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Deutschlands und Europas Abhängigkeit von China | Europäische Wirtschaftspolitik | bpb.de

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Deutschlands und Europas Abhängigkeit von China

Michael Radunski

/ 9 Minuten zu lesen

Der Krieg in der Ukraine zeigt, das enge wirtschaftliche Verflechtungen auch mit Abhängigkeiten einhergehen. Dies gilt nicht nur für Russland, auch die Handelsbeziehungen zwischen der EU und China scheinen zu einem Problem geworden zu sein. Es gibt Möglichkeiten, die Risiken zu mindern, analysiert der Berliner China-Experte Michael Radunski.

Der chinesische Präsident Xi Jinping und Bundeskanzler Olaf Scholz treffen sich in der Großen Halle des Volkes in Peking. (© picture-alliance/AP, Kay Nietfeld)

Im Grunde ist die wirtschaftliche Verflechtung von China und Europa eine beeindruckende Erfolgsgeschichte: Der Volksrepublik gelang in den vergangenen Jahrzehnten ein beispielloser Aufstieg – und viele Unternehmen aus der Europäischen Union erzielten dabei immer größere Gewinne. China ist heute noch vor den USA der wichtigster Handelspartner Europas – für Deutschland bereits zum sechsten Mal in Folge.

Allein im vergangenen Jahr wurden zwischen den beiden Ländern Waren im Wert von mehr als 245 Milliarden Euro gehandelt. Das ist fast ein Drittel des europäisch-chinesischen Handels. Während der EU-Anteil der Ex- und Importe in die Vereinigten Staaten im Vergleich zum Jahr 2000 auf inzwischen 15 Prozent abgenommen hat, verdreifachte sich der Anteil Chinas im selben Zeitraum nahezu auf gut 16 Prozent.

Längst ist das Land in Fernost nicht mehr nur Absatzmarkt und Rohstofflieferant für hiesige Unternehmen, sondern zunehmend auch Investitionsstandort. Europas Unternehmen profitieren dabei auch davon, dass die Chinesinnen und Chinesen immer mehr Geld verdienen und entsprechend mehr kaufen. Zudem produzieren die Firmen in China und steigern mit den noch immer vergleichsweise niedrigen Löhnen ihre Profite. Zu guter Letzt forschen Unternehmen aus der EU und Deutschland vermehrt in China – weil auch die Schulen und Universitäten des Landes inzwischen zu den besten der Welt gehören.

Konkret heißt das für deutsche Unternehmen: Die Stuttgarter Bosch GmbH beschäftigt in China 60.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deutsche Autobauer wie Volkswagen, BMW oder auch Daimler produzieren mittlerweile mehr Autos in China als in Deutschland. Und der Chiphersteller Infineon, der Chemiekonzern BASF oder der Sportartikelhersteller Adidas erzielten in der Vergangenheit regelmäßig neue Rekordumsätze – schlicht, weil sie in China so viel verkauften.

Entsprechend euphorisch sind die Firmenchefs: "In den vergangenen zehn Jahren ist das größte Wachstum in China passiert. Dass wir dort jetzt mehr als ein Drittel unseres Absatzes verkaufen, ist eine Erfolgsstory", sagt etwa der Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz Ola Källenius. Stephan Wöllenstein, ehemaliger China-Chef von Volkswagen, ist überzeugt: Wer mit den Besonderheiten des chinesischen Marktes nicht umgehen könne, werde in den nächsten fünf bis zehn Jahren kaum noch ein führender Autohersteller sein. Manchmal, so scherzte er, sei er sich gar nicht mehr sicher, "ob wir entweder der internationalste unter den chinesischen Autobauern sind – oder der chinesischste unter den internationalen Autobauern."

Das hat einen wahren Kern. Kein anderer Absatzmarkt ist für deutsche Unternehmen so wichtig wie China. Das nordrhein-westfälische Technologieunternehmen Aixtron erwirtschaftete beispielsweise in Taiwan und China zuletzt knapp 60 Prozent seiner Umsätze. VW verkauft 42 Prozent seiner Autos in China, Mercedes-Benz 36 Prozent.

Verflechtungen mit Schattenseiten


Geht es nach den Unternehmen, soll das so weitergehen: BASF will in einem neuen Werk in Zhanjiang in der südchinesischen Provinz Guangdong zehn Milliarden Euro investieren. Der Autozulieferer Hella kündigt den Ausbau seiner Fertigung in der Nähe von Shanghai an. Und der Lebensmittel-Discounter Aldi plant Hunderte neuer Läden im ganzen Land. Erfreut meldete das chinesische Handelsministerium: Die Investitionen aus Deutschland sind im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um rund 26 Prozent gestiegen.

Doch solch enge Verflechtungen haben auch ihre Schattenseiten – nämlich dann, wenn daraus Abhängigkeiten werden. Der Krieg in der Ukraine hat deutlich gezeigt, dass selbst vermeintlich stabile Wirtschaftsbeziehungen wie zwischen Deutschland und Russland schnell ins Wanken geraten können. Noch vor einem Jahr schien es unvorstellbar, dass Russland kein Gas mehr nach Deutschland liefern könnte. Und doch kam es genau so: Russlands Präsident Wladimir Putin ließ Anfang September 2022 sämtliche Gaslieferungen nach Deutschland stoppen. Und mit einem Mal wurde klar, wie abhängig Deutschland von russischen Energieexporten ist.

Was für Deutschland gilt, trifft auch auf Europa als Ganzes zu. Deutschland als wirtschaftlich stärkstes Land Europas ist vielmehr das besorgniserregende Beispiel für die große Abhängigkeit der EU – insbesondere von Rohstoffen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte in ihrer Rede zur Lage der Union im September 2022 eindringlich: "Wir müssen verhindern, dass wir erneut in eine Abhängigkeit geraten, wie wir sie jetzt bei Gas und Öl erleben." Man werde weltweit strategische Ressourcen identifizieren und den Bezug der Rohstoffe diversifizieren.

Viele der von der Europäischen Kommission als kritisch eingestuften Rohstoffe werden hauptsächlich in China abgebaut. Dies gilt insbesondere für Seltene Erden. Rund 90 Prozent dieser wichtigen Metalle werden derzeit in China abgebaut – die EU ist in diesem Bereich fast vollständig von China abhängig. In Deutschland stammen 45 Prozent der Importe Seltener Erden aus der Volksrepublik, wie eine Studie des Münchner Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt. Seltene Erden sind unersetzlich für wichtige Zukunftstechnologien wie Brennstoffzellen, Elektromotoren, Windenergie-Anlagen oder Roboter. Laut Ifo-Studie befinde sich Deutschland bei Rohstoffen wie Seltenen Erden, aber auch bei Magnesium bereits in einer "kritischen Abhängigkeit" von China. Bei anderen Rohstoffen sieht es kaum besser aus: Ob Graphit, Silizium, Kobalt oder Lithium – fast überall ist China unter den fünf wichtigsten Exporteuren der Welt.

Zahlen und Fakten: Europa - EU-USA-China

Abhängigkeit von China als Absatzmarkt hoch


Inzwischen hat ein Umdenken in der EU und bei den Regierungen der Mitgliedstaaten eingesetzt. Brüssel schlägt gegenüber Peking neuerdings einen Dreiklang an: China sei nicht mehr nur Partner, sondern auch Wettbewerber, und zunehmend auch Rivale. Es ist ein kritischer – manche sagen: realistischer – Umgang mit China. Einige Politikerinnen und Politiker sagen, die Zeit der europäischen Naivität sei zu Ende, endlich passe Europa sein Verhalten an Chinas "neue Normalität" an.

Und auch in Europas Hauptstädten ist ein neuer Realismus zu erkennen: In Berlin arbeitet man an einer China-Strategie, die einen deutlich kritischerer Umgang mit China einläuten soll. Paris fordert schon länger die Rückkehr der Industriepolitik, um aktiv dem wachsendem wirtschaftlichen Einfluss Chinas zu begegnen. Und in Rom verfolgt die neue rechts-nationalistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ebenfalls neuen, chinakritischen Kurs: Ende Juli veröffentlichte sie gar ein Foto mit Andrea Sing-Ying Lee, dem taiwanischen Vertreter in Italien, auf Twitter. Besonders auffallend dabei: Meloni bezeichnet ihn als "Botschafter" – eine Formulierung, die in Peking nicht gern gesehen wird.

Die Führung in Peking betrachtet die Inselrepublik Taiwan als abtrünnige Provinz und lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass man Taiwan als integralen Teil der Volksrepublik zurück ins Mutterland holen werde – notfalls auch mit militärischer Gewalt.

Europa geht es um mehr wirtschaftliche Autonomie. Mit einem "Critical Raw Material Act" will Brüssel Europas Widerstandsfähigkeit im Bereich der Rohstoffe stärken. Die wirtschaftliche Verflechtung mit China scheint zu einem kaum kalkulierbaren Risiko geworden zu sein. Und auch die Abhängigkeit von China als Absatzmarkt erscheint als zu groß.

Hinzu kommt die sich immer weiter zuspitzende Rivalität zwischen den USA und China. US-Präsident Joe Biden versucht in dieser Auseinandersetzung ein breites Bündnis liberaler Demokratien zu schmieden. Europa muss sich in immer mehr Einzelfällen entscheiden, auf welcher Seite man steht – sei es bei US-Sanktionen gegen China oder beim Aufbau des Netzes für den Mobilfunkstandard 5G durch den chinesischen Konzern Huawei.

Risikofaktor Transportwege und Lieferketten


Ein zweiter Risikofaktor für den europäischen Handel mit China sind die Transportwege. Spätestens seit der Havarie des chinesischen Containerschiffs "Ever Given" im Suezkanal ist deutlich geworden, wie wichtig zuverlässige und sichere Handelswege sind. Auch hier sind schon jetzt Problembereiche erkennbar: seien es die für den globalen Handel unverzichtbaren Handelsrouten durch das diplomatisch umkämpfte Südchinesische Meer oder Chinas Häfen in Shanghai oder Ningbo, deren Corona-Lockdowns zu gravierenden Lieferengpässen und kilometerlangen Schiffstaus auf den Weltmeeren führten.

Dies hatte große Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Vorprodukten. Eine weitere Untersuchung des ifo Instituts zeigt, dass fast die Hälfte aller hiesigen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes auf Vorleistungen aus China angewiesen sind.

In Lieferketten verstecken sich aber auch "indirekte" Abhängigkeiten von China, wenn beispielsweise Unternehmen aus anderen EU-Ländern Rohstoffe aus China importieren, sie weiterverarbeiten und dann als Zwischenprodukte nach Deutschland exportieren. So hat das China-Forschungsinstitut Merics herausgefunden, dass sich die EU-Staaten in insgesamt 103 Produktkategorien in einer "strategisch kritischen Abhängigkeit" von China befinden – in der Pharmazie, bei Chemikalien oder auch bei Elektronikteilen. In all diesen Fällen kommen die Expertinnen und Experten zu dem Schluss, dass es äußerst schwierig wäre, kurzfristig China als Lieferanten zu ersetzen.

Schon jetzt belasten Engpässe bei Mikrochips, Baumaterialien und Stahl die Umsätze in der deutschen Wirtschaft. Bei geopolitischen Spannungen könnten derartige Einschränkungen abrupt zunehmen. Dann könnte Peking die ökonomische Abhängigkeit als Druckmittel nutzen, um politische Loyalität einzufordern. Dass das nicht völlig abwegig ist, zeigt das Beispiel Griechenland. Die chinesische Staatsreederei hält dort die Mehrheit am wirtschaftlich wichtigen Hafen von Piräus – und seither tut sich die Regierung in Athen auffallend schwer damit, China zu kritisieren. 2017 brachte Athen gar durch sein Veto eine kritische Stellungnahme der EU zu Chinas Menschenrechtsverletzungen zu Fall.

Einig in der Diagnose – uneinig in der Umsetzung


Nicht zuletzt kommt dem Faktor Ethik in den globalen Wirtschaftsbeziehungen eine immer größere Rolle zu – hier steht China aufgrund von Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang oder Tibet massiv in der Kritik. Deshalb will die EU-Kommission nun mit Hilfe eines Lieferkettengesetzes alle Produkte aus Zwangsarbeit aus dem Binnenmarkt entfernen. Deutschland will den gleichen Weg gehen und so seine Unternehmen dazu verpflichten, bei Zulieferfirmen auf die Einhaltung der Menschenrechte wie auch des Umweltschutzes zu achten.

So einig man sich in der Diagnose ist, so uneinig verhält man sich in der Umsetzung – auch in Deutschland: Im Streit um eine Beteiligung der chinesischen Reederei Cosco am Hamburger Containerhafen Tollerort setzte sich das SPD-geführte Kanzleramt gegen sämtliche Bedenken durch und genehmigte den Deal. Im Fall des Dortmunder Chipherstellers Elmos Semiconductors hingegen verhinderte der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck die chinesische Übernahme. Generell ist zu erkennen: In den von den Grünen geführten Außen- und Wirtschaftsressorts will man einen harten Kurs gegenüber China einschlagen, im SPD-geführten Kanzleramt gibt es dagegen jedoch Vorbehalte. Außenministerin Annalena Baerbock hat bereits mehrmals angekündigt, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China reduzieren zu wollen. Mit Blick auf die Interner Link: Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen warnte sie: "Wir dürfen nicht nochmal den gleichen Fehler machen." Baerbock selbst führte gleich entsprechende Beispiele an: Bei Medikamenten wie etwa Antibiotika gebe es teilweise eine komplette Abhängigkeit von chinesischen Produkten.

Doch die Entflechtung der engen Verbindungen mit China wird schwierig. Im Wirtschaftsministerium werden Maßnahmen geprüft, um deutsche Firmen dazu zu bringen, sich statt China anderen asiatischen Staaten zuzuwenden: Einerseits stehen staatliche Investitions- und Exportgarantien in China zur Disposition, andererseits sollen mehr Kredite für Aktivitäten in Ländern wie beispielsweise Indonesien bereitgestellt werden.

Der härtere Kurs gegenüber China findet im Bundestag parteiübergreifend Rückhalt. "Die weiter wachsende Abhängigkeit auch strategisch wichtiger Branchen der deutschen Volkswirtschaft vom chinesischen Markt ist kein privatwirtschaftliches Problem. Im Konfliktfall kann China diese Abhängigkeit als Waffe gegen uns einsetzen", sagt etwa CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen.

Forderungen nach einer neuen China-Politik


Beobachterinnen und Beobachter fordern eine neue China-Politik. Global stehen die Zeichen auf Entflechtung, "Decoupling" erscheint vielen als die beste Lösung. Doch ist Europas und auch Deutschlands Abhängigkeit von China viel komplexer als die von Russland. Sie umfasst wie gesehen wichtige Rohstoffe, neue Technologie und nicht zuletzt auch einen riesigen Absatzmarkt.

Die Lösung könnte ein Zwischenweg sein – zwischen kritischer Abhängigkeit und kompletter Loslösung. Man sollte China nicht komplett den Rücken kehren. Aber es gilt, im Sinne einer stärkeren "Diversifizierung" Alternativen zu finden und aufzubauen, beispielsweise neue Absatzmärkte in Afrika und Lateinamerika oder Produktionsstätten in Indien. Vor allem aber sollte der Produktionsstandort Europa gestärkt werden. Risiken wie Geopolitik, Transport oder Ethik sind hier sehr gering, die Potenziale der EU mit ihrem integrierten Wirtschaftsraum und ihren knapp 450 Millionen Menschen hingegen enorm.

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Zahlen und Fakten

Handelspartner der EU

Beim sogenannten Extra-EU-Export waren im Jahr 2017 die USA, China und die Schweiz die wichtigsten Absatzmärkte der EU. Beim Extra-EU-Import standen China, die USA und Russland an erster Stelle.

Der Sinologe Michael Radunski arbeitete als Korrespondent für verschiedene Medien in China und Indien. Nun ist er in Berlin als Redakteur bei China Table, einem China-Informationsdienst aus Peking, Brüssel und Berlin.