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Buchproduktion und Leserinteressen in Westdeutschland seit 1945 | APuZ 13/1998 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 13/1998 Über das Schweigen reden Diktaturerfahrung und Literatur „Die verschiedenen Sprachen (Idiome) des Schweigens“ (Peter Weiss) Peter Weiss, Notizbücher 1971-1980, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1981, S. 73. Buchproduktion und Leserinteressen in Westdeutschland seit 1945 Lektüren im „Leseland“ vor und nach der Wende Gebremstes Leben, Groteske und Elegie Zur Literatur in den neuen Bundesländern seit der Wende

Buchproduktion und Leserinteressen in Westdeutschland seit 1945

Hans Altenhein

/ 18 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Unter wirtschafts-wie kulturgeschichtlichen Aspekten lassen sich bei der Buchproduktion und den Leserinteressen seit dem Kriegsende vier Perioden unterscheiden: Die erste von 1945 bis 1948 umfaßt einen Ausnahmezustand, in dem die Mangelwirtschaft der Kriegszeit fortgesetzt und die Editionspolitik der Verlage von den Besatzungsmächten kontrolliert wird. Die zweite Periode, die von 1949 bis 1965 reicht, bringt eine Normalisierung des Literaturmarktes und die Ausbreitung neuer Distributionsformen: Taschenbücher und Buchgemeinschaften. „Unterhaltung“ wird zum Hauptwort dieser Jahre. In der dritten Periode, zwischen 1966 und 1978, führen zwei scheinbar gegenläufige Bewegungen -nämlich die Kommerzialisierung des Buchmarkts und die Politisierung seiner Adressaten -zu einer Dynamisierung; Buchangebot und Leserinteressen fächern sich in diesen Jahren extrem aus. Die vierte Periode beginnt 1979 und reicht bis in die Gegenwart. Bei der immer schwierigeren Filterung des Literaturangebots spielen nun die technischen Medien eine bedeutende Rolle und der Handel zeigt seine Marktmacht.

Der Beitrag ist die erweiterte Fassung eines Vortrages, den der Verfasser am 24. 10. 1997 auf der Fachtagung „Medienrezeption“ beim Südwestfunk. Baden-Baden gehalten hat.

I. Vorbemerkungen

Beziehungen zwischen der Buchproduktion und den Leserinteressen lassen sich keineswegs so kausal und zeitgleich darstellen, wie es der Titel dieses Beitrags glauben machen könnte. Weder folgt das Leserinteresse direkt der Buchproduktion, noch ist diese eine vollkommene Entsprechung der Leser-interessen -dagegen spricht allein schon das Erfindungspotential der schriftstellerischen Arbeit. Neuerscheinungen können spurlos untergehen, alte Bücher werden plötzlich wieder aktuell. Viele Leser beziehen ihre Lektüre nicht oder nur zum Teil aus der gleichzeitigen Verlagsproduktion, sondern aus den akkumulierten Beständen der Bibliotheken, aus ihren privaten Büchersammlungen oder aus dem Antiquariat. So finden manche Autoren ihr Publikum erst in der Nachwelt, andere werden neu entdeckt. Bücher sind dauerhaft. Im Unterschied zur verderblichen Konsum-ware ist ihr . Verfallsdatumunbestimmt. Wenn gerade eine historische Betrachtung solche Ungleichzeitigkeiten im Auge behalten muß, so ist immerhin eine Wechselwirkung zwischen Buch-produktion und Leserinteresse festzustellen: beide Bereiche durchdringen einander.

Und noch eine andere Vorbemerkung scheint angebracht: Buchproduktion wie Leserinteressen erstrecken sich grundsätzlich auf alle Gebiete des kulturellen Spektrums -auf Wissenschaft und Praxis, auf Literatur und Leben. Gerade in der wissenschaftlichen Verlagsproduktion haben sich im letzten Jahrzehnt einschneidende Veränderungen vollzogen, und in einer Leserbiographie mischen sich diese Interessenfelder ohnehin. Wenn hier trotzdem der literarischen Buchproduktion und der literarischen Lektüre die ausschließliche Aufmerksamkeit gilt, dann in der Annahme, daß sie als Indikatoren für Zusammenhänge dienen können, die über sie hinausweisen.

II. Zur Periodisierung

Es ist inzwischen keine Neuigkeit mehr, daß das Kriegsende im Frühjahr 1945 nur in einem Punkt als absoluter Termin gelten kann: Die Waffen schwiegen. Das gilt auch für das kulturelle Leben in Deutschland, denn nun ist es nicht mehr lebensgefährlich,von der verordneten Linie der Kultur-politik abzuweichen oder ihr auch nur im Wege zu stehen. Aber außer diesem Paradigma des literarischen Lebens ändert sich in diesem Bereich vorerst nicht viel: Die Informationskontrolle der vier Besatzungsmächte unterbindet jede Freizügigkeit, der Betrieb von Verlagen und Buchhandlungen unterliegt ab sofort der Lizenzierungs-und Konzessionierungspflicht, Bibliotheken werden gesäubert, Autoren mit Publikationsverbot belegt, jede Art von Vervielfältigung ist genehmigungspflichtig. Das gemeinsame Ziel der alliierten Literatur-politik heißt Entnazifizierung und Demokratisierung -aber bald ist zu erkennen, daß in den vier Besatzungszonen sehr unterschiedliche Vorstellungen von seiner Verwirklichung herrschen und daß die jeweiligen Kulturoffiziere sehr unterschiedliche Literaturkonzepte verfolgen. So teilt sich, nach einer kurzen und illusionären Phase gesamtdeutscher Gespräche über die Zonengrenzen hinweg, die kulturelle Entwicklung in Ost-und Westdeutschland spätestens ab 1947. Auch wenn es dann im Laufe der kommenden Jahre und Jahrzehnte gerade im Literaturbetrieb merkwürdige Durchlässigkeiten und untergründige Beziehungen geben wird, ist eine getrennte Betrachtung -jedenfalls bis 1990 -unvermeidlich.

Zur schlechten Kontinuität gehört auch, daß die Mangel-und Zuteilungswirtschaft der Kriegsjahre sich bis 1948 fortsetzt, so daß die Probleme der Buchbranche über den Mai 1945 hinaus unverändert fortbestehen. Auch von einer auffälligen Kontinuität der Leserinteressen wird zu reden sein. Aber hier wie dort sehen wir Abweichungen zwischen Ost und West.

In Westdeutschland lassen sich vier Perioden der Entwicklung unterscheiden: Die erste -von 1945 bis 1948 -zeigt das Bild eines rigoros eingeschränkten Literaturangebots, das einer Übernachfrage nach Lesestoff begegnet. Die zweite Periode -von 1949 bis etwa 1965 -bringt eine Normalisierung der Verhältnisse auf dem Buchmarkt sowie eine deutliche Entkoppelung und Zerstreuung der Lesebedürfnisse. Die dritte Periode -von 1966 bis zum Ende der siebziger Jahre -enthält eine widersprüchliche Bewegung: die Kommerzialisierung des Buchmarkts und die Politisierung seiner Adressaten. Die vierte und gegenwärtige Periode schließlich wird bestimmt von den lange Zeit unterschätzten Distributionskräften sowie von dem paradoxen Effekt, daß Bücher als Sekundärmedien erfolgreich werden.

III. Die erste Periode: 1945-1948

Zwischen 1945 und 1947 wurden in allen vier Besatzungszonen etwa 600 Buchverlage lizenziert, davon fast 550 allein in den Westzonen. Da viele Altverleger politisch nicht mehr akzeptabel erschienen, traten neue, unbelastete, aber oft genug auch unerfahrene Lizenzträger an deren Stelle. Allerdings gab es auch Mißgriffe. So hätte in Hamburg beinahe der ehemalige Buchkonzern der Deutschen Arbeitsfront, die Hanseatische Verlagsanstalt, eine britische Lizenz erhalten, und so ging im Winter 1945 eine der ersten amerikanischen Lizenzen an Kurt Desch, einen früheren Mitarbeiter von Parteiverlagen und Inhaber des , arisierten‘ Zinnen-Verlages. Manch belasteter Altverleger schickte unbelastete Bevollmächtigte vor, während im Ausland firmierende Exilverleger im Besatzungsgebiet zunächst nicht tätig werden durften. So beherrschten Zufälle, gute Absichten und die Kunst der Papierbeschaffung die Verlags-arbeit, während Art und Inhalt der Neuerscheinungen, aber auch die Höhe der Druckauflagen von der jeweiligen Besatzungsmacht bestimmt wurden. Das begrenzte den verlegerischen Wagemut -und so sehen die grauen, schmalen Text-sammlungen und Kleinschriften von Stifter, Tieck oder Grillparzer, mit denen beispielsweise der neugegründete Stahlberg Verlag in Karlsruhe (der zehn Jahre später mit den Büchern Arno Schmidts berühmt werden sollte) in den Jahren 1946 und 1947 aufwartet, nicht viel anders aus, als die Feldpostausgaben solcher Texte während des Krieges. Eigentlich nur zwei Verlage lassen die Hand erfahrener und der neuen Situation gewachsener Leiter erkennen: der Berliner Suhrkamp Verlag (vormals S. Fischer) und der zunächst von Stuttgart aus operierende Ernst Rowohlt Verlag unter Heinrich-Maria Ledig, dem Sohn des Verlegers. Während Suhrkamp ein anspruchsvolles literarisches Programm entwickelt und 1947 mit Hermann Kasacks arg mythologisierendem Zeitroman „Die Stadt hinter dem Strom“ auf die Schrecken der Vergangenheit verweist, präsentiert der jüngere Ledig-Rowohlt seine Antwort auf das Lesebedürfnis der überlebenden Deutschen. Sie heißt „RowohltsRotations-Romane“ und bietet für fünzig Pfennig im ungehefteten Zeitungsformat Romane der Weltliteratur: Hemingway und Joseph Conrad, Tucholsky und Andre Gide, Jack London und Erich Kästner, Pliviers „Stalingrad“ -Roman und „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers. Diese Romanzeitungen erscheinen in einer Auflage von 100 000 Exemplaren und werden den Buchhändlern aus der Hand gerissen. Sie sind die Taufpaten der späteren rororo-Taschenbücher und ein Lichtblick in der weitverbreiteten Erbauungsliteratur dieser Jahre. Dabei fehlen diesen Zeitungsdrucken auf billigstem Papier alle Merkmale des Buchmediums -um von seiner Aura gar nicht zu reden. Sie sind weder , regalgeeignet‘ noch alterungsbeständig (gleichwohl heute im Antiquariat sehr gesucht), noch irgendwie sehenswert. Sie sind bloßer Lese-stoff. Von den 25 Nummern, die zwischen 1946 und 1949 erscheinen, stammen die meisten aus dem Rechtevorrat von Vorkriegsverlagen, der Rest vom alten Rowohlt Verlag. So gehört die überwiegende Zahl der Titel zum Repertoire der Literatur von vor 1933; achtzehn haben ausländische Verfasser, nur vier sind Neuerscheinungen aus den letzten vier Jahren.

Dieser Erfolg ist um so erstaunlicher, als in diesen Mangeljahren das „Gute Buch“ eine Wunschprojektion darstellt. Das gilt nicht nur für die gerettete Insel-Ausgabe von Goethes „Faust“ mit ihren Brandspuren, das gilt auch für den bald marktbeherrschenden Kurt Desch Verlag, der unter der stolzen Devise „Restitutio hominis“ antritt. Restitution, Wiederherstellung eines alten Zustandes, ist ein Hoffnungswort. Die noch weitgehend unveränderten Reste privater Bücherbestände, die unverkennbare Anwesenheit so lange angesehener oder wenigstens tolerierter Schriftsteller wie Rudolf Alexander Schröder, Hans Grimm oder Ernst Wiechert, die kaum bemerkte Abwesenheit von Autoren wie Franz Werfel, Vicky Baum oder Oskar Maria Graf lassen die Illusion entstehen, es ginge nun um nichts anderes als die Wiederherstellung der Lesegewohnheiten aus der Vorkriegszeit. Noch immer heißen die Lieblingsautoren Hermann Hesse, Rudolf Binding und Hans Carossa. Wie sehr auch der offizielle Literaturbetrieb in den alten Bahnen verläuft, das zeigen die Preisverleihungen der ersten Nachkriegsjahre. 1947 erhält Gertrud von Le Fort (geboren 1876) den Literaturpreis der Stadt München; ihre Geschichte vom „Schweißtuch der Veronika“ erschien bereits 1928. Im selben Jahr geht der Lessing-Preis an Rudolf Alexander Schröder (geboren 1878), Mitbegründer des Insel-Verlages um die Jahrhundertwende. Den Wilhelm-Raabe-Preis von 1948 erhält Werner Bergengruen, sein Buch „Der Großtyrann und das Gericht“ stammt von 1935. Denselben Preis erhält im folgenden Jahr Ina Seidel (geboren 1885), Autorin des Romans „Das Wunschkind“ von 1930. Nach 1949 erscheinen auch die Bücher solcher Schriftsteller wieder, die im „Dritten Reich“ besonders beliebt gewesen waren: E. E. Dwinger, Agnes Miegel, H. F. Blunck und Emil Strauß. Deren Lektüre ist für viele nun schon zum Teil der eigenen Biographie geworden und schienen damit, wie diese, der politischen Bewertung entzogen.

Der Schriftsteller Horst Lange, Jahrgang 1904, hat das Problem schon in der Nummer 1/1947 der Zeitschrift „Der Ruf“ benannt. Er sieht die Zukunft der Literatur in die Vergangenheit verlegt: „Bücher nach dem Krieg -es scheint, als seien die Städte umsonst zerstört.“ Nur vereinzelt gibt es Zeugnisse einer literarischen Moderne, wie Elisabeth Langgässers Roman „Das unauslöschliche Siegel“ von 1946 oder die Neuausgabe von Canettis „Die Blendung“ 1948. Zeitschriften, wie „Das Lot“ oder „Die Fähre“, oder der Rundfunk mit seinen Literatursendungen sind da schon weiter als die Buchproduktion.

IV. Die zweite Periode: 1949-1965

Mit der Währungsreform vom Sommer 1948, der damit verbundenen Liberalisierung des Warenverkehrs sowie mit der Aufhebung der meisten alliierten Kontrollrechte im Buch-und Pressewesen ab 1949 normalisieren sich die Beziehungen zwischen Literaturangebot und Literaturnachfrage. Kunst-freiheit und Gewerbefreiheit gehen nun eine scheinbar ideale Verbindung ein. Es ist nicht ohne Symbolkraft, daß 1949 der erste deutsche Bestseller der Nachkriegszeit erscheint; „Götter, Gräber und Gelehrte“, der Roman der Archäologie von Ceram/Marek bei Rowohlt. Zwanzig Jahre später werden davon zwei Millionen Exemplare verkauft sein. Und ein Jahr danach beginnt dann -wiederum bei Rowohlt, der sich damit als der eigentliche Modernisierer unter den Nachkriegsverlegern erweist -die Ära der Taschenbücher. Das Kürzel rororo, nun klein geschrieben, wird zum Markennamen. Ledig-Rowohlt kann dabei auf zwei Erfahrungen aufbauen. Die eine hat er gerade mit seiner Romanzeitung selbst gemacht, die andere stammt aus dem Ausland. Seit den dreißiger Jahren gibt es in England die Penguin Books, und seit den vierziger Jahren breiten sich die Pocket Books in den USA aus. Von dort kommen sie in Gestalt der Armed Services Editions mit den amerikanischen Soldaten nach Europa, und mancher Deutsche macht seine ersten Leseerfahrungen mit amerikanischer Literatur in der Originalsprache über diese sehr improvisierten Nachdruck-Taschenbücher, die in den Räumen der Besatzungsarmee herumliegen. Ledig benutzt 1949 die erste Möglichkeit zu einer Studienreise nach Amerika, um den dortigen Taschenbuchmarkt zu studieren. Dabei wird ihm klar, daß dieser Markt Kapitalkraft, Programm-Ressourcen, Vertriebsorganisation und Marketing-stärke voraussetzt. Also beschafft er ein Darlehen zur Vorfinanzierung der erheblichen Produktionskosten, engagiert Druck-und Vertriebsfachleute und mobilisiert die Rechtevorräte des eigenen Verlages wie die von potentiellen Lizenzgebern. Die Zeit der Improvisationen ist nun vorbei. Am 17. Juni 1950 werden die ersten vier mit bunten Umschlägen versehenen rororo-Taschenbücher ausgeliefert -vier bekannte und beliebte Titel von Hans Fallada, Graham Greene, Rudyard Kipling und Kurt Tucholsky. Zwei Jahre später folgt der S. Fischer Verlag mit seiner Fischer Bücherei; Ullstein und List, Goldmann und Heyne treten in den neuen Markt ein. 1965 ruft der französische Literatur-Soziologe Robert Escarpit die „Revolution des Buches“ aus und meint damit den Massenmarkt der Taschenbücher.

Dreißig Jahre später muß man bezweifeln, daß diese Revolution je stattgefunden hat. Billige Buchreihen, die auf den Prinzipien von Standardisierung, rationeller Produktion und Markenwerbung beruhen, gab es auch früher schon, übrigens auch bei Fischer. Die besondere Konjunktur der Taschenbücher in der Bundesrepublik der fünfziger und sechziger Jahre -lange betrug die normale Erstauflage 50 000 Exemplare -hatte ihren Grund offenbar in der aufgestauten Lese-und Kaufbereitschaft der Nachkriegsbevölkerung, auch in der zunehmenden Internationalisierung (die mit den Besatzungsmächten begann) sowie in den ebenfalls aufgestauten Rechtevorräten der Verlage. So konnte der Eindruck entstehen, das Taschenbuch sei die Produktform der Zukunft schlechthin. Große Serien von Originalausgaben, wie das „Fischer Lexikon“ oder „rowohlts deutsche enzyklopädie" (rde), verdanken ihre Entstehung genau diesem Optimismus. Und so modernisieren die Taschenbuchreihen auch ihre Inhalte: Hugo Friedrichs „Strukturen der modernen Lyrik“ erscheint im September 1956 in einer Auflage von 40 000 Exemplaren bei Rowohlt.

Während die Taschenbuchproduktion in jeder Hinsicht expandiert, setzt eine andere Marktstrategie gerade auf Reduktion und Popularität des Angebots. Gemeint sind die in den fünfziger Jahren das Land überziehenden Buchgemeinschaften, die so erfolgreich operieren, daß zwei von ihnen die Kerne großer Buchkonzeme werden. 1961 wird die Zahl der Buchgemeinschafts-Mitglieder in Westdeutschland auf vier Millionen geschätzt. Der traditionelle Buchhandel erfährt die herumreisenden Werbekolonnen als existentielle Bedrohung. Dabei erlauben die Buchgemeinschaften eher eine Zusatzverwertung, ähnlich den Taschenbuchreihen. aber ohne mit diesen in einen Preiswettbewerb zu treten. Offenbar trennen sich hier die intensiven, aber traditionsgebundenen Leser von den extensiven und neugierigen. Dabei kommen die Buchgemeinschaften dem Unterhaltungsbedürfnis eher entgegen. Simmels Roman „Es muß nicht immer Kaviar sein“ von 1960. von dem bis Mitte der achtziger Jahre fast eine halbe Million Taschenbücher verkauft sind, erreicht im Bertelsmann Lesering noch einmal eine ganze Million. Hier wie anderswo zeigt sich, wie sehr das kaufende Publikum aus Segmenten zusammengesetzt ist, die sich deutlich voneinander unterscheiden, aber auch überschneiden.

Unterhaltung wird zum Hauptwort der Periode. Die fünfziger Jahre bescheren den Lesern eine Konjunktur der so lange in Deutschland problematisierten Unterhaltungsromane. Die Namen von Kirst. Konsalik oder Simmel sind zu Beginn der fünfziger Jahre schon in aller Munde, der Illustrierten-Roman erfreut sich großer Beliebtheit, und Verfilmungen fördern die Verbreitung: Die Besucherzahl der Kinos steigt zwischen 1945 und 1956 um mehr als das Fünffache.

Ein besonders erfolgreiches Medium der Unterhaltungsliteratur entfaltet sich außerhalb des Buchhandels: Es sind die von Presseverlagen produzierten und über den Pressevertrieb flächendeckend verbreiteten Heftroman-Serien, eine Genreliteratur mit feststehenden Themen und wiederkehrenden Leitfiguren. In mehreren hunderttausend Exemplaren pro Woche kommen Perry Rhodan und Jerry Cotton, kommen all die Ärzte-,

Liebes-und Kriegsgeschichten zu ihrem festen Leserstamm; die Leserschaft beträgt ein Mehrfaches der riesigen Verkaufsauflage. Im Jahr 1971 erreicht die Gesamtproduktion eine Stückzahl von über 300 Millionen.

Auffallend ist, wie ein Jahrzehnt nach Kriegsende der Krieg zum Thema der populären Unterhaltung wird: In „Bestsellern“ des Buchmarkts, in Heft-und Illustrierten-Serien, zugleich auch im Kino erscheint der „Landser“ des Zweiten Weltkriegs als eine Art Abenteuerfigur. Die Verbreitung dieser Kriegsbücher ist immens: Der erste Band der „ 08/15“ -Trilogie von Hans Hellmut Kirst aus dem Jahr 1954 erreicht in kurzer Zeit eine Auflage von 450 000 Exemplaren; „Der Arzt von Stalingrad“ von Heinz G. Konsalik (1956) bringt es schnell auf dieselbe Auflage; der Kriegsgefangenenroman „So weit die Füße tragen“ von Josef Martin Bauer (1954) nähert sich bald der Milliongrenze. Selbst im Ausland konnte sich ein Autor wie Willi Heinrich („Das geduldige Fleisch“, 1955) ein festes Publikum erobern. In Kinofilmen. Hörspielfolgen und natürlich in Buchgemeinschaftsausgaben findet die Weiterverwertung dieser Stoffe statt. „Landserhefte“ werden auch zu einem Problem des Jugendschutzes. Daß in dieser Zeit die letzten Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion zurückkehren, daß die Debatte um die Wiederbewaffnung in der Bundesrepublik Emotionen und Erinnerungen weckt, ist nur eine unzulängliche Erklärung für die literarische Konjunktur des Kriegserlebnisses in den fünfziger Jahren.

Es geht nicht an, diese Leserscharen über den Anhängern von Böll, Grass und Lenz zu vergessen, schon weil sich da ganz offenbar auch Schnitt-mengen ergeben. Zwar zeigt die neue deutsche Literatur am Ende der fünfziger Jahre in Westdeutschland eine späte Präsenz, und erst jetzt wird die Gruppe 47 zu einem bedeutenden Faktor des Literaturmarktes. Aber immer noch begegnet ihr ein gelegentlich aufflammendes Ressentiment, wie die Ablehnung des Bremer Senats zeigt, den Literaturpreis von 1960 an den jungen Günter Grass zu verleihen. Und immer noch ist die experimentelle, an Formproblemen interessierte Literatur die Sache kleiner Zirkel. Die Beispiele sind schnell aufgezählt: Alfred Andersch mit seiner kurzlebigen Zeitschrift „Texte und Zeichen“ (1955-1957) sowie seiner Buchreihe „Studio frankfurt" (19521953); Walter Hollerer mit seinem Lyrikbuch „Transit“ (1956) und der schon 1954 noch nicht dreißigjährig verstorbene Verleger, Herausgeber und Übersetzer Rainer Maria Gerhardt mit den „fragmenten“.

V. Die dritte Periode: 1966-1978

Die Aura des „Guten Buches“, die im Bildungska non des deutschen Bürgertums eine so wichtige Rolle gespielt und sich über zwei Weltkriege hin weg, etwa im Insel Verlag exemplarisch dargestellt hatte, verflüchtigt sich mm mehr und mehr. Das hat seine Gründe in zwei Bewegungen der sechziget Jahre, die scheinbar gegenläufig, in Wirklich keil eng aufeinander bezogen die Einstellung zu den Büchern verändern: Gemeint ist die Kommer zialisierung des westdeutschen Literaturmarktes und die Politisierung seiner Adressaten.

Schon 1958 hatte Ilans Magnus Enzensberger unter der Überschrift „Bildung als Konsumgut" die Taschenbuch Produktion als Beispiel einer neuen Bewußtseinsindustrie vorgeführt, detailliert in der Kritik und zugleich fasziniert von den publi zistischen Möglichkeiten des Mediums. Das Ver lagswesen erlebt jetzt eine Welle der Firmenkon zentrationen. Die Mischkonzerne Bertelsmann und Holtzbrinck akquirieren Buchverlage und kombinieren sic mit Druckereien, Taschenbuch reihen, Buchgemeinschaften, Presse Erzeugnissen und Schallplatten zu kompletten Verwer tungsnet zen. Dm den Verlag Langen Müller herum ent steht eher im stillen die Verlagsgruppe Fleißner. Das Verlagswesen beginnt sich nach amerikani schein Vorbild zu industrialisieren. Aber die dadurch hervorgerufene Kritik bedient sich eben falls der Druckmedien: 1965 gründet Enzensber ger sein „Kursbuch" im Suhrkamp Verlag, und die innerbetriebliche LektorenOpposition dort wie in anderen Verlagen strebt den Zugriff aut die Publikationsmittel an. Zugleich meldet sich die Interessenvertretung der literarischen Autoren 1972 erscheint übrigens in einem Konzernverlag der „Autorenreport“, der aut das zunehmende Mißverhältnis zwischen der Verwertungsindustrie und den Urhebern aufmerkam macht. 1973 beschließt der Verband deutscher Autoren den Beitritt zur Industriegewerkschaft Druck und Papier.

Es ist interessant zu beobachten, wie im Schatten der wachsenden Großbetriebe mm eine Fülle klei ner und kleinster Verlage entsteht, deren literari sehe Kompetenz sich zumeist umgekehrt propor tional zu ihrer Kapitalkraft verhüll. Einer von ihnen, der Verlag Roter Stern, dringt ms Allerhei ligste der Verlegerzunft vor und ediert eine histo risch kritische Hölderlin Ausgabe (1975). Das literarische Leben wird dadurch erheblich bereichert, und cs erfährt eine weitere Anregung durch die trotz allei I Imdct nisse aut dem I izenzweg einst rö inende I iteratur aus dei DDR Ls ist erstaunlich genug, wie die unter anderen Lebenserfahrungen entstandenen Bücher von Christa Wolf, Volker Braun odei Irmtraud Morgner ohne Umstünde in die I iteraturzirkulation der Bundesrepublik eilige führt rezensiert, gelesen und zu (iegenständen des öffentlichen Unterrichts gemacht werden als sei, nach einem Wort von Grass, Deutschland ein lite rarischer Begriff. Das Befremden setzt erst cm, als die (irenze füllt.

Kem Zweifel; Es herrscht in diesen Jahren eine Konjunktur des Büchci machens und des Bücherie sens. Und wie bei jeder Konjunktur zeigen sich auch erste Anzeichen von Überanstrengung, In den großen Ver lagen vermindert der Verwert ungs druck den Vorrat an Buchrechten schneller, als neue Büchci geschrieben werden Das merken die von Lizenzen abhängigen, bisher so florierenden Buchgemeinschaften ebenso wie die Taschenbuch Verlag, c. Wühlend die einen versuchen, mit immer höheren Aufwendungen ihren Mitgliederbestand wenigstens zu hallen, expandieren die anderen weiter, wobei die Erstauflagen sinken von anfänglich 50 000 auf 20 000 und 10 000 , die Beschaffungskosten steigen und die Ladenpreise anziehen. Immerhin ist zu den Taschenbuchunter nehmen der Gründerjahre 1961 noch der bedeu (ende Deutsche Taschenbuch Verlag hinzugekom men und sind Anfang der siebziger Jahre noch neue Reihen bei Suhrkamp, Insel und I uchter hand entstanden Ein Verdrängungswettbewerb ist unver meidlich.

Den Vorteil der aufgeregten Buchmarktzeiten haben die Leser. Die Bestseller listen zeigen jetzt ein weites Spektrum von I iteratur: von Hildegard Knef und Erich von Däniken über Eric Malpass zu Günter Grass, Inka Runge und Günter Walhall Solche Bestseller listen spielen in Westdeutschland seit dem Ende der fünfziger Jahre eine zuneh inende Rolle bei der Steuerung der Buchnach frage: der „Seller Teller" der Wochenzeitung „Die Zeil“ (seil 1957), die SPIEGEL-Bestsellerliste (seil 1961, ab 1971 im „Buchreport") als Publi kumslisten, später die „Bestenliste“ des Südwest funks als Kritikerauswahl (seil 1975).

Trotz der unterschiedlichen Erhebungsverfahren lassen sich die „Lieblingsbücher" besti...... ter Jahre deutlich daraus ablesen. 1970 zum Beispiel belegten viel titel die ersten viel Plätze der Publi kumslisten in wechselnder Reihenfolge Hildegard Knet „Del geschenkte Gaul", . Iohannes Mai io Simmel: „Und Jimmy ging zum Regenbogen", Alexander Solschenizyn: „Im Interesse der Sache" und Henri Charriere: „Papillon“. Als die Zeitschrift „Capital“ eine kumulierte Bestsellerliste der Jahre 1965-1970 veröffentlicht, stehen nicht Böll, Frisch oder Lenz an erster Stelle, sondern der Roman „Geometrie einer Ehe“ von Willi Heinrich aus dem Jahr 1967. Die Zusammenfassung aller SPIEGEL-und Buchreport-Listen von 1961-1996 führt als erste Titel die „Unendliche Geschichte“ von Michael Ende, „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ von Gabriel Garca Märquez und „Der Schamane“ von Noah Gordon an -und immer noch an neunter Stelle Hildegard Knefs „Der geschenkte Gaul“. Bestplazierter Autor ist mit allen seinen Büchern Johannes Mario Simmel; er stand insgesamt 169 Wochen lang an erster Stelle.

Allerdings: Rückschlüsse auf das Leseverhalten der gesamten Bevölkerung (oder auf den Geschäftserfolg von Verlagen) lassen sich aus solchen Skalen nur mit größter Vorsicht ziehen -zu leicht verdeckt die Mengenkonjunktur einzelner Titel die Präferenzen wichtiger Lesergruppen. Sicher ist aber, daß die Favoriten der Bestseller-listen mit dem gebotenen Zeitabstand in den Programmen der Buchgemeinschaften und der Taschenbuchverlage wieder erscheinen. So begegnen uns in den Taschenbuch-Bestsellerlisten von 1970 die Original-Bestseller von 1968 aufs neue: „Airport“ von Arthur Hailey, „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz und der Serienerfolg „Angelique“ von Anne Golon.

Anders die „Bestenliste“ des Südwestfunks. Hier erscheinen in den siebziger Jahren, unabhängig von ihrem Auflagenerfolg, so interessante Bücher wie „Abend mit Goldrand“ von Arno Schmidt, „Montauk“ von Max Frisch, Kafkas Briefe an Otla oder „Versuchte Nähe“ von Hans Joachim Schädlich. Kritikerkommunikation und Fernseh-Präsentation haben aber auch solchen Titeln zu größerer Publizität verhülfen, als ihnen ohne solche Anstrengungen beschieden gewesen wäre.

Zur Publizität: Der erwähnte Bestseller „Der geschenkte Gaul“ von Hildegard Knef, 1970 bei Molden in Wien erschienen, gilt als früher Höhepunkt verlegerischer promotion. Der Werbe-Etat betrug 250 000 DM; es wurden 2 000 Gratisexemplare an den Buchhandel vorab versandt; eine mehrwöchige Lesereise führte die Autorin durch 26 Städte; eine Schallplattenaufnahme erschien als Doppelalbum. Die verkaufte Auflage betrug nach kaum einem Jahr 500 000 Exemplare. Heute erscheint an diesem Fall bedeutsamer, daß die Medienkarriere der Verfasserin eine wichtige Voraussetzung für den Bucherfolg war.

VI. Die vierte Periode: 1979 bis heute

Mit dem ersten großflächigen Buchkaufhaus im Herzen der Stadt München eröffnet der Buchhändler Heinrich Hugendubel 1979 zugleich auch eine neue Ära. Der Buchhandel, lange Zeit als vom Verlag abhängige sekundäre Sparte verkannt, entwickelt jetzt seine eigene Marktmacht und läßt sie in Großbuchhandlungen, Filial-und Franchise-Ketten sowie in Direktvertriebsunternehmen wie „ 2001“ und später „Weltbild“ deutlich sichtbar werden. Aus der traditionellen Angebotsstärke der Verlage wird die Nachfragestärke der Großvertreiber und Zentraleinkäufer. Aus den unverkauften Resten der Überproduktion entwickelt sich ein zweiter Markt, der unter der freundlichen Bezeichnung „Modernes Antiquariat“ erfolgreich mit Niedrigpreisen operiert; er wird bald auch von Spezial-Verlagen mit Nachschub versorgt, die alte und neue Nachschlagewerke, Kinderbücher und Kunstliteratur billig produzieren. Neben das übliche Novitätenangebot tritt so das Recycling ruhender Buchrechte. Die Bücherfreunde gewöhnen sich daran, große Buchhandlungen durch Stapel von Sonderangeboten hindurch zu betreten, um sich dann einem zahlenmäßig beträchtlichen Angebot präsenter Titel aus der laufenden Produktion gegenüber zu sehen: mit der Rolltreppe durch die Bücherwelt.

Dies gilt übrigens auch in einem geographischen Sinn, denn die Belletristik wird nun mehr und mehr international, etwa ein Drittel besteht derzeit aus Übersetzungen. Davon wiederum stammen 75 Prozent aus dem englischen Sprachbereich, aber auch die „kleineren“ Literatursprachen -wie die schwedische, niederländische oder polnische -sind zahlreich vertreten. Der Horizont ist erweitert, aber die literarische Orientierung ist erschwert. Spontankäufe sind die naheliegende Reaktion. Es sei denn, ein Buchtitel ist bereits auf anderem Wege ins Gespräch gekommen. Tatsächlich beziehen immer mehr Bücher ihre Inhalte und ihre Publizität nicht aus sich selbst, sondern aus dem Fernsehen, der Musikszene, dem Computerwesen oder dem Kino. Der Bogen reicht von Klassikerausgaben aus Anlaß einer Verfilmung (Joseph Conrad, Jane Austen) über Filmbücher (Jurassic Park), Seriengeschichten („Akte X“) und Bücher von TV-Stars (wie Alfred Biolek) bis zum „genialen Buch zum genialen Ei“. „Kein Zweifel: Das Buch zur Fernsehserie wird zum Merchandising-Hit“, berichtet das Börsenblatt vom 16. 1. 1998 und meint damit nicht nur die Millionen-Verbreitung der Bücher, sondern auch die Erlösanteile der Sender. Allerdings ist der Bedeutungsverlust des Buchmediums in diesen Fällen unverkennbar -es wird zum Sekundärmedium und ist nur als solches erfolgreich. So ist nicht mehr nur die amerikanische Buchwerbung voll von Rückverweisen auf die Medienpräsenz von Werken und Autoren. Die Visualisierung geht der Lektüre voraus, auch hierzulande.

Nach einer nur kurzzeitig wirksamen Markterweiterung durch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten antwortet das Verlagsgewerbe auf die zunehmende Nachfragemacht des Handels mit der weiteren Diversifikation seiner Programme. Jeder macht nach Möglichkeit alles. Alte, oft schon erloschene Verlage werden reaktiviert, neue Beteiligungen, neue Imprint-Verlage ohne eigenen Geschäftsbetrieb treten im Dutzend auf, neue Taschenbuchverlage entstehen, alte Taschenbuch-verlage nehmen gebundene Bücher ins Programm. Eine solche Scheinkonjunktur vergrößert die schon lange beklagte Überproduktion -und je mehr produziert wird, um so radikaler wählt der Handel aus dem Verlagsangebot aus. Der Restauflagenhandel blüht, die Lebensdauer der Neuerscheinungen verkürzt sich. So entsteht ein fataler Zirkel aus Überproduktion und Lagerräumung.

Angesichts immer neuer Ladenketten und Ketten-läden -z. B. „Weltbild plus“ mit derzeit 60 Filialen in den drei deutschsprachigen Ländern -hat der gelegentliche Buchkäufer jedoch nicht zu klagen. Die Auswahl dessen, was auf Regalen und in Versandkatalogen angeboten wird, ist groß genug, um seinen Bedürfnissen Genüge zu tun. Und auch diejenigen Leser, die in einer Umfrage von 1996 angaben, „besonders gerne Bücher zu lesen“, finden Wege (und Buchhandlungen), um sich ihre Bücher zu beschaffen. Ihnen zeigt sich noch immer das Buch als ein offenes und vertrautes Medium, das erst im Kopf des Lesers wirksam wird -dort, wo Phantasie und Erinnerung ihren Sitz haben. Für sie werden die Feuilletons der Tages-und Wochen-zeitungen gemacht, für sie die Literatursendungen des Rundfunks. Eine sich schnell ausbreitende Hörbuchproduktion auf Tonträgern kann ihnen als Ergänzung (oder als Alternative) zur Lektüre dienen. Vor allem aber sind sie die Adressaten der riskanten literarischen Programme kleiner und großer Verlage. Was Wagenbach für die italienische Gegenwartsliteratur tut und Hanser für die skandinavische, wie die Friedenauer Presse sich für die russischen Klassiker engagiert, Fischer für Virginia Woolf und Luchterhand für Ernst Jandl -das alles bedeutet für diese Leser eine immaterielle Wert-schöpfung, die sich mit der materiellen Buchproduktion unlösbar verbindet.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Hans Altenhein, Dr. phil., geb. 1927; Verlagsbuchhändler und Literaturwissenschaftler; Honorarprofessor an der TU Darmstadt. Veröffentlichungen u. a.: Wiedereröffnung. Westdeutsche Verlage nach 1945, in: neue deutsche literatur, 42 (1994) 2; (Hrsg.) Probleme des Verlagsgeschäfts. Beiträge zur Entwicklung des Literaturmarktes, Wiesbaden 1995; Theorien des Buchhandels, in: Buchhandelsgeschichte, (1997) 4; Im Spiegel: DDR-Literatur in den Hauspublikationen eines westdeutschen Verlages, in: Mark Lehmstedt/Siegfried Lokatis (Hrsg.), Das Loch in der Mauer. Der innerdeutsche Literaturaustausch, Wiesbaden 1997.