich ist die individuelle Förderung von Personen über Stipendien, Honorare oder Gehälter. Viertens werden materielle und technische Hilfen zur Unterstützung demokratischer Prozesse, wie zum Beispiel Wahlen, oder zur Steigerung der Leistungsfähigkeit von Organisationen und Institutionen geleistet. Und schließlich gibt es das Feld der institutionellen Kooperation mit festen Partnern, die in der Regel alle vier oben genannten Bereiche umfaßt.

Organisationsberatung ist besonders im Fall der Abhaltung von Wahlen, bei der Effektivitätssteigerung demokratischer Institutionen sowie bei der Stärkung von Interessengruppen und Parteien gefragt. Sie soll zum einen zur Kräftigung der Leistungsfähigkeit einer Organisation, zum anderen zur Etablierung interner demokratischer Entscheidungsmechanismen, zur Erhöhung von Transparenz und Rechenschaftspflicht führen. Im Fall der inhaltlichen Beratung geht es um die Einbringung, Vermittlung und Diskussion politischer Konzepte. Hauptbereiche sind Verfassungsberatung, politische Bildung, Zusammenarbeit mit Legislative und Exekutive sowie Parteien, Interessengruppen und Selbsthilfegruppen. Junge demokratische Staaten leiden häufig darunter, daß in ihrer autoritären politischen Vergangenheit alternative und mit der Regimepolitik konkurrierende politische Konzepte nicht diskutiert werden konnten und deshalb in vielen Politikbereichen Unwissenheit über den internationalen Diskussionsstand besteht. Spezieller Förderung bedürfen Gruppen, deren personelle und materielle Kapazitäten zur Entwicklung eigener Konzepte gering sind, das heißt Oppositionsparteien, Gewerkschaften und Selbsthilfegruppen. Die Einbringung externer politischer Konzepte kann in Fällen besonders hilfreich sein, bei denen sich die verschiedenen politischen Lager in Positionskämpfe verstrickt haben.

Dies leitet zu einem weiteren Instrument über, dessen Einsatz in zahlreichen kritischen politischen Übergangssituationen eine bedeutende Rolle spielt: zur Vermittlung zwischen politischen Kontrahenten und zur Bereitstellung von Diskussionsforen. Externe Träger der Demokratisierungshilfe sind oft in der Lage, den Kontakt zwischen moderaten Vertretern verfeindeter politischer Lager herzustellen. Höchst erfolgreich ist die Entsendung von gemischten Delegationen ins Ausland oder die Einladung verfeindeter Lager zu Auslandskonferenzen. Die räumliche Distanz von den heimatlichen politischen Konflikten und der Zwang, mit dem politischen Gegner in irgendeiner Weise sozialen Kontakt zu pflegen, tragen dazu bei, Kommunikationsschranken zu überwinden und wechselseitiges Vertrauen aufzubauen. Die Schaffung von Foren hat zudem zwei weitere Funktionen. Zum einen bieten diese in einem vordemokratischen Regime oft die einzigen Freiräume, in welchen sich Opponenten des autoritären Regimes austauschen und gegenseitig ermutigen können. Zum anderen sind sie oft Schauplatz der Bildung von strategischen Allianzen.

Zahlreiche Institutionen der Demokratisierungshilfe verfügen über Programme zur individuellen Förderung. In klassischer Weise findet dies im Rahmen von Stipendienprogrammen statt; in abgewandelter Form in der Subventionierung von Arbeitsplätzen in NROs und wissenschaftlichen Einrichtungen sowie als immaterielle Förderung von politischen Aktivisten. Insbesondere in afrikanischen Ländern haben umfangreiche Auslandsstipendienprogramme zur Schaffung einer neuen technischen, wirtschaftlichen, administrativen und politischen Elite beigetragen, die weniger als ihre vom Kolonialismus geprägte Vorgängergeneration autoritären Herrschaftspraktiken zugeneigt ist. Stipendienprogramme und die Subventionierung von Arbeitsplätzen haben auch eine zentrale Rolle dabei gespielt, Kritikern autoritärer Regime das physische Überleben zu sichern und damit ihre Abwanderung ins Exil zu verhindern. Schließlichist es zuweilen gelungen, durch die gezielte Förderung von moderaten politischen Kräften in autoritären Regimen den Einfluß von Hardlinern zurückzudrängen.

Ein von vielen Trägern der Demokratisierungshilfe gering geschätztes Instrument ist die finanzielle und materielle Hilfe, da mit der einmaligen finanziellen Zuwendung auch die weiteren Einflußmöglichkeiten weitgehend verschwunden sind. Dennoch kann die Unterstützung von Institutionen und Organisationen mit Verwaltungskosten-zuschüssen, mit Büros und Büromitteln einen entscheidenden Beitrag zur Demokratisierung leisten. Die Verbreitung des Fax-Gerätes war für die Verbesserung des Informationsaustausches zwischen Gruppen, die autoritären Systemen Widerstand leisten, und für die Netzwerkbildung von unschätzbarem Gewinn. Ähnliches gilt wohl in Zukunft für die Kommunikation und Informationsvermittlung über das Internet.

Dennoch hat die Bedeutung materieller und finanzieller Förderung in der Demokratisierungshilfe abgenommen, da in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht wurde, daß sie häufig zur Daueralimentierung von Gruppen pervertiert, die aus eigener Kraft nicht lebensfähig sind. Leider betraf die wachsende Abneigung gegen finanzielle und materielle Hilfe auch die sogenannten advocacy groups und general Interest groups der Zivilgesellschaft. Sie sind in der Regel mitgliederschwach. In Entwicklungsländern ist auch die private Spendenbereitschaft gering. Staatliche Alimentierung dieser Gruppen, wie sie in Deutschland üblich ist, kommt entweder aufgrund fehlender Mittel, häufiger aber aufgrund der Tatsache nicht in Frage, daß diese Gruppen in einem repressiven politischen System gegen die Regierung opponieren. Träger der Demokratisierungshilfe sollten sich in einem solchen Kontext nicht scheuen, durch finanzielle und materielle Hilfe zum Überleben und zur Effektivität von Gruppen beizutragen, die eine politisch und gesellschaftlich wichtige, wenn vielleicht auch temporär beschränkte Rolle zu spielen haben.

Institutionelle Förderung, meist im Rahmen einer engen Partnerbindung, umfaßt in der Regel alle bisher genannten Instrumente. Sie spielt in der Praxis eine immer geringer werdende Rolle. Der Hauptgrund hierfür ist eine Risiken vermeidende Strategie der Träger, vor allem jener, die mit nichtstaatlichen Gruppen kooperieren. Die Auswahl eines festen Partners ist in politischen Umbruchsituationen mit zahlreichen Unwägbarkeiten belastet. Akteure, die in einer bestimmten Situation als besonders wichtig erscheinen, können in wenigen Monaten fast jegliche Relevanz verlieren. Ein besonders prominentes Beispiel ist das Schicksal der Bürgerrechtsbewegung in der DDR während und nach der Wiedervereinigung. Nur wenige Träger der Demokratisierungshilfe gehen das Risiko ein, sich für einen Weg zu entscheiden, der sich womöglich als der falsche erweist. Für staatliche Träger der Demokratisierungshilfe stellt sich dieses Problem weniger, da ihre Kooperationspartner meist Institutionen sind, für die ein plötzlicher Relevanzverlust kaum zu befürchten ist. Aber selbst wenn die Gefahren der institutioneilen Bindung kaum zu leugnen sind, sollte sie dennoch nicht ad acta gelegt werden. Es hat sich wiederholt gezeigt, daß bei entschlossener langfristiger externer Unterstützung der Bedeutungsverlust eines Akteurs vorübergehender Natur sein kann. Nicht der zu erwartende Einfluß eines Akteurs auf den Demokratisierungsprozeß sollte das dominante Kriterium bei der Partnerwahl sein, sondern inwiefern dessen Ziele und Wertorientierung mit jenen des Trägers kompatibel sind und inwiefern sie geeignet erscheinen, zur Überwindung von Demokratiehemmnissen beizutragen. Dessen ungeachtet kann die Rolle eines Akteurs in einer bestimmten, zeitlich eng begrenzten politischen Situation so außerordentlich wichtig sein, daß der Einsatz großer Ressourcen zu seinen Gunsten auch gerechtfertigt ist, wenn nach politischen Veränderungen ein rapider Bedeutungsverlust eintritt.

III. Kritik an der Demokratisierungshilfe

Der Nutzen von Demokratisierungshilfe wurde wiederholt in Frage gestellt. Drei Argumentationslinien sind erkennbar: Erstens werden grundsätzliche Zweifel an ihren Einwirkungsmöglichkeiten und ihrer Wirksamkeit geäußert Zweitens richtet sich Kritik auf die Art und Weise, wie Demokratisierungshilfe geleistet wird. Stichworte hierzu sind Geberkonkurrenz, unzureichende Bedarfsermittlung und Zielgruppenorientierung, stereotyper Einsatz uniformer Instrumente, Flüchtigkeit des Engagements, Elitenförderung und Demokratisierungshilfe als Objekt von rent-seeking-Verhalten. Und schließlich gibt es die Fundamentalkritik, Demokratisierungshilfe stelle eine unzulässige, geradezu neo kolonialistische Intervention in die politischen Prozesse souveräner Staaten dar. Sie versuche, westlich-liberale Ordnungsvorstellungen auf Gesellschaften zu übertragen, die durch andere kulturelle Traditionen geprägt seien. Im folgenden sollen Gegenargumente allein gegen diese Fundamentalkritik formuliert werden. Eingangs ist anzumerken, daß Demokratisierungshilfe stets ein Angebot darstellt, das von jenem, dem es offeriert wird, nicht angenommen werden muß. Demokratisierungshilfe wird nicht oktroyiert und hat deshalb nur sehr begrenzten Interventionscharakter. Zudem ist festzustellen, daß der Vorwurf unzulässiger Intervention zumeist von autoritären Regimen geäußert wird, die staatliche Souveränität als Recht der Regierung interpretieren, ohne Einmischung von außen ihre Bevölkerung unterdrücken zu können. Insbesondere die südostasiatischen Entwicklungsdiktaturen verwahren sich gegen jegliche Form äußerer Einflußnahme. Dem steht die NGO Declaration on Human Rights von Bangkok gegenüber, die in Vorbereitung der Menschenrechtskonferenz der Vereinten Nationen 1993 in Wien von 200 asiatischen NRO formuliert wurde und in der es heißt: „International solidarity transcends the national order to refute Claims of national souvereignty and non-interference in the internal affairs of a state.“ Bleibt der Vorwurf, Demokratisierungshilfe mißachte gewachsene politische Kulturen, politische Traditionen und bestehende soziale Bindungen. Problematisch an diesem Argument ist nach Gero Erdmann ein unzureichendes Verständnis von einheimischer oder traditioneller Kultur, die „als statisch, unveränderlich und als uralt bewährt und deshalb als gut und schützenswert befunden wird -oder sie wird aus den gleichen Gründen als Entwicklungshemmnis beurteilt. Nichts hingegen ist falscher als das. Jede Kultur, soweit sie physisch die Chance dazu hat, ist mehr oder minder dynamisch, paßt sich jeweils in der einen oder anderen Form veränderten gesellschaftlichen und ökologischen Bedingungen an. Würde eine Kultur diese Dynamik nicht leisten können, wäre sie auch nicht , uralt 1 geworden oder für uns überhaupt erfahrbar . .. Ein weiteres Problem ist, daß das, was als die vorherrschende Kultur begriffen oder was als das Charakteristische an ihr deklariert wird, tatsächlich die herrschende Kultur ist -genauer: die der politisch Herrschenden . . . Dies ist in aller Regel der Grund, weshalb die dissidente Kultur, die von der offiziellen Version der Geschichte abweichende Tradition, in weitaus geringerem Maße überliefert beziehungsweise wahrzunehmen ist . .. Neben der offiziellen, herrschaftlichen Kultur oder Tradition gibt es immer auch eine antiherrschaftliche Tradition, die die Dissidenz und den Bruch mit der herrschaftlichen Tradition möglich und legitim macht.“

Es ist keineswegs Aufgabe der Demokratisierungshilfe, eine „herrschende“ politische Kultur als für immer gegeben hinzunehmen und bestehende soziale Bindungen, seien sie auch noch so autoritärer Natur, als schützenswert zu betrachten. Demokratisierungshilfe beruht auf normativen Erwägungen. Es ist durchaus legitim, daß Demokratisierungshilfe versucht, den ohnehin stattfindenden kulturellen und sozialen Veränderungen eine Richtung hin zu mehr Partizipation, mehr Wettbewerb, verbessertem Schutz von politischen Freiheiten und Menschenrechten sowie mehr Rechtssicherheit zu geben. Die normative Rechtfertigung ihres Tuns entbindet Träger der Demokratisierungshilfe aber nicht von der Pflicht, nach Wegen zu suchen, diese Ziele soweit wie möglich mit bestehenden Traditionen und sozialen Bindungen zu vereinen. Besonders wichtig ist das bei der Anpassung demokratischer Strukturen und Verfahrensweisen an nationale Eigenheiten. Ebenso sollte Demokratisierungshilfe aber nach der Schwächung und Zerstörung von Strukturen und Verhaltensweisen trachten, die mit Demokratie unvereinbar sind.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Larry Diamond, Promoting Democracies in the 1990s. Actors and Instruments, Issues and Imperatives. A Report to the Carnegie Commission on Preventing Deadly Conflict, New York 1995, S. 6 f.

  2. Sofern nicht andere Quellen genannt werden, stammen die Zahlenangaben aus einer im Oktober 1996 durchgeführten Befragung ausgewählter Träger der Demokratisierungshilfe.

  3. Swedish International Development Agency (SIDA), Danish International Development Agency (DANIDA), Norwegian Agency for Development (NORAD) und Canadian International Development Agency (CIDA).

  4. Vgl. Joachim Betz, Die Demokratieexportpolitik der Bundesrepublik Deutschland, in: Rolf Hanisch (Hrsg.), Demokratieexport in die Länder des Südens, Hamburg 1996, S. 203-230, hier S. 214. Dagegen nehmen sich die knapp 19 Mio. DM, die im Etat des Auswärtigen Amts im Dreijahreszeitraum 1992-1994 für Projekte in diesem Sektor vorgesehen waren, relativ gering aus.

  5. Vgl. J. Betz, ebd., S. 214; Gero Erdmann, Demokratie und Demokratieförderung in der Dritten Welt, Bonn 1996, S. 139-141.

  6. Ab 1997 wird diese Quote jeweils ein Drittel für die FES und die KAS betragen, das verbleibende Drittel wird zwischen der HSS, der FNS (jeweils 12 Prozent) und der HBS (10 Prozent) aufgeteilt.

  7. Dies sind das der Gewerkschaft AFL-CIO nahestehende Free Trade Union Institute (FTUI) und das der Handelskammer verbundene Center for International Private Enterprise (CIPE).

  8. Vgl. L. Diamond (Anm. 1), S. 22-24.

  9. Vgl. Rolf Manisch, Internationale Demokratieförderung: Gründe, Motive, Instrumente, Möglichkeiten und Grenzen, in: ders. (Anm. 4), S. 42.

  10. Zitiert nach G. Erdmann (Anm. 5), S. 117.

  11. Ebd.

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Stefan Mair, Dr. rer. pol., geb. 1963; Studium der Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Soziologie in München; seit 1992 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik in Ebenhausen, Fachgruppe Afrika; zuvor ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München, Entwicklungsländerabteilung. Veröffentlichungen zu afrika-und entwicklungspolitischen Fragen.