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Was ist TikTok?

Marcus Bösch

/ 4 Minuten zu lesen

(© Adobe-Stock/kinomaster)

TikTok ist nicht die erste Plattform für kurze Videos. In Europa, in den Vereinigten Staaten und in verschiedenen asiatischen Ländern gab es Vorläufer wie beispielsweise Vine, Dubmash oder Kuaishou. Sie alle stehen für den so genannten “short-video turn”, der den “visual turn” im Kontext sozialer Medien fortschreibt .

Aufgrund der flächendeckenden Verbreitung des Internets, besseren Übertragungsraten und zunehmend leistungsfähigeren Smartphones mit Kameras und Mikrophonen, hat die Produktion und Veröffentlichung von Bildern und Videos im Internet zugenommen. Neben text- (Twitter) und bildbasierten (Instagram) Medien sind seit einigen Jahren vor allem Kurzvideoplattformen (eng. Short-video platforms) beliebt. Diese zeichnen sich durch vier Charakteristika aus: die Videodauer, die Möglichkeit zum endlosen Blättern (endless scroll), eingebaute Produktionsmöglichkeiten (integrated content creation features) und die Reproduzierbarkeit (replicability). Die maximale Videodauer bei TikTok ist derzeit (Mai 2023) auf drei Minuten begrenzt. Die durchschnittliche Länge der Videos beträgt 32,4 Sekunden . Das 2017 geschlossene und bis dahin sehr populäre Portal Vine zum Vergleich erlaubte maximal sechs sekündige Videos.

Endloses Blättern bedeutet im Kontext TikTok, das Hochwischen eines vertikal bildschirmfüllenden Videos, um das nächste Video zu starten. Videos müssen hier nicht wie beispielsweise bei YouTube erst durch das Antippen eines Knopfes gestartet werden. Dies führt unmittelbar nach dem Starten der App zu einem nahtlosen Nutzer/-innenerlebnis. Durch das Hochwischen des Videos erscheint direkt ein weiteres Video, das ebenfalls automatisch abgespielt wird. Die Videos loopen, das bedeutet, dass sie am Ende automatisch wieder an den Anfang springen und erneut abgespielt werden. Dank dieser Funktionsweise lassen sich – dem Prinzip eines Glücksspielautomaten nicht unähnlich – nahezu beliebig viele neue Videos entdecken, verbunden mit der unterschwelligen Hoffnung, dass bestimmt jetzt gleich ein Video wartet, das ungewohnt kurzweilig, spannend, extrem oder informativ ist. Dies mündet häufig in verhältnismäßig langen TikTok Sessions. Die durchschnittliche Nutzungsdauer pro Tag beträgt weltweit im Durchschnitt derzeit 95 Minuten . Mit TikTok lassen sich zudem verhältnismäßig einfach Videos produzieren. Mit den Funktionalitäten “Use This Sound” (Nutze den Sound), Duett und Stitch legt ByteDance die Hürde zur eigenen Inhaltserstellung durch Möglichkeiten der Reproduzierbarkeit sehr niedrig an. Ist auf der Plattform beispielsweise ein Tanz zu einem bestimmten Lied zu sehen, dient dieser als visuelle und auditive Vorlage und muss “nur noch” nachgetanzt werden. So fällt die Einstiegshürde weg, sich überhaupt erst mal auf ein mögliches Thema und eine nötige Umsetzung zu konzentrieren. Die Funktionen Duet und Stitch erlauben es zudem, bereits vorhandenes Material zu remixen, um es beispielsweise visuell zu kommentieren. Eine weitere sehr einfache und schnelle Art zur Inhaltsproduktion.

ByteDance hat mit TikTok – aufbauend auf den Vorgängerapps wie Vine oder auch Flipagram – eine optimierte Umgebung geschaffen, die es neuen Nutzer/-innen unmittelbar ermöglicht, sehr einfach und schnell Videos zu konsumieren, beziehungsweise zu produzieren. Dabei setzt die Plattform auf eine algorithmische Auswahl und Bewertung von Inhalten und löst damit ältere Modelle sozialer Empfehlungssysteme, auf Englisch Social Graph , ab. Dieser Prozess lässt sich verdeutlichen, indem man die Erstverwendung des Kurznachrichtendienstes Twitter oder Facebook in den entsprechenden Anfangsjahren mit der Nutzung von TikTok heute kontrastiert. Nach der Anmeldung bei Twitter konnten Nutzer/-innen zwar einen Tweet absetzen, dieser wurde aber nur an Menschen ausgespielt, die ihnen folgten. Notwendig für einen zielführenden Austausch war hier das zeitaufwendige Vernetzen mit anderen Accounts, der langwierige Aufbau eines Netzwerks. Bei TikTok erfolgt die Gewichtung und somit die Ausspielreichweite eines Videos auf Grundlage einer algorithmisch getriebenen Bewertung. Vereinfacht lässt sich der Prozess wie folgt beschreiben: Ein neues Video wird an etwa zehn fremde Nutzer/-innen ausgespielt. Wenn diese das Video direkt wegwischen, nicht liken oder kommentieren, dann ist die Reise des Videos hier bereits vorbei. Es ähnelt dann einem Tweet, der an nicht existente Follower/-innen versendet wurde. Wenn aber alle etwa zehn das Video mehrfach schauen, es liken und kommentieren und mit anderen Nutzer/-innen teilen, dann wandert das Video in die nächst höhere Kategorie und wird ca. 100 Nutzer/-innen ausgespielt. Dieser Prozess wiederholt sich nun im Falle des Erfolgs und der notwendigen Interaktion mit 1000, 10.000 oder mehr Nutzer/-innen. Das bedeutet: Bereits das allererste Video eines neuen Accounts kann sich – zumindest theoretisch – viral verbreiten. Ein Versprechen, das neue Nutzer/-innen motiviert und antreibt. Auch bei der passiven Nutzung setzt TikTok auf Algorithmen. Die Auswahl der angezeigten Videos erfolgt auf Grundlage des individuellen Nutzungsverhaltens. Wenn Nutzer/-in A Videos mit süßen Katzen direkt wegwischt und Nutzer/-in B die gleichen Videos mehrmals anschaut, diese kommentiert oder teilt, dann werden Nutze/-in A zukünftig weniger Katzeninhalte ausgespielt, als Nutze/-in B. Ziel der Plattform ist, Nutzer/-innen möglichst lange auf der Plattform zu halten, um ihnen Werbung ausspielen zu können. TikTok gibt einige Hinweise darauf, wie das Empfehlungssystem funktioniert, auch wenn der Prozess nicht vollkommen transparent scheint . Es werden unter anderem die Accounts, denen individuell gefolgt wird, die Abspieldauer von Videos und auch die Telefoneinstellungen, beispielsweise Sprache, mit in die Bewertung genommen.

Weitere Inhalte

Marcus Bösch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HAW Hamburg und forscht zu TikTok, politischer Kommunikation und Desinformation. Er veröffentlicht den wöchentlichen Newsletter Externer Link: Understanding TikTok.